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Luxemburg [* 2] mit 48, Namur [* 3] und Limburg [* 4] mit 89 Menschen auf 1 qkm die am schwächsten bevölkerten. Von der Bevölkerung [* 5] waren 1882: 2,825,722 männlichen, 2,829,475 weiblichen Geschlechts, so daß auf 1000 Männer fast 1002 Frauen kamen. Nach dem Zivilstand unterschied man 1880 in Prozenten:
Männer | Frauen | |
---|---|---|
ehelos | 64 | 61 |
verheiratet | 32 | 32 |
verwitwet | 4 | 7 |
Die ländliche Bevölkerung verhält sich zur städtischen ungefähr wie 3:1; jene ist in 88 Stadt-, diese in 2496 Dorfgemeinden eingeteilt. Der jährliche Überschuß der Geburten über die Todesfälle ist sehr erheblich; es entfällt eine Geburt auf 33 Personen, aber ein Todesfall in den Städten auf 36,4, auf dem Land auf 44,8. Die mittlere Lebensdauer beträgt 40-41 Jahre. Lebendig geboren wurden 1883: 174,484 Kinder, darunter entfielen auf 100 Mädchen 104,5 Knaben. 8 Proz. waren unehelich. Totgeboren waren 8336 Kinder. Eheschließungen fanden 38,666, Ehescheidungen 216 statt. Von den 119,196 Gestorbenen waren 52,6 Proz. männlichen, 47,4 Proz. weiblichen Geschlechts.
Die Bevölkerung Belgiens ist ein Mischvolk deutscher und keltischer Abkunft, in welchem die Stämme der Flamänder (Vlämen) und Wallonen gegenwärtig noch durch ihr Festhalten an der vlämischen und wallonischen Sprache [* 6] neben Deutschen, Engländern, Franzosen etc., die ihre Muttersprache bewahren, hervortreten. Im J. 1880 zählte man neben 5,376,748 Belgiern 143,261 Fremde, nämlich 41,391 Niederländer, 51,089 Franzosen, 34,186 Deutsche, [* 7] 3789 Engländer und 5041 von andrer Nationalität.
Von der rechtlichen Bevölkerung sprachen 1880 vlämisch 44,9 Proz., französisch 40,5, beide Sprachen 7,6 Proz.; die übrigen sprachen entweder nur deutsch oder außerdem noch französisch oder vlämisch. Unter den einzelnen Provinzen sind überwiegend vlämisch Ostflandern und Antwerpen [* 8] (über 92 Proz.), Limburg und Westflandern (über 88 Proz.); in Brabant überwiegt das Vlämische das Französische bedeutend, während in den übrigen Provinzen, namentlich in Namur, wiederum die französische Sprache herrscht.
Als amtliche wie als Umgangssprache der höhern Stände hat das Französische über die verschiedenen Dialekte den Sieg davongetragen, obschon ihm derselbe in der neuesten Zeit durch die Bestrebungen der Vlämen wieder streitig gemacht wird. Das Wallonische ist ein verdorbener Dialekt des Französischen, das Vlämische ein Dialekt des Deutschen, der weder holländisch noch plattdeutsch ist, aber mit dem Holländischen die meiste Ähnlichkeit [* 9] hat. Das vlämische Sprachgebiet umfaßt den fruchtbarern, reichern und gebildeten Teil des Königreichs; ihm gehören die altberühmten belgischen Städte an mit einem noch durchaus tüchtigen niederdeutschen Volksleben, welches allein in einem Teil von Brüssel [* 10] von französischer Tünche überdeckt erscheint.
Die wallonischen Städte werden vielfach von deutscher Bevölkerung durchflochten; ja, es finden sich in allen wallonischen Provinzen noch ursprüngliche deutsch redende Gemeinden, z. B. in Lüttich: [* 11] Landen, im Hennegau: Enghien. Das belgische Wallonenland bildet ungefähr ein gleichseitiges Dreieck, [* 12] dessen Grundlinie sich an Frankreich lehnt, von Longwy bis Mons, [* 13] und dessen beide Schenkel, die über Lüttich zusammentreffen, von deutschem Gebiet umschlossen sind; wegen dieser gleichsam in Deutschland [* 14] eingetriebenen Gestalt heißt es der »wallonische Keil«.
Die Sprachgrenze ist fast überall sehr scharf gezeichnet. Die Verschiedenheit hinsichtlich der physischen und geistigen Bildung der beiden Volksstämme der Flamänder und Wallonen ist sehr bedeutend. Das Äußere des Flamänders, seine lichten Haare [* 15] und blauen Augen, wie der Grundton seines Innern zeugen für germanische Abkunft. Er ist groß, breitschulterig, von gewaltigem Körperbau, schweigsam, phlegmatisch, von muskulöser Fülle, Willensfestigkeit und starrer, fanatischer Anhänglichkeit an seine Überzeugung und seinen Glauben, mißtrauisch und von grobem, zurückhaltendem Wesen.
Die schwarzen Wallonen in ihren Bergen [* 16] und Felsen dagegen sind ein rühriger, heiterer Menschenschlag von aufgewecktem Sinn und französischer Heftigkeit, wie sie auch Sitte und Sprache der westlichen Nachbarn teilen. Sie sind kriegerisch, der härtesten Arbeit fähig, eine unruhige, ungezügelte Masse, trotzdem mäßiger als die Flamänder. Der Konfession nach ist die Bevölkerung Belgiens fast ausschließlich katholisch, da die Zahl der Protestanten nur auf etwa 15,000, die der Juden auf 3000 geschätzt wird.
Das Land ist demgemäß in sechs Diözesen geteilt: das Erzbistum Mecheln [* 17] (mit den beiden Provinzen Antwerpen und Brabant), die Bistümer Brügge (mit Westflandern), Gent [* 18] (mit Ostflandern), Tournai (mit Hennegau), Lüttich (mit Lüttich und Limburg) und Namur (mit den Provinzen Luxemburg und Namur). Das Erzbistum hat 3 Generalvikare, ein Kapitel von 12 Kanonikern und 1 Seminar; jedes Bistum hat 2 Generalvikare, ein Kapitel von 8 Kanonikern und 1 Seminar. An geistlichen Orden [* 19] bestanden während der Vereinigung Belgiens mit Frankreich zur Zeit der Kaiserherrschaft 44; gegenwärtig zählt man deren 160, zu denen (Ende 1880) 4027 Mönche (darunter am zahlreichsten Jesuiten und Trappisten) in 213 Klöstern und 20,645 Nonnen (am zahlreichsten Beghinen und Schwestern von Saint-Vincent de Paul) in 1346 Klöstern oder geistlichen Gesellschaften gehörten, welche sich der Krankenpflege, dem Unterricht (ausschließlich mit diesem beschäftigt waren 1243 männliche und 9055 weibliche Ordensmitglieder) oder (⅕) dem beschaulichen Leben und dem heiligen Dienst widmen.
Außerdem hielten sich 93 Mönche und 597 Nonnen, die ausländischen Klöstern angehörten, in Belgien auf. Mönchsklöster waren am zahlreichsten in Ostflandern, Brabant und Hennegau, Nonnenklöster außerdem noch in Westflandern. Außer dem katholischen sind der protestantische, anglikanische und israelitische Kultus in Belgien anerkannt. Protestantische Gemeinden bestehen zu Antwerpen, Brüssel, Courtrai, Gent, Hoorebeke Ste.-Marie, Dour, Pâturages, Mons, Tournai, Rongy, Lüttich, Verviers, Seraing, Roulers. Die Juden haben eine Zentralsynagoge in Brüssel, andre zu Antwerpen, Gent, Lüttich und Arlon.
Bildungsanstalten etc.
Die Einrichtungen des öffentlichen Unterrichts in Belgien, besonders des elementaren, haben in diesem Jahrhundert mehrere Wandlungen erlebt. Während durch das Gesetz vom dem Klerus ein maßgebender Einfluß auf die Volksschule eingeräumt war, wurde dieselbe durch das Gesetz vom ausschließlich den weltlichen Behörden unterstellt. Der Sieg der Klerikalen bei den letzten Wahlen hat im September 1884 zur Annahme eines neuen Schulgesetzes geführt, welches die Einrichtung und Erhaltung öffentlicher Volksschulen von dem Belieben der Gemeinden abhängig macht. Der Gemeinderat kann Privatschulen an die Stelle der öffentlichen setzen und aus Gemeindemitteln unterstützen, d. h. den kirchlichen Genossenschaften den Volksunterricht ganz überlassen, falls nicht 20 Familienväter, die schulpflichtige Kinder haben, dagegen ¶
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Einspruch erheben. Die öffentlichen Lehrer können von den Gemeinden abgesetzt und auf Wartegeld (1000 Frank) gesetzt werden. Die Anstellung der Lehrer erfolgt auf Grund eines Diploms, das durch ein Examen erworben ist; doch kann man mit Erlaubnis der Regierung auch ungeprüfte Lehrer anstellen. Dem Religionsunterricht darf in der Schule die erste Stelle eingeräumt werden; wenn sich die Gemeinde weigert, denselben in den Stundenplan aufzunehmen und durch Diener der Kirche erteilen zu lassen, so kann die Regierung auf den Wunsch von wenigstens 20 Familienvätern besondere Schulen dafür errichten. Da die Tragweite dieses Gesetzes noch nicht zu überblicken ist, begnügen wir uns, den Stand des Volksunterrichts vor Erlaß desselben anzugeben. Die oberste Aufsicht führte der vom Unterrichtsministerium ressortierende und aus 14 Mitgliedern bestehende Volksbildungsrat, dem 18 Bezirks- und 80 Kreisschulinspektoren unterstellt waren. Anfang 1882 dienten folgende Anstalten dem Elementarunterricht:
4706 écoles primaires mit 340118 Schülern u. Schülerinnen, | |
2445 écoles d'adultes mit 76918 " " " |
Seit zehn Jahren hat sich die Schülerzahl in den Provinzen Ostflandern, Hennegau, Lüttich, Luxemburg und Namur vermehrt, dagegen in den übrigen Provinzen vermindert. Bei der Volkszählung von 1880 konnten nach Abzug der Kinder unter sieben Jahren nur 70 Proz. der Bevölkerung lesen und schreiben. Bei der Aushebung von 1883 hatten von 52,380 Militärpflichtigen 33,1 Proz. eine höhere Bildung, 48,4 Proz. konnten wenigstens lesen und schreiben, 3,1 Proz. nur lesen.
Mehr als 15 Proz. waren des Lesens und Schreibens unkundig. Dies ist ein schlagender Beweis, daß die Volksbildung in Belgien noch auf einer sehr tiefen Stufe steht. Die Ausbildung der Lehrer und Lehrerinnen für die Volksschule geschieht für jene auf 6 Staatsseminaren (écoles normales) und in 8 Sektionen, die an höhern Lehranstalten bestehen; für Lehrerinnen gibt es 6 Seminare und 7 Sektionen. Der Kursus ist dreijährig. Das höhere Bildungswesen steht unter einem Bildungsrat von 8-10 Mitgliedern, einem Generalinspektor und drei Fachinspektoren, die in Brüssel ihren Sitz haben. Es bestehen (Ende 1882) an Instituten für den Sekundärunterricht: 22 königliche Athenäen, 78 staatliche und 9 kommunale Mittelschulen für Knaben, 33 höhere Töchterschulen, mit 20,929 Schülern und 4361 Schülerinnen.
Die Vorbildung für das höhere Lehramt geschieht auf den Normalschulen zu Lüttich und Nivelles und in der Section normale zu Brügge; für Lehrerinnen bestehen ähnliche Anstalten in Lüttich und Brüssel. Von den vier Universitäten zu Lüttich, Löwen [* 21] (die alte wurde 1835 aufgehoben und die zu Mecheln errichtete hierher verlegt), Gent und Brüssel (1834 gestiftet) sind die zu Gent und Lüttich Staatsuniversitäten, die andern werden als »freie« Universitäten bezeichnet (Brüssel »liberal«, Löwen »katholisch«).
Die vier Fakultäten sind: Philosophie und Litteratur;
mathematische, physikalische und Naturwissenschaften;
Medizin. Ausnahmsweise besteht nur an der Universität zu Löwen noch die Fakultät der Theologie.
Mit den Universitäten zu Gent und Lüttich sind Fachschulen dort für Ingenieure und Künstler, hier für den Bergbau [* 22] verbunden; auch zu den beiden freien Universitäten gehören technische Spezialanstalten. Sie wurden (1882-83) insgesamt von 5182 Studierenden besucht. Außerdem sind noch vorhanden: eine Tierarzneischule (Brüssel);
ein Institut agricole (Gembloux);
zwei praktische Gartenbauschulen;
Bergwerksschulen zu Lüttich und Mons;
eine Handelsschule zu Antwerpen;
eine Militärschule zu Brüssel;
eine Schule für 500 Soldatensöhne zu Lierre;
eine Reitschule zu Ypern;
Schiffahrtsschulen zu Ostende, [* 23] Antwerpen und seit 1877 zu Nieuport;
Fabrikschulen (1882: 33) besonders in Brabant, Hennegau und Flandern.
Brüssel hat eine königliche Akademie der Wissenschaften in drei Abteilungen: für Wissenschaft, für Litteratur und für Kunst. Andre außerordentlich zahlreiche wissenschaftliche Gesellschaften für Naturwissenschaften und Medizin, für Feld-, Garten- und Obstbau, für Musik, Theater, [* 24] Litteratur, Kunst etc. sind in den Provinzen, die meisten in Flandern, Antwerpen und Brabant (vornehmlich in Brüssel).
Andre wissenschaftliche Anstalten sind: die große königliche Landesbibliothek zu Brüssel (s. d.), die öffentlichen Bibliotheken zu Gent und Lüttich, die Universitätsbibliothek zu Löwen u. a. Außerdem gibt es 17 städtische Bibliotheken, die mehr als 26,000 Bände zählen. Unter den Archiven sind besonders das allgemeine Reichsarchiv zu Brüssel und das der Stadt Brügge hervorzuheben. Endlich besitzt Brüssel auch eine Sternwarte, [* 25] ein naturwissenschaftliches Museum, ein Industriemuseum (1841 reorganisiert), ein Museum der Waffen, [* 26] Altertümer und der Artillerie.
Für Kunst und Litteratur bestehen überhaupt über 100 Anstalten in allen Provinzen des Landes; die hauptsächlichsten sind: die königlichen Akademien der schönen Künste zu Antwerpen und Brüssel für Malerei, Bildhauerei, Baukunst [* 27] und Kupferstecherkunst und das Museum für Malerei und Bildhauerei zu Brüssel;
für Bildung in der Musik zwei Konservatorien zu Brüssel und Lüttich mit unentgeltlichem Unterricht auf Staatskosten.
Der Sitz des Bücherdruckes ist hauptsächlich Brüssel. Die periodische Presse [* 28] hatte 1883 folgende Ausdehnung: [* 29] es erschienen 343 politische Zeitungen, wovon 59 täglich ausgegeben wurden, von Fachblättern und Zeitschriften 19 für Finanzwesen, 55 für Landwirtschaft, Handel und Industrie, 224 für Litteratur, Wissenschaft und Kunst.
Bodenprodukte, Landwirtschaft, etc.
Die Bodenkultur und Landwirtschaft haben sich in unter keineswegs günstigen Lokalverhältnissen zu einer hohen Stufe der Vollkommenheit erhoben. Von Behörden, denen diese Förderung zu danken ist, bestehen: Ein vom Ministerium des Innern ressortierender oberster Landwirtschaftsrat, dem in jeder der neun Provinzen eine Ackerbaukommission unterstellt ist. Endlich ist das Land in 118 Ackerbaudistrikte geteilt, deren jeder einen landwirtschaftlichen Verein hat, der sich zweimal des Jahrs behufs der Fortschritte im Ackerbau versammelt.
Außerdem bestehen 169 landwirtschaftliche (darunter 17 Zentral-) Vereine. Etwa ein Viertel der Gesamtbevölkerung Belgiens ist mit dem Ackerbau beschäftigt (die wenigsten, 16 Proz., in Lüttich, die meisten, 32 Proz., in Limburg) und zwar ⅜ Frauen und ⅝ Männer. Der unkultivierte Kommunalboden betrug 1846: 162,896 Hektar, davon wurden bis 1881: 91,134 Hektar für die Kultur gewonnen. In 1866 (dem letzten Jahr, aus welchem offizielle Mitteilungen darüber vorliegen) waren folgende Bodenflächen bestellt mit:
Roggen | 288966 | Hektar | Erbsen und Wicken | 13645 | Hektar |
Weizen | 283542 | " | |||
Hafer | 229744 | " | Flachs | 57045 | " |
Spelz | 64342 | " | Runkelrüben | 18075 | " |
Gerste | 43618 | " | Hanf, Hopfen | 13776 | " |
Mengkorn | 35488 | " | Kartoffeln | 171398 | " |
Buchweizen | 21435 | " | Futterkräutern und -Rüben | 204370 | " |
Bohnen | 24264 | " |
Wiesen und Weiden waren 365,805 Hektar, Gemüsegärten 37,330 Hektar. Weizen wurde besonders in ¶