(Beskow, Besekau), Kreisstadt im preuß. Regierungsbezirk
Potsdam,
[* 2] an der
Spree, Sitz des Landratsamtes für
den
Kreis
[* 3] Beeskow-Storkow und eines Amtsgerichts, hat eine große
Kirche, Wollspinnerei,
Mehl- und
Schneidemühlen mit Dampfbetrieb,
Stärke-,
Sirup- und Tuchfabrikation,
Kalk- und Ziegelbrennereien und (1880) mit der
Garnison (2
EskadronsUlanen Nr. 3) 4323 Einw.
Die Herrschaft Beeskow kam 1555 durch
Kauf an
Brandenburg.
[* 4]
Ludwig van, der größte deutsche Tondichter, nach wahrscheinlicher
Annahme zu
Bonn
[* 5] geboren.
Sein
Großvater
Ludwig, ein Belgier aus
Antwerpen,
[* 6] war seit 1761 Hofkapellmeister in
Bonn (gest. 1773), sein
VaterJohannTenorist in der
kurfürstlichen
Kapelle (gest. Letzterer war ein gutmütiger, aber reizbarer Mann; seine mit
den
Jahren wachsende
Neigung zum Trunk machte ihn zuletzt zur
Wahrnehmung seiner
Stellung untauglich und unfähig, auf das
Gemüt
des begabten, aber von früher Zeit an
in sich verschlossenen
Knaben einen günstigen Einfluß zu üben.
Ein Gegengewicht gegen diese traurigen
Eindrücke bildete die sorgsame und liebevolle
Mutter (eine geborne
Kewerich aus
Ehrenbreitstein), die aber schon 1787 starb. Den ersten
Unterricht erhielt Beethoven von seinem
Vater, der in richtiger
Erkenntnis des bedeutenden
Talents sich in ihm möglichst rasch eine
Stütze für den
Erwerb zu erziehen bestrebt war.
In der
Folge wechselte der junge Beethoven seine
Lehrer mehrfach, so daß er noch in spätern
JahrenGrund zu haben glaubte, über den
ungenügenden Musikunterricht seiner
Jugend zu klagen.
Unter den Musikern, deren Unterweisung er genoß (sie gehörten meist der
Kapelle seiner Vaterstadt an), ist der Hoforganist
Neefe hervorzuheben, der ihn im Klavierspiel und in der
Komposition unterrichtete. Durch sein Klavierspiel
und seine freien
Phantasien erregte Beethoven früh die größte Bewunderung.
Schon 1781 machte er eine
Reise nach
Holland, wo er seine
Fähigkeiten produzieren mußte; 1782 und 1783 wurden seine ersten
Kompositionen
(Variationen und drei
Sonaten für
Klavier)
gedruckt, denen 1785 drei
Klavierquartette folgten.
Für seine wissenschaftliche
Ausbildung wurde leider nicht in einer der künstlerischen entsprechenden
Weise gesorgt. Im J. 1784 wurde
der 13jährige
Knabe bereits als zweiter Hoforganist angestellt und 1787 auf einige Zeit nach
Wien
[* 7] geschickt, wo er mit
Mozart
in Berührung kam und einigen
Unterricht von ihm erhielt. Nach seiner Rückreise besserten sich seine
Verhältnisse allmählich, und an dem
GrafenWaldstein wie an der
Familie Breuning erwarb er sich einflußreiche
Gönner und
Freunde.
In der vorzüglichen
Bonner Hofkapelle spielte er
Bratsche, während er gleichzeitig sich im Klavierspiel immer weiter ausbildete;
auch als
Komponist war er thätig, doch ist das meiste damals Entstandene ungedruckt geblieben. Da in
den kleinen Verhältnissen
Bonns die Vollendung seiner künstlerischen
Ausbildung nicht möglich war, so begab er sich im
Winter
1792, unterstützt vom
KurfürstenMaxFranz, dem
BruderKaiserJosephs II., nach
Wien, um dort den
UnterrichtHaydns zu genießen.
Aus dem nur als vorübergehend beabsichtigten Aufenthalt wurde ein dauernder, da nicht bloß Beethovens
Vater um diese Zeit starb, sondern auch das Kurfürstentum und damit Beethovens amtliche
Stellung 1794 durch die französische
Invasion ihr Ende erreichte. In
Wien war er der
Reihe nach
SchülerHaydns,
Schenks,
Albrechtsbergers, um bereits nach zwei
Jahren ganz auf eignen
Füßen zu stehen.
Empfehlungen und
Talent verschafften ihm Zutritt in den
ersten
HäusernWiens;
Baron van
Swieten und die Fürstin
Lichnowski wurden seine besondern
Gönner. Im J. 1795 trat er zuerst als fertiger
Künstler
vor die
Öffentlichkeit, als
Virtuose mit dem
Vortrag seines ersten Klavierkonzerts, als
Komponist mit der
Herausgabe seiner drei ersten
Trios (Op. 1) und der drei
Haydn gewidmeten Klaviersonaten.
Das Aufsehen, welches seine Leistungen schon jetzt erregten, wurde noch erhöht durch eine 1796 unternommene Kunstreise nach
Prag,
[* 8]
Dresden
[* 9] und
Berlin.
[* 10] An letzterm
Ort suchte man, wie es scheint, ihn zu fesseln; da er sich aber in
Wien als
Künstler eine geachtete und gesicherte
Stellung erworben und in dieser sein reichliches
Auskommen fand, blieb er seiner
neuen
Heimat jetzt und sein ganzes späteres
Leben hindurch treu.
FernereReisen, um als
Virtuose auftreten zu können, wurden
ihm unmöglich gemacht durch sein Gehörleiden, welches um 1798 begann und in allmählicher
Steigerung
zuletzt in völlige
Taubheit überging.
Dieses harte
Schicksal wirkte bestimmend auf Beethovens ganzen folgenden Lebensgang, da die produktive Thätigkeit von nun
an immer ausschließlicher sein
Leben ausfüllte und die ausübende in den
Hintergrund trat. Seit etwa 1800 nahm auch das äußere
Leben des Künstlers eine regelmäßige Gestalt an. Den
Winter hindurch widmete er sich in der Hauptstadt
geselligen Unterhaltungen und der Sorge für Aufführung seiner Werke; im
Sommer lebte er meist mehrere
Monate zurückgezogen
in einem der
Dörfer von
Wiens Umgebung, nur mit Ausarbeitung seiner
Kompositionen beschäftigt.
Ein zahlreicher
Kreis von
Freunden umgab ihn, unter denen F.
Ries, mehrere Jahre hindurch sein
Schüler,
genannt zu werden verdient.
KleinereReisen innerhalb des österreichischen
Staats unterbrachen zeitweise die Gleichmäßigkeit
seines
Lebens. Im J. 1809 erhielt er einen
Ruf als westfälischer
Kapellmeister nach
Kassel;
[* 11] damals vereinigten sich mehrere
seiner hochgestellten
Gönner, unter ihnen sein
Schüler,
ErzherzogRudolf, ihn durch eine lebenslängliche
Rente an
Wien zu fesseln. Im J. 1814 war er noch einmal Gegenstand der
Aufmerksamkeit für die durch den
Wiener Kongreß herbeigezogenen
Gäste; von da an aber wurde infolge zunehmender
Taubheit und Unterleibsleiden, mit welchen hypochondrische
Verstimmungen verbunden
waren, sein
Leben ein immer mehr isoliertes.
Nach dem
Tod seines
BrudersKarl (1815) entschloß er sich, den Sohn desselben zu sich zu nehmen und dessen
Erziehung zu überwachen; dies brachte ihm langjährige Streitigkeiten mit dessen
Mutter, während auch die Aufführung des
Neffen selbst der liebevollen Sorge Beethovens keineswegs immer entsprach, Umstände, die ihm seine spätern Lebensjahre
noch mehr verbitterten. Nach schweren
Leiden,
[* 12] unter welchen jedoch seine produktive
Kraft
[* 13] nicht erlahmte,
sondern eher zu noch ausgeprägterer Eigenart sich entwickelte, starb
er an den
Folgen der
Wassersucht im 57. Jahr
seines
Alters.
Das
WienerPublikum, welches ihn über der Rossinischen
Oper während der letzten Jahre seines
Lebens fast vergessen
hatte, erinnerte sich jetzt seines langjährigen Lieblings und gab ihm auf seinem letzten
Gang
[* 14] ein zahlreiches
Geleit; ein
Obelisk mit seinem
Namen schmückt sein auf dem
WähringerFriedhof befindliches
Grab. Eine Bronzestatue (von
Hähnel modelliert,
von
Burgschmiet gegossen) wurde ihm 1845 in seiner Vaterstadt, eine andre (von
Zumbusch) 1880 inWien errichtet.
Beethoven war von mittlerer, kräftiger
Statur; sein
Gesicht
[* 15] war voll, gesund, etwas pockennarbig, von dichtem, meist ungeordnetem
Haar
[* 16] umgeben, mit unruhigen,
¶
mehr
leuchtenden Augen. Seine Gesichtszüge, in der Regel gutmütig, nahmen bei geistiger Erregung, zumal wenn er von Musik sprach,
einen ungemein bedeutenden und fesselnden Ausdruck an. SeinCharakter war von Natur edel und wohlwollend und durchaus zum Sittlich-Guten
und Wahren angelegt; doch mag die ungeregelte Erziehung in seiner Jugend den Grund zu jener Reizbarkeit,
jenem Mangel an Selbstbeherrschung, jenen oft unvermittelten Übergängen aus einer Stimmung in die andre gelegt haben, die
er in seinem spätern Leben bekundete.
Die völlige Unerfahrenheit und Ungeschicklichkeit in allen Angelegenheiten des äußern Lebens wurzelte in demselben Mangel
seiner Erziehung. In der Unterhaltung war er meist wortkarg, jetzt hastig ein freies Wort hinwerfend und
im nächsten Moment wieder in düsteres Schweigen versinkend; doch konnte er sich bei rechter Laune auch in possenhaften Einfällen
und Witzworten lustig ergehen. Seine liebste Erholung waren einsame, oft weit ausgedehnte Spaziergänge, auf denen ihm, frei von
allen störenden Einwirkungen der gewohnten Umgebung, die musikalischen Gedanken am vollsten und reichsten
zuströmten; viele seiner Hauptwerke sind im Freien konzipiert, zum Teil sogar ausgearbeitet worden.
Beethovens unermeßlich hohes Verdienst als Komponist besteht im wesentlichen darin, daß er als der erste die absolute oder
Instrumentalmusik, welche seinen Vorgängern nur zum Ausdruck allgemeiner Empfindungen gedient hatte, zur
Darstellung eines bestimmten dichterischen Inhalts verwendet und demgemäß ihre Formen und Ausdrucksmittel zu ungeahntem Reichtum
erweitert und vermehrt hat. Dabei stellte er sich aber keineswegs von vornherein in einen Gegensatz zu den ältern Meistern;
vielmehr schloß er sich in der ersten Periode seines Schaffens aufs engste an Haydn und Mozart an. Ebensowenig
darf man glauben, daß er sich in seinem Drang, die der Tonkunst bis zu seiner Zeit gezogenen Grenzen
[* 18] zu erweitern, über die
Notwendigkeit einer strengen Beobachtung ihrer Gesetze im einzelnen hinweggesetzt hätte. Seine Skizzenbücher beweisen es,
wie er bestrebt gewesen ist, durch unermüdliche Arbeit und wiederholte Versuche seinen Tonbildern endlich
diejenige Gestalt zu geben, in welcher sie ihm zum Ausdruck seiner Empfindungen völlig geeignet erschienen. Man staunt, wie
O. Jahn (»Gesammelte Aufsätze«, S. 243) sagt, über seine Art, »nicht bloß einzelne Motive und Melodien, sondern die kleinsten
Elemente derselben hin und her zu wenden und zu rücken und aus allen denkbaren Variationen die beste Form
hervorzulocken; man begreift nicht, wie aus solchem musikalischen Bröckelwerk ein organisches Ganze werden könne... Und
machen diese Skizzen nicht selten den Eindruck unsichern Schwankens und Tastens, so wächst nachher wieder die Bewunderung vor der
wahrhaft genialen Selbstkritik, die, nachdem sie alles geprüft, schließlich mit souveräner Gewißheit
das Beste behält.« Nur auf einem Gebiet seiner Kunst war es ihm nicht immer beschieden, den Kampf mit der widerstrebenden Materie
siegreich zu bestehen: auf dem der Vokalmusik.
Schon in seiner Oper »Fidelio«, noch deutlicher aber in den großen Gesangswerken seiner
letzten Schaffensperiode zeigt es sich, daß Beethoven, durch die Fügsamkeit der Instrumente gewöhnt, sich
im Flug seiner Phantasie keinerlei Beschränkung aufzuerlegen, es häufig versäumte, den Bedingungen Rechnung zu tragen, unter
denen die menschliche Stimme allein zu voller Wirkung gelangen kann. Dagegen hat er denInstrumenten eine zu keiner spätern
Zeit übertroffene Ausdrucksfähigkeit verliehen,
derart, daß sie, sowohl einzeln (namentlich das Klavier)
als zum Orchester vereint, die höchsten Ideen und geheimsten Regungen der Menschenseele zu offenbaren vermochten.
Wenn wir in diesem Sinn als den Schöpfer der modernen Instrumentalmusik bezeichnen, so haben wir ihm zugleich seine Stellung
zur Entwickelung der Tonkunst in ihrer Gesamtheit angewiesen. Denn freilich ist der Gesang, d. h. die Verbindung
des Tons mit dem Wort, zu allen Zeiten der Ausgangspunkt der Musik gewesen; wenn aber die Musikin sich selbst die Fähigkeit besitzt,
Gefühlszustände verständlich auszudrücken, während ja das Wort in erster Linie nur unserm Denkvermögen dient, dann muß
es als ein Kennzeichen ihrer höchsten Entwickelung betrachtet werden, daß es dem Komponisten gelingen
konnte, auch ohne Mithilfe des oft vieldeutigen Worts sich verständlich zu machen und uns zu rühren.
Bei Beethoven lag in seiner persönlichen Entwickelung noch ein besonderer Antrieb, die Instrumentalmusik diesem Höhepunkt zuzuführen.
Selbst ausübender Künstler in der höchsten Bedeutung, in und mit dem Orchester aufgewachsen, fand er
sich immer am ehesten diesem Kunstmittel zugeführt, um seinen poetischen IntentionenAusdruck zu geben. Was ihn nun in dieser
von ihm mit besonderer Liebe gepflegten und entwickelten Gattung vor seinen Vorgängern Mozart und Haydn auszeichnet, welche
ja ihrerseits schon die Sprache
[* 19] der Instrumente zu so reicher Entwickelung geführt hatten, ist zunächst
die weitere Ausgestaltung der übernommenen Formen zu größern, den neuen Ideen angemessenen Dimensionen.
Unter seinen Händen erweitert sich das Menuett zum vielsagenden Scherzo, das Finale, bei seinen Vorgängern meist nur ein heiter
und lebhaft sich verlaufender Ausgang, wird bei ihm zum Gipfelpunkt der Entwickelung des ganzen Werks und
übertrifft an Wucht und Breite
[* 20] nicht selten den ersten Satz. Dann aber ist ihm namentlich schon jenes oben berührte (wir nennen
es das poetische) Moment eigentümlich, jene überall erkennbare Einheit eines zusammenfassenden Gedankens. Was er in einzelnen
Werken (z. B. in der »heroischen« und in der
Pastoral-Symphonie) schon durch die Aufschrift bezeichnete, wird sich auf die große Mehrzahl seiner Instrumentalwerke
anwenden lassen: daß die in den einzelnen Teilen poetisch dargestellten Seelenzustände in einer innern Beziehung zu einander
stehen und daher die Werke recht eigentlich als Tondichtungen zu bezeichnen sind.
Weisen wir noch in der Kürze auf die wichtigsten Werke Beethovens im einzelnen hin, so müssen wir dabei
vor allem die Epochen namhaft machen, in welchen sich erkennbarer als bei vielen andern Künstlern sein Genius entwickelt hat.
Äußerlich umfassen seine gedruckten Werke, zu denen noch eine ziemliche Reihe (namentlich Klavierkompositionen) ohne Opuszahl
hinzukommt, 138 Nummern. Es gehören zu denselben 9 Symphonien, 7 Konzerte, 1 Septett, 2 Sextette, 3 Quintette, 16 Streichquartette, 36 Klaviersonaten, 16 Sonaten
für Klavier mit Begleitung, 8 Klaviertrios, 1 Oper, 2 Festspiele, 1 Oratorium, 2 große Messen und zahlreiche kleinere Kompositionen
für Klavier und für ein- und mehrstimmigen Gesang. In diesen Werken lassen sich nun die Epochen der Beethovenschen
Produktion ziemlich deutlich nachweisen, deren man allgemein und mit Recht drei annimmt, zu denen als Vorbereitungsepoche die
der jugendlichen Entwickelung Beethovens kommt. Die letztere Epoche ist bei ihm ungewöhnlich lang im Vergleich zu der raschen
Entwickelung eines Mozart u. a. Erst mit dem Jahr 1795, seinem 25.
¶