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als die Regierung 1873 eine neue Konzession an die ultramontanen Iren vorschlug, machte Beaconsfield, der inzwischen 1870 in einem neuen Roman: »Lothair«, die Vorzüge der englischen Staatskirche gegenüber dem Katholizismus entwickelt hatte, dem Vorschlag entschiedene Opposition und behauptete den Sieg. Gladstone reichte darauf seine Entlassung ein; aber Beaconsfield, der seine Zeit noch nicht gekommen glaubte, lehnte, weil er über die Mehrheit im Unterhaus nicht verfügte, die Neubildung des Kabinetts ab, so daß die Liberalen die Geschäfte fortführen mußten.
Diese Enthaltsamkeit trug ihre Früchte: als Gladstone, der das Unhaltbare seiner Position lebhaft empfand, im Januar 1874 das Parlament auflöste, erzielten die Konservativen bei den Neuwahlen eine Majorität von 50 Stimmen;
Gladstone resignierte 17. Febr., und Beaconsfield bildete die neue Regierung.
Gewaltige Erfolge trug er durch seine aktive und äußerst geschickte auswärtige Politik in diesem vierten Ministerium davon. Die Einverleibung der Fidschiinseln [* 2] im September 1874, der Ankauf der Suezkanalaktien im November 1875, die Reise des Prinzen von Wales nach Indien im Oktober 1875, die Annahme des Titels »Kaiserin von Indien« durch die Königin im Mai 1876, endlich die durch Gathorne Hardy bewirkte Reorganisation der Armee waren die ersten scheinbar unzusammenhängenden und doch in einem bei genauerer Prüfung leicht erkennbaren Zusammenhang stehenden Maßregeln, welche Beaconsfield ergriff, um seinen lange vorbereiteten Plan, die Herstellung des durch die schwächliche Politik der Whigregierung kompromittierten Ansehens Großbritanniens in und außerhalb Europas, durchzuführen.
Die Königin unterstützte ihn dabei auf das entschiedenste; am ernannte sie ihn zum Grafen von ein Titel, den schon seit 1868 seine 1872 gestorbene Gemahlin geführt hatte, worauf Beaconsfield, nun ein Siebziger, die stürmische Atmosphäre des Unterhauses mit der ruhigern des Oberhauses vertauschte. Seine Politik verlor dadurch an Energie nichts. 1877 und 1878 trat er angesichts der Orientwirren aufs entschiedenste für die Interessen Englands ein und ließ sich auch durch den Widerspruch, den er innerhalb des Ministeriums fand, und der zuletzt zum Austritt Lord Carnarvons und Lord Derbys aus demselben führte, nicht irre machen.
Die energischen Maßregeln, welche er anordnete, starke Rüstungen, [* 3] Einberufung der Reserve, Einlaufen der Flotte in die Dardanellen bis unmittelbar vor Konstantinopel, [* 4] Ansammlung indischer Truppen auf Malta, verfehlten ihren Zweck nicht: Rußland entschloß sich, den Frieden von San Stefano, der ihm die Herrschaft über den Orient gesichert hätte, dem Berliner Kongreß [* 5] vorzulegen, an dem Lord Beaconsfield persönlich teilnahm. Durch die Beschlüsse desselben wurden die russischen Forderungen erheblich abgeschwächt, und einen noch größern Erfolg der englischen Politik bedeutete der Vertrag vom durch welchen der Sultan an England die Insel Cypern [* 6] überließ und ihm das entscheidende Gewicht in Kleinasien einräumte.
Glänzende Ovationen erwarteten Lord Beaconsfield bei seiner Rückkehr nach England; die Königin verlieh ihm den Hosenbandorden, die City von London [* 7] das Ehren-Bürgerrecht; die Angriffe Gladstones gegen seine Politik wies das Unterhaus 2. Aug. mit der ungewöhnlich großen Majorität von 143 Stimmen (338 gegen 195) zurück. Auch der Krieg mit Afghanistan [* 8] führte im Mai 1879 zu einem günstigen Abschluß, und die anfänglichen Niederlagen der Engländer im Zulukrieg wurden durch den Sieg von Ulindu ausgeglichen.
Durch diese Erfolge sicher gemacht, entschloß sich Beaconsfield, nachdem in der Session von 1880 alle Angriffe der liberalen Opposition abgeschlagen waren, im März plötzlich zur Auflösung des Parlaments in der bestimmten Erwartung, durch einen günstigen Ausgang der Neuwahlen seine Herrschaft auf weitere sieben Jahre zu befestigen. Allein seine Hoffnungen gingen nicht in Erfüllung: Gladstone benutzte in geschicktester Wahlagitation eine weitern Kreisen fast unbekannt gebliebene Unterströmung im Volk, das nach der zwar glänzenden, aber auch opfervollen auswärtigen Politik der Tories einige Jahre ruhigerer und friedlicherer Entwickelung wünschte;
so führten die Wahlen eine entschiedene Mehrheit der liberalen Partei herbei, und Beaconsfield mußte im April 1880 seine Entlassung einreichen.
Abermals in die Rolle des Führers der Opposition zurückgedrängt, bewährte er sich noch im Sommer 1880 als furchtbarer Gegner des Ministeriums Gladstone und überraschte noch in demselben Jahr die litterarische Welt durch einen neuen politischen Roman: »Endymion«, [* 9] der in manchen Beziehungen seinen bedeutendsten Werken nahekommt. Noch im Beginn der Session von 1881 trat er mit voller Energie in den parlamentarischen Kampf ein, erkrankte aber nach wenigen Wochen und starb in London. Er wurde 26. April auf seinem Landsitz Hughenden Manor bestattet; das Parlament beschloß, ihm ein Denkmal in der Westminsterabtei zu errichten. Der Titel Lord Beaconsfield erlosch mit seinem Tod; zum Erben seiner Güter ernannte sein Testament seinen Neffen Ralph Coningsby Disraeli.
Über Lord Beaconfields Charakter und die endlichen Erfolge seiner Politik ist es kaum möglich schon heute ein entscheidendes Urteil abzugeben; im wogenden Streite der Meinungen gilt er seinen Anhängern als der größte Staatsmann, den Großbritannien [* 10] seit den Tagen des jüngern Pitt hervorgebracht, seinen Gegnern als ein politischer Achselträger und vom Glück begünstigter Charlatan. In der Wahl seiner Mittel hat er gewiß oft gewechselt, seine Ziele sind seit den Tagen des Jungen England in der Hauptsache dieselben geblieben.
Als Redner zeichnete sich Beaconsfield vor allem durch seine Schlagfertigkeit und Schärfe sowie seinen sprühenden Witz aus; in der parlamentarischen Debatte war er Meister, obwohl in der kunstvollen Eloquenz Gladstone ihm überlegen sein mochte. Seine Reden sind gesammelt in »Church and Queen, five speeches delivered 1860-64« (Lond. 1865);
»Constitutional reform, five speeches, 1859-65« (das. 1866);
»Parliamentary reform, a series of speeches, 1848-66« (2. Aufl., das. 1867);
»Speeches on the conservative policy of the last 30 years« (das. 1870);
»Selected speeches of the late Right Hon. the Earl of Beaconsfield«, herausgegeben von Kebbel (das. 1882, 2 Bde.);
letzte Gesamtausgaben seiner Romane 1881, 11 und 10 Bde.
Vgl. Mill, Disraeli, the author, orator and statesman (Lond. 1863);
»Benjamin Disraeli. Earl of a political biography« (das. 1877);
Hitchman, The public life of the Earl of Beaconsfield (3. Aufl., das. 1885);
Brandes, Lord Beaconsfield (Berl. 1879);
Cucheval-Clarigny, Lord et son temps (Par. 1880);
Ewald, The Right Hon. Benjamin Disraeli, Earl of and his times (Lond. 1882, 2 Bde.).