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katholischen Klerus, alle Mittel an, um regierungsfreundliche Neuwahlen zu erzielen. Dieselben verstärkten aber nur die Opposition, und der im Dezember 1855 zusammentretende Landtag veränderte nicht nur den von der Regierung vorgelegten Gesetzentwurf über die neue Gerichtsorganisation erheblich, sondern seine Ausschüsse nahmen auch an den ihnen vorgelegten zwei Entwürfen neuer Straf- und Polizeigesetze Amendements vor. Zur Strafe ward der Berichterstatter der Ausschüsse, Professor Weis in Würzburg, [* 2] als Appellationsgerichtsrat nach Eichstätt [* 3] versetzt. Die Zweite Kammer beantwortete diese Maßregelung damit, daß sie nach ihrem Zusammentritt im September 1858 Weis zum ersten Vizepräsidenten wählte. Sie ward daher aufgelöst. Die Neuwahlen ergaben aber nur eine Verstärkung [* 4] der Opposition, so daß die neue Kammer im Januar 1859 Weis sofort wieder zum Vizepräsidenten ernannte.
Der damals drohende Krieg zwischen Österreich [* 5] und Frankreich ließ eine Wiederauflösung unratsam erscheinen. Denn die Regierung, geneigt, Österreich zu unterstützen und am Bund für die Teilnahme am Kriege gegen Frankreich zu wirken, wünschte die Bewilligung einer Anleihe zu Rüstungen. [* 6] Dieselbe wurde von der Zweiten Kammer auch genehmigt, aber mit dem Zusatz, daß sie nur im Hinblick auf die allgemeine politische Lage sich zur Bewilligung eines Kredits dem gegenwärtigen Ministerium gegenüber habe verstehen können, und daß diese Bewilligung nicht als ein Zeichen des Vertrauens zu der jetzigen Staatsverwaltung aufgefaßt werden könne.
Der König verweigerte die Annahme der Adresse, und der Landtag ward geschlossen (25. März). Indes zog es der König vor, den Konflikt mit der Kammer, der zuletzt den Charakter einer persönlichen Fehde zwischen v. d. Pfordten und Weis angenommen hatte, nicht auf die Spitze zu treiben. Der König hatte sein Ministerium bisher gewähren lassen und sich begnügt, die Anmaßungen und Übergriffe der Ultramontanen abzuwehren und durch Berufung bedeutender ausländischer Gelehrten, wie Liebig, Jolly, Pfeufer, Sybel u. a., sowie berühmter Dichter (Geibel, Bodenstedt, Heyse) das geistige und wissenschaftliche Leben in Bayern [* 7] zu wecken und zu fördern wie auch den höhern Unterricht zu heben.
Nun erachtete er den Zeitpunkt für gekommen, um der stagnierenden Politik der Reaktionszeit ein Ende zu machen, und mit den Worten: »Ich will Frieden haben mit meinem Volk« erteilte er dem Ministerium Pfordten seine Entlassung. Schrenk wurde an dessen Stelle berufen. Die neue Regierung trat sofort in ein freundliches Verhältnis zu den Kammern und brachte mit denselben eine Reihe wichtiger Reformen, wie die Aufhebung des Lottos, die Trennung der Justiz und der Verwaltung, die Reform der Gesetze über Ansässigmachung und Gewerbebetrieb, die Einführung eines neuen Strafgesetzbuchs, die Annahme des deutschen Handelsgesetzbuchs u. a., zu stande.
In der deutschen Frage behielt Schrenk mit Zustimmung des Königs die Pfordtensche Politik bei. Nachdem der Versuch der Mittelstaaten, Preußen [* 8] 1859 zu einem Krieg zu gunsten Österreichs fortzureißen, gescheitert war, widersetzte sich die Regierung allen Bundesreformplänen Preußens, [* 9] beteiligte sich an der Protestnote gegen dieselben vom und betonte bei jeder Gelegenheit mit Nachdruck ihren partikularistischen Standpunkt der wohlbegründeten, unantastbaren Selbständigkeit Bayerns. Da dieser nur von Preußen, nicht aber von Österreich Gefahr zu drohen schien, so konnte sie unbeschadet österreichische Sympathien kundgeben.
Auch die große Mehrheit der Bevölkerung, [* 10] selbst der protestantischen, neigte sich zu Österreich, und der Deutsche [* 11] Nationalverein hatte in Bayern nur wenige Anhänger. Daher ließ sich auch leicht von Österreich bewegen, 1862 gegen den Handelsvertrag Preußens mit Frankreich zu opponieren. Um dies wirksamer thun zu können, wurde die Zweite Kammer aufgelöst und wirklich bei den Neuwahlen eine große entschieden ministerielle und großdeutsche Mehrheit erzielt.
Die liberale, österreichfeindliche »deutsche Fortschrittspartei« zählte in der neuen Kammer nur 36 Mitglieder. Die bestimmte Erklärung des Königs in der Thronrede daß er zwar eine Reform der Bundesverfassung erstrebe, aber die Ehre und Unabhängigkeit Bayerns vor allem festhalten wolle und dem Handelsvertrag mit Frankreich nicht beizutreten vermöge, wurde von der Zweiten Kammer in ihrer Antwortadresse mit Beifall begrüßt. Auf dem vom Kaiser Franz Joseph berufenen Fürstenkongreß in Frankfurt [* 12] im August 1863 spielte König Maximilian neben dem Kaiser eine hervorragende Rolle.
Der bayrische Plan eines Direktoriums als oberster Zentralgewalt schien sich verwirklichen zu sollen, und wenn durch die neue Bundesverfassung die Rivalität Preußens und Österreichs verewigt wurde, war ein maßgebender Einfluß in Deutschland [* 13] an der Spitze der reindeutschen Staaten gesichert. Die im November 1863 wiederbelebte schleswig-holsteinische Frage schien bestimmt, auch in der deutschen die Entscheidung bringen zu sollen. Doch erlebte König Maximilian diese nicht mehr. Denn kurz nach seiner Rückkehr von einer Reise nach Italien [* 14] starb er
Äußere und innere Politik Bayerns 1864-71.
Da König Maximilians II. Sohn und Nachfolger, König Ludwig II., erst 18 Jahre alt war, so ging die Leitung der Staatsgeschäfte zunächst ganz in die Hände der Minister, namentlich Schrenks, und des Bundestagsgesandten Pfordten über. Diese befolgten in der schleswig-holsteinischen Angelegenheit durchaus die Weisungen des verstorbenen Königs, indem sie am Bundestag die Anerkennung des Prinzen Friedrich von Augustenburg als Herzogs von Holstein beantragten und auch im weitern Verlauf des Streits das Recht des Bundes auf die Entscheidung der Erbfolgefrage vertraten.
Indes zeigte sich, seitdem es Bismarck gelungen war, Österreich für eine gemeinschaftliche Politik gegen Dänemark [* 15] zu gewinnen, daß die Mittelstaaten allein am Bundestag ohnmächtig waren. Die bayrischen Anträge auf Anerkennung des Augustenburgers wurden immer abgelehnt, und es half der Regierung wenig, daß beide Kammern sich für das Selbstbestimmungsrecht der Herzogtümer aussprachen. Ja, Bayern mußte nun auch seinen Widerstand gegen den preußisch-französischen Handelsvertrag aufgeben, da Preußen den Weiterbestand des Zollvereins von dessen Annahme abhängig machte. Der Ministerpräsident v. Schrenk, der in der Opposition gegen den Handelsvertrag und gegen Preußen sehr weit gegangen war, trat im Oktober 1864 zurück, Pfordten übernahm wieder die Leitung des Ministeriums, und im April 1865 genehmigten die Kammern den Handelsvertrag. Erst als 1865 Preußen und Österreich in Streit über die Elbherzogtümer gerieten, stieg wieder Bayerns Einfluß.
Bismarck versuchte, als es im Sommer 1865 zum offenen Ausbruch des Kampfes zwischen den deutschen Großmächten zu kommen drohte, auf einer persönlichen Zusammenkunft mit Pfordten zu ¶
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Salzburg [* 17] diesen für eine preußenfreundliche Neutralität zu gewinnen, indem er ihm für Bayern im Fall des preußischen Siegs besondere Vorteile und eine herrschende Stellung in Süddeutschland zusicherte, Anträge, die 1866 wiederholt wurden. Jedoch Pfordten lehnte sie ab, teils wohl, weil die Mißstimmung gegen Preußen, wo der Verfassungskonflikt immer schärfer wurde, bei Klerikalen und Liberalen in Bayern allgemein und lebhaft war, teils, weil er gleich andern die militärische Kraft [* 18] und Energie Preußens unterschätzte.
Gleich den meisten andern deutschen Staaten schloß sich Bayern 1866 der österreichischen Sache an und erklärte mit jenen 8. März, daß sie zwar neutral bleiben wollten, wenn Österreich und Preußen ihren Streit mit Umgehung des Bundes ausfechten würden, daß aber kein Bundesglied zurückbleiben dürfe, wenn eine der Mächte die Hilfe des Bundes anrufe. Als daher Österreich dies im Juni that, stimmte Bayern 14. Juni seinem Antrag gemäß für die Mobilmachung der Bundesarmee gegen Preußen; an demselben Tag schloß v. d. Tann in Olmütz [* 19] mit dem österreichischen Oberfeldherrn eine Konvention über die gemeinschaftlichen Kriegsoperationen. Die Kammern bewilligten 18. Juni den geforderten Militärkredit von 31½ Mill. Fl., und die bayrische Armee (das 7. Bundeskorps) konzentrierte sich in Bamberg [* 20] unter dem Oberbefehl des Prinzen Karl, dem auch das 8. Bundeskorps (Württemberger, Badener, Hessen [* 21] unter Prinz Alexander von Hessen) unterstellt wurde.
Aber in Bayern hatte man keine rechte Vorstellung von dem Ernste des Kriegs und von der Entschiedenheit und Schnelligkeit des Gegners. Zunächst wurde versäumt, durch einen raschen Vormarsch nach Thüringen den Hannoveranern die Hand [* 22] zu reichen und diese vor der Kapitulation zu bewahren. Erst Ende Juni rückten die Bayern bis Suhl [* 23] und Schmalkalden [* 24] vor und wandten sich auf die Kunde von den Ereignissen in Langensalza [* 25] nach Nordwest, um über Fulda [* 26] eine Vereinigung mit dem 8. Bundeskorps zu bewerkstelligen.
Auf diesem Marsch wurden sie 4. Juli bei Dermbach von der preußischen Mainarmee angegriffen, wehrten sich zwar tapfer, traten aber doch 5. Juli den Rückzug nach Süden über die Rhön an, während die Reiterei sich infolge eines unglücklichen Kanonenschusses bei Hünfeld in wilde Flucht stürzte. Noch ehe die bayrische Armee sich hinter der Fränkischen Saale gesammelt und die Verbindung mit dem 8. Korps hergestellt hatte, wurde sie 10. Juli von den eiligst nachrückenden Preußen zu gleicher Zeit bei Hausen, Kissingen [* 27] und Hammelburg angegriffen und trotz hartnäckigen Widerstandes, besonders bei Kissingen, gezwungen, sich auf Schweinfurt [* 28] und Würzburg zurückzuziehen.
Während Pfordten vergeblich in Nikolsburg Waffenstillstand und Frieden von Bismarck zu erlangen suchte und Frankreichs Intervention anrief, rückte eine preußische Reservearmee von Hof [* 29] aus in Ober- und Mittelfranken ein. Es kam nun zwar, nachdem sich endlich das 8. Korps auf die Bayern bei Würzburg zurückgezogen hatte, 25. und 26. Juli bei Helmstadt, Üttingen und Roßbrunn noch zu einigen Gefechten. Indes hätten dieselben, da die Entscheidung des Kriegs längst bei Königgrätz [* 30] gefallen war, an dem Ausgang desselben, selbst wenn sie für Bayern siegreich ausgefallen wären, nichts ändern können. Bayern lag wehrlos den seitlichen Truppen offen.
Sein Geschick hing nicht mehr von den Waffen, sondern von den politischen Konstellationen ab, und diese waren für Bayern günstig. Die drohende Haltung des augenblicklich allerdings noch ohnmächtigen Frankreich bewog Preußen, auf eine größere Annexion, etwa der alten hohenzollernschen Fürstentümer Ansbach [* 31] und Baireuth, [* 32] sowie auf seine Hegemonie in Süddeutschland zu verzichten und sich lieber die Bundesgenossenschaft der süddeutschen Staaten für den Entscheidungskampf mit Frankreich zu sichern. Der Friede vom 22. Aug. legte daher Bayern verhältnismäßig unerhebliche Opfer auf: 30 Mill. Fl. Kriegsentschädigung und die Abtretung von Gersfeld, Orb und Kaulsdorf. Dagegen schloß Bayern auf die Mitteilung, daß Frankreich auch einen Teil der Pfalz als Kompensation gefordert habe, ein geheimes Schutz- und Trutzbündnis mit Preußen ab.
Der Eindruck, den der klägliche Verlauf des Kriegs und die Großmut des Siegers in Bayern hervorbrachten, war ein gewaltiger. Die Ultramontanen machten ihrem Ärger in Schimpfereien und Anschuldigungen des Verrats gegen die Generale Luft. Die übrige Bevölkerung aber war völlig ernüchtert, ließ die romantische Vorliebe für Österreich und die verblendete Abneigung gegen den »slawischen Soldatenstaat« Preußen fallen und erkannte die Unvernunft des bisherigen partikularistischen Schlendrians. An vielen Orten sprachen sich öffentliche Versammlungen für den sofortigen Anschluß an den Norddeutschen Bund aus.
Die Kammer genehmigte nicht nur den Friedensvertrag und die Anleihe für die Kriegsentschädigung, sondern faßte auch den Beschluß, die Regierung zu ersuchen, daß sie »die Einigung Deutschlands [* 33] unter Mitwirkung eines frei gewählten und mit den erforderlichen Befugnissen ausgestatteten Parlaments erstreben möge«. Pfordten konnte unter diesen Umständen nicht mehr an der Spitze des Ministeriums bleiben und erhielt daher 29. Dez. seine Entlassung. Sein Nachfolger wurde der deutsch-national gesinnte Fürst von Hohenlohe-Schillingsfürst.
Derselbe legte 19. und der Abgeordnetenkammer sein Programm vor und erklärte, daß Bayern nicht isoliert bleiben könne, daß es für die Tage der Gefahr eines Schutzes und daher des Anschlusses an eine benachbarte Großmacht bedürfe. Diese Großmacht aber könne weder Frankreich noch Österreich, sondern allein Preußen und der Norddeutsche Bund sein, auf den Bayern durch alle materiellen und ideellen Rücksichten hingewiesen werde, und mit dem es sich, unter gleichzeitiger Allianz zwischen Deutschland und Österreich, zu einem Staatenbund vereinigen müsse; einen sofortigen bedingungslosen Eintritt Bayerns in den Norddeutschen Bund bezeichnete er allerdings als der Würde Bayerns ebensowenig angemessen wie von seiten der preußischen Regierung annehmbar.
Denn diese war durch die Rücksicht auf Frankreich genötigt, zunächst auf die Ausdehnung [* 34] des Norddeutschen Bundes auf Süddeutschland zu verzichten und sich mit dem durch die Schutz- und Trutzbündnisse gesicherten militärischen Oberbefehl zu begnügen. Die Verhandlungen über die Errichtung eines süddeutschen Bundes, welchen der Prager Friede in Aussicht gestellt hatte, wurden zwar eingeleitet, konnten aber, selbst wenn Bayern ihn ernstlich gewünscht hätte, kein Ergebnis haben, da Baden [* 35] demselben entschieden widerstrebte. Nur einige Verabredungen über die Festungen kamen zu stande.
Währenddessen war aber die ultramontane Partei zur Besinnung und zur Einsicht davon gekommen, welche Niederlage sie 1866 erlitten, und wie sehr dieselbe die Erreichung ihrer Ziele gefährde. Sie sammelte daher alle ihre Kräfte und bot jedes ihr zu Gebote stehende Mittel auf, um der preußenfreundlichen, unitarischen Strömung in Bayern entgegenzutreten. ¶