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Korporationen wurden aufgehoben, die Leibeigenschaft und die Adelsvorrechte abgeschafft, die Konskription eingeführt, ein gleichmäßiges Justiz- und Steuerwesen errichtet, das Land mit absichtlicher Mißachtung des historischen Herkommens und der Stammesverschiedenheit in geographische Kreise eingeteilt. Die verheißenen Kreis- und Reichsstände traten nicht ins Leben. In dieser Beziehung, ebenso in Bezug auf Preßfreiheit und persönliche Sicherheit blieb die Verfassung ein toter Buchstabe. Dagegen wurde die Verwaltung nach französischem Muster geordnet, und die zum Teil wirklich segensreichen Reformen, wie die neue Agrargesetzgebung, die Ablösung der Zehnten und Fronen, die Aufhebung der Klöster u. a., wurden auf rein büreaukratischem Weg durchgeführt. Auch die Schule sollte gehoben und die Wissenschaft gepflegt werden, zu welchem Zweck berühmte Gelehrte, auch protestantischen Glaubens, wie Thiersch, Feuerbach, Jacobi u. a., nach München berufen wurden. Indes deren Thätigkeit blieb in der dumpfen Atmosphäre des Altbayertums lange eine fruchtlose. Die Hebung des Wohlstandes und die Besserung der Finanzen wurden aber immer wieder durch neue Kriege unterbrochen.
Der Kampf zwischen Österreich und Frankreich von 1809, verbunden mit dem von ersterm begünstigten Aufstand im Inn-, Eisack- und Etschkreis (Tirol) und im Illerkreis (Vorarlberg), nahm die Kräfte des Landes und die Thätigkeit der Regierung abermals in Anspruch. Der Wiener Friede vom 14. Okt. 1809 brachte neue Gebietsveränderungen. Nach einem zu Paris 28. Febr. 1810 geschlossenen Vertrag trat Bayern das südliche Tirol an Frankreich (Italien), nach einem andern vom 26. Mai Schweinfurt und einige Teile des Mainkreises an das Großherzogtum Würzburg, dann nach einem vom 18. Mai Buchhorn, Wangen, Ravensburg, Leutkirch, Ulm, Bopfingen mit ansehnlichen Gebietsteilen (zusammen mit 491,000 Einw.) an Württemberg ab, erhielt aber dagegen die Markgrafschaft Baireuth, die Fürstentümer Regensburg, Salzburg, Berchtesgaden, das Innviertel und einen Teil des Hausruckviertels (zusammen mit 565,000 Einw.), so daß Bayern neuerdings 75,000 Einw. gewann und nun über 3,300,000 Einw. umfaßte. Diese außerordentlichen Erfolge, die Bayern als Bundesgenosse Frankreichs errang, erweckten in seinen Staatsmännern und Feldherren die Hoffnung, die Stellung in Deutschland gewinnen zu können, welche Preußen durch seinen schmählichen Sturz 1807 für immer verloren zu haben schien. Die Aussichten auf das Gelingen waren für Bayern nicht ungünstig und das Streben daher nicht unberechtigt. Nur machten die Überhebung, mit der man in Bayern den Napoleonischen Königstitel nur als die Wiederherstellung des alten bayrischen Königtums angesehen wissen wollte, die Beschönigung der Schmach des Anschlusses an das Ausland durch den versuchten Nachweis, daß die Bayern oder Bojer keine Germanen, sondern Kelten seien, die gemeine Verdächtigung aller nationalen und freisinnigen Bestrebungen, die Roheit der bayrischen Soldateska in Tirol u. a. in ganz Deutschland den ungünstigsten Eindruck und Napoleon sorgte durch immer neue Kriege dafür, daß Bayern nicht dazu kam, sich aus dem Verhältnis willenloser Unterordnung unter seine Befehle zu befreien. Bayern war der mächtigste der Rheinbundsstaaten, sonst blieb es aber nur Frankreichs Vasall.
Im J. 1812 stellte Bayern sein Kontingent von 30,000 Mann zu der großen Armee, die Napoleon nach Rußland führte; im November gingen noch 10,000 Mann Ersatzmannschaften nach, welche zum Teil in den Oder- und Weichselfestungen verwendet wurden. Nur unbedeutende Trümmer kamen im Frühjahr 1813 zurück. Doch stellte Maximilian Joseph abermals frische Truppen unter Napoleons Befehl, als dieser in den letzten Tagen des Aprils den neuen Feldzug in Norddeutschland begann, während der übrige Teil, worunter viele mobil gemachte Nationalgarden, unter dem Feldmarschall Wrede am Inn eine beobachtende Stellung gegen Österreich nahm. Infolge der Fortschritte der Verbündeten im Herbst 1813 änderte aber der König Maximilian Joseph seine Politik und sagte sich noch vor der Entscheidungsschlacht von Leipzig von Frankreich los.
In dem Vertrag von Ried (8. Okt. 1813) erhielt er infolge hiervon und durch die Gunst der gegen eine Wiederherstellung des Deutschen Reichs gerichteten Metternichschen Politik den Besitzstand Bayerns und die Fortdauer seiner Souveränität garantiert, wogegen er sich verbindlich machte, ein Kontingent von 36,000 Mann gegen Frankreich zu stellen. Nun erklärte an Frankreich den Krieg (14. Okt.). Wrede, unter dessen Oberbefehl auch das gegen Bayern gesandte österreichische Korps gestellt ward, brach eilig vom Inn auf und rückte über Würzburg auf Hanau, um den Franzosen den Rückzug über den Rhein abzuschneiden, wurde aber von Napoleon 30. und 31. Okt. bei Hanau zurückgeworfen. Im Feldzug von 1814 fochten die bayrischen Truppen, mit der großen Hauptarmee unter Schwarzenberg vereinigt, ruhmvoll bei La Rothière, Bar und Arcis sur Aube und wohnten auch dem Feldzug von 1815 bei, ohne jedoch an einem bedeutendere Treffen teilnehmen zu können. Infolge des Pariser Friedens vom 30. Mai 1814 trat Bayern Tirol und Vorarlberg an Österreich ab, wofür es vorderhand die erledigten Fürstentümer Würzburg und Aschaffenburg in Besitz nahm. Nach dem Protokoll des Wiener Kongresses vom 3. Nov. sollten das Hausruck- und Innviertel sowie der bei weitem größte Teil von Salzburg an Österreich fallen, aber durch einen Teil der Departements des Donnersbergs und der Saar (356,855 Einw.), den Kanton Landau (53,887 Einw.), einige Ämter von Fulda (26,304 Einw.), das Amt Redwitz (3000 Einw.), mehrere darmstädtische Ämter (24,661 Einw.) und einen Teil des badischen Amtes Wertheim (4907 Einw.) entschädigt werden. Bayern weigerte sich lange, auf diese Übereinkunft einzugehen, bis 14. April 1816 zu München der Vertrag zwischen Österreich und Bayern unterzeichnet ward. Bayern trat an Österreich die genannten Gebiete mit 387,031 Einw. ab und erhielt dafür die erwähnten Territorien am linken Rheinufer mit 420,742 Einw., auf dem rechten Rheinufer jene fuldaischen Ämter und das Amt Redwitz, sowie auch Hessen (30. Juni) einige Ämter mit 24,667 Einw. abtrat. In geheimen Artikeln erhielt es das Versprechen, daß für den Fall des Aussterbens der direkten und männlichen Linie des regierenden Großherzogs von Baden der Teil der Rheinpfalz, welcher den Neckarkreis bildete, mit den Städten Mannheim, Heidelberg und Philippsburg und einer Bevölkerung von 167,000 Einw. an Bayern fallen solle (vgl. Baden, Geschichte, S. 236). Bayern umfaßte jetzt 81,000 qkm mit 3,377,000 Einw.
Bayern als konstitutioneller Staat bis 1848.
Wrede, der Bayern auf dem Wiener Kongreß vertrat, behauptete hier für Bayern den Standpunkt eines völlig unabhängigen souveränen Staats und protestierte daher gegen jede Beschränkung dieser Souveränität durch eine starke deutsche Zentralgewalt. Auch gegen
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die Verpflichtung aller deutschen Staaten, von Bundes wegen ständische Verfassungen einzuführen sprach er sich aus. Indem er aus Haß gegen Preußen in aufdringlicher Weise Metternich bei seinen Ränken gegen dieses unterstützte, erlangte er für Bayern solchen Einfluß, daß die Beschränkung des neuen Bundes auf einen völkerrechtlichen Verein ihm besonders zuzuschreiben war. Die antinationale, partikularistische Richtung der Politik blieb auch nach 1815 in Bayern die herrschende. Während aber bisher die Regierung büreaukratisch-absolutistisch gesinnt gewesen war und die Verfassung von 1808 noch immer nicht ausgeführt hatte, wurde sie mehr und mehr liberal, als sie sah, daß die reaktionäre Strömung in den beiden deutschen Großstaaten, Österreich und Preußen, das Übergewicht erhielt. Aus Eifersucht gegen Preußen und in dem Bestreben, der nationalen Idee in den freiern Institutionen der frühern Rheinbundsstaaten ein Gegengewicht zu bieten, entschloß man sich in Bayern zu liberalen Reformen. Da sich Montgelas dem widersetzte, erhielt er 2. Febr. 1817 seine Entlassung. Bayern wurde darauf in acht Kreise eingeteilt, deren jeder in dem jedes Jahr zu berufenden Landrat eine Repräsentativverfassung erhielt. Die protestantischen Kirchenangelegenheiten wurden neu geordnet und die der Katholiken durch den Abschluß des Konkordats mit dem päpstlichen Stuhl 5. Juni 1817 und durch ein Religionsedikt von 1818 reguliert. Den Gemeinden wurden ihre Magistrate und diesen die Verwaltung des Gemeindevermögens zurückgegeben (6. Mai 1818) und bald (17. Mai 5. Aug. 1818) auch das ganze Gemeindewesen in freierm Sinn geordnet. Am 26. Mai 1818 proklamierte der König ein Grundgesetz (Verfassungsurkunde), gegründet auf Repräsentation aller Stände in zwei Kammern (s. oben), das erste dieser Art in einem größern deutschen Staat. Gleichheit vor dem Gesetz und in der Besteuerung, Freiheit und Sicherheit der Person und des Eigentums, Freiheit des Glaubens und andre staatsbürgerliche Rechte wurden darin zugesichert. Die Gesetzgebung und Besteuerung waren an die Zustimmung des Landtags gebunden. Der erste Landtag ward 4. Febr. 1819 eröffnet und erregte große Teilnahme. Doch wurde weder auf diesem noch auf den Landtagen von 1822 und 1825 außer den Gesetzen über Gewerbewesen, Heimatsrecht und Niederlassung viel Nennenswertes ausgerichtet, besonders weil die beiden Kammern unter sich uneinig waren und die Regierung sehr bald wieder reaktionären Tendenzen verfiel; namentlich widersetzte sich dieselbe allen Maßregeln, um durch strenge Kontrolle der Mißwirtschaft mit den Staatsgeldern zu steuern.
Als 13. Okt. 1825 der König Maximilian I. Joseph starb, sah man dem Regierungsantritt seines Sohns, des Königs Ludwig I., mit großen Erwartungen entgegen, da über dessen Anhänglichkeit an die konstitutionellen Prinzipien kein Zweifel herrschte. In der That bezeichnete er den Anfang seiner Regierung mit Abstellung vielfacher im Hof- und Militärwesen und in der Staatsverwaltung obwaltender Mißbräuche durch eine besondere Ersparungskommission. Die Ordnung, welche König Ludwig in den Finanzen einführte und bewahrte, machte die Ausstattung der in Gemäßheit des Konkordats (seit 1827) wieder ins Leben gerufenen Klöster, die glänzende Dotierung der von Landshut nach München verlegten und durch die Berufung der gefeiertsten Männer gehobenen Universität und den Beginn einer Reihe großartiger Prachtbauten möglich, durch welche sowie überhaupt durch eifrige und geschmackvolle Fürsorge für die plastischen Künste König Ludwig Bayern zum klassischen Boden moderner Kunst machte. Auch die Beförderung eines freien geistigen Verkehrs ließ sich der König angelegen sein; die Zensur für alle nicht politischen Blätter wurde aufgehoben, und auch für politische war sie so mild wie nirgends in Deutschland. Zur Beförderung des Handels und der Gewerbe schloß der König 12. April 1827 einen Zollvertrag mit Württemberg, welchem sich auch die beiden Hohenzollern anschlossen. Der Landtag von 1827 bis 1828, der erste unter der Regierung Ludwigs, schaffte die Militärgerichtsbarkeit in bürgerlichen Rechtssachen ab und vollendete die Organisation der Landräte.
Der Landtag von 1831 (1. März) brachte zuerst bedeutendere Mißhelligkeiten, indem die Zweite Kammer sich hartnäckig einigen Ausgabeposten für Kunst und Bauten widersetzte und sich energisch gegen das Zensuredikt der Regierung vom 28. Jan. 1831 erklärte, so daß der König es zurücknahm und ein neues Ministerium ernannte, in dem der liberal gesinnte Fürst von Öttingen-Wallerstein das Innere übernahm. Jedoch hatten die nationalen und demokratischen Bestrebungen in der Pfalz, die 27. Mai 1832 im Hambacher Fest (s. d.) ihren Gipfelpunkt erreichten, wieder reaktionäre Maßregeln zur Folge, nachdem die Bewegung durch Militär unterdrückt war. Es begannen Prozesse wegen Majestätsbeleidigungen, Versuchs des Hochverrats etc., die wie durch die Strenge der Strafen, so durch die Zuthat der Abbitte vor dem Bilde des Königs allgemeinen Unwillen erregten. In Würzburg ordnete man Versetzungen mehrerer Professoren an, verlegte das Appellationsgericht nach Aschaffenburg und setzte den populären Bürgermeister Behr, dessen Rede beim Konstitutionsfest zu Gaibach Mißfallen erregt hatte, in Ruhestand; am 24. Jan. 1833 ward Behr sogar verhaftet und zur Untersuchung nach München abgeführt. Als es sich herausstellte, daß mehrere Studenten bayrischer Hochschulen in das Frankfurter Attentat verwickelt waren, ergriff man auch gegen, letztere Institute die strengsten Maßregeln. Fürst Öttingen vermochte diese reaktionären Maßregeln um so weniger zu hindern, als der König sich immer mehr den Ultramontanen zuneigte und überhaupt die monarchischen Prärogativen den Ministern gegenüber betonte. Ganz selbständig verfuhr der König in der griechischen Frage. Sein lebhafter Anteil am Freiheitskampf der Griechen war im Land populär gewesen, und auch die Erhebung seines zweiten Sohns, Otto, auf den neuen griechischen Thron (1832) ward mit Beifall begrüßt. Dagegen wurde die Absendung bayrischer Truppen nach Griechenland, um dem jungen König zur Stütze zu dienen, nicht gebilligt, und die Bewilligung von bayrischen Staatsgeldern für eine griechische Anleihe gab noch später der Kammer wiederholt zu Beschwerden Anlaß. Ferner erhob der König den Anspruch, über die Überschüsse von den Staatseinnahmen nach Belieben (für seine Kunstbauten) verfügen zu können, wenn dies nur für Staatszwecke geschehe. Die Kammern bestritten der Regierung dieses Recht, selbst der Minister Öttingen sprach als Reichsrat dagegen. Der König erteilte daher im November 1837 dem Fürsten Öttingen den Abschied, worauf der streng ultramontane Abel zum Minister des Innern ernannt wurde.
Unter dem zehnjährigen Regiment Abels wurde Bayern ganz nach dem Wunsch der Jesuiten und Metternichs geleitet; die Aufhebung der Zensurfreiheit für die Besprechung der innern Politik und die Einführung der