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seiner unehelichen Kinder in den Reichsfürstenstand erhalten hatte, welche Standeserhöhung unter dem Titel Fürsten von Bretzenheim wirklich erfolgte, willigte in alle Ansprüche Österreichs. Der Herzog Karl von Zweibrücken, [* 2] der als nächster Agnat eine solche Zerstückelung nicht zugeben konnte, wandte sich jedoch an den König Friedrich II. von Preußen, [* 3] der, argwöhnisch gegen Österreichs Vergrößerungspläne Rußland bewog, sich den Ansprüchen des Kaisers zu widersetzen, und das Interesse aller deutschen Fürsten an dieser Angelegenheit zu erwecken wußte. Da Kaiser Joseph nicht nachgeben wollte, so kam es 1778 zum Bayrischen Erbfolgekrieg (s. d.), auch Kartoffelkrieg genannt, der aber, noch ehe eine Schlacht geliefert war, auf Maria Theresias Betrieb 7. März durch einen Waffenstillstand und durch den Frieden zu Teschen beendigt ward. Bayern [* 4] blieb ein Ganzes, die eventuelle Erbfolge wurde Zweibrücken zugesichert, doch mußte es das Innviertel an Österreich [* 5] abtreten und für die Allodialherrschaft an Sachsen [* 6] 6 Mill. Thlr. zahlen.
Bald darauf verfiel Kaiser Joseph auf einen andern Plan; 1785 schlug er Karl Theodor vor, Bayern gegen die österreichischen Niederlande [* 7] zu vertauschen und den Titel König von Burgund anzunehmen; die Verhandlungen zerschlugen sich aber, als die Agnaten, besonders der Herzog Karl von Zweibrücken, den Plan verwerfend, sich an den König von Preußen wandten, der zum Schutz der deutschen Reichsstände gegen die Vergrößerungsgelüste Österreichs 1785 den Fürstenbund gründete. Im Innern war Karl Theodors Regierung für Bayern ebenfalls nicht segensreich.
Zwar wurde der Jesuitenorden aufgehoben, aber sein System nicht beseitigt. Jede freiere Regung des geistigen Lebens wurde unterdrückt, der Illuminatenorden verfolgt, die Presse [* 8] in engsten Schranken gehalten. Als die französische Revolution ausbrach, war ein gänzlich verrottetes Staatswesen: der Staat erschöpft und ohne Kredit, das Heerwesen verfallen, das Beamtentum korrumpiert und willkürlich, die Geistlichkeit unwissend, das bürgerliche Gewerbe durch Zunftschranken gelähmt, das Volk verarmt u. in rohem Aberglauben befangen.
Bayern im Revolutionszeitalter 1798-1815.
In den französischen Revolutionskriegen wurde die Pfalz hart mitgenommen, und 1796 wurde auch Bayern der Schauplatz des Kriegs. Während Jourdan in der Oberpfalz sich mit dem Erzherzog Karl von Österreich schlug, drang eine andre französische Armee unter Moreau, nachdem sie Augsburg [* 9] besetzt hatte, über den Lech über Landsberg [* 10] bis München [* 11] vor und besetzte Ingolstadt. [* 12] Karl Theodor floh nach Sachsen, seine Minister aber schlossen mit Moreau einen Waffenstillstand für und seine diesseit des Rheins gelegenen Länder.
Dadurch und durch das siegreiche Vordringen der Österreicher wurde Bayern zeitweilig wieder frei. Karl Theodor starb und da auch der Herzog Karl von Zweibrücken kinderlos gestorben war, so wurde dessen Bruder, der Herzog Maximilian IV. (I.) Joseph von Pfalz-Zweibrücken, Kurfürst von Pfalzbayern. Im Juni 1800 überschwemmten die französischen Armeen die eine Hälfte von Bayern, während in der andern die Österreicher standen. Durch den Lüneviller Frieden 1801 wurde der Krieg beendet. Bayern verlor dadurch zwar die ganze Rheinpfalz, die Herzogtümer Zweibrücken und Jülich (12,400 qkm mit 690,000 Einw.), erhielt aber 1803 durch den Reichsdeputationshauptschluß in den Bistümern Würzburg, [* 13] Bamberg, [* 14] Augsburg, Freising, [* 15] einem Teil von Passau [* 16] und Eichstätt, [* 17] in 12 Abteien und 15 Reichsstädten eine reiche Entschädigung (18,000 qkm mit 900,000 Einw.) für seinen Verlust.
Nun begann ein gänzlicher Umschwung in der Politik. Der Freiherr v. Montgelas, den der Kurfürst an die Spitze des Ministeriums stellte, wirkte im Sinn der Aufklärung. Die Aufhebung der Klöster begann, allgemeine Religionsduldung wurde proklamiert, der Zustand der Schulen verbessert, die Universität Würzburg neu organisiert und die von Ingolstadt nach Landshut [* 18] verlegt; jene zu Dillingen, Bamberg und Altdorf wurden aufgehoben. Auch wurde ein protestantisches Generalkonsistorium in Würzburg niedergesetzt, der Staatshaushalt neu gestaltet, das Finanzwesen geordnet und die Bodenkultur verbessert. Manufakturen und Fabriken blühten empor, und durch eine zweckmäßigere Einrichtung der Justiz und gut geordnete Landespolizei wurde für die Sicherheit des Eigentums gesorgt. Das Heerwesen wurde von Grund aus reformiert und durch Aufstellung einer ansehnlichen, gut ausgerüsteten und geübten, von tüchtigen geschulten Offizieren befehligten Truppenmacht Bayern zur Ergreifung einer selbständigen Politik in den Stand gesetzt.
Bei seiner geographischen Lage hatte Bayern nun zwischen einem Anschluß an Österreich und Frankreich zu wählen. Das Bündnis mit letzterm hatte zwar schon zweimal, im spanischen und im österreichischen Erbfolgekrieg, Bayern ins Verderben gestürzt und beinahe seinen Untergang herbeigeführt. Dennoch schien es damals das vorteilhaftere, weil Österreich militärisch schwächer als Frankreich war und nicht bloß 1742 und 1778, sondern noch in den letzten Jahren ganz offen seine auf Bayerns Annexion gerichteten Absichten kundgegeben hatte.
In dem französisch-österreichischen Krieg von 1805 trat daher der Kurfürst, durch Österreichs drohende Haltung veranlaßt, auf die Seite Napoleons I. Infolge des Siegs der Franzosen und des Preßburger Friedens verzichtete Bayern zwar auf den Besitz von Würzburg, erhielt aber dafür ganz Tirol, [* 19] Vorarlberg, die Markgrafschaft Burgau, die übrigen Teile von Passau und Eichstätt und einige Bezirke des südöstlichen Schwaben mit Augsburg, d. h. für 5500 qkm mit 200,000 Einw. 32,000 qkm mit 1,028,000 Einw. Dazu belohnte Napoleon seinen neuen Verbündeten mit der Königswürde. Am nahm der Kurfürst den Titel König von Bayern mit voller Souveränität an und trat aus dem deutschen Reichsverband zum Rheinbund über mußte aber die Verpflichtung eingehen, Napoleon in allen seinen Kriegen mit 30,000 Mann zu unterstützen.
Bayern hatte nach dem Frieden von Preßburg [* 20] einen Flächenraum von beinahe 90,000 qkm mit ungefähr 3 Mill. Einw. Nach einem weitern Vertrag mit Frankreich erhielt König Maximilian Joseph gegen Abtretung des Herzogtums Berg (3000 qkm mit 260,000 Einw.) die Markgrafschaft Ansbach [* 21] (3750 qkm mit 245,000 Einw.), welche Preußen an Frankreich gegen Hannover [* 22] überlassen hatte, und bald darauf die Reichsstadt Nürnberg [* 23] mit ihrem Gebiet und die Souveränität über verschiedene Graf- und Herrschaften, so daß es sich auf 91,000 qkm mit 3,231,000 Einw. vergrößerte. Über die Rechte der mediatisierten Fürsten, Grafen und Herren erließ der König eine Deklaration, welche 1815 in der deutschen Bundesakte als Basis und Norm angenommen wurde. Am erhielt das neue Königreich eine Verfassung, welche die so heterogenen Bestandteile desselben zu einem einheitlich organisierten Staat verschmelzen sollte. Alle Sonderrechte, Privilegien, landschaftlichen und ständischen ¶
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Korporationen wurden aufgehoben, die Leibeigenschaft und die Adelsvorrechte abgeschafft, die Konskription eingeführt, ein gleichmäßiges Justiz- und Steuerwesen errichtet, das Land mit absichtlicher Mißachtung des historischen Herkommens und der Stammesverschiedenheit in geographische Kreise [* 25] eingeteilt. Die verheißenen Kreis- und Reichsstände traten nicht ins Leben. In dieser Beziehung, ebenso in Bezug auf Preßfreiheit und persönliche Sicherheit blieb die Verfassung ein toter Buchstabe.
Dagegen wurde die Verwaltung nach französischem Muster geordnet, und die zum Teil wirklich segensreichen Reformen, wie die neue Agrargesetzgebung, die Ablösung der Zehnten und Fronen, die Aufhebung der Klöster u. a., wurden auf rein büreaukratischem Weg durchgeführt. Auch die Schule sollte gehoben und die Wissenschaft gepflegt werden, zu welchem Zweck berühmte Gelehrte, auch protestantischen Glaubens, wie Thiersch, Feuerbach, Jacobi u. a., nach München berufen wurden. Indes deren Thätigkeit blieb in der dumpfen Atmosphäre des Altbayertums lange eine fruchtlose. Die Hebung [* 26] des Wohlstandes und die Besserung der Finanzen wurden aber immer wieder durch neue Kriege unterbrochen.
Der Kampf zwischen Österreich und Frankreich von 1809, verbunden mit dem von ersterm begünstigten Aufstand im Inn-, Eisack- und Etschkreis (Tirol) und im Illerkreis (Vorarlberg), nahm die Kräfte des Landes und die Thätigkeit der Regierung abermals in Anspruch. Der Wiener Friede vom brachte neue Gebietsveränderungen. Nach einem zu Paris [* 27] geschlossenen Vertrag trat Bayern das südliche Tirol an Frankreich (Italien), [* 28] nach einem andern vom 26. Mai Schweinfurt [* 29] und einige Teile des Mainkreises an das Großherzogtum Würzburg, dann nach einem vom 18. Mai Buchhorn, Wangen, Ravensburg, [* 30] Leutkirch, Ulm, [* 31] Bopfingen mit ansehnlichen Gebietsteilen (zusammen mit 491,000 Einw.) an Württemberg [* 32] ab, erhielt aber dagegen die Markgrafschaft Baireuth, [* 33] die Fürstentümer Regensburg, [* 34] Salzburg, [* 35] Berchtesgaden, das Innviertel und einen Teil des Hausruckviertels (zusammen mit 565,000 Einw.), so daß Bayern neuerdings 75,000 Einw. gewann und nun über 3,300,000 Einw. umfaßte.
Diese außerordentlichen Erfolge, die Bayern als Bundesgenosse Frankreichs errang, erweckten in seinen Staatsmännern und Feldherren die Hoffnung, die Stellung in Deutschland [* 36] gewinnen zu können, welche Preußen durch seinen schmählichen Sturz 1807 für immer verloren zu haben schien. Die Aussichten auf das Gelingen waren für Bayern nicht ungünstig und das Streben daher nicht unberechtigt. Nur machten die Überhebung, mit der man in Bayern den Napoleonischen Königstitel nur als die Wiederherstellung des alten bayrischen Königtums angesehen wissen wollte, die Beschönigung der Schmach des Anschlusses an das Ausland durch den versuchten Nachweis, daß die Bayern oder Bojer keine Germanen, sondern Kelten seien, die gemeine Verdächtigung aller nationalen und freisinnigen Bestrebungen, die Roheit der bayrischen Soldateska in Tirol u. a. in ganz Deutschland den ungünstigsten Eindruck und Napoleon sorgte durch immer neue Kriege dafür, daß Bayern nicht dazu kam, sich aus dem Verhältnis willenloser Unterordnung unter seine Befehle zu befreien. Bayern war der mächtigste der Rheinbundsstaaten, sonst blieb es aber nur Frankreichs Vasall.
Im J. 1812 stellte Bayern sein Kontingent von 30,000 Mann zu der großen Armee, die Napoleon nach Rußland führte; im November gingen noch 10,000 Mann Ersatzmannschaften nach, welche zum Teil in den Oder- und Weichselfestungen verwendet wurden. Nur unbedeutende Trümmer kamen im Frühjahr 1813 zurück. Doch stellte Maximilian Joseph abermals frische Truppen unter Napoleons Befehl, als dieser in den letzten Tagen des Aprils den neuen Feldzug in Norddeutschland begann, während der übrige Teil, worunter viele mobil gemachte Nationalgarden, unter dem Feldmarschall Wrede am Inn eine beobachtende Stellung gegen Österreich nahm. Infolge der Fortschritte der Verbündeten im Herbst 1813 änderte aber der König Maximilian Joseph seine Politik und sagte sich noch vor der Entscheidungsschlacht von Leipzig [* 37] von Frankreich los.
In dem Vertrag von Ried erhielt er infolge hiervon und durch die Gunst der gegen eine Wiederherstellung des Deutschen Reichs gerichteten Metternichschen Politik den Besitzstand Bayerns und die Fortdauer seiner Souveränität garantiert, wogegen er sich verbindlich machte, ein Kontingent von 36,000 Mann gegen Frankreich zu stellen. Nun erklärte an Frankreich den Krieg (14. Okt.). Wrede, unter dessen Oberbefehl auch das gegen Bayern gesandte österreichische Korps gestellt ward, brach eilig vom Inn auf und rückte über Würzburg auf Hanau, [* 38] um den Franzosen den Rückzug über den Rhein abzuschneiden, wurde aber von Napoleon 30. und 31. Okt. bei Hanau zurückgeworfen. Im Feldzug von 1814 fochten die bayrischen Truppen, mit der großen Hauptarmee unter Schwarzenberg vereinigt, ruhmvoll bei La Rothière, Bar und Arcis sur Aube und wohnten auch dem Feldzug von 1815 bei, ohne jedoch an einem bedeutendere Treffen teilnehmen zu können. Infolge des Pariser Friedens vom trat Bayern Tirol und Vorarlberg an Österreich ab, wofür es vorderhand die erledigten Fürstentümer Würzburg und Aschaffenburg [* 39] in Besitz nahm. Nach dem Protokoll des Wiener Kongresses vom 3. Nov. sollten das Hausruck- und Innviertel sowie der bei weitem größte Teil von Salzburg an Österreich fallen, aber durch einen Teil der Departements des Donnersbergs und der Saar (356,855 Einw.), den Kanton [* 40] Landau [* 41] (53,887 Einw.), einige Ämter von Fulda [* 42] (26,304 Einw.), das Amt Redwitz (3000 Einw.), mehrere darmstädtische Ämter (24,661 Einw.) und einen Teil des badischen Amtes Wertheim (4907 Einw.) entschädigt werden. Bayern weigerte sich lange, auf diese Übereinkunft einzugehen, bis zu München der Vertrag zwischen Österreich und Bayern unterzeichnet ward. Bayern trat an Österreich die genannten Gebiete mit 387,031 Einw. ab und erhielt dafür die erwähnten Territorien am linken Rheinufer mit 420,742 Einw., auf dem rechten Rheinufer jene fuldaischen Ämter und das Amt Redwitz, sowie auch Hessen [* 43] (30. Juni) einige Ämter mit 24,667 Einw. abtrat. In geheimen Artikeln erhielt es das Versprechen, daß für den Fall des Aussterbens der direkten und männlichen Linie des regierenden Großherzogs von Baden [* 44] der Teil der Rheinpfalz, welcher den Neckarkreis bildete, mit den Städten Mannheim, [* 45] Heidelberg [* 46] und Philippsburg und einer Bevölkerung [* 47] von 167,000 Einw. an Bayern fallen solle (vgl. Baden, Geschichte, S. 236). Bayern umfaßte jetzt 81,000 qkm mit 3,377,000 Einw.
Bayern als konstitutioneller Staat bis 1848.
Wrede, der Bayern auf dem Wiener Kongreß vertrat, behauptete hier für Bayern den Standpunkt eines völlig unabhängigen souveränen Staats und protestierte daher gegen jede Beschränkung dieser Souveränität durch eine starke deutsche Zentralgewalt. Auch gegen ¶