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Die Gemeinden sind öffentliche Korporationen mit dem Rechte der Selbstverwaltung. Sie stehen hinsichtlich der Verwaltung ihrer Angelegenheiten unter der Aufsicht der Staatsregierung, welche in erster Instanz von den Distriktsverwaltungsbehörden, in zweiter Instanz von den Kreisregierungen unter der obersten Leitung des Staatsministeriums des Innern ausgeübt wird. Maßgebend ist für sie die Gemeindeordnung vom Für die Pfalz besteht eine besondere Gemeindeordnung vom gleichen Datum.
Die Gemeinden diesseit des Rheins haben entweder die städtische oder Landgemeindeverfassung; in der Pfalz besteht nur eine Form der Gemeindeverfassung. In den Städten und Märkten mit städtischer Verfassung werden die Gemeindeangelegenheiten durch den Magistrat als Verwaltungsbehörde und durch die Gemeindebevollmächtigten als Gemeindevertretung besorgt. Der Magistrat besteht aus einem Bürgermeister, aus einem oder mehreren rechtskundigen Räten, den bürgerlichen Magistratsräten und endlich aus den nötigen Sachverständigen.
Der rechtskundige Bürgermeister wird nach 3 Jahren definitiv, sofern durch Dienstvertrag nicht eine andre Bestimmung getroffen wird; die nicht rechtskundigen Bürgermeister und Magistratsräte werden auf 6 Jahre gewählt. Die Gemeindebevollmächtigten werden auf 9 Jahre gewählt. In den Landgemeinden wird die Gemeindeverwaltung durch den Gemeindeausschuß besorgt; Vorstand desselben ist der Bürgermeister, Mitglieder des Ausschusses sind außer dem Bürgermeister ein Beigeordneter, 4-24 Gemeindebevollmächtigte je nach der Größe der Gemeinde; die Mitglieder werden auf 6 Jahre gewählt.
In der Pfalz ist der gesetzliche Vertreter der Gemeinde der Gemeinderat, dessen Vollzugsorgan der Bürgermeister. Mitglieder des Gemeinderats sind der Bürgermeister, 1 oder 2 Adjunkten in Gemeinden bis, resp. über 2500 Seelen, 6-24 Gemeinderäte, je nach der Größe der Gemeinden. Sämtliche Mitglieder werden auf 5 Jahre gewählt. In allen Regierungsbezirken gibt es nach dem Gesetz vom auch Distriktsgemeinden in der Eigenschaft von Korporationen, welche alle Gemeinden eines Bezirksamts- oder Amtsgerichtssprengels umfassen und hauptsächlich die Bestimmung haben, gewissen von einzelnen Gemeinden garnicht oder schwer zu befriedigenden Bedürfnissen mit gemeinsamen Kräften abzuhelfen und zu dem Zweck Distriktsanstalten zu errichten.
Ihr Organ ist der auf 3 Jahre gewählte, jährlich wenigstens einmal zusammentretende Distriktsrat, der aus seinen Mitgliedern einen besondern Ausschuß zur Leitung der gewöhnlichen Geschäfte wählt. Wie sich aus den einzelnen Gemeinden eines Bezirks die Distriktsgemeinde bildet, so besteht die Kreisgemeinde aus den sämtlichen Distrikts- und den größern Stadtgemeinden eines Regierungsbezirks, so daß es acht Kreisgemeinden in Bayern [* 2] gibt, deren jede durch einen Landrat (bestehend aus Abgeordneten der Distriktsgemeinden, der Städte, der höchstbesteuerten Grundbesitzer, aus Vertretern der selbständigen Pfarrer und eventuell einer Universität) repräsentiert wird, der als Vertreter der Kreisgemeinde die Rechte derselben in ihrer Eigenschaft als juristische Person übt, und dessen Hauptaufgabe in der Mitwirkung bei Feststellung des Kreisbudgets besteht. Der Landrat, welcher auf die Dauer von 6 Jahren gewählt wird, ist alle Jahre einmal zu berufen und wählt von 3 zu 3 Jahren aus seiner Mitte einen Ausschuß, der so oft zusammentritt, als es die Kreisregierung für notwendig erachtet oder mindestens drei Ausschußmitglieder darauf antragen.
Die Rechtspflege basiert auf dem Reichsgerichtsverfassungsgesetz vom und dem Ausführungsgesetz hierzu vom Es bestehen hiernach 1 oberstes Landesgericht in München, [* 3] 5 Oberlandesgerichte in München, Zweibrücken, [* 4] Bamberg, [* 5] Nürnberg [* 6] und Augsburg, [* 7] dann 28 Landgerichte und 270 Amtsgerichte. Das in Bayern geltende Zivilrecht ist zur Zeit noch ein sehr mannigfaltiges; die hauptsächlichsten Rechtsgebiete sind die des bayrischen Landrechts, des preußischen Landrechts und des Code civil. Das Hypothekenwesen ist durch Gesetz vom das Notariat durch Gesetz vom geregelt. Die Verwaltungsrechtspflege wird in letzter Instanz von dem Verwaltungsgerichtshof in München nach Maßgabe des hierüber erlassenen Gesetzes vom geübt. Über die Entscheidung der Kompetenzkonflikte zwischen den Gerichten und den Verwaltungsbehörden oder dem Verwaltungsgerichtshof ist unterm ein Gesetz ergangen.
Armenwesen. Das Reichsgesetz über den Unterstützungswohnsitz ist auf Bayern nicht ausgedehnt; vielmehr ist dort die frühere Heimatsgesetzgebung in Kraft [* 8] geblieben (vgl. Gesetz über Heimat, Verehelichung und Aufenthalt vom mit den dazu gehörigen Novellen vom und Im J. 1881 betrug die Gesamtzahl der unterstützten Personen 160,650 mit einer Gesamtunterstützung von 6,107,929 Mk. In den unmittelbaren Städten trafen auf 1000 Einw. 52, in den Bezirksämtern 25, im Land überhaupt 30 Personen, welche unterstützt wurden.
Davon sind 64,4 Proz. dauernd unterstützt worden. Der Gesamtbetrag des Aufwandes für öffentliche Armenpflege bezifferte sich auf 8⅔ Mill. Mk.; auf den Kopf der Bevölkerung [* 9] trifft hiernach 1,62 Mk. Der Bestand der Lokalarmenfonds stellt sich in Bayern auf 17 Mill. Mk., wobei auf Oberbayern und Schwaben zusammen nahezu die Hälfte trifft, nächstdem folgen Unterfranken und Niederbayern. Der Distriktsarmenfonds beträgt über 3 Mill. Mk. An öffentlichen Wohlthätigkeitsanstalten bestanden 1881 in Bayern 335 Krankenanstalten, 268 Pfründehäuser und Armenversorgungsanstalten, 99 Waisen-, Findel- und Rettungshäuser, 167 Kleinkinderbewahranstalten, 64 Armenbeschäftigungs- und Suppenanstalten.
Das gesamte rentierende Vermögen der öffentlichen Armenpflege in Bayern beträgt 151,5 Mill. Mk.; hiervon treffen auf den Kopf der Bevölkerung in den Städten 97, auf dem Land 12 Mk. Hinsichtlich der Privatwohlthätigkeit bestehen in Bayern 111 Wohlthätigkeitsanstalten mit einer Jahresausgabe von 1,2 Mill. Mk. und 299 Wohlthätigkeitsvereine mit einer Ausgabe von jährlich 750,000 Mk. Das rentierende Vermögen der Privatwohlthätigkeit betrug 1881: 5,9 Mill. Mk.
Die Staatseinnahmen fließen aus den Domänen (Forsten und Jagden, Ökonomien und Gewerben, Grundrenten), den Regalien (Bergwerken, Salinen, Staatseisenbahnen, Post, Telegraphen, [* 10] Dampfschifffahrt, Verlag des Gesetz- und Regierungsblattes), Steuern (Grund-, Haus-, Kapitalrenten-, Einkommen- und Gewerbesteuer), indirekten Staatsauflagen etc. Das Budget wurde früher auf den Zeitraum von 6 Jahren festgesetzt, seit 1868 ist die Finanzperiode eine zweijährige. Nach dem Voranschlag für die Finanzperiode 1884/85 belaufen sich die Einnahmen im Jahr auf 234,462,573 Mk., wovon jedoch 92,563,550 Mk. Ausgaben auf die Erhebung, Verwaltung und den Betrieb abgehen, mithin netto auf 141,899,023 Mk. ¶
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Unter den Einnahmen ergeben:
Direkte Steuern | 25607510 Mk. |
Indirekte Steuern und Zölle | 66824820 |
Staatsregalien | 101330865 |
Staatsdomänen | 39516348 |
Die Ausgaben sind gleichhoch veranschlagt wie die Einnahmen; Hauptpositionen derselben sind:
Zivilliste und Apanagen | 5342029 Mk. |
Staatsschuld | 51047156 |
Ministerium des kgl. Hauses u. des Äußern | 557454 |
Justizministerium | 12644559 |
Ministerium des Innern | 18740978 |
Kultusministerium | 19536374 |
Ausgaben für Reichszwecke | 19540250 |
Der Militäretat, d. h. der im Reichsbudget ausgeworfene Betrag für das bayrische Militärkontingent, beträgt für 1884/85: 43,490,595 Mk. (dieser Betrag ist in obigen Zahlen des Etats nicht mit inbegriffen). Die Staatsschuld Bayerns umfaßt die alte, aus Titeln vor Beginn der konstitutionellen Periode (1818) herrührende Staatsschuld, die neue Schuld und die Militäranlehen, welche durch Militäraufwand vom Jahr 1848 an bis in die neueste Zeit entstanden sind, die Eisenbahnschuld und die Grundrentenschuld.
Beim Beginn der konstitutionellen Periode ward die Staatsschuld auf 183 Mill. Mk. berechnet- wovon alljährlich außer den Zinsen ⅔ Proz. getilgt werden soll. Dennoch war die Schuld 1847 bereits auf 216 Mill. Mk. gestiegen. Neue Anlehen machten die Jahre 1848-50, 1855, 1866, 1870 und 1871 notwendig, so daß Ende 1871 die Staatsschuld 310 Mill. Mk. betrug. Durch Zurückzahlung minderte sich dieselbe bis März 1883 auf 236 Mill. Mk. Die Eisenbahnschuld, welche seit 1844 von Jahr zu Jahr sich erhöhte, betrug 1883: 946 Mill. Mk., die Grundrentenschuld 165 Mill. Mk., so daß die Gesamtstaatsschuld 1883 die Höhe von 1347 Mill. Mk. erreichte. An unverzinslichen Kassenanweisungen sind 23 Mill. Mk. im Umlauf. Der Schuldenbestand der Gemeinden betrug Ende 1881: 131,6 Mill. Mk.; von den Regierungsbezirken steht Oberbayern am höchsten mit 50 Mill. (hierunter München mit nahezu 40 Mill.), es folgen Schwaben, Unterfranken und Mittelfranken mit 19-16 Mill., dann Oberfranken, Pfalz und Oberpfalz mit 8-7 Mill.; die wenigsten Gemeindeschulden hat Niederbayern mit 5 Mill. Mk.
Heer, Wappen, Orden.
Die bayrische Armee bildet einen in sich geschlossenen und in manchen Beziehungen (Uniform etc.) selbständigen Bestandteil des deutschen Reichsheers mit eigner Verwaltung unter der Militärhoheit des Königs von Bayern, im Kriegsfall jedoch unter dem Oberbefehl des deutschen Kaisers. Bayern trägt die Kosten und Lasten seines Kriegswesens sowie den Unterhalt der auf seinem Gebiet gelegenen festen Plätze und Fortifikationen allein; es ist jedoch verpflichtet, verhältnismäßig dieselbe Summe wie die übrigen deutschen Staaten für sein Kriegswesen aufzuwenden.
Die Aufstellung des Spezialetats steht Bayern zu. In Bezug auf Dienstzeit, Organisation, Formation etc. gelten im wesentlichen die für das deutsche Reichsheer bestehenden Normen. Die allgemeine Wehrpflicht war bereits durch das Wehrgesetz vom eingeführt und erstreckt sich auf alle waffentauglichen Staatsbürger mit Ausnahme der Prinzen, der Standesherren nebst deren Familien und der angestellten Geistlichen etc. Drei Jahre (resp. 1 Jahr für die sich selbst bekleidenden und verpflegenden Freiwilligen) dauert der Dienst in der aktiven Armee, 4 in der Reserve, 5 in der Landwehr.
Das bayrische Heer besteht aus 2 Armeekorps unter den Generalkommandos München und Würzburg, [* 12] umfaßt 19 Linieninfanterieregimenter, 4 Jägerbataillone, 10 Kavallerieregimenter, 4 Feld- und 2 Fußartillerieregimenter, das Ingenieurkorps mit 2 Pionierbataillonen und 1 Eisenbahnkompanie, 2 Trainbataillone. Dazu kommen die Generalinspektion der Armee, unter welcher die Infanterie- und Kavallerie-Beratungskommissionen stehen, und der Generalstab mit dem topographischen Büreau und Hauptkonservatorium der Armee, das Invalidenhaus und die Gendarmerie. Bayern ist in 32 Landwehrbezirke eingeteilt, von welchen jeder aus 4 Kompaniebezirken besteht. Vier Landwehrbezirke bilden einen Brigadebezirk, je 4 solche einen Armeekorpsbezirk. Die Friedensstärke der einzelnen Waffen [* 13] (ohne die Offiziere, Beamten, Ärzte etc.) beträgt gegenwärtig:
Infanterie und Jäger | 34461 Mann |
Kavallerie | 7132 |
Artillerie | 6004 |
Pioniere | 1385 |
Train | 950 |
Besondere Formationen | 292 |
Zusammen: | 50224 Mann |
Den ersten Rang in dieser Armee nimmt die »Leibgarde der Hartschiere« (120 Mann mit Junkersrang) ein, welcher die Bewachung des königlichen Hauses anvertraut ist, und die sich durch ausgezeichnete Offiziere und Unteroffiziere der Armee ergänzt. Militärbildungsanstalten sind: die Kriegsakademie, die Artillerie- und Ingenieurschule, die Kriegsschule und das Kadettenkorps (1756 gegründet), sämtlich in München. Dem Generalstab ist das topographische Büreau untergeordnet. Festungen sind nur noch Ingolstadt, [* 14] Neu-Ulm und Germersheim. Landau [* 15] wurde 1867 befestigter Waffenplatz; Würzburg, Marienberg bei Würzburg und Rosenberg bei Kronach haben 1867 ihre Eigenschaft als Festungen verloren; Oberhaus bei Passau [* 16] wurde militärische Strafanstalt. Eine Pulverfabrik und Salpeterraffinerie ist zu Ebenhausen bei Ingolstadt, eine königliche Gewehrfabrik in Amberg, [* 17] ein Gieß- und Bohrhaus in Augsburg.
Das bayrische Wappen [* 18] ist ein länglich-viereckiger Schild, [* 19] in vier Teile geteilt, mit einem Herzschild; oben rechts ist der pfälzische goldene, rotgekrönte Löwe in Schwarz, unten links der blaue, goldgekrönte Löwe (wegen Veldenz) in Weiß, oben links drei silberne Spitzen in Rot (wegen Franken), unten rechts ein goldener Pfahl auf rot und weiß gestreiftem Grund (wegen Burgau-Schwaben). Der Mittelschild enthält 42 silberne und azurne Rauten, diagonal von der Rechten zur Linken aufsteigend, als Sinnbild aller vereinigten Teile.
Die Schildhalter bilden zwei goldene Löwen [* 20] mit gespaltenem Schweif, von denen jeder eine in silberne und azurne Rauten geteilte Fahne hält. Das Ganze umgibt ein mit Hermelin ausgeschmücktes Zelt, oben mit der Königskrone (s. Tafel »Wappen«). Die Landesfarben sind Blau und Weiß. hat folgende Orden [* 21] und Ehrenzeichen: den St. Hubertusorden (1444 gestiftet) als ersten Hausorden mit einer Klasse Ritter;
den St. Georgsorden (aus den Zeiten der Kreuzzüge, 1729 erneuert) mit 3 Klassen;
den Militär-Max-Josephsorden (1806 gestiftet) mit 4 Klassen;
den Verdienstorden der Bayrischen Krone (1808 gestiftet), aus 6 Klassen bestehend (die 4 ersten mit persönlichem Adel verbunden);
den St. Michaelsorden (1693 gestiftet, 1837 zu einem Verdienstorden umgeschaffen) mit 5 Klassen;
den Ludwigsorden (1827 gestiftet) für 50jährige Dienstzeit;
den Maximiliansorden (1853 gestiftet) für Kunst und Wissenschaft;
den Militär-Verdienstorden (gestiftet ¶