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Baccio Pintelli, von dem verschiedene Kirchen in Rom, Sant' Agostino, Santa Maria del Popolo u. a., sowie die Sixtinische Kapelle des Vatikans (1473) erbaut sind, und Leo Battista Alberti (1398-1472), der zuerst mit einem entschiedenen gelehrten Studium des klassischen Altertums hervortrat.
Die venezianischen Paläste dieser Zeit zeichnen sich, im Gegensatz zu dem imponierenden Ernst jener von Toscana, durch eine eigentümliche Leichtigkeit und Eleganz aus und erhalten eine besondere Weise der Dekoration, die sich auf die ältesten venezianischen Vorbilder, auf die Anlagen des byzantinischen Stils (wie San Marco) zu gründen scheint, da eine Art musivischen Schmuckes, Täfelungen, Kreise, Leistenwerk u. dgl., aus verschiedenfarbigem, wertvollem Stein gebildet, als Füllstücke in das Mauerwerk der Fassaden eingelassen ist.
Die kirchlichen Gebäude, im Innern zwar wieder weniger bedeutend, nehmen in der Gestaltung ihres Äußern an diesen Anordnungen teil; auch zeigt sich hier die bemerkenswerte, der byzantinischen Architektur entnommene Form der halbrunden Giebel. Besonders zahlreich sind die Werke, die man der Familie der Lombardi zuschreibt; als die ausgezeichnetsten unter den Gliedern dieser Familie werden Martino und Pietro Lombardo genannt. Unter den venezianischen Palästen dieser Periode sind als Hauptbeispiele zu nennen: der Palast Pisani a San Polo, die Paläste Angarani (oder Manzoni) und Dario, der als Werk des Pietro Lombardo geltende Palast Vendramin Calergi (1481), der Palast Corner Spinelli, der Palast Contarini (1504), der von Guglielmo Bergamasco (1525) erbaute Palast dei Camerlenghi neben Ponte Rialto, während die am Markusplatz gelegenen, von Bartolommeo Buono Bergamasco erbauten Procurazie vecchie einen hervorragenden Bau vom Schluß des 15. Jahrh. bilden.
Unter den kirchlichen Gebäuden sind hervorzuheben: San Zaccaria (1457; s. Tafel XII, [* ] Fig. 2), dem Martino Lombardo zugeschrieben;
die Scuola di San Marco, neben der Kirche Santi Giovanni e Paolo, erbaut von Martino Lombardo (1485);
die Scuola di San Rocco, 1517 von Bartolommeo Buono u. a. erbaut.
Von dem gelehrten Architekten Fra Giocondo aus Verona rühren der Fondaco dei Tedeschi zu Venedig sowie der bedeutende Ratspalast (Palazzo del Consiglio) zu Verona her.
Mit dem Anfang des 16. Jahrhunderts beginnt in der italienischen Baukunst, was die Behandlung der antiken Bauform betrifft, eine größere kritische Strenge herrschend zu werden, verwandt mit den zuerst bei dem Florentiner Alberti hervorgetretenen Bestrebungen, wodurch zwar jetzt im allgemeinen eine gewisse äußere Reinheit des Stils erreicht, zugleich aber jener poetische Hauch, jene lebensvollere Phantasie verkümmert wurden, welche die Mehrzahl der Werke des 15. Jahrh. noch durchdrungen hatten.
Man blieb fortan bei den Regeln stehen, die man aus den antiken Monumenten und aus den Büchern des Vitruv entnahm. Rom ward für jetzt der bedeutsamste Mittelpunkt der italienischen Architektur. Der erste für diesen Umschwung der architektonischen Richtung (Hochrenaissance) vorzüglich thätige Meister ist Donato Lazzari, gewöhnlich Bramante genannt, aus dem Herzogtum Urbino (1444-1514). Seine Mailänder Bauten tragen noch ganz das anmutige Gepräge, welches die oberitalienische Architektur aus der spätern Zeit des 15. Jahrhunderts ausgezeichnet.
Später ging Bramante nach Rom, wo ihn die unmittelbare Nähe der altrömischen Monumente zu einer strengern Nachahmung ihrer Formen angetrieben zu haben scheint. Die Werke, welche er hier ausführte, tragen jenen oben als den des 16. Jahrh. bezeichneten Charakter und zeigen zwar noch Grazie, feinen Sinn und Geschmack, zugleich aber auch jene beginnende größere Nüchternheit des Gefühls. Unter den Werken der Frührenaissance nimmt die Fassade der in edlem Stil erbauten Kartause von Pavia, der sogen. Certosa (s. Tafel XI, [* ] Fig. 1), von Ambrogio Borgognone eine hervorragende Stelle ein.
Dem Bramante nahe verwandt ist Baldassare Peruzzi (1481-1537), der in Rom verschiedene Paläste erbaute, z. B. die sogen. Farnesina, eine für Agostino Chigi ausgeführte, im Äußern mit Pilasterstellungen geschmückte Villa, und dessen Schüler Sebastiano Serlio sich weniger durch ausgeführte Werke als durch sein Lehrbuch der Architektur bekannt machte. Bedeutendere Nachfolger Bramantes in Rom waren Antonio da Sangallo der jüngere aus Florenz (gest. 1546), der Erbauer des Palastes Farnese, der in seinen schönen und großartigen Verhältnissen eine Nachwirkung des ältern florentinischen Palaststils verrät, und Pirro Ligorio (gest. 1580), der bemüht war, sich völlig in den Geist des klassischen Altertums zu versenken, wovon unter seinen ausgeführten Bauwerken die in den vatikanischen Gärten gelegene Villa Pia (früher Casino del Papa) Zeugnis gibt, die als das zierlichste und anmutsvollste Beispiel antiker Villenarchitektur erscheint.
Eine durchaus abweichende Richtung entwickelt sich in der italienischen Architektur durch die Bestrebungen Michelangelo Buonarrotis (1474-1564), der im Gegensatz zu den frühern Meistern, die mit naiver Anmut in den Formen der Antike sich bewegten, im Gegensatz auch zu seinen Zeitgenossen, welche diese Formen mit gewissenhafter Treue festhielten, dieselben bei dem Bau der Peterskirche in Rom (s. Tafel XI, [* ] Fig. 2-5) nach Laune und Willkür umzugestalten und somit den Ausartungen der Folgezeit das Thor zu öffnen beginnt.
Die Schüler Michelangelos ahmten den architektonischen Geschmack des Meisters mit mehr oder weniger Treue nach, und mit besonderm Wohlgefallen hielt unter diesen Giovanni del Duca an dessen manieristischen Ausartungen fest. Gleichwohl fand diese willkürliche Behandlungsweise der in den nächsten Jahrzehnten nach Michelangelos Tod noch wenig Anhänger. So hielt unter den jüngern Zeitgenossen dieses Meisters zunächst Giacomo Barozzi, genannt Vignola (1507-73), streng an dem Studium des klassischen Altertums fest und suchte dafür auch durch das Buch zu wirken, welches er über die fünf Säulenordnungen des klassischen Altertums verfaßte.
Sein Hauptbauwerk ist das Schloß Caprarola auf dem Weg von Rom nach Viterbo. Gleichzeitig mit Vignola und in ziemlich verwandter Richtung mit ihm bildete sich in Rom Galeazzo Alessi (1500-72) aus, dessen in Genua aufgeführte Paläste im allgemeinen weniger durch ihre Fassaden als durch die Anordnung der innern Räume, namentlich der Vestibüle, Höfe und Treppenhallen, ausgezeichnet sind, worin er eine großartige malerische Wirkung zu erreichen wußte. Andre Eigentümlichkeiten gewahrt man bei denjenigen Architekten, welche in der Periode des 16. Jahrh. im venezianischen Gebiet beschäftigt waren. Unter den frühern Meistern derselben sind Michele Sanmichele von Verona (1484-1559) und Jacopo Tatti, genannt Sansovino (1479-1570), Erbauer der Bibliothek von San Marco in Venedig (s. Tafel XII, [* ] Fig. 3), zu nennen, dessen Nachfolger Andrea Palladio von Vicenza (1518-80) der gefeiertste und einflußreichste Meister der modernen Architektur war.
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Allenthalben wurde noch lange nach seinen Rissen gebaut, und noch mehr sicherte er sich diesen nachwirkenden Einfluß durch das von ihm verfaßte Lehrbuch der Architektur. Die bedeutendsten seiner Nachfolger in Venedig waren Vincenzio Scamozzi und Baldassare Longhena. Verwandte, doch nicht zu derselben Konsequenz gesteigerte Bestrebungen zeigen in jener Zeit: Bartolommeo Ammanati zu Florenz (1511-92), Vollender des Palastes Pitti u. Erbauer der Brücke Santa Trinità, die sich durch leichte Schwingung ihrer Bogen auszeichnet, Domenico Fontana zu Rom (1543-1607), Erbauer des neuen Lateranpalastes, u. a.
Wie Leo Battista Alberti diejenigen Bestrebungen eingeleitet hatte, die im 16. Jahrh. eine größere Verbreitung fanden, so erscheint Michelangelo als Begründer derjenigen Richtung des architektonischen Geschmackes, welche das 17. Jahrh. charakterisiert. Ihm kam es vor allen Dingen darauf an, durch die Gewalt seiner Werke zu imponieren, durch kühne und überraschende Kombination den Beschauer mit Staunen und Verwunderung zu erfüllen, ohne auf die Reinheit, auf die innerliche Notwendigkeit der Mittel, die er zu solchem Zweck anwandte, sonderlich Rücksicht zu nehmen.
Dies Streben ward mit Vorliebe und in ungleich ausgedehnterm Kreis um den Beginn des 17. Jahrh. aufgenommen; die architektonischen Werke dieser Periode haben einen gewissen pathetischen Schwung, der zuweilen allerdings Großartigkeit des Sinnes verrät, viel häufiger jedoch in fremdartigen und abenteuerlichen Formen sich ergeht und durchweg mit Hohlheit des Gefühls verbunden ist (Barockstil). Charakteristisch hierfür sind die zur Fortsetzung und zur glänzendern Gestaltung des Baues der Peterskirche von Rom ins Werk gesetzten Bauten von Carlo Maderna (1556-1639) und Lorenzo Bernini (1589-1680). Arbeitete der letztere und seine Mitstrebenden im allgemeinen auf eine gewisse Großartigkeit des Eindrucks hin, so trat ihnen eine andre Richtung gegenüber, die, von allem innern und äußern Formengesetz abweichend, nur durch die abenteuerlichsten und launenhaftesten Kombinationen zu wirken strebte.
Das Haupt dieser Partei war Francesco Borromini (1599-1667), der eifrigste Nebenbuhler Berninis. Alles Geradlinige in den Grund- und Aufrissen seiner Architektur ward soviel wie möglich verbannt und durch Kurven der verschiedensten Art, durch Schnörkel, Schnecken u. dgl. ersetzt; den Hauptformen entzog er die gesetzmäßige Bedeutung, während er die untergeordneten, mehr für die Dekoration bestimmten Nebenformen mit völliger Willkür als die wichtigsten Teile des Ganzen behandelte.
Rom wurde angefüllt mit diesen Fratzengebilden der Architektur. Unter den Nachfolgern des Borromini, welche im einzelnen die Willkür des Meisters noch zu überbieten wußten, sind Giuseppe Sardi und Camillo Guarini (besonders in Turin thätig) hervorzuheben. Im 18. Jahrh. machen sich in der italienischen Architektur Bestrebungen bemerklich, die zu einer größern Ruhe des Gefühls und zu einer strengern Schulrichtigkeit zurückführen; doch bereiten dieselben keine neue geistige Entwickelung vor. Die bedeutendsten Meister dieser Zeit sind Filippo Ivara (1685-1735), der unter anderm das Kloster der Superga bei Turin baute, und Luigi Vanvitelli (1700-73), der Erbauer des Schlosses Caserta bei Neapel.
Außerhalb Italiens blieb bei den christlich-occidentalischen Völkern der gotische Baustil bis in das 16. Jahrh. hinein allgemein in Anwendung. Obwohl die Renaissance hier somit erst beträchtlich später eingeführt wurde, so gibt sich doch bereits an denjenigen Monumenten des gotischen Stils, welche dem 15. und dem Anfang des 16. Jahrh. angehören, sehr häufig eine Behandlungsweise kund, die, ohne irgend eine Gemeinschaft mit dem Formenprinzip der Antike zu verraten, als ein Ausdruck des neuern Zeitgeistes zu betrachten ist, welcher in der Rückkehr zu einer größern Massenwirkung und zu dem Gesetz der Horizontallinie und den hiervon abhängigen Bogenformen besteht.
Durch eine solche Richtung des künstlerischen Gefühls war auch hier die Einführung der antiken Formen vorbereitet, die von Italien aus und zwar von jener Epoche ab erfolgte, wo die italienisch-moderne Architektur jene größere Freiheit der künstlerischen Konzeption, welche die dortigen Werke des 15. Jahrh. noch auszeichnet, eingebüßt hatte. Willig und aller selbständigen Produktion entsagend, nahm man die Grundsätze an, welche die italienischen Meister aufgestellt und durch ihre Werke bethätigt hatten.
Besondere Eigentümlichkeiten begegnen uns in der neuern Baukunst außerhalb Italiens vornehmlich nur da, wo die antiken Bauformen in den Zeiten ihrer ersten Einführung noch in einen gewissen Konflikt mit der ältern einheimischen Bauweise traten. Hierdurch sind manche interessante Schöpfungen entstanden, die zuweilen sogar noch an den Charakter der italienischen Werke des 15. Jahrh. erinnern, wenn sie auch die anmutsvolle Durchbildung der letztern nicht erreichen.
Frankreich namentlich besitzt manche bezeichnende Werke solcher Art in der Architektur verschiedener Schlösser. Die künstlerischen Unternehmungen des Königs Franz I. (1515-47) verschafften hier dem neuen Stil schnellern und leichtern Eingang als in andern Ländern. Die vorzüglichsten französischen Architekten, welche in seiner und der nächstfolgenden Zeit thätig waren, sind: Jean Bullant (Schloß von Ecouen, um 1540), Pierre Lescot (die ältern Teile des Louvre, vollendet 1548; s. Tafel XII, [* ] Fig. 4) und Philibert Delorme.
Auch ihre Werke haben bei mehr oder weniger reiner Aufnahme der italienischen Formen noch einen gewissen romantischen Nachklang; bei Delorme entwickelt sich hieraus aber ein barockes Wesen, das auch auf die spätere französische Architektur nicht ohne Einwirkung geblieben ist. In der ersten Hälfte des 17. Jahrh. ist besonders Jacques de Brosse anzuführen, von welchem der Palast Luxembourg in Paris herrührt, der an den florentinischen Palastbau erinnert. Die umfassenden Bauten, welche in der spätern Zeit des 17. Jahrh. unter Ludwig XIV. entstanden, sind ohne sonderliche Bedeutung. Am meisten tritt unter diesen die von Claude Perrault ausgeführte Hauptfassade des Louvre mit einer mächtigen Säulenhalle vor den obern Geschossen hervor, während das von J. H. ^[Jules Hardouin] Mansard, dem Erfinder der nach ihm benannten Dachform, gebaute Schloß von Versailles ziemlich charakterlos ist.
Die französischen Architekten des 18. Jahrh. erscheinen durchweg, wie die gleichzeitigen Italiener, sehr nüchtern; nur Jacques Germain Soufflot (1713-81), der in seinem Kuppelbau der Kirche Ste.-Geneviève (des heutigen Panthéons) ein bei vielen Mängeln doch großartiges Werk zu stande brachte und sich zuerst wieder an die reinern Formen der Antike anschloß, verdient unter ihnen ausgezeichnet zu werden. Die Franzosen nahmen übrigens die Stilbegriffe Renaissance, Barock und Rokoko erst nach dem Vorgang der Deutschen an. Gewöhnlich bezeichnen sie die Stilwandlungen ihrer neuern Baukunst nach den Regenten und unterscheiden einen Stil François I, Henri II, Louis XIII, Louis XIV, Style Régence und Louis XVI.
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In Spanien sehen wir die Renaissance ebenfalls bereits in der ersten Hälfte des 16. Jahrh. eingeführt. Unter Karl V. ward hier unter anderm als ein Gebäude von italienischer Form der (unvollendete) Palast neben der Alhambra von Granada, nach den Plänen Machucas, erbaut, dessen trockner Ernst zu der spielenden Pracht des maurischen Königsschlosses einen charakteristischen Gegensatz bildet. Bedeutenderes geschah in der zweiten Hälfte des 16. Jahrh. unter Philipp II. Das großartigste Monument, welches dieser Fürst errichten ließ, ist das Kloster San Lorenzo im Eskorial, begonnen 1563 durch Juan de Toledo, beendet 1584 durch dessen Schüler Juan de Herrera.
In England kam der moderne Baustil kaum vor dem Anfang des 17. Jahrh. zu einer durchgreifenden Anwendung. Als Begründer desselben ist hier vornehmlich Inigo Jones (1572-1652) zu nennen, ein getreuer Nachfolger des Palladio. Der königliche Palast zu Whitehall, ein Teil des Hospitals von Greenwich bei London u. v. a. rühren von ihm her. Der bedeutendste der modernen englischen Baumeister ist Christopher Wren, welcher von 1675 bis 1710 den Neubau der Paulskirche zu London ausführte. Auch in England spricht man nach den Regenten von einem Elizabethan Style, Stil der Königin Anna etc. In den Niederlanden ist vornehmlich Jakob van Campen (gest. 1658), der Erbauer des großen Rathauses von Amsterdam, zu nennen.
In Deutschland entstanden bereits seit der Mitte des 16. Jahrh. mancherlei Bauanlagen italienischen Stils, wie der Otto-Heinrichsbau des Heidelberger Schlosses (s. Tafel XII, [* ] Fig. 5). Doch suchte sich der deutsche Geist die antike Dekoration bald so vollständig anzueignen und ihr ein so entschieden nationales Gepräge zu geben, daß sich die deutsche Renaissance als selbständiges Glied aus der allgemeinen Renaissancebewegung herauslöste und namentlich in der dekorativen Gestaltung der Bauwerke, welche meist ihre gotische Grundform behielten, und im Kunstgewerbe zu reizvollen und künstlerisch wertvollen Schöpfungen gelangte. Zu Anfang des 17. Jahrh. erfreute sich Elias Holl von Augsburg eines besondern Ruhms; er führte 1615-20 das dortige Rathaus auf, das indes keine sonderlich großartige künstlerische Entwickelung erkennen läßt.
Gleichzeitig (1616-19), in einer nicht unwürdigen Anwendung des italienischen Stils, ward das Rathaus zu Nürnberg durch Eucharius Karl Holzschuher erbaut. Wichtigere Unternehmungen finden sich in Deutschland zu Ende des 17. und zu Anfang des 18. Jahrh. Zu den kraftvollsten Bauten dieser Zeit gehören das 1685 von Nehring angefangene und von Joh. de Bodt vollendete Zeughaus zu Berlin sowie diejenigen Teile des dortigen königlichen Schlosses, welche Andreas Schlüter in den Jahren 1699-1706 erbaut hat.
Schlüter, der größte Künstler seines Zeitalters, namentlich in der Skulptur, strebt in seinen Architekturen ebenfalls nach einer lebendig malerischen Wirkung, verliert aber dabei ebensowenig die kraftvolle Gestaltung des Einzelnen wie den festen und massenhaften Charakter des Ganzen aus dem Auge. Als bedeutende Zeitgenossen Schlüters sind Joh. Bernhard Fischer von Erlach, als dessen Hauptbau die 1716 begonnene und 1737 (durch seinen Sohn Esaias Emanuel) beendete Kirche St. Karl Borromäus zu Wien zu bezeichnen ist, ferner Johann Balth. Neumann, der von 1720 bis 1744 die stattliche fürstbischöfliche Residenz zu Würzburg erbaute, sowie G. W. v. Knobelsdorff zu nennen, von dem die bedeutendsten Bauten, welche Friedrich II., König von Preußen, in den frühern Jahren seiner Regierung zu Berlin und Potsdam ausführen ließ, herrühren.
Diese Richtung der deutschen Baukunst entspricht in ihrem Stilcharakter im allgemeinen dem italienischen Barockstil. Mit diesem kämpfte zu Anfang des 18. Jahrh. eine originelle Neuerung um den Vorrang, das in Frankreich entsprungene Rokoko. Das Rokoko setzt sich ebenso kontrastierend in die klassische Epoche hinein wie das Regime Louis XV in jenes Louis XIV. Das Rokoko ist kein eigentlicher Architektur-, sondern ein Dekorationsstil. Es setzt an die Stelle der prunkvollen Säulenausstattung und Gebälkarbeit römischer Herkunft ein üppiges Geranke von Muscheln und Linganen, von Palmen und krummen Leisten, für deren Zusammenstellung nur leichtes Geringel und flache Haltung Gesetz sind.
Kahle Wände und Decken sind dem Rokoko am erwünschtesten, geradlinige Gliederungen dagegen feindlich. Charakteristisch ist ferner, daß es sich besonders im Innenraum entfaltet, in Verbindung mit eingelassenen Spiegeln, glitzernden Glaslüstern, Porzellan-Etageren und chinesisch-japanischen Kunsterzeugnissen, welche überhaupt vom größten Einfluß auf den Stil geworden sind und zwar in Form, Dessin und Farbe. Die Abhängigkeit der europäischen Throne von Frankreich während und nach der Regierung Ludwigs XIV. verpflanzte rasch die neue Weise auch in die andern Länder, vorzugsweise nach Deutschland.
Die zahlreichen Höfe bewahren davon noch köstliche, die französischen Vorbilder weit übertreffende Beispiele, unter denen der von Pöppelmann gebaute Zwinger zu Dresden, das Schloß Sanssouci bei Potsdam und die Pavillons von Nymphenburg hervorragen. Auch der auf das Rokoko (Style Régence und Louis XV) folgende, die Rückkehr zur Nüchternheit bezeichnende Stil Louis XVI, verbunden mit schwächlicher Anlehnung an die Antike, fand an den deutschen Höfen willige Nachahmung, wo in dem sogen. Zopfstil namentlich in Berlin demselben bereits vorgearbeitet war.
Die neuere Baukunst.
Eine neue Entwickelungsperiode der Baukunst beginnt gegen Ende des 18. Jahrh., wo sich zuerst eine Reaktion gegen den Rokoko- und Zopfstil insofern bemerkbar machte, als sich hier und da Bauten erhoben, welche durch einfache und unbefangene Natürlichkeit ein glückliches Gegengewicht gegen das manieriert-konventionelle Wesen jener Stilrichtungen bildeten. Als größere, stattliche Werke sind das von H. Gentz gegen Ende des 18. Jahrh. in Berlin erbaute Münzgebäude und das Brandenburger Thor von Langhans anzuführen.
Gleichzeitig werden aber auch bereits andre, ungleich mehr umfassende Bestrebungen sichtbar, in denen wir die zweite Stufe dieser neuen Entwickelung erkennen. Dies sind diejenigen, die auf einem erneuten und tiefer eindringenden Studium der Antike beruhen, und durch welche der Kunst wiederum der Gewinn eines geläuterten und gereinigten Stils zu teil wurde. Als gewaltiger Herold ging diesen Bestrebungen Winckelmann (1717-68) voran, dessen prophetisch-begeistertes Wort von seinen Zeitgenossen bewundert, aber erst von der folgenden Generation in lebendigem Schaffen wiedergeboren ward. Seinen wissenschaftlichen Forschungen folgten die Untersuchungen der Monumente des griechischen Landes selbst. Seit Stuart und Revett ward die Aufnahme und Vermessung der griechischen Baudenkmäler eifrig betrieben, dann wurden große Schätze der griechischen Bauornamente in die Museen des westlichen Europa entführt und in Gipsabgüssen überallhin verbreitet. So kehrte man von dem Schnörkelwesen der frühern
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Zeit zu den reinen klassischen Formen zurück, teils zwar noch, wie besonders von seiten der Franzosen, in der römischen Auffassung dieser Formen, teils, wie bei einzelnen englischen Bauten, in unmittelbarer Nachahmung griechischer Vorbilder, teils in einer Weise, welche aus dem griechischen Geist heraus Neues zu schaffen sich bestrebte. In dem letztern Betracht leistete besonders Deutschland Ausgezeichnetes, und vornehmlich K. Schinkel (1781-1841) ist es, dessen Bauwerke zuerst wieder das reine Bewußtsein der klassischen Formenbildung wie keine andern Denkmäler des gesamten modernen Zeitalters erkennen lassen, so das mit Fresken geschmückte Alte Museum, die in dorischem Stil erbaute Hauptwache, das genial entworfene Schauspielhaus zu Berlin.
Bei kleinern Anlagen, wie dem reizenden Charlottenhof in Potsdam, wußte der Meister die Architektur mit der Gartenanlage auf das glücklichste zu verbinden, während er in der Bauakademie zu Berlin der Backsteinarchitektur der Gegenwart neue Bahnen vorzuzeichnen verstand. Eine dritte Richtung entwickelte sich als Opposition gegen die einseitige und in dieser Einseitigkeit frostige Auffassungsweise, zu der jene antikisierende Richtung allerdings häufig genug Veranlassung gab.
Diese Opposition wandte sich im Gegensatz gegen jenes formale Streben der Blüteperiode des romanischen Zeitalters zu. Es fehlte hier ebenfalls nicht an mancherlei einseitigen Leistungen, zugleich blieb diese Richtung auf einen engern Kreis beschränkt und ging schnell vorüber; doch mußte ein solches Bestreben die wohlthätigsten Folgen haben. Von besonderer Wichtigkeit ist hier die Wiederaufnahme des gotischen Baustils, welche sich zunächst in England vollzieht, wo überhaupt zwischen dem Mittelalter und der neuern Zeit keine so scharfe Grenze gezogen war wie in andern Ländern. In Deutschland sind verschiedene nicht unbedeutende Monumente gotischen Stils ausgeführt worden, in denen aber auf der einen Seite mehr eine Aufnahme der Äußerlichkeiten dieses Stils, auf der andern Seite eine Umbildung desselben nach einer mehr klassischen Formenweise, die aber seinem Grundprinzip widerspricht, ersichtlich wird, während einzelne deutsche Baumeister statt seiner zu dem romanischen Baustil zurückgegriffen haben.
Endlich ist diesen verschiedenen Entwickelungsstufen derjenige Zustand der Baukunst gefolgt, der vorzugsweise der Gegenwart angehört und sich fast ausschließlich in der Nachahmung der verschiedenen Erscheinungsformen der Renaissance erschöpft. Neben Berlin wurde ein Schauplatz für großartige Bauthätigkeit in neuester Zeit Bayern und insbesondere München durch König Ludwig I. Hier war es Leo v. Klenze, der in der Glyptothek (1816-30), in der Walhalla bei Regensburg, in der Befreiungshalle bei Kelheim, in der Ruhmeshalle und in den Propyläen zu München mit anerkennenswerter Konsequenz an den Grundsätzen der Antike festhielt und bei der Pinakothek, dem neuen Königsbau und Saalbau die Renaissance mit Geschick zu benutzen verstand, während Gärtner in der Ludwigskirche, Bibliothek und Universität sich den Stilen des Mittelalters nach dem Grundsatz der romantischen Schule anschloß, Ziebland in der Basilika des heil. Bonifacius den altchristlichen und Ohlmüller in der Mariahilfkirche in der Vorstadt Au den gotischen Stil vertrat.
König Maximilian II. (seit 1848) versuchte statt der Reproduktion der verschiedenen Baustile der Vergangenheit die Erfindung eines neuen Baustils hervorzurufen. Die Münchener Akademie der bildenden Künste forderte 1851 hierzu auf und erkannte den Entwürfen Wilhelm Stiers aus Berlin den Preis zu, welche indes bei aller Reife in der Komposition zur Ausführung nicht geeignet schienen. Die im neuen Stil aufzuführenden Bauten wurden deshalb der Hand Bürkleins anvertraut, der sich namentlich durch seinen Bahnhof als einen glücklichen Vertreter der romanischen Richtung bewährt hatte, aber sonst weder in der neuen Maximiliansstraße und ihren öffentlichen Gebäuden noch in dem Regierungsgebäude und Maximilianeum etwas für die Gegenwart und nächste Zukunft Maßgebendes zu schaffen im stande war. Unter den neuern Gebäuden Münchens sind das gotische Rathaus von Hauberrisser sowie das im Renaissancestil erbaute, ebenso zweckmäßig wie künstlerisch durchgebildete neue Polytechnikum von Neureuther hervorzuheben. Eisenlohr (gest. 1853) hat in den Hochbauten der badischen Eisenbahn, namentlich an den Bahnhöfen von Heidelberg, Freiburg und Karlsruhe, den romanischen Stil wieder zu erwecken und unsern Bedürfnissen anzupassen gewußt, während Hübsch (gest. 1863) in Karlsruhe die altchristliche und romanische Bauart zu entwickeln strebte und in dem Theater zu Karlsruhe, der Trinkhalle in Baden-Baden, vor allem aber in der Kunstschule zu Karlsruhe seine besten Leistungen hinterlassen hat.
Einer freiern Verwendung antiker Formen verdankt die Stuttgarter Schule den Fortschritt zu einer edlen Renaissance, wovon die Villa bei Berg von Leins, Egles Polytechnikum und Stuttgarts Privatbauten Beispiele darbieten. Unter den Leistungen der neuesten Zeit sind das Postgebäude von Tritschler, der ebenso geschmackvolle wie zweckmäßig eingerichtete neue Bahnhof von Morlock, die Kirche am Feuersee von Leins, das Gesellschaftsgebäude der Museumsgesellschaft von Reinhardt und die schon stark in den Barockstil hinüberspielenden Privatbauten von Gnauth zu nennen.
Die bauliche Entwickelung Wiens, welche bis zum Jahr 1828 unter dem Druck einer baubüreaukratischen Reaktion gestockt hatte, datiert von diesem Jahr, in welchem der Schweizer Architekt Müller aus Wyl, Zieblands Schüler, durch den in den italienisch-deutschen Formen des romanischen Stils bewirkten Bau der Altlerchenfelder Kirche eine erste Anregung zum Fortschritt gab. Ihr folgte der Bau der neuen Synagoge im maurischen Stil von Förster, des riesigen Artilleriearsenals, welches aus den Konkurrenzplänen der Architekten Hansen, Förster, Rösner, Siccardsburg und van der Nüll kombiniert war und, obwohl ohne völlige Einheit, doch in seinen einzelnen Teilen, besonders in dem stattlichen Waffenmuseum Hansens, welches eine ebenso originelle wie harmonische Verbindung romanischer und maurischer Elemente zeigt, eine hervorragende Leistung der modernen Architektur darstellt.
Auch durch seine Kapelle des evangelischen Friedhofs, die Pfarrkirche der nichtunierten Griechen, den Renaissancepalast Erzherzog Wilhelms, den in dem Heinrichshof vereinigten großartigen Komplex von Miethäusern, das in griechischem Stil erbaute Parlamentsgebäude und die Akademie der bildenden Künste hat Hansen für Wien Epochemachendes geleistet. Während das von Siccardsburg und van der Nüll errichtete neue Opernhaus sich in den Formen der Spätrenaissance bewegt, hat Heinrich Ferstel (gest. 1883) in der Votivkirche einen edlen gotischen, in dem Bank- und Börsengebäude und der Universität imponierende Bauten im Stil der florentinischen Paläste geschaffen. Unter den strengern Gotikern ist vor allen Friedr. Schmidt mit seiner Lazaristenkirche (1860-62), seinem
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akademischen Gymnasium (vollendet 1867) und dem im Stil italienischer Gotik ausgeführten Rathaus zu nennen. Auf seinem eng begrenzten Gebiet ist er ein trefflicher Meister und neben Statz, welcher mehrere Kirchen in den Rheinlanden erbaut hat, das tüchtigste Glied der kölnischen neugotischen Schule. Unter den neuesten Kirchen sind die Weißgerberkirche, die Pfarrkirche in der Brigittenau und die Kirche in Fünfhaus, alle von Schmidt, in gotischem Stil erbaut. Der Bau der Hofmuseen, des Hofburgtheaters und der Hofburg selbst nach den Entwürfen von Semper u. Hasenauer und der Justizpalast von A. v. Wielemans bilden gewissermaßen den monumentalen Abschluß einer Gruppe von Bauten, wie sie großartiger und phantasievoller keine zweite moderne Großstadt besitzt. (Näheres s. bei Wien, mit Tafel »Wiener Bauten«.) [* ]
In Norddeutschland ist namentlich die Friedenskirche zu Potsdam, von Persius 1850 vollendet, ein glänzendes Muster des Basilikenstils, der nicht minder glücklich, wenn auch mit weit geringern Mitteln im Backsteinrohbau in Stülers Jakobikirche zu Berlin zur Anwendung kam (1845). Stracks Petrikirche ist schon deswegen bemerkenswert, weil hier unter größter äußerer Beschränkung die Gotik einem Grundriß sich anbequemen mußte, welcher ihr fremd war, und hierdurch zu einem originellen Bauwerk Veranlassung gab.
Einen nicht minder bedeutenden Bau, für welchen der romanische Stil und noch mehr die Renaissance Vorbilder gaben, ist die mit Kuppeln überdeckte Kirche der katholischen St. Michaelsgemeinde von Soller. Zu den großen Profanbauten, mit welchen Friedrich Wilhelms IV. Kunstsinn die Stadt schmückte, gehört das Neue Museum von Stüler, welches alle Sammlungen in sich schließt und mit Schinkels Altem Museum durch eine Straßenüberführung verbunden ist. Unter der Leitung von Strack wurde ein andrer Teil der Anlage, die Nationalgalerie, errichtet. Im Privatbau, besonders dem ländlichen, zu dessen Ausbildung die Straßen am Tiergarten und die reizenden Umgebungen Potsdams aufforderten, haben Strack, Knoblauch, Hitzig und besonders Persius Treffliches geschaffen. Zu den Wohnhäusern größern Stils gehört das elegante russische Botschaftshotel von Knoblauch, zu den öffentlichen Gebäuden das im Backsteinrohbau ausgeführte Rathaus von Wäsemann, die im Renaissancestil erbaute Börse, das erste in Hausteinen ausgeführte Gebäude Berlins, und die deutsche Reichsbank von Hitzig.
Die im maurischen Stil aufgeführte Synagoge von Knoblauch zeichnet sich ebensowohl durch meisterhaften Grundriß wie durch die edlen Verhältnisse ihres Innern und ihrer originellen eisernen Kuppel aus, während die Anatomie und das chemische Laboratorium von Albert Cremer edle und geschmackvolle Leistungen im Backsteinbau darstellen. Unter den Kirchen der neuesten Periode sind die byzantinische Thomaskirche von Adler und die romanische Zionskirche von Orth als Muster zweckmäßiger Einrichtung und künstlerischer Durchbildung hervorzuheben.
Besonders zahlreich sind die Leistungen auf dem Gebiet des Eisenbahnbaues, unter welchen der Görlitzer Bahnhof von Orth, der Ostbahnhof von Lohse, der Niederschlesisch-Märkische, der Lehrter und Potsdamer, der Anhalter von Schwechten und die Stadtbahnhöfe von Jakobsthal bei zweckmäßiger Anlage und künstlerischer Durchbildung eine mehr oder minder gelungene Verbindung des Steinbaues mit dem Eisenbau zeigen. Die Privatarchitektur weist eine Fülle von Bauten auf, welche, in dem Charakter eines Palastes oder einer Villa gehalten, meist sowohl in Anlage als in Form vortrefflich sind.
Auf diesem Gebiet haben sich neuerdings neben den Meistern der ältern Periode, wie Lucae und Gropius und Schmieden, besonders Ende und Böckmann, Kayser und v. Großheim, Ebe und Benda, Kyllmann und Heyden, Otzen, H. Stier hervorgethan. (Näheres s. bei Berlin, mit Tafel »Berliner Bauten«.) [* ] - Unter den Bauwerken Dresdens sind Sempers Theater (1841 vollendet, 1869 abgebrannt, von neuem nach seinem Plan 1872-77 erbaut) ausgezeichnet zugleich durch die Fülle bedeutenden Schmuckes, für welche Plastik und Malerei auf das freigebigste aufgeboten wurden, und Museum, der Schlußstein des mächtigen Zwingerbaues, hervorzuheben.
Mit dem Jahr 1848 erreichte Sempers Thätigkeit vorerst in Dresden ihr Ende und fand in der Schweiz, wo er in dem eidgenössischen Polytechnikum und Bahnhof zu Zürich und in dem Rathaus zu Winterthur Bauwerke in edlem Renaissancestil schuf, und später in Wien ihre Fortsetzung (s. oben). Leipzig zeigt im Privatbau meist eine Renaissance unter Dresdener Einfluß und erfreut sich im Museum des Müncheners Ludwig Lange, das 1858 vollendet und seit 1883 durch Lipsius erweitert wurde, eines seinem Zweck trefflich entsprechenden Gebäudes.
Braunschweig hat durch Ottmer (1831-36) ein schönes, im Renaissancestil mit korinthischen Säulenstellungen erbautes Residenzschloß, welches später, teilweise durch Feuer zerstört, in der alten Gestalt wiederhergestellt wurde, und durch Raschdorff ein in gotischem Stil erbautes Postgebäude erhalten. Hannover hat bei bedeutendem Anwachs der Bevölkerung eine große Bauthätigkeit entfaltet. Das 1852 eröffnete Theater von Laves ist ein prachtvoll ausgestatteter Renaissancebau im Rundbogenstil; außerdem sind Haases Museum (romanisch) und Christuskirche (gotisch) als Bauten von hervorragender Bedeutung zu erwähnen.
Unter den öffentlichen Gebäuden Bremens ist die im gotischen Stil erbaute Börse von Müller hervorzuheben. Von Köln aus, wo der gotische Stil durch den wieder aufgenommenen Dombau unter Zwirners Leitung treffliche Pflege fand, verbreitete er sich wieder auch durch Deutschland und rief namhafte Bauten hervor, unter welchen die Nikolaikirche zu Hamburg von dem Engländer Gilbert Scott, 1863 eingeweiht, und die Kölner Bauten von Statz zu nennen sind. In Schwerin sind durch den von Schinkel beeinflußten A. Demmler mehrere Monumentalbauten entstanden, unter denen das im florentinischen Palaststil gehaltene Arsenal und das im Stil der französischen Frührenaissance errichtete, von Stüler vollendete Schloß die bedeutendsten sind.
Deutschland zunächst hinsichtlich der Bedeutung des neuesten architektonischen Schaffens steht Frankreich, wo die provinziellen Eigentümlichkeiten nicht so wie dort hervortreten, sondern Paris allein den Mittelpunkt aller Produktion bildet. Auf die streng antikisierende Richtung eines Percier und Fontaine unter dem ersten Kaiserreich folgte die freiere klassische Richtung des 1867 verstorbenen Hittorf aus Köln, der die edle Basilika St.-Vincent de Paul baute, und dem die Vollendung der Anlage der Place de la Concorde zu danken ist. Unter den Leistungen der Gotiker, welche fast durchweg den frühsten Formen dieses Stils sich anschließen, sind Viollet le Ducs Kirche in St.-Denis und die Kirche Ste.-Clotilde zu Paris von Gau aus Köln hervorzuheben, welch ersterer auch die gelungene Restauration der Ste. Chapelle zu Paris leitete. Von größerm Erfolg war der Anschluß an die Renaissance, wie er sich
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namentlich seit der Restauration und Erweiterung des Hôtel de Ville (nach der Zerstörung durch die Kommune in ziemlich engem Anschluß an den ältern Bau durch Ballu und Deperthes wieder aufgebaut) und in Dubans edler Schöpfung, der École des beaux-arts, zeigte. Eine ähnliche Richtung verfolgte Visconti, der sich als Meister in der Anlage von Denkmälern, wie der Fontäne St.-Sulpice, der Fontäne Molière, der Kaisergruft unter dem Invalidendom, bewährte und unter dem zweiten Kaiserreich die Pläne zum neuen Louvrebau machte, von denen man nach seinem Tod (1853) leider abwich.
Die öffentliche wie die Privatarchitektur der neuen Stadtviertel kleidet sich mehr und mehr in die Formen der üppigsten Spätrenaissance, so in Garniers Neubau der Großen Oper, die nicht nur im Detail mittelmäßig, sondern auch im Zusammenwirken der einzelnen Teile verfehlt ist, in einigen neuen Kirchen, St.-Augustin am Boulevard Malesherbes (von Baltard) und in Ste.-Trinité. Nur hier und da bringt die Privatarchitektur, namentlich in Landhäusern, besseres zu stande.
Ein Versuch, durch Verbindung von romanischen, maurischen und Renaissanceelementen einen neuen Stil zu schaffen, ist in dem 1877 zunächst für die Zwecke der Weltausstellung vollendeten Trocadéropalast von Davioud und Bourdais gemacht worden. In England führten seit dem Anfang des Jahrhunderts archäologische Forschungen zu einem noch reinern und völlig unvermittelten, dafür aber auch desto einseitigern Anschluß an klassische Vorbilder. Mit der Zeit hat man sich der Spätrenaissance zugewandt, welche man hauptsächlich bei palastartigen Gebäuden anwendet.
Daneben wird mit Vorliebe, wo es geht, die Gotik, meist in ihren spätesten Formen, angewandt (Barrys Parlamentshäuser). Der Schwerpunkt der englischen Bauthätigkeit unsrer Zeit liegt in der Solidität des Technischen, zu welcher bisweilen eine geschmackvolle Behandlung des Ornaments hinzutritt. Großartiges ist hier auf dem ganz modernen Gebiet des Glas- und Eisenbaues geleistet worden, wo der jetzt nach Sydenham übertragene Kristallpalast der ersten Weltausstellung Paxtons hervorzuheben ist. Eine Übersicht der wichtigsten Beispiele der architektonischen Stilarten gewähren unsre Tafeln »Baukunst I-XII« nebst Tabelle; vgl. dazu den Art. Baustil.
[Litteratur.]
Mit Übergehung der veralteten Litteratur ist in erster Linie als Führer W. Lübke, Geschichte der Architektur (6. Aufl., Leipz. 1884) zu erwähnen, in welcher alle Litteraturnachweise und namentlich die zahlreichen Einzelpublikationen und Sammelwerke verzeichnet sind.
Daneben sind Schnaase, Geschichte der bildenden Künste (2. Aufl., Düsseld. 1865-78, 8 Bde.), und Kugler, Geschichte der Baukunst (Stuttg. 1856-59, Bd. 1-3; fortgesetzt von Burckhardt und Lübke: »Renaissance in Italien, Frankreich und Deutschland«, 2. Aufl. 1878-82),
als Hauptwerke zu nennen. Für die Baukunst des Altertums ist Perrot und Chipiez, Geschichte der Kunst im Altertum (Bd. 1: »Ägypten«, deutsche Ausg., Leipz. 1882-1884), das am größten angelegte und inhaltreichste Werk; daneben sei Reber, Geschichte der Baukunst im Altertum (das. 1867) genannt. Für die Kenntnis der griechischen Baukunst ist K. Bötticher, Die Tektonik der Hellenen (2. Aufl., Berl. 1869 ff.), grundlegend, während J. ^[Josef] Durm, Baukunst der Griechen (Darmst. 1881), die beste bautechnische Prüfung aller Überreste der griechischen Baukunst enthält. Als Leitfaden ist auch W. Lübke, Abriß der Geschichte der Baustile (4. Aufl., Leipz. 1878), zu empfehlen. Für eine Hauptepoche der italienischen Baukunst liefert O. Mothes, Die Baukunst des Mittelalters in Italien (Jena 1883), reiches Material. Eine »Geschichte der deutschen Baukunst« schrieb H. Otte (Leipz. 1862-74).
Das Material an bildlichen Darstellungen ist durch die Monographien, Einzelpublikationen und Sammelwerke so ungeheuer angewachsen, daß wir nur diejenigen Sammlungen erwähnen, welche eine Anschauung von der gesamten Entwickelungsgeschichte der Baukunst gewähren. Es sind dies: Gailhabaud, Denkmäler der Baukunst aller Zeiten und Länder (a. d. Franz. von Lohde, Hamb. 1842-50, 4 Bde.);
Lübke und v. Lützow, Denkmäler der Kunst (4. Aufl., Stuttg. 1884), und die »Kunsthistorischen Bilderbogen«, mit Textbuch von A. Springer (2. Aufl., Leipz. 1884).
Für die deutsche Renaissance ist A. Ortwein, Deutsche Renaissance (Leipz. 1871 ff.), das reichhaltigste Sammelwerk, zu welchem Fritsch, Denkmäler deutscher Renaissance (Berl. 1882 ff.), ergänzend hinzutritt. Auch E. Försters Denkmale deutscher Baukunst (Leipz. 1857-59) sind anzuführen. - Von Lehrbüchern der Baukunst sind hervorzuheben: »Deutsches Bauhandbuch. Eine systematische Zusammenstellung der Resultate der Bauwissenschaften« (reich illustriert, Berl. 1874-83) und »Handbuch der Architektur«, herausgegeben von Durm u. a. (Darmst. 1881 ff., mit zahlreichen Abbildungen);
daneben ist Mothes, Illustriertes Baulexikon (4. Aufl., Leipz. 1881 ff., 4 Bde.),
zu erwähnen. Die Interessen und die Kunde der Baukunst werden gegenwärtig in Deutschland und Österreich durch folgende Zeitschriften vertreten: »Zentralblatt der Bauverwaltung« (amtliches Organ des preußischen Arbeitsministeriums),
»Deutsche Bauzeitung«, »Wochenblatt für Baukunde«, »Zeitschrift für Bauwesen« (sämtlich in Berlin erscheinend);
»Allgemeine Bauzeitung« (Wien).
In Frankreich sind die »Revue d'Architecture«, die »Encyclopédie d'Architecture« und die »Gazette des Architectes et du Bâtiment«, in England »The Architect«, »The British Architect«, »The Builder« und »The Building News«, für Holland das »Bouwkundig Weekblad« und die »Bouwkundig Tijdschrift«, für die Vereinigten Staaten die »American Architect and Building News« die Zentralorgane.