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romanischen Stils tragen, z. B. die alte, unter Erich dem Heiligen nach 1155 vollendete Kirche bei Upsala, [* 2] die Ruinen des Klosters Alwastra, die Kirche des Klosters Wreta in Ostgotland sowie die Ruinen des Klosters Nydala in Småland. Die ältesten Bauten Dänemarks, von denen wir Kunde haben, sind dem Stil der norddeutschen verwandt, so die um 1110 gegründete Kirche von Westerwig an der westlichen Bucht des Limfjords und die Krypte der Kirche von Viborg in Jütland. In Grönland hat man die Ruinen dreier Rundgebäude entdeckt, die, aus dem frühern Mittelalter herrührend, vermutlich zu dem Zweck der Baptisterien erbaut worden waren. Merkwürdiger jedoch als diese ist ein andrer, vielleicht von Bischof Erik um 1121 errichteter Bau zu Newport auf Rhode-Island, an der Küste der nordamerikanischen Freistaaten, der gegenwärtig noch erhalten ist und in einem Rundbau von 7 m Durchmesser besteht, der von acht schweren Rundpfeilern mit roher Deckplatte, über denen sich Halbkreisbogen wölben, getragen wird.
Die gotische Baukunst.
Der gotische Baustil (s. Tafel X und die beiden Tafeln »Kölner [* 3] Dom« bei Art. »Köln«), [* 4]
welcher in der letzten Hälfte des 12. Jahrh. unmittelbar auf die vollendete Entfaltung des romanischen folgte und zum Teil sogar gleichzeitig mit ihm hervortritt, knüpft zunächst an das System der gewölbten Basilika, [* 5] wie sich dasselbe in der romanischen Periode entwickelt hatte, an. Der Grundplan der kirchlichen Monumente, die Hauptdisposition der Räume bleiben im wesentlichen dieselben; aber ungleich entschiedener als bisher tritt das Gefühl für das Ganze des architektonischen Werks und für das gegenseitige Verhältnis seiner Teile hervor, ungleich lebensvoller erscheint der Organismus, der dasselbe durchdringt, ungleich wirksamer entfaltet sich die aufwärts strebende Bewegung, welche den Geist und die Sinne des Beschauers zum Himmel [* 6] emporzuziehen bestimmt ist.
Die Pfeiler und Halbsäulen, welche die Bogen [* 7] und Gewölbe [* 8] aufnehmen, steigen bei dem gotischen Kirchenbau selbständig und frei empor, und ihre Bewegung setzt sich in den Linien des Gewölbes fort. Die belebte Teilung der Gewölbemasse, die bereits der romanische Baustil durch die Anwendung des Kreuzgewölbes gewonnen hatte, wird entschiedener dadurch hervorgehoben, daß nicht bloß Quergurte (zur Sonderung der Hauptteile des Gewölbes), sondern daß auch Kreuzgurte (zur Bezeichnung der Einzelteile desselben) eingeführt werden.
Dieses System der verschiedenen Gurtungen bildet den eigentlichen festen Kern des Gewölbes; zwischen sie werden nur leichte Gewölbekappen von dreieckiger Gestalt zum Schluß der Decke [* 9] eingesetzt. Somit kommt hier das Gewölbe nicht mehr als eine Masse in Betracht, sondern vorzugsweise nur die Struktur seiner Gurte, in welche sich die aufsteigende Bewegung der Pfeiler auflöst, und in welcher der Gewölbedruck auf die einzelnen Punkte der Pfeiler, von denen sie ausgingen, zurückwirkt.
Indem somit die Masse des Gewölbes sich gliedert, genügen zu deren Stütze an der äußern Seite des Gebäudes einzelne Strebepfeiler, die zugleich Teile der Umfangsmauer bilden und im Innern als Träger [* 10] der Gewölbegurte gegliedert sind, während sie nach außen die feste, widerstandsfähige Gestalt des Mauerkörpers bewahren. Die zwischen den Strebepfeilern gelegenen Teile der Umfangswände bieten somit die Gelegenheit zu weiten und hohen Fenstern, während nur eine leichte Füllmauer und untere Brüstung der Fenster eingeschaltet wird.
Mit dieser Reduktion der belastenden und Konzentration der widerstehenden Massen stand der ruhig abschließende Halbkreisbogen im Widerspruch, der überdies eine Überwölbung verschiedener Spannweiten bei gleicher Höhe der Bogen nicht zuließ. Indem man sich dem kühner aufsteigenden Spitzbogen zuwandte, den man bereits vielfach vorgebildet fand, hatte man eine Bogenform gewonnen, welche große Abwechselung in Höhe und Weite der Bogen zuließ, ohne ihren Charakter zu verändern.
Gurtgewölbe, Strebepfeiler und Spitzbogen bilden somit charakteristische Elemente der gotischen Architektur, die sich daneben auch des Pfeilers oder der Säule bedient, an welche sich leichte Halb- oder Dreiviertelsäulchen zum Tragen der Gewölbegurte anlehnen. Der Pfeiler erscheint in solcher Gestalt als ein gegliedertes Ganze, welches auch bei Bildung seines Details als ein Ganzes behandelt wird. Das Kapitäl bildet eine leichte, umherlaufende Blätterkrone, die sich kelchförmig ausweitet und mit wenigen und leichten Deckgliedern versehen ist (s. Tafel »Kölner Dom [* 11] I«),
während der Fuß nur unbedeutend ausladet und mit dem Pfeilerschaft durch Vermittelungsglieder verknüpft ist. Was die Form der Bogen und Gurte des Gewölbes betrifft, so wird in der gotischen Baukunst, [* 12] wo Bogen und Pfeiler in einem unmittelbarern Zusammenhang stehen als in der romanischen, eine derjenigen der Pfeiler ähnliche Gliederung angenommen, welche im Gegensatz zu der starren Breite [* 13] des romanischen Pfeilers in ihrer Hauptform schräge Seitenflächen hat, die sich einer gemeinsamen Kante zuneigen.
Die einfachste Gliederung erhalten die relativ schwächern Kreuzgurte des Gewölbes, reicher sind die stärkern Haupt- oder Quergurte desselben, noch reicher und mannigfaltiger die starken Bogen gegliedert, welche die Pfeiler verbinden, und auf denen zugleich die Oberteile des Mittelschiffs ruhen. Dasselbe Bildungsgesetz wie an den Gewölbebogen erscheint an der Einfassung der Fenster, während man in die Fensteröffnung ein Stabwerk einfügt, welches in schmalen Säulchen besteht, die oben durch Spitzbogen verbunden sind.
Zwischen die letztern und die großen Spitzbogen der Fenstereinfassung werden kreisförmige und andre geometrische Figuren bildende stabartige Glieder, [* 14] das sogen. Maßwerk, [* 15] eingespannt, welche dem Ganzen Halt gewähren. Unter den Fenstern, welche die Oberteile des Mittelschiffs einnehmen, pflegt (wenigstens bei den völlig durchgebildeten Bauwerken) eine durchbrochene Galerie oder ein galerieähnliches Nischenwerk eingeschlossen zu sein, dessen Hauptteile mit der Fensterarchitektur in Verbindung stehen, wodurch die gesamte Oberwand des Mittelschiffs in eine harmonisch bewegte Gliederung aufgelöst ist.
Die Einfassungen der Thüren sind denen der Fenster ähnlich, nur reicher gebildet, da die stärkere Mauer einen größern Raum zur Anordnung von Profilierungen darbietet. Die Dächer erscheinen bei dem aufstrebenden Charakter, den auch das Äußere ausdrückt, in hoher, steiler Form. Ein einfacher, um die Strebepfeiler und Brüstungsmauern umherlaufender Sockel gibt dem Gebäude eine feste Unterlage. Scharfprofilierte Kranzgesimse schließen die Umfangswände nach oben ab. Die großartigste Entfaltung der äußern Architektur zeigen die Fassade und die beiden Türme, welche die Seiten der Fassade bilden. Die Bogen der Portale tragen nicht selten reichgeschmückte, denjenigen der Fenster gleichende Giebel, die sogen. Wimpergen (s. Tafel »Kölner Dom [* 11] II«, [* 1] Fig. 5). Zwischen den Türmen und über dem Hauptportal wird ein besonderer Zwischenbau mit einem großen Prachtfenster, dessen Licht [* 16] in das Mittelschiff fällt, angebracht, ¶
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während die untern quadratischen Türme von je zwei Strebepfeilern an den Ecken umgeben und in mehrere Stockwerke, deren Wandflächen von schlanken, mit Maßwerk ausgefüllten Fensteröffnungen durchbrochen werden, geteilt sind und gewöhnlich in einen achteckigen, von Fenstern durchbrochenen Aufsatz, an dessen Ecken wieder freie Türmchen, die sogen. Fialen, [* 18] emporsteigen, und über demselben in eine schlanke achtseitige, mit weit ausladender Kreuzblume [* 19] gekrönte, vielfach durchbrochene Pyramide auslaufen.
Kleinere Blumen solcher Art, die sogen. Krabben, blühen aus jeder Spitze des Äußern empor; ebenso sind die Kanten der Giebel, der andern pyramidalen Teile und der von dem Mittelschiff über die Seitenschiffe nach den Strebepfeilern geführten Strebebogen mit Blumen besetzt (s. Tafel »Kölner Dom [* 11] II«, [* 17] Fig. 5, 8, 9 u. 10). Auch die gotische Architektur wies der bildenden Kunst das weiteste Feld an und trat dadurch mit ihr in ein Verhältnis, welches die vollendetste Gesamtwirkung hervorrief.
Die zahlreichern und umfassendern bildlichen Darstellungen gehören, wie es die Bedeutung des kirchlichen Monuments erforderte, dem Innern an, bilden aber nicht mehr, wie in den altchristlichen oder in den spätern Basiliken, eine tote Mauermasse, sondern erscheinen da, wo ihnen die architektonische Form ihre Stelle anweist, wo sie demnach ihre völlige Berechtigung erlangen, während die Glasmalerei [* 20] der Fenster den monumentalen Farbenschmuck des Innern bildet.
Der großartige Raum des Innern nimmt ferner selbständige Monumente von kleinerer Dimension [* 21] in sich auf, die in architektonischem Charakter wieder einen größern oder geringern Reichtum bildnerischer Darstellungen enthalten, wohin die Altäre, die Tabernakel, in denen das geweihte Brot [* 22] aufbewahrt wird, die Lettner, von welchen die Evangelien verlesen werden, die Kanzeln und Taufbecken gehören. Im Äußern vereinigt sich naturgemäß die Skulptur mit den architektonischen Formen, und besonders sind es die Portale, welche durch deren figürliche und Pflanzengebilde aufs reichste geschmückt werden. Auch die über denselben befindlichen Giebel sind meist durch Statuen oder Reliefs ausgefüllt, welche auch an denjenigen Stellen des Äußern, wo die freiere Entfaltung der architektonischen Formen Gelegenheit dazu bietet, namentlich an den Strebepfeilern, deren einzelne Türmchen sich zum Teil tabernakelartig gestalten und in solchem Rahmen freie Standbilder aufnehmen, angewandt werden.
Die erste Entwickelung des gotischen Baustils tritt uns in Frankreich und zwar in den nordöstlichsten Gegenden desselben entgegen, was die zahlreichen Monumente in Isle de France, Champagne, Burgund sowie in den Nachbardistrikten der angrenzenden Landesteile bezeugen. Zu den ältern Monumenten gehört die Notre Dame-Kirche von Paris, [* 23] deren gegenwärtiger Bau (angeblich) bereits 1163 begonnen, erst um 1360 vollendet wurde. Verwandten Stil zeigen: das Chor der Kathedrale von Rouen [* 24] (1212-1280), die Kathedrale von Laon, die Kirche Notre Dame zu Dijon [* 25] (1252-1334), die Kathedralen von Senlis, Auxerre (seit 1213), Sens etc. Während die 1260 geweihte Kathedrale von Chartres noch strenge Formen besitzt, zeigt die 1211 begonnene, 1250 vollendete Kathedrale von Reims, [* 26] eine der glänzendsten Schöpfungen der gotischen Baukunst (s. Tafel X, [* 17] Fig. 5), die konsequenteste Durchbildung des frühgotischen Stils.
Bei der Kathedrale von Amiens [* 27] (1220-88) nähert sich der architektonische Charakter bereits der besonders in Deutschland [* 28] auftretenden freiern Entwickelung des Stils; dagegen zeigen sich an einigen frühgotischen Bauten der Normandie mehr oder minder abweichende Motive, so an dem Chor von St.-Etienne zu Caen, an der Kathedrale von Bayeux (mit Ausnahme der etwas ältern, spätromanischen Arkaden des Schiffs, deren Fortsetzung der übrige Bau ausmacht) und, wie es scheint, an der Kathedrale von Coutances, während sich der gotische Baustil in der Normandie später zu einer glänzenden Pracht entwickelte, der es im ganzen freilich mehr auf ein ebenso leichtes und zierliches wie kühnes und phantastisches Spiel der Formen ankommt.
Das Palais de Justice und das Hôtel de Bourgtheroulde in Rouen und das Schloß Fontaine le Henri bei Caen sind charakteristische Beispiele der spätgotischen Palastarchitektur. Andre Beispiele derselben erscheinen in Lothringen und Burgund, ja man bezeichnet zuweilen, an den Glanz des burgundischen Hofs erinnernd, diesen Stil mit dem Namen des burgundischen. Dasselbe ursprüngliche System der gotischen Architektur, welches in den nordöstlichen Gegenden von Frankreich auftritt, herrscht auch in den Niederlanden, sowohl bei den minder zahlreichen Kirchen, welche der frühern Entwickelungsperiode des Stils angehören, als bei den weit zahlreichern Kirchen der spätern Zeit, vor.
Indem aber dies System hier mit der größten Einseitigkeit aufgefaßt und meist ohne alle weitere künstlerische Ausbildung zur Anwendung gebracht wird, erhält auch das Äußere oft einen schweren, nüchternen Charakter, und wo ein größerer Formenreichtum angewandt wird, erscheint derselbe vorherrschend in dem Gepräge einer äußerlichen, mehr oder weniger willkürlichen Dekoration. Hierher gehören die meisten Kirchen gotischen Stils zu Valenciennes, Tournai, Lille, [* 29] Courtrai, Ypern, Brügge, Gent, [* 30] Brüssel, [* 31] Löwen, [* 32] Mecheln, [* 33] Antwerpen, [* 34] Lüttich, [* 35] Huy, Dinant etc., während die holländischen Kirchen zu Rotterdam, [* 36] Delft, im Haag, [* 37] zu Leiden, [* 38] Haarlem, [* 39] Amsterdam [* 40] etc. Beispiele der nüchternsten Architektur darbieten, von welchen nur die der spätern Periode dieses Stils angehörigen Kirchen, so die im 14. Jahrh. erbaute, durch die Schönheit der Verhältnisse des Innern ausgezeichnete Kathedrale zu Antwerpen, die Kirchen St. Peter zu Löwen, St. Martin zu Halle [* 41] (unfern Brüssel), St. Waltrudis zu Mons, [* 42] St. Salvator zu Brügge eine Ausnahme machen.
Der im Innern mit Rundsäulen geschmückte Dom St. Gudula zu Brüssel ist durch seine schöne Fassade aus dem Anfang des 16. Jahrh. ausgezeichnet, die sich in ihren Hauptmotiven der deutsch-gotischen Bauweise nähert. Die niederländischen Kirchen tragen das Gepräge von öffentlichen Hallen, neben welchen die Stadthäuser, Fruchthallen und andre öffentliche Bauten der Art als wichtige und umfassende Anlagen erscheinen, an denen sich in den letzten Zeiten des gotischen Stils sogar eine höhere künstlerische Ausbildung entfaltet, und deren architektonische und bildnerische Dekoration in eigentümlich reicher und geschmackvoller Weise durchgeführt erscheint. Das glänzendste und prachtvollste Beispiel solcher Bauanlagen ist das Stadthaus von Löwen (1448-69), welchem sich die namhaften Stadthäuser zu Brüssel, Gent (der ältere Teil desselben, gegründet 1481), Brügge (bereits 1376 gegründet), Oudenaarde, Arras, [* 43] Mons und die Tuchhalle in Ypern (s. Tafel X, [* 17] Fig. 3) anreihen, denen der sich kühn über das Gebäude erhebende städtische Glockenturm, Belfroy (Beffroi) genannt, zur besondern Zierde gereicht.
In England ward der gotische Baustil fast ebenso früh wie in Frankreich und, wie es scheint, nicht ganz ohne einen von dort ausgegangenen Einfluß eingeführt; doch nahm derselbe hier alsbald eine ¶