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allmählich vorgekragtes, ein hohles Dreieck [* 2] bildendes Mauerwerk entlastet und dieses Dreieck nur durch einen flachen Stein von verhältnismäßig geringem Gewicht ausgesetzt wird. Das bedeutendste Werk dieser Art ist das Löwenthor zu Mykenä [* 3] (s. Tafel IV, [* 1] Fig. 1), bei welchem der zuletzt erwähnte dreieckige Stein die Reliefdarstellung zweier Löwen [* 4] zeigt, die sich gegen eine kandelaberartige Säule emporrichten. Über die Beschaffenheit der Fürstenhäuser jener Epoche haben uns auch die Ausgrabungen von Schliemann nur unvollkommene Vorstellungen geliefert. (Vgl. Mykenä, Orchomenos, Tiryns, Troja.) [* 5] Auch nach diesen Ausgrabungen sind wir noch nicht über das Stadium der Vermutungen hinausgekommen.
Die zur Aufbewahrung von Kostbarkeiten bestimmten Teile dieser fürstlichen Anlagen, die sogen. Thesauren oder Schatzhäuser, bestanden in meist unterirdischen, kreisrunden Räumen, die durch kuppelförmige, aus horizontalen, allmählich vorgekragten Steinringen bestehende, oben durch je eine größere Platte geschlossene Überbaue abgedeckt waren, und unter welchen das Schatzhaus des Atreus zu Mykenä das merkwürdigste und am besten erhaltene ist. Wenn Schliemanns Ausgrabungen uns auch keine positiven Aufklärungen über die Wohnräume der griechischen Heroen geliefert haben, so verdanken wir ihnen doch ein sehr reichhaltiges Material zur Unterstützung des Nachweises, daß die griechische [* 6] ein Sprößling des Orients ist, und daß der griechische Geist aus den Überlieferungen Asiens und Ägyptens jene Gebilde edelster Harmonie entwickelte, deren herrlichstes Symbol der griechische Tempel [* 7] ist.
Die ältesten Göttertempel sind auch die ältesten Erzeugnisse nationalgriechischer Kunst. Der griechische Tempel in seiner ursprünglichen Anlage bestand nur aus der rechteckigen Zelle, [* 8] in welcher das Götterbild aufgerichtet war, und aus einer offenen Vorhalle, welche eine freie Säulenstellung erhielt, die man bei größern Anlagen später rings um das Tempelhaus führte. Als die Ausbildung der Tempelform ihren Höhepunkt erreicht hatte, wurde das architektonische Gerüst aus der Reihe der Säulen [* 9] gebildet, die, auf einem gemeinsamen, aus mehreren Stufen bestehenden Unterbau errichtet, in geschlossener Kraft [* 10] emporstrebten und den Architrav [* 11] aufnahmen, der durch seine äußere Form die flache Bedeckung der Halle [* 12] und ihre Verbindung mit dem Tempelhaus aussprach.
Über dem Architrav erhob sich nicht unmittelbar, wie in den übrigen Architekturen der Alten Welt, das krönende Gesims, [* 13] sondern der für den bildnerischen Schmuck bestimmte Fries, der Zophoros oder »Bildträger«. Über dem Bildwerk des Frieses ruhte das Kranzgesims, [* 14] dessen Hauptglied, eine stark vortretende Platte, einen festen Abschluß bildete. An der Schmalseite des Tempels und der ihr entsprechenden Rückseite stieg über dem Kranzgesims noch der Giebel empor, dessen Gestalt, ein flaches Dreieck, durch die Form des Tempeldaches bedingt war.
In dem Giebelfeld war das bedeutsamste Bildwerk enthalten, das wiederum in dem kräftig vortretenden Giebelgesims seinen Abschluß fand. Die Endpunkte des Giebels, der Gipfel und die äußern Ecken, waren außerdem durch aufgelegte Platten, die Akroterien, [* 15] und frei gebildetes, aufstrebendes Ornament ausgezeichnet. Je nach der einfachern oder reichern Anwendung einer einfachen oder doppelten Säulenstellung, nur an der Vorder- und Hinterseite oder auf allen Seiten des Tempels, unterscheidet man den Tempel in antis, den Prostylos, Amphiprostylos, Peripteros, Pseudoperipteros, Dipteros, Pseudodipteros.
Nach der wegen des in der Mitte liegenden Einganges stets geraden Zahl der Säulen an der Vorderseite des Tempels nannte man die Tempel tetrastylos (viersäulig), hexastylos (sechssäulig), oktastylos (achtsäulig), dekastylos (zehnsäulig), dodekastylos (zwölfsäulig); nach der geringern oder größern Weite des Zwischenraums zwischen je zwei Säulen: pyknostylos (engsäulig), systylos (nahsäulig), eustylos (schönsäulig), diastylos (weitsäulig), aräostylos (fernsäulig).
Näheres s. Tempel und die einzelnen eben genannten Gattungsbezeichnungen. Das geschlossene Tempelhaus bestand aus der eigentlichen Zelle (Naos), die bei den gewöhnlichen Anlagen keine Fenster hatte, und aus der Vorhalle (Pronaos), die mit jener durch eine große Thür verbunden war. Bei einzelnen Tempeln findet sich hinter der Zelle ein abgeschlossenes, wohl meist als Schatzkammer dienendes Hinterhaus (Opisthodom). Der Amphiprostylos erhielt gewöhnlich an der Rückseite eine dem Pronaos entsprechende Halle (Posticum).
Bei Tempelanlagen, die eine größere Ausdehnung [* 16] hatten und zur Aufnahme eine größere Menschenmenge bestimmt waren, dehnte sich die Zelle zum offenen Hofraum, dem Hypäthron, aus, der mit Säulenreihen vor den Wänden, bisweilen mit zweien übereinander, von denen die obern eine Galerie bildeten, oder mit vorspringenden Wandpfeilern, von denen mehr oder weniger tiefe Nischen eingeschlossen wurden, umgeben war. Die Einzelform gestaltete sich nach den Eigentümlichkeiten des dorischen und ionischen Stammes, durch welche die griechische ein zweifaches Gepräge erhielt, verschieden.
Die dorischen Tempel zeigen schwerere Verhältnisse. Die Säulen stehen in einem Abstand von 1¼-1½ ihres untern Durchmessers und sind etwa nur vier- bis fünfmal so hoch als ihr unterer Durchmesser, während ihre Verjüngung sich auf etwa ⅙ des untern Durchmessers beläuft. Die Höhe des Gebälks und Giebels beträgt ⅓-½ der Säulenhöhe. Ebenso kräftig wie die Gesamtanordnung ist die Profilierung der einzelnen Glieder. [* 17] Zu den vollkommensten Schöpfungen des dorischen Stils gehört der Tempel des Theseus oder das Theseion, der der Pallas Athene [* 18] oder der Parthenon (s. Tafel IV, [* 1] Fig. 6) zu Athen [* 19] und der des Zeus [* 20] in Olympia. In der ionischen Bauweise erscheint die Form des architektonischen Gerüstes reicher gegliedert und zierlicher ausgebildet; die Zwischenglieder sind mannigfaltiger, weicher und flüssiger. Die Verhältnisse sind freier und leichter, das Ganze hat das Gepräge einer anmutvollen Majestät. Von großer Feinheit der Form sind der Tempel der Athene zu Priene und der Tempel des Erechtheus oder das Erechtheion (s. Tafel IV, [* 1] Fig. 7) auf der Akropolis [* 21] zu Athen.
Als Bauwerke von Bedeutung reihen sich den Tempeln die Prachthallen an, welche den Zugang zu dem heiligen Bezirk, der die Tempel umgab, bildeten: die Propyläen. In ihrer äußern Erscheinung den Tempeln nahestehend, unterscheiden sie sich von jenen durch das Fehlen der Zellenmauern, wodurch sie einen offenen Durchgang bilden. Beispiele von Propyläen sind in Athen und Eleusis erhalten. Die für andre Zwecke bestimmten Säulenhallen wurden teils mit ringsum offenen Säulenstellungen, die eine gemeinsame Decke [* 22] trugen, versehen, teils außerhalb der Säulen durch Mauern von dem allgemeinen Verkehr abgeschlossen, teils als Säulenhöfe, etwa nach Art der Hypäthraltempel, eingerichtet. Hierher gehören die sogen. Basiliken, Gerichtshallen, die jedoch erst in der Periode der römischen Kunst ihre höhere Bedeutung erhielten. Auch bei den Gymnasien pflegten die Säulenhallen den wichtigsten Schmuck zu bilden, nicht ¶
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minder in den reichern Privatwohnungen der spätern alexandrinischen Zeit. Die Hauptanlage der Wohngebäude dieser spätern Zeit ist folgende: ein Säulenhof (als wichtigster Teil), um den die Räume der Männerwohnung, zum Teil mit prachtvollen Säulensälen, gelegen waren;
weiter zurück die Frauenwohnung, womit häufig, von dem Hauptbau durch kleinere Zwischenhöfe getrennt, besondere Gastwohnungen verbunden waren.
Ausgedehnte Bauanlagen waren ferner die für die Spiele, gymnastischen und musischen Wettkämpfe bestimmten, zu welchen das wieder aufgefundene Theater [* 24] zu Segesta (s. Tafel IV, [* 23] Fig. 11) und namentlich das vollkommen aufgedeckte Olympia gehören. Mit den Wettkämpfen im Zusammenhang stehen die von seiten der Chorführer für den in musischen Spielen errungenen Sieg errichteten choragischen Monumente, die entweder Säulen, oder durchgebildete Architekturen, auf deren Gipfel ein Dreifuß aufgestellt war, oder kapellenartige Bauten bildeten, die in ihrem Innern das Siegeszeichen enthielten.
Ein Werk dieser Art ist das einen kleinen, runden Tempel darstellende Monument des Lysikrates in Athen (s. Tafel IV, [* 23] Fig. 8 u. 9). Die Grabmäler waren zum Teil sehr einfach, bestanden aus schlichten Pfeilern, waren mit einem blumigen, den Akroterien der Tempel ähnlichen Schmucke gekrönt und enthielten an ihrer Vorderseite ein einfaches Bildwerk, zum Teil waren sie von altarähnlicher Form oder bildeten Felsgrotten, deren Fassade architektonisch dekoriert war. Einzelne Bauten der spätesten Zeit griechischer Baukunst, wie der Turm [* 25] der Winde [* 26] (s. Tafel IV, [* 23] Fig. 10), enthalten bereits ausländische Formen.
Die etruskische Baukunst.
Als ein wichtiges Zwischenglied in der Geschichte der klassischen Baukunst erscheinen diejenigen künstlerischen Bestrebungen Italiens, [* 27] welche den Boden vorbereiteten, auf welchem sich nachmals die römisch-griechische Kunst entfalten sollte. Die Bauwerke der Ureinwohner Italiens bekunden dieselbe Richtung, die wir bei den griechischen Werken des heroischen Zeitalters wahrnehmen. Zu einer charaktervollen Ausbildung gelangte jedoch nur die Baukunst der Etrusker (s. Tafel V, [* 23] Fig. 1-11). Zu den altertümlichsten Werken altitalischer Architektur gehören die Mauern der alten Städte, die sehr häufig in jener cyklopischen Bauweise aufgeführt sind wie die von den pelasgischen Urbewohnern erbauten Mauern Griechenlands.
Bei den in Etrurien vorkommenden Bauten dieser Art, wie bei den Mauern von Volterra, Fiesole, Cortona, Populonia, herrscht das Bestreben vor, die Steine regelmäßiger, in horizontalen Schichten übereinander zu legen, wodurch sie zwischen der polygonen Bauweise und dem Quaderbau in der Mitte stehen. Hieran reihen sich die der Struktur der altgriechischen Thesauren entsprechenden Anlagen, deren Räume durch Kuppeln, welche aus horizontal vorgekragten, ringförmigen Steinschichten bestehen, abgedeckt sind. Unterirdische Gemächer dieser Art, vermutlich Gräber, finden sich zu Norba, Vulci, Tarquinii; ein ähnliches besitzt Rom [* 28] in dem untern Gemach des Carcer Mamertinus, dem sogen. Tullianum, am Abhang des kapitolinischen Bergs. Außer und neben dieser Kragsteinkonstruktion wandten die Etrusker bereits den Gewölbebau (s. Konstruktion des Rundbogens, Tafel V, [* 23] Fig. 2) mit aus Keilsteinen gebildeten Bogen [* 29] an, wie ihn die noch erhaltenen alten Thore von Volterra und Perugia (s. Tafel V, [* 23] Fig. 3 u. 4) zeigen. Ein andres findet sich zu Tusculum, wo es als Wasserbehälter für eine Wasserleitung [* 30] dient (s. Tafel V, [* 23] Fig. 1). Zu den mächtigsten etruskischen Gewölbebauten gehören die zur Ableitung des in den Sümpfen und Seen am palatinischen Berg angesammelten Wassers bestimmten Kloaken zu Rom (s. Tafel V, [* 23] Fig. 5) und der um 393 ausgeführte 2500 m lange Entwässerungskanal des Albanischen Sees.
Eine hohe Bedeutung unter den erhaltenen Monumenten der etruskischen Architektur haben vornehmlich die Grabmäler, unter denen besonders drei Gattungen zu unterscheiden sind. Die erste ist aus der Form der rohen Erdhügel hervorgegangen und erscheint in mehr oder minder bedeutenden Abmessungen häufig noch in dieser Form, indem man dem Erdhügel nur einen kreisrunden, aus Steinen sorgfältig gearbeiteten Untersatz zufügte. Hierher gehört das Monument in der Nekropolis von Vulci, welches den Namen der Cucumella führt (s. Tafel V, [* 23] Fig. 8), ferner das sogen. Grabmal der Horatier und Curiatier bei Rom, das über einem viereckigen Unterbau fünf kegelförmige Spitzsäulen enthält (s. Tafel V, [* 23] Fig. 9). Die zweite Gattung besteht aus architektonischen Fassaden, welche man aus den Wänden der Felsen gemeißelt hat, und die sich sehr zahlreich in den Nekropolen der etruskischen Orte Orchia (jetzt Norchia) und Aria (jetzt Castel d'Asso oder Castellaccio; s. Tafel V, [* 23] Fig. 10), beide unfern von Viterbo, vorfinden.
Die dritte Gattung endlich besteht aus solchen Grabmälern, die ganz unterirdisch in den Tuffstein eingegraben sind. Ein schmaler Gang [* 31] oder eine Treppe [* 32] führt gewöhnlich zu einem Vorraum, an dessen Seiten sich die Grabkammern, in der Regel symmetrisch geordnet, anschließen. Bisweilen sind in diesen Räumen kurze Pfeiler (viereckig, mit einfachen Deckgesimsen) zur Unterstützung der Decken stehen geblieben, welch letztere entweder flach oder in giebelförmiger Schräge gearbeitet sind.
Von den sehr zahlreichen Gräbern solcher Art sind die interessantesten in der Nekropolis von Vulci. Von etruskischen Tempeln (s. Tafel V, [* 23] Fig. 6, 7) sind keine Reste auf unsre Zeit gekommen, da deren Überbau aus Holzbalken bestand; wir kennen aber ihre Anlage und architektonische Ausbildung aus der Anweisung, welche Vitruv zur Aufführung von Tempeln dieser Gattung, deren Stil von der spätern römischen Architekturschule als die toscanische Ordnung bezeichnet wird, hinterlassen hat.
Unter den für öffentliche Spiele bestimmten Gebäuden der Etrusker sind die Ruinen des Theaters zu Fiesole hervorzuheben. Endlich ist den Etruskern die erste Ausbildung der von der griechischen abweichenden italischen Häuseranlage zuzuschreiben, welche sich von jener durch einen mehr nordischen Charakter unterscheidet. An die Stelle des offenen Säulenhofs, um den sich in dem griechischen Haus die Gemächer aneinander reihen, tritt hier ein mehr geschlossener Raum, das Atrium, der oberwärts zwar auch gegen den Himmel [* 33] geöffnet ist, bei dem aber diese Öffnung (impluvium) eine verhältnismäßig geringe Ausdehnung hat.
Die römische Baukunst.
Die Römer [* 34] waren ein Volk ohne künstlerische Anlage. Was zu Rom in den ersten Jahrhunderten des Staats an architektonischen Kunstwerken ausgeführt ward, verdankte man wesentlich den benachbarten Etruskern, sei es, daß die Arbeiten von etruskischen Künstlern eigenhändig ausgeführt wurden, oder daß man der Lehre [* 35] und dem Beispiel derselben folgte. Als die römische Kultur sich mit der griechischen berührte, gewann letztere einen solchen Einfluß auf jene, daß auch die griechische Kunst nach Rom übertragen wurde und hier eine schöne Nachblüte erlebte. Die beiden Formprinzipien, welche in der ¶