[* 3] im weitern
Sinn die
Kunst, alle
Arten von Gebäuden (Bauten) nach
Zweck und
Bedürfnis dauerhaft,
bequem und gefällig aufzuführen; im engern
Sinn als Hochbaukunst die
Kunst, welche im
Gegensatz zur
Kriegs-,
Wasser-,
Straßen-,
Schiff-,
Maschinen- und Bergbaukunst alles unter sich begreift, was zur Errichtung und Einrichtung von Hochbauten gehört.
Die Hochbaukunst zerfällt in einzelne mehr oder minder selbständig entwickelte Gebiete, unter welchen
die
Kirchenbaukunst, die öffentliche und Privatbaukunst oder bürgerliche Baukunst sowie die Eisenbahnhochbaukunst
hervorzuheben sind.
Bei der bürgerlichen Baukunst pflegt man wieder, wenn sie sich mit der Herstellung ländlicher Wohngebäude,
Scheunen,
Stallungen
etc. beschäftigt, die landwirtschaftliche, wenn sie sich mit Errichtung der in
Städten vorkommenden Gebäude befaßt,
die städtische Baukunst zu unterscheiden. Bei allen denjenigen Werken der Baukunst, wodurch lediglich dem
äußern
Bedürfnis des
Lebens entsprochen werden soll, kommt es auch nur auf äußere Zweckerfüllung, d. h. nur
auf mechanisches
Geschick, Übung und glückliche
Kombination, an. Geht aber der
Baumeister darauf aus, dem mechanischen Werk
seiner
Hand
[* 4] zugleich das Gepräge eines baulichen Kunstwerks zu geben, so betritt er das Gebiet der schönen
Baukunst
(Architektur).
Vgl. den
ArtikelBaustil. Im engsten
Sinn wird die schöne Baukunst nicht mehr zur bürgerlichen Baukunst gerechnet und
letztere (dann auch Landbaukunst genannt) auf Herstellung von Gebäuden, die für das bürgerliche (gewöhnliche)
Leben und
seine
Industrie bestimmt sind, bezogen.
Die massive Bauart (mit Ausschluß der Lehmwände) ist für
Wohnhäuser,
[* 11] wenigstens für die Außenwände, allgemein
als die vorzüglichere anerkannt, weil sie ungleich dauerhafter und weniger feuergefährlich ist, die
Erhaltung gleichmäßiger
Temperatur erleichtert und für innern und äußern
Schmuck sich am meisten eignet. Die Mauerstärke massiver Gebäude richtet
sich nach dem
Zweck der letztern, doch genügt es für
Wohnhäuser und andre Gebäude, die nicht großenErschütterungen
ausgesetzt sind oder ungewöhnliche
Lasten zu tragen haben, bei der
Konstruktion aus regelmäßigen
Steinen (behauenen oder
Backsteinen) und
Stockwerken von 3 bis höchstens 4 m
Höhe, die Hauptmauern, welche die
Balken und das
Dach tragen, in dem obersten
Geschoß
[* 12] 40
cm stark und in jedem untern 15
cm stärker zu machen.
HöhereGeschosse erfordern verhältnismäßig stärkere
Mauern; die Giebelwände, insofern sie keine Hauptlast tragen, können
stets etwas schwächer gehalten werden. Bei Scheidewänden genügt die
Stärke
[* 13] von 30
cm bis zu bedeutender
Höhe. Unregelmäßige
Steine
(Bruchsteine,
Feldsteine) erfordern größere Mauerstärken, weil ihr
Verband
[* 14] unvollkommener ist; ebenso die
Mauern langer,
mit Scheidewänden nicht versehener
Räume. Hinsichtlich der
Bauzeit ist zu erwägen, wieviel Zeit überhaupt
zur Errichtung des beabsichtigten Gebäudes gehört, welche
Jahreszeit die günstigste und welche Aufeinanderfolge der verschiedenen
Bauarbeiten die zweckmäßigste ist.
Die Verteilung einer Bauausführung auf eine längere Zeit ist schon deshalb zu empfehlen, weil nach Vollendung gewisser
Teile des
BauesPausen sehr vorteilhaft sind, besonders für den
Grundbau (am meisten bei weichem
Baugrund),
ehe die
Mauern daraufgesetzt, und für die
Mauern, ehe sie geputzt werden. Die
Wintermonate sind zur Ausführung der meisten
Bauten in
Deutschland
[* 15] ungeeignet, namentlich sind Maurerarbeiten, bei welchen gewöhnlicher
Mörtel gebraucht wird, bei bevorstehendem
Frost und während desselben möglichst zu vermeiden.
Dagegen kann gröbere Zimmerarbeit mit Einschluß des Verschalens im
Winter ohne Nachteil vorgenommen werden, während feinere
Holzarbeiten, namentlich das
Legen von Fußböden,
Einsetzen von
Thüren und
Fenstern, der trocknen und warmen
Jahreszeit vorzubehalten
sind. Die trockenste
Luft haben die Frühjahrsmonate, welche daher für Kalkputz im Innern selbst den
heißen Sommermonaten vorzuziehen sind. Die bürgerliche Baukunst ist so innig mit den
Pflichten und Befugnissen der
Staatsbürger
gegeneinander und gegen den
Staat selbst verwachsen, daß ihre Ausübung in jedem rechtlich geordneten Staatswesen an ein
gewisses
Recht (s.
Baurecht und
Baugewerbe) gebunden sein muß.
Ein solches Rechtsverhältnis besteht zunächst zwischen dem Bauherrn und dem Unternehmer oder dem Werkmeister
und den Arbeitern, sodann zwischen dem Bauherrn, dem
Baumeister und irgend einem Dritten, welchem durch den
Bau (z. B. auf
fremdem
Grund oder mit fremdem
Material) oder durch dessen Einsturz und Baufälligkeit
Schade oder
Gefahr erwachsen kann, besonders
zwischen dem Bauherrn oder
Eigentümer und dessen Nachbarn. Das
Gesetz regelt die
Rechte und
Pflichten dieser
Personen und stellt die
Grundsätze zur
Entscheidung der zwischen denselben entstehenden Streitigkeiten auf. Am wichtigsten
sind die nachbarlichen Verhältnisse.
Wir finden darüber schon in den alten
Gesetzgebungen, insbesondere in der römischen, sehr umständliche Bestimmungen, welche
größtenteils noch jetzt in
Deutschland als
gemeines Recht gelten, zum Teil jedoch durch die verschiedenen
Landesgesetzgebungen modifiziert oder mit den auf die neuern Verhältnisse sich beziehenden Zusätzen versehen worden sind.
Für Baulichkeiten, deren Errichtung und Unterhaltung im öffentlichen
Interesse liegt, doch nicht überall oder ausschließlich
vom
Staat, sondern etwa von unmittelbar Beteiligten oder aus besondern
Titeln Verpflichteten zu bestreiten
ist, regelt das
Gesetz die Baupflicht oder setzt dafür eine gewisse
Konkurrenz fest.
Dies geschieht besonders bei
Kirchen- und Schulhäusern, dann aber auch bei
Anlage von
Straßen,
Brücken,
[* 16]
Dämmen etc., je nach
den Jurisdiktionsverhältnissen bei Herstellung von Gefängnissen, Amtshäusern etc. Die Kirchenbaupflicht
liegt nach gemeinem
Recht (insofern nämlich nicht bereits ein eigner Baufonds vorliegt) zunächst dem
Patron ob, sodann der
Gemeinde (nach einem in den besondern Landesgesetzen und
Gewohnheiten verschieden bestimmten
Verhältnis).
Insofern die bürgerliche
Gemeinde auch zugleich die
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mehr
Kirchengemeinde ist, leuchtet die Billigkeit solcher Bestimmungen ein; wo jene sich aber in mehrere Konfessionen
[* 18] teilt, kann
mit Recht nur die Kirchengemeinde als baupflichtig erklärt werden. Ähnliches findet gewöhnlich auch bei Schulhausbauten
statt, insofern nämlich nicht eigne Fonds oder näherliegende Hilfsquellen dazu vorhanden sind. Übrigens tritt hier wie
dort auch die subsidiäre Baupflicht des Staats ein, deren Grenzen
[* 19] jedoch meist sehr eng gezogen sind.
Die Vervollständigung und nähere Bestimmung der baurechtlichen Gesetze enthalten die polizeilichen Bauordnungen, welche wegen
der Verschiedenheit der lokalen Umstände und Bedürfnisse zwar wohl auf allgemeinen Grundsätzen beruhen, jedoch für die
Anwendung derselben größtenteils nur partikuläre Vorschriften enthalten können. Es werden durch solche
polizeiliche Vorschriften gleichfalls Rechte begründet, sowie anderseits auch die zivilrechtlichen Gesetze großenteils auf
polizeilichen Interessen beruhen.
Die Entscheidung wird entweder bloß nach der Eigenschaft der Allgemeinheit oder Partikularität der Verordnung oder nach dem
darin vorherrschenden Charakter ihres Zweckes, ob sie nämlich mehr das private oder das öffentliche Interesse
berührt, getroffen. Von letzterm Umstand hängt auch größtenteils die Bestimmung der Behörde ab, ob die Polizei- oder
Justizbehörde die Vorschrift handhaben und über ihre Befolgung wachen soll, und an welche sich deshalb auch der Beteiligte
zu wenden hat.
Das öffentliche Interesse bei Bausachen geht vorerst dahin, daß die zum öffentlichen Gebrauch bestimmten
oder dem Gesamtbedürfnis gewidmeten Baulichkeiten mit den mindesten Unkosten in thunlich entsprechender Zahl und Vollkommenheit
aufgeführt und unterhalten werden. Doch findet dasselbe Interesse auch in Ansehung der Privatbauten statt, da, was den Wohlstand
und den Lebensgenuß der Einzelnen fördert, auch Gewinn für die Gesamtheit ist. Die teils landwirtschaftlichen,
teils polizeilichen Zwecke der Bauordnungen, überhaupt der von seiten des Staats dem Bauwesen zu widmenden Interessen bestehen
sonach darin, daß gut, d. h. zweckmäßig, bequem und dauerhaft, gesund, vor Feuers- (und Wassers-) Gefahr möglichst gesichert,
allerseits unnachteilig und ungefährlich, thunlichst wohlfeil und, soweit die bemerkten Zwecke und die
übrigen Verhältnisse es erlauben, auch geschmackvoll und schön gebaut werde.
Das allgemeinste Mittel zur Erreichung dieser Zwecke ist eine zweckmäßige Ordnung und Beaufsichtigung der dem Bauwesen gewidmeten
Gewerbe, Unterrichtsanstalten zur Bildung tüchtiger Baumeister und Bauhandwerker, endlich die Einsetzung einer technischen Behörde
zur Leitung und Beaufsichtigung des gesamten öffentlichen und Privatbauwesens im Staat und die Verteilung
ihrer bauverständigen Mitglieder über die hierfür zu bestimmenden Bezirke. Für die der Gesundheit entsprechende Anlage der
Bauten gibt die Sanitätspolizei die geeigneten Vorschriften.
Wenn zur Erweiterung der Straßen oder zur Herstellung von Plätzen das Niederreißen von Privatgebäuden oder zur Ausführung
der zur Erweiterung einer Stadt oder zu neuen Anlagen erforderlichen baulichen Veränderungen die Erwerbung
von Privatgrundstücken notwendig ist, so muß hierzu ein angemessenes Expropriationsgesetz, das den billigen Ansprüchen
der Eigentümer Genüge leistet und zugleich die Gesamtheit vor mutwilliger Hemmung oder unmäßiger Verteurung schützt, die
Möglichkeit der Realisierung darbieten.
Zur Wohlfeilheit der Bauten tragen neben der freien Konkurrenz der Gewerbtreibenden
oder überhaupt einer
guten Gewerbeordnung die Anstalten für Herbeischaffung oder Bereithaltung der nötigen Baumaterialen ^[richtig: Baumaterialien]
bei, welche nach Verhältnis des wahrscheinlichen Bedürfnisses der verschiedenen Ortschaften oder Bezirke zu treffen sind
und namentlich in der Sorge für Errichtung einer hinreichenden Zahl von Kalk- und Ziegelbrennereien,
für bequemen Transport von Bauholz aller Art, von Bausteinen und andern Baumaterialien bestehen.
Die von Staats oder Gemeinde wegen oder auf deren Betreiben von Privaten anzulegenden Magazine solcher Materialien, die sogen.
Bauhöfe, und, wo bei etwa mangelnder Konkurrenz eine monopolistische Verteurung droht, die Festsetzung mäßiger Bautaxen
für die verschiedenen Arten der Arbeit und der Arbeiter dienen demselben Zweck. Wo sich ansehnliche Gemeindewaldungen
vorfinden, wird, ebenso billig wie zweckmäßig, den baulustigen Bürgern das Bauholz zu einem ermäßigten Betrag (dem sogen.
bürgerlichen Preis) zu verabfolgen sein, nach Umständen auch andre Baumaterialien, namentlich Bausteine, Kalk und Ziegel.
Geschichte der Baukunst.
(Vgl. hierzu die Tafeln »Baukunst I-XII«, mit Übersichtstabelle.)
Die Urgeschichte der Baukunst ist, wie die der andern Künste, in Dunkelheit gehüllt. Ausgegrabene Höhlen, Hütten
[* 20] aus belaubten
Zweigen oder Baumstämmen waren die ersten Bauwerke, welche aus Menschenhand hervorgingen. Ein schlichter Stein bildete in
jenen frühsten Tagen den Altar,
[* 21] auf den die Gottheit sich niederlassen sollte, um die Gaben und die Gebete
der Sterblichen zu empfangen; ein Hügel von Erde türmte sich über den Gebeinen des entschlafenen Helden empor, dessen Großthaten
an dem Ort seiner irdischen Rast durch Opfer gefeiert wurden.
Mit der Entwickelung des Menschengeschlechts nahmen jene rohen Denkzeichen ein bestimmteres Gepräge an, so:
die Grabhügel, welche sich in den nördlichen LändernEuropas in großer Zahl vorfinden, deren Fuß häufig durch einen Kreis
[* 22] von Steinen bekränzt und deren Gipfel durch mächtige Steinplatten gekrönt wird;
die Steinpfeiler, hohe, schlanke Steine
von zuweilen fast obeliskenartiger Form, die einzeln oder in Gruppen bei einander stehen und besonders
häufig im skandinavischen Norden
[* 23] vorkommen, wo man sie Bautasteine nennt und für Denkmäler gefallener Helden hält, und die
sogen. Hünenbetten, in der Bretagne Dolmins oder Lechs, bei den Britanniern Cromlechs genannt, welche ebenfalls für Grabmonumente
oder Opferstätten gelten.
Die merkwürdigen Wagsteine (die Rockingstones der Engländer und Rokkestene der Skandinavier),
Felsen, die auf eine oder zwei Unterlagen so aufgesetzt sind, daß man sie wie den Balken einer Wage
[* 24] bewegen
kann, sowie die geweihte Stätten umschließenden Steinkreise finden sich vorzugsweise in den keltischen Ländern. Das bedeutendste
der keltischen Heiligtümer in Frankreich liegt zu Carnac, bei Quiberon in der Bretagne, und bildet ein weites
Feld, bedeckt mit gegen 4000 obeliskenartigen Steinpfeilern, welche zum Teil eine Höhe von ungefähr 10 m erreichen und meist
auf ihrem dünnern Ende stehen. Ungleich merkwürdiger ist das vorzüglichste der alten Heiligtümer in England, das bei Stonehenge
(s. d.), unfern Salisbury, befindliche, nach seinem ursprünglichen Namen »Choir Gaur« (oder Côr Gawr),
d. h. der große Kreis, genannt. Als Beispiele einer zweiten Entwickelungsstufe treten uns die auf verschiedenen Inseln des
GroßenOzeans zwischen Asien
[* 25] und Amerika
[* 26] aufgefundenen einfachen Monumente entgegen, die mit
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