Bauer (Emanzipation des Bauernstandes) - Bauer (Personenname)
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womöglich noch verschlimmert hatte, begann die Bedeutung des freien Eigentums für seine bürgerliche Stellung allmählich
einzusehen, und die Bauernschaft gewann namentlich in Süd- und Mitteldeutschland nach und nach ein eigentliches Gesamtbewußtsein.
Freilich mußte der erste gewaltsame Versuch, sich eine selbständige soziale Stellung zu erringen, fehlschlagen; aber drei
Jahrhunderte haben seitdem das zäh und beharrlich verfolgte Ziel, zu dessen Erreichung im Bauernkrieg (s. d.)
ein so ungestümer Anlauf genommen worden war, verwirklicht.
Schon die durch die Reformation beförderte höhere Geistesfreiheit, das dadurch bedingte kräftigere Geltendmachen eigner
Prüfung und Überzeugung wirkte in vielfacher Beziehung auch hinsichtlich der bäuerlichen Zustände höchst heilsam.
Viele Gutsherren, von dem neuen Geist hingerissen, hoben die entehrende Leibeigenschaft und Hörigkeit freiwillig
auf; viele Kloster und Stifter wurden säkularisiert, und damit hörte mancher Druck von selbst auf. Hier und da veranlaßte
die Ausbreitung der neuen Lehre Auswanderungen, und gewerbfleißige Kolonisten, welche die Intoleranz aus ihrem Vaterland verjagt
hatte, fanden anderwärts unter vorteilhaften Bedingungen Aufnahme und vermehrten die Zahl der freien Landleute.
Endlich war auch die wachsende Landeshoheit der Fürsten, welche mit den Anmaßungen des Adels unverträglich war, in mancher
Beziehung dem Emporkommen des Bauernstandes förderlich. Das Interesse der Regierungen, welche natürlich die Macht der vielgegliederten
Aristokratie zu schwächen suchen mußten, wandte sich nach Einführung allgemeiner Landessteuern
und mit dem Entstehen der stehenden Heere mehr den Bauern zu, um hier den privilegierten Ständen gegenüber eine sichere Stütze
zu gewinnen.
Zur vollen Entwickelung jedoch gelangten diese Keime einer menschenwürdigern Gestaltung der bäuerlichen Verhältnisse erst
in der neuern Zeit, in der zweiten Hälfte des vorigen Jahrhunderts, als in der Wissenschaft und im Staats-
und Volksleben bessere politische und volkswirtschaftliche Grundsätze zur Anerkennung gelangten. Vorzüglich war es die französische Revolution,
welche mächtig in das Ideengetriebe der Zeit eingriff und eine großartige Reform der sozialen Zustände anbahnte.
Die Leibeigenschaft mit ihren vielfachen dinglichen und persönlichen Lasten hörte auf, wenigstens in
allen Ländern, welche sich gegen die regen Fortschritte der Zeit nicht verschlossen;
die Schranken zwischen den verschiedenen
Ständen, schon längst wankend, fielen vollends, und auch den niedrig Gebornen eröffnete sich die Aussicht, durch Talent
und Kraftanstrengung zu Würde und Einfluß zu gelangen;
die neue Landwehrverfassung gab dem Landbewohner
die alte Wehrhaftigkeit, Selbständigkeit und Manneswürde zurück;
und die in den neuern Verfassungsurkunden ausgesprochene
Landtagsfähigkeit des Bauernstandes vollendete seine bürgerliche Gleichstellung mit den übrigen Ständen. In Preußen war
es namentlich die Stein-Hardenbergsche Gesetzgebung, welche zu Anfang dieses Jahrhunderts die Überreste der ehemaligen Leibeigenschaft
oder Erbunterthänigkeit beseitigte.
Die gutsherrliche Abhängigkeit mit ihren Lasten und Fronen, Beden und
Zehnten wurde entweder unbedingt aufgehoben ohne alle Entschädigung der Gutsherren, z. B. in den mit Frankreich vereinigten
Rheinlanden, oder es wurde doch die Ablösung des Obereigentums und einzelner Lasten gegen jährlich zu zahlende Grundzinsen oder
gegen eine ein für allemal abzugewährende Summe gestattet, oder durch Auseinandersetzung zwischen den
Bauern
und Gutsherren eine Teilung der Güter unter ihnen nach Maßgabe des bisherigen Eigentums- oder Nutzungsrechts herbeigeführt
und den erstern volles Eigentumsrecht eingeräumt. Dazu wurden die vielfachen bäuerlichen Lasten für ablösbar erklärt
(s. Ablösung), und alle neuern Verfassungsurkunden haben den Bauernstand zur Teilnahme an der ständischen
Vertretung herangezogen. Mit der Beseitigung des Zunftwesens und der gewerblichen Zwangs- und Bannrechte fiel auch die letzte
Schranke zwischen Stadt und Land sowie zwischen Bürger- und Bauernstand.
Als Staatsbürger und Staatsunterthanen stehen die Bauern nunmehr in Bezug auf Rechte und Pflichten mit allen übrigen auf völlig
gleicher Linie. Auch hat die moderne Gesetzgebung manche frühere Beschränkung des Bauernstandes auf dem
Gebiet des Privatrechts beseitigt, so namentlich den Grundsatz, daß die Bauern keine Wechselfähigkeit hatten, u. dgl. Aber
auch in andrer Weise ist die Gesetzgebung für die Hebung des Bauernstandes thätig gewesen, insbesondere durch eine zweckmäßige
Agrargesetzgebung, namentlich über die Zusammenlegung (Separation) der Grundstücke, und durch selbständigere
Organisation der Landgemeinden.
Als Mann des Ererbten und Überlieferten ist der Bauer, wie in wirtschaftlicher Beziehung, so auch in der Politik allerdings
mißtrauisch gegen Neuerungen. So kommt es, daß der Bauernstand wenn auch nicht eine konservative Partei, so doch eine konservative
Macht bildet, daß er das rasche Durchschlagen revolutionärer Bewegungen hemmt, daß er ein Gegengewicht
gegen vorschnelle Neuerungen und allzu raschen Fortschritt bildet und so im politischen Leben eine gleichmäßige und geregelte
Entwickelung erzeugt.
Auf der andern Seite ist es eine der schwierigsten Aufgaben, den in wirtschaftlicher und bürgerlicher Beziehung auf
der Bahn des Fortschritts und der Entwickelung vorwärts zu bringen, ohne ihn in seinen berechtigten Eigentümlichkeiten zu
verletzen und sein Mißtrauen zu erregen. Denn die konservative Macht des Bauernstandes pflegt sich nur dann in heilsamer
Weise zu entwickeln und zu bewahrheiten, wenn sich der Bauer staatlich geschützt, aber nicht bevormundet,
und in seiner Eigentümlichkeit geschont und unbehelligt weiß. Im entgegengesetzten Fall zeigt sich leicht die Kehrseite
des bäuerlichen Konservatismus in einem gewissen Eigensinn und trotzigen Selbstgefühl, der Bauernstand wird unter solchen
Umständen leicht ein Hindernis fortschrittlicher Entwickelung und ein Hemmschuh im politischen und sozialen Leben des Staats,
während er bei richtiger Behandlung dasselbe regelt und eine wohlthätige Stetigkeit und Festigkeit in
dasselbe zu bringen geeignet ist.
Vgl. v. Maurer, Geschichte der Fronhöfe, Bauernhöfe etc. in Deutschland (Erlang. 1862-63, 4 Bde.);
Derselbe, Geschichte der Dorfverfassung in Deutschland (das. 1865-66, 2 Bde.);
Bonnemère, Histoire des paysans (2. Aufl., Par. 1874, 2 Bde.);
Probyn, Systems of land tenure in various countries (Lond. 1881);
»Bäuerliche Zustände in Deutschland«
(in den »Schriften des Vereins für Sozialpolitik«, Bd. 22-24, Leipz. 1883 ff.).
1) Anton, deutscher Kriminalist, geb. 16. Aug. 1772 zu Marburg, studierte daselbst, wirkte hier seit 1793 als Privatdozent
und ward 1797 Professor und Beisitzer des Spruchkollegiums. 1812 in gleicher Eigenschaft nach Göttingen
versetzt, wurde er vielfach mit legislativen Arbeiten beschäftigt. Er starb 1. Juni 1843. Unter dem Titel: »Grundsätze des Kriminalprozesses«
(Marburg 1805) schrieb er das
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erste selbständige Lehrbuch dieser Wissenschaft, welches er später durchaus umgearbeitet als »Lehrbuch des Strafprozesses«
(Götting. 1835; 2. Ausg. von Morstadt, das. 1848) erscheinen
ließ. Die Philosophie des Strafrechts behandelte er bereits in seinem »Lehrbuch des Naturrechts« (Marb. 1808; 3. Ausg., Götting.
1825),
sodann in den »Grundlinien des philosophischen Kriminalrechts« (das. 1825) ausführlicher. Ein Anhänger
der Feuerbachschen Abschreckungstheorie, stellte er demnächst eine eigne, die sogen. Warnungstheorie, auf
und zwar in dem »Lehrbuch des Strafrechts« (Götting. 1827, 2. Ausg. 1833) sowie in einer besondern Schrift: »Die Warnungstheorie,
nebst einer Darstellung und Beurteilung aller Strafrechtstheorien« (das. 1830). Außerdem veröffentlichte er: »Lehrbuch des
Napoleonischen Zivilrechts« (Marb. 1809, 2. Aufl. 1812);
»Beiträge zur Charakteristik und Kritik des Code
Napoléon« (das. 1810);
»Strafrechtsfälle« (Götting. 1835-39, 4 Bde.);
»Anleitung zur Kriminalpraxis« (das. 1837);
»Beiträge zum deutschen Privatfürstenrecht« (das. 1839);
»Abhandlungen aus dem Strafrecht und dem Strafprozeß« (das. 1840-43, 3 Bde.);
endlich einige Schriften über die Entwürfe des hannöverschen Strafgesetzbuches und der Strafprozeßordnung,
an deren Abfassung und Redaktion er beteiligt war.
Auch gab er mit Anmerkungen heraus die 8. Auflage von G.L. Böhmers »Principia
juris feudalis« (Götting. 1819).
2) Andreas Friedrich, Mechaniker, geb. 18. Aug. 1783 zu Stuttgart, studierte, nachdem er daselbst seinen Beruf und auch als
Optiker gelernt, in Tübingen während einiger Semester Mathematik, erwarb den Grad eines Magisters und begab sich sodann zu weiterer
Ausbildung Anfang dieses Jahrhunderts nach England, wo er 1807 oder 1808 zu Friedrich König (s. d.), dem Erfinder der Schnellpresse,
in ein näheres freundschaftliches und geschäftliches Verhältnis trat. Nach Königs eignen Worten würde
es diesem kaum gelungen sein, seine Erfindung derart zu vollenden, wie es geschehen, hätte er nicht Bauers kenntnisreichen
Rat und dessen thätige Hilfe zur Seite gehabt.
Als König 1817 nach Deutschland zurückkehrte, folgte ihm Bauer im Jahr danach auf die von König gekaufte ehemalige Prämonstratenserabtei
Oberzell bei Würzburg, in deren Baulichkeiten sie eine Fabrik für Buchdruckschnellpressen unter der Firma
König u. Bauer anlegten, ein Unternehmen, dessen Bestand und Gelingen sie mit unendlichen
Mühen sicherten, das sich aber noch bei Lebzeiten Bauers (König war 1833 gestorben) zu hoher Blüte entwickelte. Bauer leitete
das Etablissement nach dem Tod seines Freundes, von dessen Witwe unterstützt, und war stets bestrebt, die
Schnellpressen immer mehr zu vervollkommnen, so daß er schon 1847 eine vierfache Schnellpresse konstruierte mit einer Leistungsfähigkeit
von bis zu 6000 Drucken pro Stunde. Auch die Anwendung der sogen. Kreisbewegung für den Betrieb des Fundaments der Schnellpresse
ist sein Werk; die erste nach diesem System gebaute kam 1840, bei Gelegenheit des 400jährigen Jubiläums
der Buchdruckerkunst, nach Leipzig. Bauer starb 27. Febr. 1860.
3) Karoline, berühmte Schauspielerin, geb. 29. März 1807 zu Heidelberg, siedelte nach dem Tod ihres Vaters, der als Rittmeister
bei Aspern fiel, 1814 nach Karlsruhe über, wo sie im Dezember 1822 die Bühne des dortigen Hoftheaters als
Margarete in den »Hagestolzen« von Iffland mit großem Erfolg betrat. Anmut, Natürlichkeit und eigentümliche Begabung machten
sie rasch zum gefeierten Liebling des Publikums. 1824 wurde sie an das Königsstädtische Theater nach Berlin berufen und
ein
halbes Jahr danach an der dortigen Hofbühne angestellt. 1829 verließ sie die Bühne, um sich, zur Gräfin
Montgomery erhoben, mit dem Prinzen Leopold von Koburg zu vermählen, von dem sie wieder geschieden wurde, als er die belgische
Königskrone annahm.
Zur Bühne zurückkehrend, folgte sie 1831 einem Ruf nach St. Petersburg und gastierte 1834 mit außerordentlichem Erfolg in
Wien, Pest, Leipzig, Hamburg, Berlin, Lübeck etc., später in Dresden, an dessen Hoftheater sie bis 1844 mit
andauerndem Beifall wirkte. Ihre Preziosa, Donna Diana, Julia in »Romeo und Julia«, Maria Stuart, Prinzessin in »Tasso« und viele
andre sowohl tragische als vorzugsweise muntere Rollen lieferten den Beweis eines wahrhaft ausgezeichneten Talents.
Seit 1844 mit dem polnischen Emigranten Grafen Ladislaus von Broel-Plater vermählt, starb sie 18. Okt. 1878 auf
Villa Broelberg bei Zürich.
Durch eine Reihe sehr interessanter Erinnerungen: »Aus meinem Bühnenleben« (2. Aufl., Berl.
1876, 2 Bde.) und »Komödiantenfahrten«
(das. 1875),
deren Herausgabe A. Wellmer besorgte, rief sie sich vorteilhaft auch ins Gedächtnis unsrer
Zeit zurück. Dagegen erregten ihre von Wellmer nach ihrem Tod unter dem Titel: »Aus dem Leben einer Verstorbenen« (Berl. 1878-80, 4 Bde.)
veröffentlichten Briefen nachgelassenen Memoiren (»Verschollene Herzensgeschichten«) viel Ärgernis und hatten
einen langwierigen Prozeß des Herausgebers mit dem Grafen Plater zur Folge.
4) Bruno, der verwegenste biblische Kritiker der Neuzeit, geb. 9. Sept. 1809 zu Eisenberg im Herzogtum Sachsen-Altenburg,
besuchte die Berliner Universität und habilitierte sich an derselben 1834 als Lizentiat der Theologie; 1839 veröffentlichte
er, nachdem er als Privatdozent an die Universität Bonn versetzt war, seine »Kritik der evangelischen Geschichte des Johannes«
(Brem. 1840) und die »Kritik der evangelischen Geschichte der Synoptiker« (Leipz. 1841-1842, 3 Bde.; 2. Aufl.
1846). Nachdem ihm 1842 die Erlaubnis, theologische Vorlesungen zu halten, entzogen war, schrieb er in Berlin zu seiner Verteidigung:
»Die gute Sache der Freiheit und meine eigne Angelegenheit« (Zürich
1843),
begründete darauf eine »Allgemeine Litteraturzeitung« (Charlottenb. 1843 bis
1844) und lieferte mehrere kritische und historische Werke über das 18. und 19. Jahrh.
In weitern theologischen Schriften: »Kritik der Evangelien« (Berl. 1850-52, 4 Bde.),
»Kritik der paulinischen Briefe« (das. 1850-52, 3 Bde.)
und »Die Apostelgeschichte« (das. 1850), setzte er seine negative Kritik fort. Zugleich entwickelte er bis zu seinem
am 13. April 1882 in Rixdorf bei Berlin erfolgten Tod eine eifrige journalistische und lexikographische Thätigkeit und veröffentlichte
noch: »Philo, Strauß, Renan und das Urchristentum« (Berl. 1874);
»Christus und die Cäsaren. Der Ursprung des Christentums aus
dem römischen Griechentum« (das. 1877);
»Einfluß des englischen Quäkertums auf die deutsche Kultur und
auf das englisch-russische Projekt einer Weltkirche« (das. 1878);
»Zur Orientierung über die Bismarcksche Ära« (Chemn. 1880);
»Disraelis romantischer und Bismarcks sozialistischer Imperialismus« (das. 1881).
Der Tübinger Schule, deren Resultate Bauer namentlich
durch die Preisgebung sämtlicher Paulusbriefe überbot, hat er von jeher fremd gegenübergestanden. Im Gegensatz zu Strauß,
dem Verfasser des »Lebens Jesu«, aber verlegt Bauer die Genesis des Christentums rein und allein in das mit
stoischer und alexandrinischer Philosophie gesättigte Bewußtsein der römischen Kaiserzeit und macht namentlich Seneca dafür
verantwortlich.