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und Gefäßsystem gefordert wird, besonders bei vorwaltender torpider Schwäche. Das Wasser wirkt auf das Lymph- und Drüsensystem, befördert die Thätigkeit des Darmkanals, die Funktionen der Haut [* 2] und der Nieren und ist besonders wirksam gegen chronische Katarrhe der Luftwege, leichtere Formen der Skrofulosis, Gicht und Rheumatismus, Krankheiten der Haut-, Verdauungs- und Harnorgane, Lähmungen etc. Der Badeschlamm wird seiner auflösenden und erweichenden Wirkung wegen bei empfindlichen Geschwüren, Steifheit der Gelenke, Schwerhörigkeit u. dgl. verordnet.
Neben diesen warmen Quellen hat Baden [* 3] drei schwache Stahlquellen (2° C. kühler als die mittlere Temperatur der Erde), die in der Falkenhalde (für das »Stahlbad«) und in Lichtenthal zu Tage treten und besonders zu Nachkuren beim Gebrauch der Thermen benutzt werden. Die Saison dauert vom 1. Mai bis 31. Okt. und erreicht ihre Höhe im Juli und August. Die eigentlichen Zentralpunkte des Badelebens bilden das Konversationshaus mit prachtvollen Sälen für die verschiedensten Zwecke (darunter das Lesekabinett mit über 150 Zeitungen in allen Sprachen) und die Trinkhalle, wo das Wasser der Badener Quelle [* 4] (55° C.) genossen wird und zugleich 40 Sorten fremder Mineralwässer sowie warme Kuh- und Ziegenmilch zu haben sind.
Über dem »Ursprung« befindet sich das ältere Dampfbad; das von Dernfeld entworfene und im Renaissancestil ausgeführte Friedrichsbad (1877 eröffnet) ist die eleganteste derartige Anstalt in Europa. [* 5] Einrichtungen zu Wannenbädern mit Thermalwasser finden sich in den meisten Gasthäusern; für mittellose Kurgäste ist ein Armenbad vorhanden. Unter den Anlagen im Freien nimmt die »Promenade« mit ihren großartigen Verkaufsläden den ersten Platz ein. Die Zahl der Badegäste belief sich 1883 auf über 50,000. Unter ihnen ist die vornehme und abenteuernde Welt aller Nationen vertreten; die Hauptrolle aber spielten seit Jahrzehnten die Franzosen, welche Baden als einen Lieblingsausflug ansahen und dort französischen Ton und französisches Leben mehr als wünschenswert einführten.
Mit Aufhebung der Spielbank (Ende 1872) nahm der Besuch ein wenig ab; es entwickelte sich aber dafür eine mehr und mehr an Bedeutung gewinnende Wintersaison, und für den Schaden, welcher Baden aus dem Wegfall des Hasardspiels zu erwachsen drohte, hat die badische Regierung die Gründung eines besondern Badefonds verfügt, aus welchem nicht nur das neue Friedrichsbad gebaut ward, sondern auch die nötigen Mittel beschafft werden sollen, um die bestehenden Vergnügungen zum größern Teil auch ferner durchführen zu können.
Die Umgegend Badens ist überaus schön und anmutig. Der nächste und gewöhnlichste Spaziergang ist die schnurgerade Lichtenthaler Allee (gegen Abend der Korso der Badewelt); sie führt nach dem nahen, an eine steile, mit Tannen besetzte Bergwand gelehnten Cistercienser-Nonnenkloster Lichtenthal, das (1245 gestiftet) sich durch alle Stürme der Zeit erhalten hat. Ein Seitenkanal des Oosbachs leitet zum Geroldsauer Wasserfall. Unter den weitern Touren ist das Murgthal die besuchteste.
Andre besuchte Punkte sind: das alte Schloß (Hohenbaden, ebenfalls 1689 durch die Franzosen zerstört) mit seinen großartigen Ruinen und seiner prachtvollen Aussicht in die Rheinebene, die 6 km davon liegenden Trümmer der Burg Alten-Eberstein, der Staufen- oder Merkuriusberg, Gernsbach, das neue Schloß Eberstein (Privateigentum des Großherzogs), die Yburg und der Fremersberg sowie Balg, Scheuern, Neuwier, Steinbach, Iffezheim (mit der eleganten Rennbahn für die berühmten Pferderennen) u. a.
Geschichte. Baden ist die altrömische Bäderstadt Colonia Aurelia Aquensis oder Aquae Aureliae und soll zu gleicher Zeit mit Rom [* 6] oder wenigstens zur Zeit des Tarquinius Priscus gegründet worden sein. Wahrscheinlich ist es aber eine Schöpfung Hadrians, die besonders unter Caracalla zu hohem Flor gedieh. Von den Alemannen 234 zerstört, wurde der Ort von Aurelius Probus, der 277 die Alemannen zurücktrieb, wieder aufgebaut. Nach seinem Tod fiel Baden wieder in die Hände der Alemannen und nach deren Unterwerfung an das fränkische, später Deutsche Reich. [* 7] Es wechselte oft die Herren: nacheinander waren es die Mönche des Klosters Weißenburg, [* 8] die Grafen von Kalw, schon vor 1102 die Zähringer, von denen sich der jüngere Zweig zuerst 1112 Markgrafen von Baden nannte.
Durch den Bau des Neuen Schlosses (1479) und die Erteilung wichtiger Privilegien hob sich Baden immer mehr, bis es durch den Dreißigjährigen Krieg und besonders durch den pfälzischen Erbfolgekrieg wieder sehr geschädigt und endlich 1689 von den Franzosen fast gänzlich zerstört wurde. Markgraf Ludwig Wilhelm der Siegreiche verlegte 1706 die Residenz nach Rastatt. [* 9] Die erste Grundlage zur heutigen Bedeutung Badens als Badeort wurde durch die zahlreichen französischen Emigranten gelegt, welche zur Zeit der großen Revolution nach Baden kamen, das dann durch den Rastatter Friedenskongreß bis noch mehr in Aufnahme kam.
Jetzt erschienen Beschreibungen von Baden, Bauten erhoben sich, 1802 erstand die Antiquitätenhalle, 1808 das Gesellschaftshaus, 1822 das Konversationshaus, und der Pachter der Hasardspiele bezahlte schon 29,000 Fl. jährliches Pachtgeld. Besonders seit 1814 hat Baden seinen fast zweitausendjährigen Ruhm wieder erlangt und ist Mode- und Weltbad geblieben, auch nachdem die Hasardspiele 1872 verboten wurden.
Vgl. Schnars, und Umgegend (3. Aufl., Bad. [* 10] 1882);
»Baden, Wegweiser durch Stadt und Umgebung« (10. Aufl., das. 1884);
Seefels, Badens Bäder und der Gebrauch derselben vor 200 Jahren (Lahr [* 11] 1872);
Biermann, Baden-Baden [* 12] als Kurort (Heidelb. 1872);
Heiligenthal, Die Thermen in Baden (Bad. 1877).
2) (Baden bei
Wien)
[* 13] Stadt und berühmter Badeort im Erzherzogtum
Niederösterreich, liegt 27 km südlich von
Wien an der
Schwechat,
am Eingang des lieblichen Helenenthals, 212 m ü. M. und steht mit
Wien durch die Südbahn in
Verbindung. Baden zählt jetzt unter
die schönsten Badestädte in
Österreich
[* 14] und ist reicher als andre an prachtvollen
Villen, reizenden
Gärten
und schöner Umgebung. Hervorragende Gebäude sind die schöne
Pfarrkirche, die von van der
Nüll und
Siccardsburg 1848 erbaute
Mineral-Schwimm- und Badeanstalt
[* 15] mit großem
Bassin, das Kaiserhaus, das
Rathaus, die auf einer Anhöhe des Helenenthals vom
Erzherzog
Karl 1823 erbaute
Weilburg, jetzt seinem Sohn,
Erzherzog
Albrecht, gehörig, mit gotischer Hauskapelle
und schönen
Anlagen und die neue
Villa des
Erzherzogs
Wilhelm. Baden ist Sitz einer Bezirkshauptmannschaft und eines Bezirksgerichts,
hat ein Landesrealgymnasium mit
Museum, gewerbliche
Fortbildungsschule,
Sparkasse,
Theater
[* 16] und
Arena. Seit 1866 ist die
Gasbeleuchtung
eingeführt. An Humanitätsanstalten befinden sich hier: ein Wohlthätigkeitshaus für
Arme aus
Niederösterreich
zum
Gebrauch der
Bäder (mit 240
Betten), das Marienspital, das k. k. Militärspital; wo jährlich 1800-1900
Soldaten verpflegt werden, das Bürgerspital,
Lazarett etc. Die Zahl der Einwohner von Baden
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beträgt (1880) mit den Vorstädten Gutenbrunn und Leesdorf 9645, mit der anstoßenden Ortsgemeinde Weikersdorf 13,342, und ihre hauptsächlichste Erwerbsquelle ist der Fremdenverkehr, daneben auch ausgezeichneter Weinbau und Weichselrohrerzeugung. Seit Jahren befindet sich bei der Stadt eine Filiale der Züricher Maschinenfabrik von Escher-Wyß. Zu Promenaden dienen der schöne Kurpark, der Vereinigungsplatz der eleganten Welt, mit Musikpavillon, Kursaal und Trinkhalle (in der Nähe Statue des Dichters Grillparzer, gest. 1872); daran angrenzend der Kalvarienberg mit prächtiger Aussicht und schönen Anlagen, der Doblhof- und Sauerhofgarten, die Alexandrowitschschen und Schönfeldschen Anlagen, die Anlagen nächst der Weilburg, das Jägerhaus und die Jägerwiese, die Hauswiese etc. Die umliegenden Berge sind mit Ruinen gekrönt (Rauheneck, Scharfeneck, Rauhenstein).
Weitere Ausflüge bilden die Krainerhütte, der Lindkogel oder das Eiserne Thor (830 m) mit Aussichtsturm und großartiger Fernsicht, Meierling, Heiligenkreuz, Vöslau, Merkenstein, Schönau etc. Vom Bahnhof führt eine Pferdebahn durch die Stadt bis nach Rauhenstein im Helenenthal. Die Wiener Wasserleitung, [* 18] welche auch Baden mit Trinkwasser versorgt, überschreitet dieses Thal [* 19] unmittelbar hinter der Stadt mit einem großen Aquädukt. Das Klima [* 20] ist gesund, aber scharfen Temperaturwechseln ausgesetzt.
Die Mineralquellen von Baden gehören zu den erdig-salinischen Schwefelthermen und haben eine Temperatur von 29-35° C. Man zählt 13 selbständige Quellen, von denen die Hauptquelle, der Ursprung, täglich 8710 hl liefert. Ihrer Zusammensetzung nach enthält diese Hauptquelle in 1 Lit. schwefelsauren Kalk 0,735 g, schwefelsaures Natron 0,301 g, schwefelsaures Kali 0,073 g, kohlensauren Kalk 0,205 g, kohlensaures Natron 0,094 g, kohlensaure Magnesia 0,143 g, Chlornatrium 0,256 g, Chlormagnesium 0,231 g, Kohlensäure 44,78 ccm, Schwefelwasserstoff 2,56 ccm, Stickstoff 14,53 ccm, Sauerstoff 1,62 ccm. Das Wasser ist vollkommen klar, wird aber an der Luft leicht trübe und besitzt einen durchdringenden Schwefelgeruch und -Geschmack.
Die dem Wasser entsteigenden flüchtigen Bestandteile veranlassen an den Wänden ein Sublimat von zarten Kristallen, welches als »Badener Salz« [* 21] in den Handel kommt. Die Badener Quellen werden zum Baden, die Ursprungquelle auch zum Trinken verwendet; sie sind besonders wirksam bei katarrhalischen Affektionen der Luftwege, insbesondere Kehlkopfkatarrh, Skrofulose, Gicht, Rheumatismus, hysterischen Beschwerden, Stockungen im Leber- und Pfortadersystem, chronischen Krankheiten des Uterinsystems, chronischen Hautausschlägen, hartnäckigen Geschwüren.
Die Bäder sind meist Vollbäder, in denen beide Geschlechter gemeinsam baden; doch gibt es auch Separatbäder, ferner eine Mineral- und eine Kaltwasserschwimmanstalt, Einrichtungen für Schlammbäder, Dampfbäder und Molkenkur. Die besteingerichteten Badeanstalten sind das 1877 umgebaute Frauen- und Karolinenbad, das Herzogs- und Antonsbad, das Johannesbad und die Mineralschwimmanstalt. Für Winterkurgäste ist das Herzogs- und Antonsbad eingerichtet. Die Kurfrequenz belief sich 1883 auf 10,400 Personen. Bei der reizenden Lage des Orts und der Nähe von Wien ist Baden übrigens mehr Vergnügungs- als Kurort; zahlreiche Wiener nehmen hier ihren Sommeraufenthalt, und an Sonn- und Feiertagen strömt ein großer Teil der Bewohner Wiens nach und in dessen Umgebungen. - Die Bäder sind seit den Römerzeiten bekannt; schon Marcus Aurelius gedenkt ihrer unter dem Namen Aquae Pannonicae. Im 11. und 12. Jahrh., als die Babenberger ihre Residenz in der Nähe nahmen, hoben sie sich wieder.
Zwar hatte der Ort (seit 1480 Stadt) durch die Ungarn [* 22] unter M. Corvinus und 1529 und 1683 durch die Türken viel zu leiden und wurde im letztern Jahr fast gänzlich zerstört; aber immer wieder erstand er aus den Trümmern, aus denen die Quellen unversiegbar hervorsprudelten. Rühmlichst wird ihrer im 16. und 17. Jahrh. gedacht; 1767 und 1797 fand man noch Überreste römischer Bäder. Im J. 1812 litt die Stadt durch einen großen Brand; seitdem aber nahm sie einen fortgesetzten Aufschwung.
Vgl. Bersch, Der Kurort in Niederösterreich (6. Aufl., Bad. 1884);
Czuberka, Die Schwefelthermen zu Baden (das. 1882).
3) in der Schweiz) [* 23] Badeort im Schweizer Kanton Aargau, [* 24] an der Limmat, 382 m ü. M., mit den Trümmern des einst berühmten Schlosses »Stein zu und (1880) 3692 Einw., darunter 996 Protestanten. Die Quellen, bei 45-48° C., entspringen unterhalb des Städtchens: 14 auf der linken (große Bäder) und 5 auf der rechten Seite der Limmat (kleine Bäder, Ennetbaden). Sie liefern 370 Lit. Wasser in der Minute. Die Quelle wurde schon 1578 von Pantaleon besprochen. Ihr Wasser enthält in 1 L. schwefelsaures Natron 0,286 g, schwefelsaure Magnesia 0,305 g, schwefelsauren Kalk 1,358 g, Chlorkalium 0,089 g, Chlornatrium 1,630 g, kohlensauren Kalk 0,325 g, Kohlensäure 34,37 ccm, Sauerstoff 6,25 ccm, Stickstoff 127 ccm. Ursprünglich enthalten die Quellen Schwefelwasserstoff, der aber in den Zuleitungsröhren zersetzt wird.
Die Quellen werden als Getränk wie in Form von Wannenbädern, Douchen, Dampfbädern und Inhalationen benutzt und besonders gegen Rheumatismen und Gicht, chronische Kehlkopf- und Lungenkatarrhe mit Erfolg angewendet. Die Zahl der Kurgäste beläuft sich jährlich auf ca. 20,000 Personen. Baden, wohl der älteste Badeort der Schweiz, wurde schon zur Römerzeit um seiner Schwefelthermen willen besucht. Zur Zeit der österreichischen Herrschaft befand ich zeitweilig auf dem »Stein« das herzogliche Hoflager, und als 1415 die Eidgenossen das Gebiet eroberten, verlegte selbst die alte Tagsatzung ihre Sitzungen nach Baden (1424-1712). Historisch denkwürdig sind das Religionsgespräch zu Baden von 1526, wo Öcolampadius und Baden Haller mit Eck disputierten, und der Friede zu Baden vom zwischen Frankreich und dem Deutschen Reich abgeschlossen, in welchem der zu Rastatt 6. März d. J. zwischen Österreich und Frankreich vereinbarte Friede mit wenigen Abänderungen bestätigt wurde.
Vgl. Mousson, Geologische Skizze der Umgebungen von Baden (Zür. 1840);
Diebold, Der Kurort Baden (Winterth. 1861);
Minnich, in der Schweiz (2. Aufl., Bad. 1873);
Fricker, Geschichte der Stadt und Bäder zu Baden (Aarau [* 25] 1879).