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und des Armenwesens gehörten, der kirchlichen Verwaltung entzogen und unter weltliche Verwaltung gestellt werden sollten, sowie Gesetze über Ausdehnung [* 2] der Kompetenz der Schwurgerichte bei politischen und Preßvergehen, über das an die norddeutschen Bestimmungen sich anschließende Militärstrafgesetzbuch und über die Unterstützung des Gotthardbahnunternehmens mit 3 Mill. Fl. vom Landtag angenommen. Der Schluß der fruchtbaren Session fand statt.
Baden als Glied des Deutschen Reichs.
Als der Krieg gegen Frankreich 1870 ausbrach, war Baden [* 3] zunächst bedroht. Aber da es vortrefflich vorbereitet war, so gingen die Rüstungen [* 4] und die Mobilmachung in aller Ruhe vor sich. Der Großherzog erklärte sofort den Fall des Bündnisses von 1867 eingetreten und stellte die badische Division, deren Oberbefehl General v. Beyer, später v. Glümer führte, unter preußischen Befehl. Dieselbe wurde der dritten Armee unter dem Kommando des Kronprinzen von Preußen [* 5] zugeteilt, war zuerst mit der württembergischen Division zu einem besondern Korps vereinigt, löste sich nach dem Tag von Wörth [* 6] von diesem Korpsverband ab und wurde in Verbindung mit zwei preußischen Divisionen zur Belagerung Straßburgs verwendet. Am 28. Sept. zogen die badischen Truppen in Straßburg [* 7] ein.
Darauf wurden dieselben als 14. Armeekorps mit drei preußischen Detachements vereinigt, zogen unter General v. Werder über die Vogesen in der Richtung nach Besançon [* 8] und Dijon, [* 9] nahmen letztere Stadt 31. Okt., schlugen die Garibaldianer 26. Nov. von Dijon bis Autun zurück und siegten 18. Dez. über das Korps des Generals Cremer im Treffen bei Nuits. Bei dem Anmarsch der Bourbakischen Armee gab die badische Division Dijon auf und nahm nebst den übrigen Teilen des 14. Armeekorps die berühmte Defensivstellung ein, welche von Frahier über Héricourt und Montbéliard bis nach Delle an der Schweizer Grenze sich hinzog. An den denkwürdigen Kämpfen vom 15., 16. und nahmen die badischen Truppen auf dem rechten Flügel ruhmvollen Anteil. Nach dem Rückzug Bourbakis und nach dem Aufmarsch der beiden Korps des Generals v. Manteuffel bezog die Division am Fluß Doubs bei Besançon eine Reservestellung und verharrte darin bis zum Ende des Kriegs; ihr Gesamtverlust betrug 3438 Mann an Toten, Verwundeten und Vermißten.
Inzwischen hatte Baden schon 2. Okt. seinen Eintritt in den Norddeutschen Bund, ohne irgend eine Änderung der Verfassung desselben zu verlangen oder mit Ausnahme der Besteuerung des inländischen Branntweins und Biers Reservatrechte zu beanspruchen, beantragt. Die Unterhandlungen wurden noch im Oktober in Versailles [* 10] eröffnet, 15. Nov. der Verfassungsvertrag mit dem Norddeutschen Bund, am 25. die Militärkonvention mit Preußen abgeschlossen. Die Bestimmungen des Vertrags lauteten ganz im Sinn des badischen Antrags; nach der Militärkonvention wurde das badische Kontingent ein unmittelbarer Bestandteil der preußischen Armee, so daß der König von Preußen als Bundesfeldherr alle Rechte und Pflichten des Kontingents- und Kriegsherrn, einschließlich der Fürsorge für die Festung [* 11] Rastatt [* 12] unter Vorbehalt der badischen Territorialhoheit, übernahm.
Beide Verträge wurden dem am 13. Dez. wieder zusammentretenden Landtag vorgelegt und wenige Tage darauf genehmigt. Die Ausführung der Verträge folgte auf dem Fuß. Am gingen die badischen Truppen der Militärkonvention gemäß als 14. Armeekorps in die preußische Armee über. Am nämlichen Tag wurde das Ministerium des Auswärtigen aufgelöst und 24. Okt. alle Gesandtschaften, welche Baden bisher noch unterhalten hatte, in Wien, [* 13] München, [* 14] Stuttgart, [* 15] Darmstadt [* 16] und im Haag, [* 17] aufgehoben.
Die Auflösung des Kriegsministeriums erfolgte Bei den Wahlen zum ersten deutschen Reichstag errangen trotz der lebhaftesten Agitation der katholischen Geistlichkeit die Nationalliberalen in 12 Wahlbezirken den Sieg, die Ultramontanen nur in 2. Die Demokraten unterlagen überall. Die deutsch-nationale Haltung der Regierung seit 1866 hatte damit einen glänzenden Erfolg errungen und dieselbe sich um die Herstellung der deutschen Einheit ein unsterbliches Verdienst erworben.
Im Innern sah sich die Regierung durch die Pflicht, die Altkatholiken in Schutz zu nehmen und den Anmaßungen der römischen Hierarchie entgegenzutreten, zu neuen kirchlichen Gesetzen gezwungen. Sie legte dem am eröffneten Landtag zwei Gesetzentwürfe über die Ausschließung religiöser Ordensmitglieder vom Elementarunterricht und von der Aushilfe in der Seelsorge und über das Verbot von Missionen vor, die trotz des Widerspruchs der Ultramontanen von beiden Kammern angenommen wurden.
Hierauf erließ sie an sämtliche Mitglieder religiöser Orden [* 18] und Kongregationen den Befehl, ihre bisherige Lehrthätigkeit binnen vier Wochen einzustellen. Da die Freiburger Kurie den Widerstand gegen die Examinarordnung vom hartnäckig fortsetzte, so gestattete das Ministerium fortan keinem neuangestellten Pfarrer oder Pfarrverweser, der sich nicht jener Verordnung unterwarf, die Ausübung einer geistlichen Verrichtung, so daß allmählich zahlreiche Pfarrvakanzen eintraten.
Durch ein 1874 vom Landtag gebilligtes Gesetz wurden die Strafbestimmungen gegen unbefugte geistliche Handlungen noch verschärft und die Schließung aller Knabenseminare und Konvikte angeordnet. Den Altkatholiken wurden mehrere Kirchen eingeräumt und die Bildung altkatholischer Gemeinden gestattet. Den altkatholischen Bischof Reinkens erkannte die Regierung an. Da das Freiburger Domkapitel sich hartnäckig weigerte, eine neue Kandidatenliste für die Erzbischofswahl vorzulegen, so wurde von 1875 ab der sogen. erzbischöfliche Tischtitel vom Budget gestrichen. Der Landtag von 1874 nahm auch noch ein Gesetz über den Schutz der Altkatholiken, eine Kapitalrentensteuer und eine neue Städteordnung für die sieben größten Städte an, welche die Wahlrechte der Einwohner vermehrte.
Dem 1875-76 versammelten Landtag wurde von der Regierung ein Gesetzentwurf über die Aufbesserung der Pfarrgehalte, ein zweiter, von der Zweiten Kammer im Jahr zuvor gewünschter über die Einführung konfessionell gemischter Volksschulen, ferner Entwürfe einer Steuerreform und der Organisation der Oberrechnungskammer vorgelegt. Den wichtigsten Gegenstand der Verhandlungen bildete das Schulgesetz, gegen welches vor allen die Ultramontanen eiferten. Das Gesetz befahl zwar die Verschmelzung der Schulen verschiedenen Bekenntnisses in Einer Gemeinde und Einführung eines gemeinschaftlichen Unterrichts für alle Schüler; doch betraf diese Bestimmung nur 153 Gemeinden, der Religionsunterricht ward ausdrücklich ausgenommen, und bei der Wahl der Lehrer sollte auf die Konfession der Mehrheit der Schüler Rücksicht genommen, einer Minderheit von wenigstens 20 Schülern auch ein ¶
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Lehrer ihrer Konfession zugestanden werden. Die Kammern gaben ihre Zustimmung. Auch das Pfarrdotationsgesetz wurde mit einigen Modifikationen angenommen, ebenso das Gesetz über die Oberrechnungskammer und die Erwerbsteuer, worauf der Landtag geschlossen wurde. Da aber inzwischen am Hof [* 20] eine strengere kirchliche Richtung Einfluß erlangt hatte, welche mehrere Zugeständnisse Jollys bei der Schulgesetzverhandlung mißbilligte und dessen Forderung, daß auch die evangelischen Geistlichen den für eine Erhöhung der Dotation geforderten Revers unterzeichnen sollten, besonders übel aufnahm, so erhielt Jolly plötzlich seine Entlassung.
Infolgedessen reichte das gesamte Ministerium seine Entlassung ein, und der Präsident des Handelsministeriums, Turban, ward am 23. beauftragt, »auf Grundlage der bisher maßgebend gewesenen Richtung der Regierung sowohl in betreff der innern Politik als auch in Bezug auf die nationalen Entwickelungsaufgaben ein freisinniges Ministerium neu zu bilden«. Außer Jolly schied nur noch Freydorf aus dem Ministerium aus, die übrigen Minister blieben. Das Ministerium des Innern übernahm Stösser, das der Justiz Grimm; Turban wurde Staatsminister und Ministerpräsident.
Das neue Ministerium vereinbarte 1878 und 1879 mit dem Landtag die umfassenden Einführungsgesetze zur Reichsjustizreform und das Gesetz über die Aufbringung des Gemeindeaufwandes. Darauf trat es 1880 mit den seit langem vorbereiteten Vorschlägen über eine Aussöhnung mit der Kurie hervor, indem es beantragte, die durch die Verordnung von 1867 und durch Gesetz von 1874 befohlene besondere Staatsprüfung für Geistliche fallen zu lassen und sich mit der Anwesenheit eines Staatskommissars bei der gewöhnlichen Prüfung zu begnügen.
Die Zweite Kammer indes lehnte den Antrag ab, da die Freiburger Kurie selbst die Nachsuchung des Dispenses für die ältern Geistlichen nicht erlauben wollte, und nahm einen neuen Gesetzentwurf, welcher bloß den Nachweis des Maturitätsexamens und dreijährigen Universitätsbesuchs forderte, erst an, nachdem die Kurie die Einholung des Dispenses gestattet hatte. Die Folge dieser Verhandlungen war der Sturz Stössers. Indes bewirkte die nachgiebige Haltung der Regierung doch ein solches Erstarken der Ultramontanen und ihr zeitweiliger Zerfall mit der liberalen Kammermajorität eine solche Schwächung der letztern, daß bei den Ergänzungswahlen 1881 die Nationalliberalen die unbedingte Mehrheit verloren und die Ultramontanen auf 22 Mitglieder stiegen. Es trat daher eine Stockung in der Gesetzgebung ein, bis 1883 die Nationalliberalen sich wieder auf Kosten der Ultramontanen auf 34 (von 63) verstärkten. Regierung und Landtag gingen nun an eine Reform der innern Verwaltung.
Vgl. Vierordt, Badische Geschichte bis zum Ende des Mittelalters (Tübing. 1865);
Bader, Badische Landesgeschichte (2. Ausg., Karlsr. 1838);
Preuschen, Badische Geschichte (das. 1842);
Drais, Geschichte von unter Karl Friedrich (das. 1816-18);
Nebenius, Karl Friedrich von Baden (das. 1868), v. Weech, unter den Großherzögen Karl Friedrich, Karl, Ludwig, 1738-1830 (Freiburg [* 21] 1863);
Schöchlin, Geschichte von unter Großherzog Leopold (Karlsr. 1856);
Mone, Quellensammlung zur badischen Landesgeschichte (das. 1848-67, Bd. 1-4);
Häusser, Denkwürdigkeiten zur Geschichte der badischen Revolution von 1844 bis 1849 (Heidelb. 1851);
Bekk, Die Bewegung in Baden (Mannh. 1850);
v. Weech, in den Jahren 1852-77 (Karlsr. 1877);
Derselbe, Geschichte der badischen Verfassung (das. 1868);
Derselbe, Badische Biographien (Heidelb. 1875, 2 Bde.; Nachtrag 1881).