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Aufsicht über den Religionsunterricht in den Schulen sowie über die theologische Fakultät in Freiburg, die Mitverwaltung des Kirchenvermögens etc.
Die Aufregung im Land über dieses Preisgeben der wichtigsten Staatsrechte und Kulturinteressen war ungeheuer und zwar nicht nur unter den Protestanten, sondern auch unter den aufgeklärten Katholiken. Durch Deputationen und in Adressen wurde der Großherzog gebeten, das gefürchtete Unglück des Konkordats von seinem Land abzuwenden. Die Denkschrift der Liberalen, welche in Durlach eine Zusammenkunft abgehalten hatten, und eine besondere Schrift des Vizepräsidenten der Ersten Kammer, Stabel, bewiesen, daß die Verfassung durch das Konkordat verletzt sei, und daß dies durch den Landtag genehmigt werden müsse. Die Ende 1859 zusammentretenden Kammern schlossen sich dieser Ansicht an und nahmen im Frühjahr 1860 mit großer Majorität den Antrag an, das Konkordat für nicht rechtsverbindlich zu erklären und den Großherzog zu bitten, dasselbe nicht in Wirksamkeit treten zu lassen, vielmehr die kirchlichen Angelegenheiten durch die Gesetzgebung zu regeln. Der Großherzog erfüllte die Bitte der Kammern und der überwiegenden Mehrheit des badischen Volks. Im April wurden Meysenbug und Stengel ihrer Ministerposten enthoben, Oberhofrichter Stabel zum Staatsminister der Justiz (mit einstweiliger Leitung des Auswärtigen) und Lamey, Professor in Freiburg und Mitglied der Zweiten Kammer, zum Präsidenten des Ministeriums des Innern ernannt. Eine Proklamation des Großherzogs vom 7. April enthielt das Programm der neuen Regierung. Dieselbe wies den Protest des Erzbischofs, welcher in seinem Ausschreiben vom 21. April das Konkordat als zu Recht bestehend erklärte, in einem Erlaß vom 7. Mai zurück und legte 22. Mai Zweiten Kammer sechs Entwürfe zur Regelung der kirchlichen Verhältnisse vor, welchen der Landtag bereitwillig seine Zustimmung gab, während der Erzbischof dagegen Protest erhob und Antonelli auf die Notifikation, daß Baden das Konkordat nicht zur Ausführung zu bringen entschlossen sei, auf die schroffste Weise antwortete. Wegen Besetzung der Kirchenpfründen, Verwaltung des Kirchenvermögens und Einsetzung eines katholischen Oberstiftungsrats kam es nach langen Verhandlungen zu einer Vereinbarung mit dem Erzbischof, welcher die am 20. Nov. 1861 publizierten gesetzlichen Bestimmungen in einem Schreiben vom 4. Dez. anerkannte, wenn auch unter obligatem Vorbehalt.
Ein neuer Streit mit den katholischen kirchlichen Behörden brach aus, als die Regierung mit den Kammern 1864 ein neues Schulgesetz vereinbarte, welches die örtliche Schulaufsicht, statt den Pfarrern allein, kollegialisch organisierten Schulbehörden übertrug, in denen der Pfarrer nur eine Stimme hatte. Doch fügte sich schließlich die erzbischöfliche Kurie und erlaubte den katholischen Geistlichen den Eintritt in diese Behörden, um nicht allen Einfluß auf die Schule zu verlieren.
Die deutsche Politik Badens.
Der Ministerwechsel von 1860 bewies nicht bloß in der kirchlichen Frage einen vollständigen Umschwung, sondern bezeichnete auch den Beginn einer konstitutionellen und nationalen Ära in Baden. Der Großherzog und das Ministerium, welches sich 1861 durch den Eintritt Roggenbachs als Minister der auswärtigen Angelegenheiten und 1863 durch den Mathys ergänzte, der die Finanzen, dann auch den Handel übernahm, waren aufrichtig bemüht, eine echt volkstümliche, friedliche Entwickelung zu befördern. Zu diesem Zweck wurde 1862 eine bedingungslose Amnestie erlassen und 1863 die Neugestaltung der Administration im Sinn der Selbstverwaltung der Gemeinden durchgeführt. Am Bundestag, an dem Robert v. Mohl seit 1861 Baden vertrat, wirkte die badische Regierung fortan für die Beförderung der freiheitlichen und nationalen Aufgaben des deutschen Volks. Sie beantragte beim Bunde die Wiederherstellung der kurhessischen Verfassung und bemühte sich, in Sachen der Bundesreform zwischen den preußischen Vorschlägen und der schroff ablehnenden Haltung der Mittelstaaten zu vermitteln. Auf dem Frankfurter Fürstenkongreß im August 1863 erschien der Großherzog, wenngleich er gegen das österreichische Bundesreformprojekt, namentlich gegen die Delegiertenversammlung, ernste Bedenken hegte und es im ganzen nicht billigte. In der schleswig-holsteinischen Frage trat Baden mit der Mehrzahl des deutschen Volks und der deutschen Regierungen für das Erbfolgerecht des Herzogs von Augustenburg ein, und dies führte zu einer Entfremdung gegenüber Preußen, zumal der dortige Verfassungskonflikt die Sympathien der liberalen Majorität der badischen Kammern für Preußen erheblich abkühlte. Daher trat der preußenfreundliche Roggenbach im Oktober 1865 zurück, und Edelsheim übernahm die Leitung der auswärtigen Angelegenheiten, der, als 1866 der Konflikt zwischen Preußen und Österreich immer schärfer wurde, sich ganz an die übrigen Mittelstaaten anschloß und entschieden damit einverstanden war, daß der Bund die ihm von Österreich angetragene Regelung der schleswig-holsteinischen Sache auch gegen Preußen übernehmen solle. Die Kammern stimmten ihm bei und bewilligten die im Mai und Juni geforderten außerordentlichen Kredite für die Ausrüstung und Mobilmachung des badischen Kontingents. Der Großherzog gab nur ungern seine Zustimmung zu der kriegerischen Haltung des Kabinetts. Indes nachdem die preußische Regierung erklärt hatte, daß sie im Fall eines Kriegs Baden militärisch zu schützen nicht im stande sei, nachdem ein vom Großherzog selbst in Dresden unternommener Versöhnungsversuch gescheitert war, gab er den Wünschen der meisten Minister und der Volksströmung nach, zumal Baden seine Neutralität gegen die überlegenen Nachbarstaaten nicht hätte behaupten können. Zwar enthielt sich Baden 14. Juni der Abstimmung über den österreichischen Mobilmachungsantrag, stimmte aber 16. Juni dafür, daß Sachsen die erbetene Bundeshilfe gegen Preußen geleistet werde, worauf Mathy und die Ministerialräte Jolly und Freydorf ihre Entlassung nahmen. Das badische Kontingent unter Prinz Wilhelm vereinigte sich in Frankfurt mit dem 8. Bundeskorps unter Alexander von Hessen. Allerdings vermied es der Prinz, seine Truppen durch verkehrte Märsche nutzlos aufzureiben und einen feindlichen Zusammenstoß mit der preußischen Mainarmee absichtlich herbeizuführen, weswegen er von den Demokraten und Partikularisten des schnödesten Verrats beschuldigt wurde. Auf dem Rückzug des 8. Korps von Darmstadt nach Würzburg lieferte die badische Division der Mainarmee die Gefechte von Hundheim (23. Juli) und Werbach (24. Juli). Da aber inzwischen schon die Entscheidung in Böhmen und Mähren gefallen war und auch ein weiterer Kampf am Main gänzlich zwecklos schien, so nahm der Prinz seit 25. Juli an den kriegerischen Operationen nicht mehr teil, schloß 28. Juli einen Waffenstillstand mit den Preußen und führte seine Truppen in die Heimat zurück. Schon vorher war hier ein Ministerwechsel erfolgt. Auf die Kunde von dem
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Waffenstillstand von Nikolsburg zwischen Österreich und Preußen bat die Mehrheit der Zweiten Kammer 22. Juli einer Adresse den Großherzog, den nutzlosen Krieg aufzugeben und den Anschluß an Preußen herbeizuführen; zahlreiche Gemeindebehörden, Handelskammern und Volksversammlungen sprachen in Petitionen denselben Wunsch aus. Edelsheim erbat und erhielt daher 24. Juli seine Entlassung, und 27. Juli ward Mathy mit der Bildung eines neuen Ministeriums beauftragt, in dem er selbst den Vorsitz, Handel und Finanzen, Freydorf das Auswärtige, Jolly das Innere und die Justiz übernahmen. Sofort erklärte Baden seinen Austritt aus dem Deutschen Bund und schloß 17. Aug. mit Preußen Frieden, in welchem es sein Gebiet unverletzt behielt und sich nur zu einer Kriegskontribution von 6 Mill. Fl. verpflichten mußte. Dem Frieden folgte sogleich das geheime Schutz- und Trutzbündnis mit Preußen.
Die 9. Okt. zu einer kurzen Session einberufenen Kammern genehmigten nicht bloß den Friedensvertrag einstimmig, sondern sprachen auch 24. Okt. mit großer Mehrheit gegen die Regierung den Wunsch aus, daß sie den Eintritt der süddeutschen Staaten, insbesondere Badens, in die Verbindung der norddeutschen Staaten zur möglichen Wiederherstellung eines Gesamtdeutschland mit aller Entschiedenheit erstrebe und bis zur Erreichung des bezeichneten Ziels jede irgend mögliche Annäherung Badens an Preußen und den Norddeutschen Bund, sowohl aus volkswirtschaftlichen Gebieten als durch vertragsmäßige Sicherung des Zusammengehens für den Fall eines Kriegs und Verabredung dem entsprechender militärischer Einrichtungen, zu erreichen suche.
Das neue Ministerium nahm die Durchführung dieser Politik energisch in die Hand. Unter Mitwirkung des Generals v. Beyer, der als preußischer Militärbevollmächtigter nach Karlsruhe geschickt wurde, erhielt die badische Armee preußische Bewaffnung und Organisation. Das vollständig an die norddeutsche Wehrverfassung sich anschließende neue Wehrgesetz, welches die allgemeine Wehrpflicht einführte, die Friedensstärke des badischen Heers auf 1, die Kriegsstärke auf 2 Proz. der Bevölkerung festsetzte und das ordentliche Budget des Kriegsministeriums um 2 Mill., auf 9½ Mill., das außerordentliche auf 5 Mill. erhöhte, wurde im November 1867 und im Januar 1868 von den Kammern angenommen, worauf Beyer selbst das Kriegsministerium übernahm. Der geheime Allianzvertrag mit Preußen und die Verträge über die Erneuerung des Zollvereins und die Bildung des Zollparlaments wurden von den Kammern fast einstimmig genehmigt. Den sofortigen Eintritt Badens in den Norddeutschen Bund verhinderte bloß die ablehnende Haltung Bismarcks, der Frankreich auch nicht den geringsten Vorwand zu einer Einmischung in die deutschen Angelegenheiten geben wollte.
Daneben gingen innere Reformen her. Ein Ministerverantwortlichkeitsgesetz, ein Preßgesetz und ein Schulgesetz, welches den allgemeinen Schulzwang einführte, kamen zu stande. Um für eine wissenschaftliche und nationale Bildung der Geistlichkeit zu sorgen, ward derselben durch Verordnung vom 6. Sept. 1867 eine staatliche Prüfung über ihre allgemein wissenschaftliche Vorbildung auferlegt. Dagegen trug die Regierung Bedenken, den Wunsch der Kammern nach Einführung der obligatorischen Zivilehe sofort zu erfüllen. Dies bewog, als nach dem Tod Mathys (3. Febr. 1868) Jolly an die Spitze der Regierung trat und das Ministerium durch mehrere neue Männer ergänzt wurde, ohne daß eine vorherige Verständigung mit der Kammermajorität erfolgt war, einen Teil der Liberalen auf einer Versammlung in Offenburg Ende 1868, dem Ministerium Opposition anzukündigen, falls es nicht gewisse Forderungen, wie Abkürzung der Präsenzzeit, Verminderung der Militärausgaben, eine liberale kirchliche Politik etc., erfülle. Indessen war die Spaltung der liberalen Partei nicht von Dauer, da die klerikale Partei zu früh verriet, daß sie sich dieselbe zu nutze zu machen beabsichtige. Nachdem nämlich der Streit mit der Freiburger Kurie wegen jener Examenverordnung der Regierung, deren Befolgung Vicari allen katholischen Geistlichen verbot, und wegen der Besetzung des Freiburger Erzbistums nach dem Tod Vicaris (14. April 1868), welche das Domkapitel durch Ausstellung einer unannehmbaren Kandidatenliste unmöglich machte, von neuem ausgebrochen war, erließen, ermutigt durch den Ausfall der Zollparlamentswahlen, bei denen sie sechs Sitze gewannen, die Ultramontanen, unterstützt von der großdeutsch-demokratischen Partei, 1. Mai 1869 einen Aufruf, in welchem sie »Auflösung der jetzigen Ständeversammlung und Einberufung eines außerordentlichen Landtags zur Schaffung eines neuen Wahlgesetzes auf Grundlage des direkten, geheimen Wahlverfahrens« verlangten und ein Mißtrauensvotum gegen das Ministerium Jolly beantragten. Zugleich wurde ein Adressensturm an den Großherzog organisiert und von 123 Gemeinden völlig gleichlautende Adressen abgeschickt. Angesichts dieser Agitation gab eine neue Versammlung der Liberalen in Offenburg 23. Mai die frühere Mißstimmung vollständig auf, erklärte sich wieder eins mit dem Ministerium und beschloß gleichfalls eine Adresse an den Großherzog. Der Großherzog ließ in einem Schreiben vom 29. Mai Unterzeichnern der Offenburger Adresse für ihre Treue und Hingebung danken und in einem Schreiben vom 1. Juni den Unterzeichnern der klerikal-demokratischen Adressen mitteilen, daß er ihrer Bitte keine Folge geben könne.
Die Regierung entschloß sich nun, dem neuen Landtag, der im September 1869 zusammentrat, wichtige Reformen vorzuschlagen. Durch ein Verfassungsgesetz sollte die Zweite Kammer die selbständige Wahl des Präsidenten, die Selbstbestimmung hinsichtlich der Geschäftsordnung, die Initiative in der Gesetzgebung erhalten und der Grundsatz des allgemeinen Wahlrechts und der geheimen Abstimmung, jedoch nicht der direkten Wahlen in das Wahlgesetz aufgenommen werden. Dasselbe wurde nach längern Debatten über direkte und indirekte Wahlen von beiden Kammern genehmigt. Der Gesetzentwurf über Einführung der obligatorischen Zivilehe und der bürgerlichen Standesbeamtung wurde von der Zweiten Kammer 17. Nov. mit allen gegen 6, von der Ersten Kammer 4. Dez. gleichfalls mit allen gegen 6 Stimmen angenommen. Das Gesetz über eine neue Einteilung der Wahlbezirke, welches bestimmte, daß behufs der Wahl der 63 Abgeordneten das Land in 56 Wahlbezirke eingeteilt werden solle, wovon die Wahlbezirke der zwei größten Städte, Karlsruhe und Mannheim, je 3, die Wahlbezirke der drei nächstgrößten Städte, Freiburg, Pforzheim, Heidelberg, je 2, alle übrigen Wahlbezirke je 1 Abgeordneten zu wählen hätten, wurde mit dem Amendement, die Mandatsdauer der Abgeordneten von 8 auf 4 Jahre herabzusetzen und alle 2 Jahre die eine Hälfte austreten zu lassen, im März 1870 genehmigt. Außerdem wurde das sogen. Stiftungsgesetz, wonach diejenigen Stiftungen, welche nicht kirchlichen Zwecken gewidmet waren, sondern in das Gebiet der Schule