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und Verwaltungswesens, der Besteuerung, Unterstützung arbeitsunfähiger Bürger etc. Noch ehe die Regierung zu diesem Ereignis Stellung nehmen konnte, brach auch in Karlsruhe [* 2] am Abend des 13. Mai ein Soldatenaufstand aus, der die ganze Nacht hindurch tobte. Ein Oberst wurde mißhandelt, ein Rittmeister und ein Korporal getötet, das Zeughaus jedoch von der Bürgerwehr behauptet. Der Großherzog entfloh mit seiner Familie unter dem Geleit von Dragonern und Artilleristen nach Germersheim und von da nach Lauterburg im Elsaß.
Ihm folgten 14. Mai die Minister. Der Eindruck dieser Flucht des Regenten war so niederschlagend, daß ein großer Teil der Bürgerschaft den Landesausschuß in Rastatt [* 3] aufforderte, der Stadt Karlsruhe durch seine Anwesenheit Sicherheit und Ordnung zu garantieren. Infolgedessen traf schon am Nachmittag des 14. Mai Landesausschuß unter Brentano, umgeben von Freischaren und den rebellischen Soldaten, in Karlsruhe ein. Er war nun die einzige thatsächliche Regierung in Baden. [* 4] Die Nachricht von der Katastrophe hatte sich unterdessen schnell im Land verbreitet und überall den revolutionären Geist geweckt. Rasch wurden in Bruchsal die Gefängnisse erbrochen, die politischen und manche andern Verbrecher befreit und die Desorganisation des Heers vollendet. Die meuterischen Soldaten bildeten den Kern der Volkswehr, welche der Landesausschuß durch ein allgemeines Aufgebot der wehrhaften Jugend ins Leben rief. Zahlreiche Freischaren mehrten die Zahl der Streiter.
Es kam nun für den Sieg der Revolutionspartei darauf an, ob es ihr gelang, auch die benachbarten Staaten in den Strom der Empörung mit fortzureißen. Darin sah sie sich aber bald getäuscht. Die badischen Truppen wurden an der hessischen Grenze, welche sie als Befreier überschreiten wollten, mit Kartätschen zurückgewiesen, und auch Württemberg [* 5] wurde durch die Energie des Ministers Römer, [* 6] der das deutsche Rumpfparlament aus Stuttgart [* 7] auswies und den badischen Agitator Fickler auf den Hohenasperg bringen ließ, vor der Revolution gerettet.
Nur mit der provisorischen Regierung der ebenfalls aufständischen Pfalz schloß der Landesausschuß 17. Mai ein Bündnis und schickte in Gemeinschaft mit dieser einen Gesandten nach Paris, [* 8] um die Hilfsleistung der Franzosen zu erbitten. Inzwischen war auch die konstituierende Landesversammlung 10. Juni Karlsruhe zusammengetreten; sie bestand aus lauter Radikalen, zeigte sich aber als gänzlich unfähig und machtlos. In der provisorischen Regierung, welche 1. Juni an Stelle des Landesausschusses gebildet worden war, herrschte zwischen den gemäßigten Elementen, wie Brentano, und den Anhängern der roten Republik, wie Struve, die sich auf die sogen. Schweizerlegion, die zügellosen Freischaren, stützten, unheilbarer Zwiespalt.
Da der Großherzog und auch die bayrische Regierung sich mittlerweile an Preußen [* 9] um militärische Hilfe gewendet und dieses sie unter der Bedingung, daß Baden dem Dreikönigsbündnis beitrete, gewährt hatte, rückte nun Mitte Juni ein preußisches Korps von der Nahe her in die Pfalz ein, ein zweites zog von Wetzlar [* 10] über den Main die Bergstraße entlang gegen den Neckar, während ein Korps Reichstruppen unter Peucker an der württembergischen Grenze entlang nach Süden vordrang.
Den Oberbefehl über die gesamten Streitkräfte führte der Prinz von Preußen. Die pfälzische und die badische provisorische Regierung hatten dagegen dem Polen Mieroslawski den Oberbefehl über alle Insurgentenscharen übertragen. Derselbe brachte etwas Plan und Ordnung in die militärischen Operationen und flößte den Soldaten wieder Mut und Vertrauen ein. Indes konnte er nicht hindern, daß die Preußen unter Hirschfeld die Pfalz fast ohne Schwertstreich besetzten, und mußte sich nach dem nördlichen Baden zurückziehen. Am 20. Juni überschritt das preußische Korps v. d. Gröben bei Weinheim die badische Grenze, während das Korps v. Hirschfeld an demselben Tag bei Philippsburg über den Rhein ging.
Dem letztern warf sich Mieroslawski 20. Juni bei Waghäusel mit seiner ganzen Macht (12,000 Mann) entgegen, wurde aber von vier preußischen Bataillonen und einer halben Batterie in die Flucht geschlagen. Nur an wenigen Punkten wagten die Insurgenten noch Widerstand; dann zogen sie sich hinter die Murglinie unter den Schutz von Rastatt zurück. Die Regierung und die sehr zusammengeschmolzene Landesversammlung flüchteten nach Freiburg, [* 11] wo sie sich infolge innern Zwiespalts und gänzlicher Mutlosigkeit noch Ende Juni auflösten.
Die Preußen rückten 25. Juni Karlsruhe ein, zernierten Anfang Juli Rastatt und besetzten bis zum 11. Juli ganz Baden bis zur Schweizer Grenze. Doch war es zahlreichen Häuptern des Aufstandes gelungen, nach der Schweiz [* 12] zu entkommen. Rastatt verteidigte sich unter Tiedemann noch mehrere Wochen, mußte sich aber aus Mangel an Lebensmitteln und Kriegsbedarf 23. Juli mit 4500 Mann auf Gnade und Ungnade ergeben. Über die gefangenen Führer der Insurgenten, namentlich die ehemaligen Offiziere, wurde ein strenges Strafgericht verhängt und zahlreiche Todesurteile vollzogen. Das Heer wurde mit Ausnahme zweier kleiner Truppenteile aufgelöst und dann nach preußischem Muster neu organisiert, auch für einige Zeit nach preußischen Garnisonen verlegt, während preußische Truppen in Baden blieben. Alle Beamten, welche irgendwie sich der Revolution angeschlossen hatten, wurden entlassen. Der Belagerungszustand blieb vorläufig bestehen.
Der kirchliche Streit.
Nachdem der Großherzog Leopold noch von Frankfurt [* 13] aus ein neues Ministerium, in dem Klüber das Auswärtige, Marschall das Innere und Stabel die Justiz erhielten, ernannt hatte, kehrte er in seine Residenz zurück. Der Landtag, welcher 14. Mai seine Sitzungen hatte abbrechen müssen, wurde für geschlossen erklärt und die Wahl eines neuen angeordnet, bei der sich die demokratische Partei der Beteiligung ganz enthielt und daher nur Anhänger der Regierung, einige gemäßigt Liberale und Ultramontane gewählt wurden.
Die neuen Kammern, welche im März 1850 zusammentraten, genehmigten alle Anträge der Regierung: ein Staatsdienergesetz, eine Änderung der Gemeindeordnung, welche das demokratische Element beschränken sollte, Gesetze über Presse [* 14] und Vereine, die Schwurgerichtsordnung u. a., und bewilligten eine Anleihe von 5 Mill. zur Ordnung des Staatshaushalts. Die reaktionäre Strömung, welche wie in andern Staaten, so auch in Baden mehr und mehr anwuchs, machte sich auch in der auswärtigen Politik geltend. Baden neigte sich mehr und mehr zu Österreich [* 15] hin, und als Preußen im November 1850 sich dessen und Rußlands Drohungen unterwarf, seine Truppen aus Baden abberief und Rastatt räumte, gab auch Baden seine Zustimmung zur Herstellung des Frankfurter Bundestags und zeigte bei den Verhandlungen über die Erneuerung des Zollvereins 1851-52 immer deutlicher seine Hinneigung zu Österreich. Dies ermutigte die katholische Hierarchie, welche ihre politische Unabhängigkeit und ¶
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ihre Macht über die Gemüter in den Stürmen der letzten Jahre mit großem Geschick zu vermehren gewußt hatte, in Baden den Versuch zur Aufrichtung eines hierarchischen Regiments zu wagen. Die Schwäche der Regierung, die Zerrüttung aller Verhältnisse durch die Revolution, die allgemeine Entmutigung und Unzufriedenheit schienen das Unternehmen der Ultramontanen zu unterstützen, zumal das Haupt der badischen Kirche, Erzbischof Vicari von Freiburg, durch sein ehrwürdiges Alter ein besonders geeignetes Werkzeug im Kampf gegen den Staat zu werden versprach.
Der kirchliche Streit brach nach dem Tode des Großherzogs Leopold aus, der starb. Ihm folgte, da der Erbgroßherzog Ludwig (gest. regierungsunfähig war, sein zweiter Sohn, Prinz Friedrich, zunächst als Regent, seit 1856 als Großherzog. Die Regierung verlangte für den 10. Mai von der Geistlichkeit beider Konfessionen [* 17] eine Totenfeier für den verstorbenen Großherzog, wie sie bei den frühern Landesfürsten stattgefunden hatte. Der Erzbischof ordnete aber an, daß nur am Abend vorher ein Abendgottesdienst ohne Gesang abgehalten werden dürfe, und legte allen Priestern, welche dem Befehl der Regierung Folge geleistet hatten, Bußübungen in St. Peter im Schwarzwald auf.
Die Regierung ließ sich dies nicht nur gefallen, sondern gewährte auch auf eine Vorstellung der fünf Bischöfe der oberrheinischen Kirchenprovinz, in welcher sich diese über die die Kirche beeinträchtigenden Gesetze des Staats beschwert und die Abschaffung des ganzen bisher herrschenden Systems gefordert hatten, der katholischen Kirche erhebliche Zugeständnisse: das landesherrliche Placet sollte beschränkt, der Verkehr der Katholiken mit dem heiligen Stuhl freigegeben, die Verbindung eines Konvikts mit der katholisch-theologischen Fakultät angeordnet und die Mitwirkung der Staatsbehörden bei der Seminarprüfung in eine bloße Kenntnisnahme umgewandelt werden.
Außerdem erließ die Regierung Verordnungen über die Verleihung von Kirchenpfründen, wodurch die bischöflichen Rechte bedeutend erweitert wurden, und über die Erteilung des katholischen Religionsunterrichts an den Volks- und Gelehrtenschulen, wodurch dem Erzbischof ein überwiegender Einfluß darauf eingeräumt wurde; das Institut der landesherrlichen Dekanate wurde aufgehoben, die Verwendung des Kirchenvermögens an die Zustimmung der erzbischöflichen Behörde gebunden und derselben unbeschränkte Kenntnisnahme von der Verwaltung dieses Vermögens zugestanden.
Alle diese die staatlichen Hoheitsrechte unverantwortlich preisgebenden Zugeständnisse fanden aber die zu erwartende Anerkennung von seiten des Erzbischofs nicht. Vielmehr erließ derselbe sofort einen Protest dagegen und darauf eine Erklärung, daß die Bischöfe in den Angelegenheiten, welche die Kirche und den Staat gemeinsam berührten, nicht mehr nach den bestehenden Gesetzen und landesherrlichen Verordnungen, sondern nach den Normen, die sie als dem Dogma und dem Verfassungsrecht ihrer Kirche entsprechend aufgestellt, ihr Amt verwalten würden.
Als die badische Regierung diese Erklärung unbeantwortet ließ, schritt der Bischof von Freiburg eigenmächtig vor; er wies bei den Seminarprüfungen selbst die Gegenwart eines landesherrlichen Kommissars zurück, besetzte Pfarreien, die früher von dem Landesherrn vergeben worden waren, etc., ja er verlangte statt einer Mitaufsicht über das Kirchenvermögen die Oberaufsicht über dasselbe und erließ an den Oberkirchenrat, der das landesherrliche Schutz- und Aufsichtsrecht über die Kirche auszuüben hatte, unter Androhung der Exkommunikation die Weisung, daß derselbe sein Verhalten nur nach den Erklärungen der erzbischöflichen Kurie zu regeln habe.
Die Vorstellungen der Mitglieder des Oberkirchenrats blieben erfolglos, ebenso ein weiterer Versuch der Regierung, den Erzbischof auf den Weg der Unterhandlung zurückzuführen. Der Erzbischof erklärte offen, er werde sich die Rechte, welche die Regierung ihm verweigere, selbst zu verschaffen wissen, und nun erst, und nachdem eine nochmalige Aufforderung an den Erzbischof ohne Erfolg geblieben war, verfügte die Regierung daß weder der Erzbischof, noch das Ordinariat, noch in ihrem Namen ein Dritter einen Erlaß ohne Zustimmung und Billigung des Regierungsspezialkommissars (Stadtdirektors Burger in Freiburg) ergehen lassen dürfe. Gleichzeitig ward ein Erlaß des Ministeriums des Innern an die katholische Geistlichkeit gerichtet, worin derselben Treue gegen die Regierung, die sie zu schützen wissen werde, dringend empfohlen wurde. Der Erzbischof antwortete mit Aussprechung des Bannes gegen den Stadtdirektor Burger und gegen die Mitglieder des Oberkirchenrats, während er zugleich einen Hirtenbrief erließ, der eine offene Kriegserklärung gegen die Regierung enthielt. Der Bann wie der Hirtenbrief wurden auf vielen Kanzeln verlesen, worauf die Regierung die Pfarrer, welche dies gethan hatten, verhaften, jedoch bald wieder in Freiheit setzen ließ. Renitente Gemeinden wurden durch Einquartierung zum Gehorsam gebracht. Die Auszahlung der Gehalte an die vom Erzbischof eingesetzten Priester wurde verweigert und die fremden Geistlichen, die auf manchen Pfarreien zur Aushilfe dienten, ausgewiesen. Zugleich wurde die Aufsicht über die kirchlichen Stiftungen dem Staat übertragen. Die Regierung nahm zwar durch Verordnung vom die Verfügung vom 9. Nov. d. J. zurück und widerrief auch die Ausweisung der fremden Geistlichen. Das reizte aber nur den Erzbischof, der von fanatischen Ratgebern vorwärts getrieben wurde, zu um so schrofferm Vorgehen, indem er den Priestern den Verkehr mit Staatsstellen in kirchlichen Dingen verbot und die Verwaltung des Kirchenvermögens ganz allein in die Hand [* 18] nehmen wollte. Nun schien die Regierung sich endlich aufraffen zu wollen. Am 22. Mai wurde dem Erzbischof wegen Aufreizung gegen die Staatsgewalt seine Verhaftung angekündigt und er bis 31. Mai seinem Zimmer durch Gendarmen bewacht. Inzwischen ließ sich die Regierung auf Verhandlungen mit der päpstlichen Kurie ein und schloß im Juli 1854 einen Vertrag mit derselben ab, in welchem sie alle Verordnungen und Strafen zurücknahm, den Erzbischof in seinen vollkommenen Rechtsstand wieder einsetzte, ihm die provisorische Besetzung aller Pfründen überließ und die Aufsicht über die kirchlichen Stiftungen zurückgab. Ja, nachdem 1856 der österreichisch gesinnte, klerikale Meysenbug als Leiter des Auswärtigen und Stengel [* 19] für das Innere in das Ministerium getreten waren, ließ sich Baden sogar nach dem Beispiel Österreichs und Württembergs zu einem Konkordat mit der päpstlichen Kurie herbei, das abgeschlossen und 3. Dez. veröffentlicht wurde. Dasselbe gewährte in seinen 24. Artikeln der katholischen Kirche alles, was der Erzbischof je gewünscht hatte. Er erhielt nämlich kraft desselben das Besetzungsrecht bei 209 Pfarreien, das Recht, im Einvernehmen mit der Regierung religiöse Orden [* 20] einzuführen, die Entscheidung in Ehesachen, volle Disziplinargewalt über die Geistlichen und die ¶