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Errichtung des Großherzogtums Baden.
Bald brachen die Stürme der französischen Revolution über das Land herein. Der Revolutionskrieg berührte zwar in den ersten Jahren Baden [* 2] nur insofern, als es sein Kontingent zur Reichsarmee stellte; aber nach dem Übergang Moreaus über den Rhein bei Kehl wurde Baden Schauplatz des Kriegs, Karlsruhe [* 3] von den Franzosen besetzt, und Karl Friedrich sah sich genötigt, zu Stuttgart [* 4] einen Waffenstillstand mit Moreau zu schließen auf welchen dann der Friedensschluß zu Paris [* 5] folgte. Baden mußte den Frieden durch Abtretung seiner Besitzungen auf dem linken Rheinufer und der Festung [* 6] Kehl, durch eine Kontribution von 2 Mill. Frank und ungeheure Lieferungen erkaufen; es gewann aber besonders aus Rücksicht auf den dem Markgrafen Georg Friedrich nahe verwandten Kaiser Alexander von Rußland durch den Lüneviller Frieden 1801 und durch den Reichsdeputationshauptschluß vom als Entschädigung für seine Abtretungen mit der kurfürstlichen Würde alle diesseit des Bodensees und Rheins gelegenen Besitzungen des Fürstbischofs von Konstanz [* 7] und Reste der Bistümer Basel, [* 8] Straßburg [* 9] und Speier, [* 10] die pfälzischen Ämter Bretten, Heidelberg, [* 11] Ladenburg und Mannheim [* 12] mit den Ämtern Lichtenau und Willstädt, das Stift Odenheim nebst den Abteien Frauenalb, Schwarzach, Allerheiligen, Lichtenthal, Gengenbach, Ettenheim, Petershausen und Salmansweiler, dann die Herrschaft Lahr [* 13] und endlich die Reichsstädte Offenburg, [* 14] Gengenbach, Zell, Überlingen, Pfullendorf und damit die fruchtbarsten Bezirke am Neckar, Rhein und Bodensee, zusammen 3800 qkm mit 240,000 Einw. Auch Kehl wurde wieder an Baden abgetreten und der Thalweg des Rheins zur Grenze zwischen und Frankreich bestimmt.
Nach diesen Erwerbungen teilte Karl Friedrich das neue Kurfürstentum in drei Provinzen ab: die badische Markgrafschaft, die badische Pfalzgrafschaft und das obere Fürstentum, deren gesamter Flächenraum sich auf 7200 qkm mit ungefähr 495,000 Seelen belief. Zu dem Bund mit Napoleon I. nach Bayerns und Württembergs Vorgang im Juni 1805 genötigt, erhielt Baden durch den Frieden von Preßburg [* 15] einen neuen Zuwachs in den alten zähringischen Stammlanden, den Breisgau mit Freiburg [* 16] und die Baar mit Villingen, die Ortenau, das Stift St. Blasien, die Grafschaft Bonndorf und die Stadt Konstanz (2530 qkm mit 160,000 Einw.), worauf der Kurfürst auch den Titel eines Herzogs von Zähringen wieder annahm. Am erklärte sich der Kurfürst für den unumschränkten Souverän des Landes, indem er die ständische Verfassung des Breisgaus aufhob, die in dem Altbadischen längst erloschen war. Am trat Karl Friedrich dem Rheinbund bei mit der Verbindlichkeit, für denselben ein Kontingent von 8000 Mann zu stellen.
Dies erwarb ihm nebst dem großherzoglichen Titel die Souveränität über sämtliche in seinem Land gelegene unmittelbare Reichsstände und Reichsrittergüter, namentlich über den größten Teil des Fürstentums Fürstenberg, über das Fürstentum Leiningen, die Landgrafschaft Kleckgau und die Grafschaft Thengen, über die Besitzungen der Fürsten und Grafen von Löwenstein-Wertheim auf dem linken Ufer des Mains und des Fürsten von Salm-Krautheim auf dem nördlichen Ufer der Jagst, im ganzen 5500 qkm mit 380,000 Einw. Das neue Großherzogtum (mit einer Bevölkerung [* 17] von ungefähr 900,000 Seelen) wurde hierauf in drei Provinzen, bald darauf aber in zehn Kreise [* 18] eingeteilt.
Die nun folgenden Napoleonischen Kriege kosteten Baden Menschen und Geld und vermehrten die Schulden des Landes. Das badische Kontingent nahm zunächst an dem Kriege gegen Preußen [* 19] (1806-1807) teil; 1808 ging eine Brigade mit nach Spanien, [* 20] und der Überrest des Kontingents kämpfte 1809 gegen Österreich. [* 21] Nach dem Wiener Frieden 1809 bekam das Großherzogtum einen abermaligen Zuwachs von 550 qkm mit 30,000 Einw., indem Württemberg [* 22] einen Landstrich von 750 qkm mit 45,000 Einw. an und dieses wieder 230 qkm mit 15,000 Einw. an das Großherzogtum Hessen [* 23] abtrat. Karl Friedrich starb im 65. Jahr seiner Regierung und hinterließ seinem Enkel und Nachfolger Karl Ludwig Friedrich, dessen Vater Karl Ludwig als Erbprinz zu Arboga in Schweden [* 24] verstorben war, ein blühendes Land von 15,000 qkm mit 975,000 Einw.
Die badische Erbfolgefrage und die Erteilung der Verfassung.
Karl Ludwig Friedrich trat die Regierung in einer schweren, kriegerischen Zeit an. Ein Teil des badischen Rheinbundskontingents kämpfte in Spanien, und der Rest desselben ging 1812 mit nach Rußland; 1813 mußten die Truppen ganz neu organisiert werden, um aufs neue für Napoleon I. zu kämpfen. Als 1813 nach der Schlacht bei Leipzig [* 25] sich der Rheinbund auflöste, trat auch der Großherzog der Allianz gegen Napoleon und 1815 auf dem Wiener Kongreß dem Deutschen Bund bei, worauf ihm der Besitzstand und die Unteilbarkeit des Großherzogtums, dessen Bevölkerung auf mehr als 1 Mill. Seelen gestiegen war, von den Mächten garantiert wurden.
Indes wurde die Integrität des badischen Staatsgebiets von Bayern [* 26] angefochten, welchem in wiederholten Territorialverträgen für seine Abtretungen an Österreich von diesem der Zusammenhang seines Gebiets zugesichert und zu diesem Zweck beim Aussterben der direkten Nachkommenschaft des regierenden Großherzogs Karl der badische Teil der ehemaligen Kurpfalz, bis dahin die Zahlung einer »Kontiguitätsentschädigung« versprochen worden war. Nun starben die beiden Prinzen, welche die Großherzogin Stephanie nach längerer kinderloser Ehe gebar, kurz nach ihrer Geburt unter Umständen, welche zu düstern Gerüchten und später sogar zu der übrigens grundlosen Behauptung Anlaß gaben, daß der Findling Kaspar Hauser (s. d.) einer dieser Prinzen sei.
Auch die jüngern Söhne Karl Friedrichs aus der ersten Ehe mit einer hessischen Prinzessin, die Oheime des Großherzogs Karl, hatten keine successionsfähigen Erben. Die badische Erbfolge beruhte daher auf den Söhnen Karl Friedrichs aus seiner zweiten Ehe mit der Freiin Luise Geyer v. Geyersberg, den Grafen von Hochberg, welche durch großherzogliches Edikt vom zu Markgrafen von Baden ernannt und als successionsfähige Prinzen von Baden anerkannt wurden. Gegen dieses Edikt legte Bayern feierlichen Protest ein, erklärte die Grafen von Hochberg für nicht successionsfähig und bemühte sich, seine Ansprüche bei den Mächten zur Geltung zu bringen. Indes auf dem Aachener Kongreß (1818) gelang es dem badischen Minister v. Berstett, den russischen Kaiser, dessen Gemahlin eine badische Prinzessin war, ganz für die badische Sache zu gewinnen, und da weder Preußen noch Österreich Bayern, das auf dem Wiener Kongreß so anmaßend aufgetreten war, eine neue Gebietsvergrößerung gönnten, so wurde Bayern auf dem Kongreß gezwungen, sich mit dem pfälzischen Amt Steinfels und 2 Mill. Fl. ¶
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zu begnügen, wogegen Österreich das Amt Geroldseck an Baden abtrat. Durch einen besondern Vertrag vom garantierten Rußland, Österreich, England und Preußen den ganzen Besitzstand Badens und erkannten die Grafen von Hochberg als successionsfähig an.
Indes sah der Großherzog ein, daß er den Zusammenhang zwischen dem Fürstenhaus und der Bevölkerung des Staats noch durch ein besonderes Band [* 28] enger knüpfen müsse. Während sich die badische Regierung bei den Verhandlungen zu Wien [* 29] 1814 und 1815 gegen eine allgemeine Verpflichtung der deutschen Bundesstaaten, eine repräsentative Verfassung einzurichten, erklärt hatte und eine vom vormals reichsunmittelbaren Adel gewählte Deputation, die dem Großherzog die Bitte um Landstände vorlegen sollte, äußerst ungnädig abgewiesen worden war, verlieh nun der Großherzog seinem Volk eine repräsentative Verfassung.
Dieselbe erfüllte alle billigen Erfordernisse einer konstitutionellen Staatsordnung: die Gesetzgebung wurde vom Großherzog im Verein mit den aus zwei Kammern bestehenden Landständen ausgeübt;
die Privilegien wurden aufgehoben, Gleichheit vor dem Gesetz eingeführt;
keine Veräußerung von Domänen durfte vorgenommen, keine Anleihe kontrahiert, keine Steuer ausgeschrieben werden ohne Bewilligung der Volksvertretung.
An der Spitze der Verfassung standen das Hausgesetz der fürstlichen Familie von 1817 und der Grundsatz von der Unteilbarkeit und Unveräußerlichkeit des Großherzogtums. Die Zeit der Eröffnung des ersten Landtags wurde auf den festgesetzt, doch starb der Großherzog schon Ihm folgte sein Oheim, der dritte Sohn Karl Friedrichs aus dessen erster Ehe, der Großherzog Ludwig August Wilhelm.
Die badischen Verfassungskämpfe 1819-1848.
Die erste landständische Versammlung, in Karlsruhe eröffnet, beurkundete sofort durch ihr kräftiges Wirken und durch die ihr entgegenkommende rege Teilnahme das im badischen Volk erwachte öffentliche Leben. Da die Regierung sich jeder Störung der Wahlfreiheit enthalten hatte, so traten sehr freisinnige Volksvertreter in den Ständesaal, unter denen der Freiherr v. Liebenstein und Rotteck durch ihr Talent hervorragten. Eine Reihe von Anträgen, namentlich auf die gesetzliche Regulierung der Ministerverantwortlichkeit, auf Trennung der Justiz von der Administration und Einführung des öffentlichen und mündlichen Verfahrens in Zivil- und Kriminalsachen, auf Einführung von Geschwornengerichten, auf Abschaffung der Landes- und Herrenfronen, auf Verbesserung des Staatsdieneredikts, auf einzulegende Rechtsverwahrung gegen ein erst am Vorabend der Landtagseröffnung publiziertes, die staatsbürgerliche Gleichheit vielfach beeinträchtigendes Adelsedikt, auf ein die Preßfreiheit verwirklichendes Preßgesetz, auf Herstellung deutscher Handelsfreiheit, auf Milderung der Jagdherrlichkeit etc., wurden von der Zweiten Kammer beifällig aufgenommen.
Aber der neue Großherzog, ein energischer Mann von soldatischen Anschauungen, war keineswegs gewillt, sich auf der Bahn der Zugeständnisse weiter drängen zu lassen. Auch die zumeist aus hohen Adligen zusammengesetzte Erste Kammer fühlte sich durch die Angriffe der Zweiten auf ihre Privilegien verletzt. Daher ließ sich der Minister v. Berstett von Metternich auf den Karlsbader Konferenzen leicht dafür gewinnen, der liberalen Zweiten Kammer entschieden entgegenzutreten und die Rechte der badischen Stände nicht nur nicht zu vermehren, sondern vielmehr zu einem bloßen Schein herabzudrücken.
Der Großherzog gab hierzu seine Zustimmung, zumal v. Berstett an Metternichs Gunst einen mächtigen Rückhalt besaß und die Regierung bei ihren Schritten sich stets auf den Bundestag berufen konnte. Nun wurden die freisinnigen Deputierten unter Polizeiaufsicht gestellt, andre, die Staatsdiener waren, zur Strafe versetzt oder ihnen der Urlaub für den Landtag verweigert, strenge Verordnungen gegen die Presse [* 30] erlassen. Das Recht der Stände, vom Militäretat Summen abzustreichen, überhaupt ihr Steuerbewilligungsrecht, wurde von den Vertretern der Regierung bestritten.
Die Stände verteidigten unter der Führung Rottecks und Itzsteins ihre Rechte mit Nachdruck und wirksamer Beredsamkeit, und es kam zu heftigen Konflikten, welche den gesetzgeberischen Ausbau des Staats hemmten. Die Regierung war aber zum Äußersten entschlossen, und nachdem sie 1824 den Landtag aufgelöst hatte, weil er bei seinem Beschluß, vom Militärbudget 100,000 Fl. zu streichen, beharrte, gelang es ihr, durch rücksichtslose Wahlbeeinflussung eine Kammer zusammenzubringen, in welcher nur noch drei Mitglieder der Opposition sich befanden.
Diesem Landtag legte die Regierung 1825 ein die Verfassung abänderndes Gesetz vor, wonach statt der bisherigen von zwei zu zwei Jahren teilweise eintretenden Erneuerung der Kammer alle sechs Jahre eine Totalerneuerung stattfinden und der Landtag, statt alle zwei Jahre, in Zukunft alle drei Jahre versammelt werden sollte. Der Vorschlag wurde in beiden Kammern angenommen, und so gingen dem Volk durch das Gesetz vom zwei höchst wichtige Artikel der Verfassung verloren.
Überhaupt zeigten sich die Kammern bereit, alles zu genehmigen, was die Regierung vorschlug, und diese erreichte, was sie erstrebt, unter dem Schein eines konstitutionellen Systems in Wirklichkeit doch absolut zu regieren. Als der Großherzog unvermählt starb, folgte ihm sein Stiefbruder Karl Leopold Friedrich auf Grund des Hausgesetzes von 1817. Trotz der Garantie der Großmächte von 1819 erneuerte Bayern seine alten Ansprüche auf die badische Pfalz, besonders auf die Grafschaft Sponheim. Schon traf man auf beiden Seiten militärische Vorbereitungen, doch ward der Streit schließlich, besonders durch österreichische Vermittelung, zu gunsten Badens geschlichtet.
Leopold entfernte nach und nach die der öffentlichen Meinung anstößigen Personen aus der Umgebung des Throns und bezeichnete das System, welches seine Regierung befolgen sollte, durch die öffentliche und feierliche Beteurung, daß die Verfassung ihm heilig sein werde. Daher traf die französische Julirevolution in Baden nicht auf jene feindseligen Gärungselemente, welche sich in andern Teilen von Deutschland [* 31] entluden; man setzte seine Hoffnungen auf die bürgerfreundlichen Gesinnungen des neuen Fürsten und den kommenden Landtag.
Die Vollmacht der 1825 gewählten Deputierten war erloschen, die neuen Wahlen für den Landtag von 1831, von der Regierung unbeeinflußt, gingen fast ohne Ausnahme im liberalen, konstitutionellen Sinn vor sich. Die Minister Ludwigs, v. Berstett und v. Berkheim, wurden durch v. Böckh, v. Weiler, Winter und Nebenius ersetzt, zu denen später noch v. Türkheim und v. Reizenstein berufen wurden. Der denkwürdige erste Landtag unter der neuen Regierung, von Leopold persönlich eröffnet, gehört zu den Glanzpunkten des konstitutionellen Lebens in Deutschland. In der Zweiten Kammer glänzten vorzüglich ¶