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ihm 1770 entdeckte Ostküste Australiens die englische Regierung, hier eine Verbrecherkolonie zu gründen, und landete der erste Gouverneur, Kapitän Arthur Phillip, mit 11 Schiffen, 757 Sträflingen und 200 Soldaten in der Botanybai, die aber sogleich für eine Niederlassung als völlig untauglich erkannt und mit dem nahen Port Jackson vertauscht wurde. Dort legte Phillip 26. Jan. den Grund zur Stadt Sydney. [* 2] In den ersten Jahren hatte die Kolonie, welche selbst für ihren Lebensunterhalt fast ausschließlich aus Zufuhren vom Mutterland angewiesen war, mit vielen Widerwärtigkeiten zu kämpfen.
Als sich aber allmählich eine freie Bevölkerung [* 3] teils durch Freilassung der Sträflinge, teils auch durch Einwanderung bildete, hob sich die Ansiedelung schnell, namentlich nachdem man die Wichtigkeit des Landes für die Viehzucht [* 4] erkannt hatte. An solche, welche sich in der Kolonie niederzulassen beabsichtigten, wurden große Landstrecken verteilt; auch entlassene Sträflinge wurden mit solchen Schenkungen bedacht. Den freien Ansiedlern ward als Hilfe die billige Sträflingsarbeit zugewiesen. Um die zu große Anhäufung des verbrecherischen Elements zu verhüten, wurden von Sydney aus besondere Sträflingskolonien angelegt: auf der Insel Norfolk, bei Port Macquarie, an der Moretonbai, auf Vandiemensland bei dem jetzigen Hobart, in Westaustralien am King George-Sund. Auf der Insel Melville wurde 1824 Fort Dundas, bei Port Raffles 1827 Fort Wellington, bei Port Essington 1837 Victoria [* 5] angelegt;
diese drei Niederlassungen sind aber nach kurzem Bestehen wieder aufgegeben worden.
Größere Kolonisationsversuche wurden im W. und S. gemacht. Zwar konnte die 1829 am Schwanenfluß gegründete Kolonie Westaustralien keine großen Erfolge aufweisen, dafür waren aber Südaustralien und Victoria um so glücklicher. In dem erstern machte 1836 die Südaustralische Kolonisationsgesellschaft in London [* 6] den Versuch, durch den Verkauf von Land die Mittel zur Überführung von Armen aus England zu gewinnen. Das Problem wurde nach einigen Fehlschlägen im Anfang schließlich sehr befriedigend gelöst.
In dem Gebiet von Victoria, welches damals den Namen Port Phillip-Distrikt (zu Neusüdwales gehörig) führte, ließen sich schon 1834 Herdenbesitzer aus Vandiemensland nieder, das 1824 zu einer selbständigen Kolonie erhoben worden war. Die wachsende Wichtigkeit der Ansiedelung führte 1851 zu ihrer Ablösung als Kolonie Victoria. Aus dem nördlichen Teil von Neusüdwales wurde 1859 die Kolonie Queensland gebildet und 1863 das nördlich von Südaustralien bis zum Indischen Ozean gelegene Gebiet, Alexandraland und Nordterritorium, der Kolonie Südaustralien einverleibt, so daß das Gesamtareal des Kontinents jetzt unter fünf Kolonien verteilt ist. (S. die Tabelle, S. 144.) Keine dieser Kolonien nimmt jetzt Deportierte auf. Im Anfang waren in Neusüdwales wie in Tasmania die Sträflinge von großem Nutzen zur Herstellung der ersten Anlagen von Gebäuden, Wegen, Urbarmachung des Landes.
Aber mit dem
Wachsen der freien
Bevölkerung machte sich eine steigende Abneigung gegen eine Fort
dauer der Einführung von
Verbrechern geltend, zumal die durch freie Ansiedler gegründeten Niederlassungen den
Beweis lieferten, daß für das Gedeihen
der australischen
Kolonien die
Existenz von Sträflingen durchaus nicht notwendig sei. In
Neusüdwales nahm
die
Deportation 1848, in
Vandiemensland (das seinen
Namen 1856 in den von
Tasmania umänderte) 1853 ein
Ende.
Westaustralien,
das von freien Einwanderern gegründet war, sich aber 1850 um Sträflinge bewarb, mußte auf Andrängen der übrigen
Kolonien
die
Deportation 1868 einstellen. Die
oben erwähnte Sträflingskolonie bei
Albany war schon bei der
Gründung
der
Kolonie
Westaustralien aufgehoben worden.
Die Nationalität der Kolonisten ist fast ausschließlich die britische: in der Mehrzahl Engländer, dann Irländer, Schotten. Von andern Europäern sind am stärksten die Deutschen vertreten, von denen 1881 als in Deutschland [* 7] geboren gezählt wurden in Südaustralien 8801, in Queensland 11,638, in Victoria 8571, in Neusüdwales 7521, in Tasmania 782, in Westaustralien 71, in Neuseeland 4819, in allen australischen Kolonien also 42,203 Individuen. Durch die Goldentdeckungen wurden viele Chinesen ins Land gezogen, namentlich nach Victoria und Neusüdwales, in neuester Zeit nach Queensland und nach dem zu Südaustralien gehörigen Nordterritorium; ihre früher viel größere Gesamtzahl in allen sieben australischen Kolonien belief sich 1881 auf 43,706 Seelen, wovon nur 362 Frauen.
Südseeinsulaner sind für die Zucker- und Baumwollkultur nach Queensland importiert worden (1881 gab es 6396), oft durch Mittel, welche den schärfsten Tadel verdienen. In den letzten Jahren hat sich nach dem Vorgang der Vereinigten Staaten [* 8] auch in Australien [* 9] eine starke Bewegung gegen die Einwanderung von Chinesen in Queensland, wo man dieselben mit höhern Abgaben belegt als andre, und auch in Victoria und Neusüdwales geltend gemacht. In Victoria erhob man früher eine Kopfsteuer von jedem das Land betretenden Chinesen.
Das Verhältnis der Geschlechter ist noch immer ein sehr ungleiches, indem in allen Kolonien die männliche Bevölkerung bei weitem überwiegt. Von der Gesamtbevölkerung der sieben Kolonien (1881: 2,815,924) waren 1,526,121 männlichen und 1,289,803 weiblichen Geschlechts, es kamen also auf 100 Männer 84,5 Frauen (in Westaustralien sogar nur 71,4). Indes gleicht sich dies Verhältnis mehr und mehr aus. Die früher sehr starke Einwanderung hat in den letzten Jahren bedeutend nachgelassen; 1881 belief sich der Überschuß der Einwanderung über die Auswanderung auf 43,085 Seelen. In sämtlichen sieben australischen Kolonien sind von 1825 bis 1882: 1,437,210 Personen eingewandert.
Dazu kommt ein sehr bedeutender Geburtenüberschuß, welcher sich in den letzten neun Jahren auf 91 Proz. (Tasmania) bis 229 Proz. (Neuseeland) bezifferte. Die bedeutendsten Städte sind (1881) Melbourne [* 10] 282,947, Sydney 224,211, Adelaide [* 11] 67,954, Dunedin 42,794, Ballaarat 41,087, Sandhurst 38,420, Brisbane 31,109, Auckland [* 12] 30,952, Christchurch 30,715, Hobart 27,248, Geelong 20,682, Wellington 20,563 Einw.
Vgl. auch die Angaben über Australien bei unserm »Bevölkerungsstatistischen Kärtchen«.
Gewerbe und Handel.
Die Haupterwerbszweige sind ihrer Wichtigkeit nach Viehzucht, Berg- und Ackerbau; die gewerbliche Thätigkeit ist dagegen gering, beginnt aber aufzublühen. Für die Viehzucht bietet Australien durch die Beschaffenheit des Bodens, die Natur der Wälder und Ebenen, die Milde des Klimas, das Fehlen aller Raubtiere [* 13] (mit Ausnahme des Dingo) außerordentlich günstige Bedingungen. Die kleine Zahl von Haustieren, welche Gouverneur Phillip auf den ersten Schiffen mitbrachte, und die später namentlich durch die Einführung von Merinoschafen veredelt wurde, ist in der Folge so gewachsen, daß man 1883 in ¶
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allen Kolonien inkl. Neuseeland 1,236,779 Pferde, [* 15] 8,617,012 Rinder, [* 16] 77,220,170 Schafe [* 17] und 822,432 Schweine [* 18] zählte. Im nördlichen Australien ist Schafzucht weniger vorteilhaft, Rindvieh und Pferde gedeihen aber dort sehr gut. Die vor vielen Jahren in das Nordterritorium aus Java importierten Büffel haben sich dort ebenso schnell vermehrt wie die Timor-Ponies. Die Schafzucht ist aber weitaus am wichtigsten; Wolle, wovon 1807 zuerst 2½ Ztr. ausgeführt wurden, bildet jetzt den Hauptexportartikel; 1883 wurden aus den fünf Kolonien des Festlandes nach London 1016 Ballen (zu 400 Pfd.) gebracht, kleine Posten gehen direkt nach den Vereinigten Staaten, Deutschland u. a. Das Rindvieh liefert Häute und Talg für den Export.
Konserviertes Fleisch in Büchsen ging früher in größern Quantitäten nach England, neuerdings hat man mit gutem Erfolg den Versuch gemacht, Fleisch in gefrornem Zustand zu exportieren. Pferde werden in steigenden Zahlen nach Indien für die dortige Kavallerie ausgeführt. Die Viehweiden, sogen. Runs, befinden sich meist im Innern hinter den Ansiedelungen der Ackerbauer auf großen, durch die Herdenbesitzer, Squatters, von der Regierung gepachteten Strecken, wo die Herden jetzt großenteils ohne Hirten in weiten Umzäunungen von Draht [* 19] umherschweifen; sie erstrecken sich schon über den ganzen östlichen Teil des Kontinents und werden auch in Westaustralien nach der letzten Reise von Al. Forrest an der Nordküste an Ausdehnung [* 20] gewinnen.
Der Bergbau [* 21] ist die nächstwichtige Erwerbsquelle, und zwar ist vor allem von Bedeutung die Gewinnung des Goldes, dessen Entdeckung in großen Lagern 1851 vornehmlich den außerordentlichen Aufschwung der australischen Kolonien bewirkt hat. Es wurde zuerst in Neusüdwales bei Bathurst, kurz darauf in Victoria, später in Neuseeland und Queensland, in geringer Menge auch in Südaustralien und in Tasmania gefunden. Nach Soetbeer und Neumann-Spallart darf man die gesamte Goldgewinnung [* 22] von Australien für 1851-82 auf 2,162,700 kg im Wert von 6030 Mill. Mk veranschlagen, wovon auf Neuseeland 800 Mill. Mk. entfallen mögen.
Die Golderträge haben sich nach starkem Rückgang in neuester Zeit durch Erschließung neuer Lagerstätten und verbesserte Methoden wiederum gehoben. Kupfererze finden sich in allen Kolonien, die reichsten in Neusüdwales und Südaustralien, wo sie schon seit 1844 abgebaut werden; Zinn gewinnt man in größerer Menge seit 1870 in Queensland und Neusüdwales, weniger in Victoria und Tasmania. Silber scheint überall vorhanden zu sein, mit Erfolg abgebaut wurde es bisher nur in Victoria und Neusüdwales; doch hat man reiche Lager [* 23] Anfang 1884 in der öden Barrierkette an der Grenze von Neusüdwales und Südaustralien entdeckt.
Eisen [* 24] wird bisher nur in Neusüdwales abgebaut und verhüttet, obwohl es in ungeheuern Massen oft nahezu rein zu Tage steht; auch an Blei, [* 25] Antimon, Wismut etc. ist Australien reich, doch ist die Ausbeute bisher unbedeutend. Von hoher Wichtigkeit sind aber die ausgedehnten Kohlenlager im O. des Kontinents. In Neusüdwales gewann man Steinkohlen bei Newcastle [* 26] schon 1829, jetzt sind auch Bergwerken Queensland und Tasmania erschlossen, während in Victoria nur kleine und weiter westlich gar keine Lager gefunden wurden. Australische Kohle wird schon nach Süd- und Ostasien sowie nach Süd- und Nordamerika [* 27] ausgeführt. Die neuseeländische Braunkohle dient nur dem heimischen Bedarf. Petroleum gewinnt man in Neusüdwales aus Brandschiefer, so daß das Produkt in Asien [* 28] schon erfolgreich mit dem Amerikas konkurriert; in Neuseeland gibt es zahlreiche Ölquellen.
Der Landbau ist gerade durch die Eigenschaft des australischen Klimas, welche die Viehzucht begünstigt, die Trockenheit, beschränkt;
indessen macht er fort
während Fortschritte. Der Lage des Kontinents durch ca. 28 Breitengrade gemäß sind die Bedingungen für
die Kulturen sehr verschieden. Im S.: in Südaustralien, Victoria, Westaustralien Tasmania, baut man vorwiegend
Weizen, in Neusüdwales und Queensland dagegen Mais;
sonst werden noch überall Hafer, [* 29] Gerste, [* 30] Kartoffeln, letztere namentlich in Victoria, kultiviert. Im nördlichen Neusüdwales, noch mehr in Queensland pflanzt man Zuckerrohr, die Baumwollkultur ist dort aber im Abnehmen. Da das Land keine natürlichen Wiesen besitzt, so säet man Mischkorn (Weizen und Hafer) und mäht es vor dem Reifwerden. Am ausgedehntesten wird der Ackerbau in Südaustralien betrieben, nächstdem in Neuseeland und Victoria;
in Queensland ist er noch sehr unbedeutend.
Neuseeland, Victoria und Südaustralien versorgen nicht nur viele der australischen Kolonien mit Weizen, sie exportieren auch in günstigen Jahren bedeutend nach London und der Kapkolonie. Von Früchten zieht man an einigen Stellen der Küste Orangen, Zitronen, Feigen, Pfirsiche u. a.; doch bezieht der Kontinent viel Obst aus Tasmania u. den Fidschiinseln. [* 31] Im N. reifen Bananen, Papaus, Granadillas. Ausgedehnter ist der Weinbau, 1837 in Neusüdwales durch Winzer aus dem Rheingau [* 32] eingeführt, jetzt namentlich in Neusüdwales, Victoria und Südaustralien gepflegt. Der Export von Wein ist vorläufig gering, doch wird er zweifelsohne in der Zukunft von Bedeutung werden. Im J. 1882 waren auf dem Festland 5256 Hektar mit Wein bepflanzt und über 1,459,000 Hektar unter dem Pflug. [* 33] - Die Fischerei [* 34] war in frühern Jahren von nicht geringer Bedeutung, ist aber jetzt kaum erwähnenswert.
Der früher ergiebige Wal- und Robbenfang, welcher besonders an der Südküste (auf der Känguruhinsel und den Inseln der Baßstraße) betrieben wurde, hat ganz aufgehört. An den Küsten von Westaustralien wird derselbe durch Amerikaner betrieben, nur Tasmania besitzt noch eine kleine Walfängerflotte von 13 Schiffen. Indessen ist die Perlenfischerei an der Nordküste beim Kap York und an der Nordwestküste bei Roeburne sowie an der Küste des Nordterritoriums um Port Darwin von Wichtigkeit. Auch Trepangfischerei wird an der Nordküste erfolgreich betrieben. Dagegen wird die Süßwasserfischerei bei weitem noch nicht in der Art betrieben, daß sie dem Bedürfnis der Bevölkerung genügte.
Die Industrie ist in einigen Zweigen schon recht ansehnlich. Dies gilt namentlich von der Mühlenindustrie, von Bierbrauereien, Ziegeleien u. a.; in Sydney und Melbourne bestehen großartige Schuhzeug- u. Kleiderfabriken, ferner Schiffswerften, Wollzeug-, Seife-, Lichte-, Tabaksfabriken, Gerbereien u. a. Doch muß immer noch weitaus der größte Teil aller Industrieprodukte aus Europa [* 35] zugeführt werden. - Der Handel der Kolonien hat in den letzten 30 Jahren einen ganz erstaunlichen Aufschwung genommen, wozu der erste Impuls von der Auffindung der reichen Goldlager ausging; die gesamte Einfuhr der sieben Kolonien betrug 1873: 44,4 Mill. Pfd. Sterl., 1883: 61,9 Mill. Pfd. Sterl., die Ausfuhr 1873: 39,1 Mill. Pfd. Sterl., 1883: 53,5 Mill. Pfd. Sterl., Summen, welche dem Handel Indiens nicht weit nachstehen. Der Verkehr der Kolonien untereinander ist zur See ein sehr reger, ¶