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an den Seiten durch Ausreißen entfernt und der Kopf bis weit hinauf geschoren. Die Narben, welche durch Einschnitte mit scharfen Steinen an Arm und Brust hervorgebracht werden, sind Zeichen der Aufnahme in den Stand der Männer. Beschneidung findet bei vielen Stämmen statt, bei mehreren eine eigentümliche Verstümmelung; vielfach üblich ist das Ausschlagen von einem, auch zwei Vorderzähnen. Hinsichtlich der Nahrung ist der Australier nicht wählerisch. Er verzehrt alle Tiere bis auf die Käferlarven herab, doch verschmäht er angegangenes Fleisch; ein auf den Strand geworfener Walfisch ist aber ein Leckerbissen.
Das Fleisch wird in rohester Weise gekocht: auf Kohlen oder, wie in Polynesien, in Gruben mit heißen Steinen. Der Same von wildem Reis und andern Gräsern wird zwischen Steinen zermalmt, in der heißen Asche bäckt man daraus kleine Kuchen. Salz [* 2] verschmäht der Australier, dagegen liebt er Süßigkeiten, wie den Honig der wilden Bienen, die Ausschwitzungen der Blätter einiger Eukalyptusarten. Die ziemlich allgemeine Anthropophagie hat ihren Grund teils im Aberglauben, teils in periodischem Mangel.
Feuer erzeugt man durch das Quirlen eines Holzstückes auf einem andern, doch ist das beschwerlich, und so bleibt der Feuerbrand der stete Begleiter auf Reisen. Auch hält das Feuer böse Geister fern. Die Wohnungen bestehen im Sommer in Laubschirmen und Rindenstücken, die im Winter mit Gras und Erde bedeckt und verschlossen werden; auch Felslöcher, hohle Bäume werden benutzt. Die Geräte werden meist aus hartem Holz [* 3] gefertigt, doch findet man auch rohe Steinbeile, Mulden aus starker Rinde, sehr geschickt gestrickte Netzsäcke, große Netze zum Fischfang, wozu auch dreizackige, mit Knochen [* 4] bewehrte Speere, Haken aus Muscheln [* 5] oder Vogelklauen mit geflochtenen Leinen und Wehre, aus Zweigen aufgebaut, dienen.
Solche Wehre sind zuweilen, wie am obern Darling, aus großen Steinblöcken hergestellt. Netze braucht man auch zur Jagd auf Vögel [* 6] wie auf Beuteltiere; [* 7] letztere fängt man auch in Fallen, [* 8] treibt sie durch Anzünden des Grases in ein Verhau, [* 9] bei dem die Jäger warten, etc. Der gezähmte einheimische Hund (Dingo) ist den Eingebornen bei ihren Jagdzügen von geringem Nutzen. Boote finden sich nicht überall. Die Westaustralier haben sie nie gehabt, die Südaustralier nur auf Flüssen und Landseen, niemals auf dem Meer.
Auch sind die Fahrzeuge der einfachsten Art: Rindenstücke, rohe Flöße aus 2-3 unausgehöhlten Stämmen, auch nur ein Stamm u. dgl. Von den Waffen [* 10] ist der Speer mit in Feuer gehärteter oder mit scharfen Kieseln oder Muscheln bewehrter Spitze am gewöhnlichsten. Zum Schleudern desselben dient bei einigen Stämmen das Wurfbrett. Andre Waffen sind der Bumerang mit eigentümlicher Flugbahn, Keulen, Holzschwerter; Bogen [* 11] und Pfeile haben die Eingebornen am Kap York den Bewohnern der Torresstraße entlehnt. Zum Schutz dienen Schilde aus Rinde und Holz.
Die religiösen Vorstellungen der Australier sind roh. Man glaubt an gute und böse Geister und sucht die letztern durch Formeln zu beschwören; allgemein verbreitet ist auch der Glaube an ein zukünftiges, dem gegenwärtigen ähnliches Leben. Europäer wurden häufig für zurückgekehrte Verstorbene des eignen Volksstammes gehalten. Dabei besteht eine Art Schamanismus, wodurch gewisse begabte Personen Kranke heilen, Gesunde durch Zauber (vermittelst Abfälle von Speisen etc.) krank machen, sogar töten können.
Diese weisen Männer fungieren auch bei den Einweihungen, bringen die Narben auf der Haut [* 12] hervor etc. Die Begräbnisfeierlichkeiten sind verschieden; einige legen die Leichen in die Erde, andre wickeln dieselben in Baumrinde und legen sie auf Gerüste, noch andre trocknen die Toten durch ein langsames Feuer unter dem Gerüst. Die Schädel dienen den Verwandten später öfters als Trinkschalen. Zuweilen gibt man dem Toten Waffen ins Grab, an dem man auch wohl einige Tage lang ein Feuer unterhält. Doch gilt alles dies nur von den Männern, die Frauen erfahren auch nach dem Tode die schlechteste Behandlung.
Von einer staatlichen Organisation ist bei den Eingebornen nicht die Rede. Sie leben in kleinen Stämmen auf gewissen genau bestimmten Jagdgründen, deren Betretung den Nachbarstämmen ohne eingeholte Erlaubnis nicht gestattet ist. Mit diesen besteht in der Regel ein mehr oder weniger freundschaftliches Verhältnis, welches zu gemeinsamen Festen, Tänzen (Corrobbories), namentlich bei den Einweihungen der jungen Männer, Jagden u. a., führt. Solche Nachbarstämme bilden größere, durch ein loses Band [* 13] zusammengehaltene Gemeinschaften.
Nicht alle Stämme haben wirkliche Häuptlinge, auch scheint die Würde nicht erblich zu sein, vielmehr solchen Männern übertragen zu werden, welche sich durch besonders hervorragende Eigenschaften auszeichnen. Die Bewohner mancher Gegenden erscheinen in Klassen geteilt, deren Bedeutung nicht ganz klar ist. Die Ehe wird meist durch Tausch oder Kauf der Frau vom Vater oder Bruder geschlossen, doch sind Verbindungen zwischen solchen, welche auch nur den gleichen Familiennamen führen, streng verboten.
Eine besondere Zeremonie bei der Eheschließung kennt man nicht. Polygamie ist gewöhnlich, und die Frau befindet sich völlig in der Gewalt des Mannes, welcher sie nicht selten grausam genug behandelt. Die Kinderzahl ist eine sehr kleine, nicht aus Mangel an Fruchtbarkeit der Frauen, vielmehr weil die Vermehrung der Familien durch Kindermord und andre Mittel verhindert wird. Dennoch hängen die Eltern mit außerordentlicher Zärtlichkeit an den Kindern, welche sie aufziehen.
Um die Australier für das
Christentum und die
Zivilisation zu gewinnen, wurden, auch durch deutsche
Gesellschaften,
Missionen
in allen
Kolonien errichtet. Die Erfolge sind indes keineswegs bedeutend. Aus den angesiedelten
Distrikten sind die Eingebornen
fast ganz verschwunden, in den Weidedistrikten
leisten sie gelegentlich als
Hirten, auch als Polizisten gute
Dienste.
[* 14] Leider sind die Beziehungen zwischen ihnen und den europäischen Ansiedlern nicht immer gute gewesen; sie sind auch jetzt
noch in
Queensland der traurigsten Art, so daß dort, wie früher in
Tasmania, ein beständiger Vernichtungskrieg geführt
wird. An ein ansässiges
Leben haben sich die Australier nur auf einigen Missionsstationen gewöhnen lassen,
aber auch dort, und wo sie sonst eine humane Behandlung erfahren, sterben sie schnell ab. Jetzt schätzt man ihre Zahl, freilich
sehr unsicher, auf 60,000
Köpfe; gezählt wurden 1881 in
Neusüdwales 1643, in
Victoria
[* 15] 780, in
Südaustralien 6346, dazu im
Nordterritorium 3451, in
Queensland (nach wenig verläßlicher Berechnung) 20,585, im angesiedelten
Westaustralien
2346, im ganzen 35,151
Personen.
Die Kolonisten. Nachdem die nordamerikanischen Kolonien sich von England losgesagt hatten und die bis dahin gewöhnliche Überführung verurteilter Verbrecher nach diesen Gegenden unmöglich geworden war, bestimmte Cooks Bericht über die von ¶
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ihm 1770 entdeckte Ostküste Australiens die englische Regierung, hier eine Verbrecherkolonie zu gründen, und landete der erste Gouverneur, Kapitän Arthur Phillip, mit 11 Schiffen, 757 Sträflingen und 200 Soldaten in der Botanybai, die aber sogleich für eine Niederlassung als völlig untauglich erkannt und mit dem nahen Port Jackson vertauscht wurde. Dort legte Phillip 26. Jan. den Grund zur Stadt Sydney. [* 17] In den ersten Jahren hatte die Kolonie, welche selbst für ihren Lebensunterhalt fast ausschließlich aus Zufuhren vom Mutterland angewiesen war, mit vielen Widerwärtigkeiten zu kämpfen.
Als sich aber allmählich eine freie Bevölkerung [* 18] teils durch Freilassung der Sträflinge, teils auch durch Einwanderung bildete, hob sich die Ansiedelung schnell, namentlich nachdem man die Wichtigkeit des Landes für die Viehzucht [* 19] erkannt hatte. An solche, welche sich in der Kolonie niederzulassen beabsichtigten, wurden große Landstrecken verteilt; auch entlassene Sträflinge wurden mit solchen Schenkungen bedacht. Den freien Ansiedlern ward als Hilfe die billige Sträflingsarbeit zugewiesen. Um die zu große Anhäufung des verbrecherischen Elements zu verhüten, wurden von Sydney aus besondere Sträflingskolonien angelegt: auf der Insel Norfolk, bei Port Macquarie, an der Moretonbai, auf Vandiemensland bei dem jetzigen Hobart, in Westaustralien am King George-Sund. Auf der Insel Melville wurde 1824 Fort Dundas, bei Port Raffles 1827 Fort Wellington, bei Port Essington 1837 Victoria angelegt;
diese drei Niederlassungen sind aber nach kurzem Bestehen wieder aufgegeben worden.
Größere Kolonisationsversuche wurden im W. und S. gemacht. Zwar konnte die 1829 am Schwanenfluß gegründete Kolonie Westaustralien keine großen Erfolge aufweisen, dafür waren aber Südaustralien und Victoria um so glücklicher. In dem erstern machte 1836 die Südaustralische Kolonisationsgesellschaft in London [* 20] den Versuch, durch den Verkauf von Land die Mittel zur Überführung von Armen aus England zu gewinnen. Das Problem wurde nach einigen Fehlschlägen im Anfang schließlich sehr befriedigend gelöst.
In dem Gebiet von Victoria, welches damals den Namen Port Phillip-Distrikt (zu Neusüdwales gehörig) führte, ließen sich schon 1834 Herdenbesitzer aus Vandiemensland nieder, das 1824 zu einer selbständigen Kolonie erhoben worden war. Die wachsende Wichtigkeit der Ansiedelung führte 1851 zu ihrer Ablösung als Kolonie Victoria. Aus dem nördlichen Teil von Neusüdwales wurde 1859 die Kolonie Queensland gebildet und 1863 das nördlich von Südaustralien bis zum Indischen Ozean gelegene Gebiet, Alexandraland und Nordterritorium, der Kolonie Südaustralien einverleibt, so daß das Gesamtareal des Kontinents jetzt unter fünf Kolonien verteilt ist. (S. die Tabelle, S. 144.) Keine dieser Kolonien nimmt jetzt Deportierte auf. Im Anfang waren in Neusüdwales wie in Tasmania die Sträflinge von großem Nutzen zur Herstellung der ersten Anlagen von Gebäuden, Wegen, Urbarmachung des Landes.
Aber mit dem Wachsen der freien Bevölkerung machte sich eine steigende Abneigung gegen eine Fortdauer der Einführung von Verbrechern geltend, zumal die durch freie Ansiedler gegründeten Niederlassungen den Beweis lieferten, daß für das Gedeihen der australischen Kolonien die Existenz von Sträflingen durchaus nicht notwendig sei. In Neusüdwales nahm die Deportation 1848, in Vandiemensland (das seinen Namen 1856 in den von Tasmania umänderte) 1853 ein Ende. Westaustralien, das von freien Einwanderern gegründet war, sich aber 1850 um Sträflinge bewarb, mußte auf Andrängen der übrigen Kolonien die Deportation 1868 einstellen. Die oben erwähnte Sträflingskolonie bei Albany war schon bei der Gründung der Kolonie Westaustralien aufgehoben worden.
Die Nationalität der Kolonisten ist fast ausschließlich die britische: in der Mehrzahl Engländer, dann Irländer, Schotten. Von andern Europäern sind am stärksten die Deutschen vertreten, von denen 1881 als in Deutschland [* 21] geboren gezählt wurden in Südaustralien 8801, in Queensland 11,638, in Victoria 8571, in Neusüdwales 7521, in Tasmania 782, in Westaustralien 71, in Neuseeland 4819, in allen australischen Kolonien also 42,203 Individuen. Durch die Goldentdeckungen wurden viele Chinesen ins Land gezogen, namentlich nach Victoria und Neusüdwales, in neuester Zeit nach Queensland und nach dem zu Südaustralien gehörigen Nordterritorium; ihre früher viel größere Gesamtzahl in allen sieben australischen Kolonien belief sich 1881 auf 43,706 Seelen, wovon nur 362 Frauen.
Südseeinsulaner sind für die Zucker- und Baumwollkultur nach Queensland importiert worden (1881 gab es 6396), oft durch Mittel, welche den schärfsten Tadel verdienen. In den letzten Jahren hat sich nach dem Vorgang der Vereinigten Staaten [* 22] auch in Australien [* 23] eine starke Bewegung gegen die Einwanderung von Chinesen in Queensland, wo man dieselben mit höhern Abgaben belegt als andre, und auch in Victoria und Neusüdwales geltend gemacht. In Victoria erhob man früher eine Kopfsteuer von jedem das Land betretenden Chinesen.
Das Verhältnis der Geschlechter ist noch immer ein sehr ungleiches, indem in allen Kolonien die männliche Bevölkerung bei weitem überwiegt. Von der Gesamtbevölkerung der sieben Kolonien (1881: 2,815,924) waren 1,526,121 männlichen und 1,289,803 weiblichen Geschlechts, es kamen also auf 100 Männer 84,5 Frauen (in Westaustralien sogar nur 71,4). Indes gleicht sich dies Verhältnis mehr und mehr aus. Die früher sehr starke Einwanderung hat in den letzten Jahren bedeutend nachgelassen; 1881 belief sich der Überschuß der Einwanderung über die Auswanderung auf 43,085 Seelen. In sämtlichen sieben australischen Kolonien sind von 1825 bis 1882: 1,437,210 Personen eingewandert.
Dazu kommt ein sehr bedeutender Geburtenüberschuß, welcher sich in den letzten neun Jahren auf 91 Proz. (Tasmania) bis 229 Proz. (Neuseeland) bezifferte. Die bedeutendsten Städte sind (1881) Melbourne [* 24] 282,947, Sydney 224,211, Adelaide [* 25] 67,954, Dunedin 42,794, Ballaarat 41,087, Sandhurst 38,420, Brisbane 31,109, Auckland [* 26] 30,952, Christchurch 30,715, Hobart 27,248, Geelong 20,682, Wellington 20,563 Einw.
Vgl. auch die Angaben über Australien bei unserm »Bevölkerungsstatistischen Kärtchen«.
Gewerbe und Handel.
Die Haupterwerbszweige sind ihrer Wichtigkeit nach Viehzucht, Berg- und Ackerbau; die gewerbliche Thätigkeit ist dagegen gering, beginnt aber aufzublühen. Für die Viehzucht bietet Australien durch die Beschaffenheit des Bodens, die Natur der Wälder und Ebenen, die Milde des Klimas, das Fehlen aller Raubtiere [* 27] (mit Ausnahme des Dingo) außerordentlich günstige Bedingungen. Die kleine Zahl von Haustieren, welche Gouverneur Phillip auf den ersten Schiffen mitbrachte, und die später namentlich durch die Einführung von Merinoschafen veredelt wurde, ist in der Folge so gewachsen, daß man 1883 in ¶