nennen wir die
Darstellungen der gewerblichen und künstlerischen Thätigkeit einesLandes
oder mehrerer
Länder durch Vorführung der in dem vertretenen Gebiet erzeugten
Produkte. Je nach der sachlichen, örtlichen
und zeitlichen
Ausdehnung
[* 2] der Ausstellungen unterscheidet man allgemeine und Spezialausstellungen (bei letztern Beschränkung
auf bestimmte Gebiete der
Wirtschaft, des
Verkehrs, der
Kunst, des
Unterrichts etc.), periodische und permanente Ausstellungen (letztere
unterscheiden sich von Sammlungen und
Museen im wesentlichen dadurch, daß die ausgestellten Gegenstände
von Zeit zu Zeit durch neue ersetzt werden),
Bezirks-,
Landes- und
Weltausstellungen.
Alle diese Ausstellungen haben in der neuern Zeit dadurch an Bedeutung gewonnen, daß auf denselben nicht allein
fertige
Produkte, sondern auch die aufeinander folgenden Stadien der Verarbeitung und der Verarbeitungsprozeß
selbst dem
Publikum vorgeführt werden. Auch ist man mehr bemüht, durch geeignete Gruppierung der Gegenstände möglichst
eine Übersicht über die gesamte wirtschaftliche und Kulturentwickelung eines
Landes, gleichzeitig aber auch eine solche
über die gleiche
Industrie verschiedener
Länder zu bieten. Am vollständigsten ließe sich dieses
Ziel durch fächerweise
Anordnung erreichen.
Die
Praxis der Ausstellungen ist freilich von der Verwirklichung dieses
Ideals wegen der großen derselben entgegenstehenden Schwierigkeiten
weit entfernt. Da die Ausstellungen viel Mühe, Zeit und
Geld kosten, und da dieselben doch dem
Publikum jeweilig neue Entwickelungsstadien
vorführen sollen, so dürfen sie am gleichen
Ort nicht zu häufig wiederkehren. Die zulässige Dauer
der Wiederkehr hängt im wesentlichen von Art und
Umfang der Ausstellungen ab. Näheres über
Arrangement,
Licht- und Schattenseiten der
Ausstellungen etc. vgl. in dem unten angeführten Werk
von
Exner.
Solche Ausstellungen sind wesentlich neuern
Datums. Das klassische
Altertum kannte und brauchte sie auch nicht. Das christlich-germanische
Mittelalter brachte zur Schaustellung vorzugsweise
Novitäten, namentlich aber Gegenstände religiöser
Verehrung. Die
Klosterschulen veranstalteten schon früh der
Arbeiten ihrer Zöglinge, die
Zünfte von Meisterstücken. Vornehmlich
entwickelten sich aber die Ausstellungen aus den
Warenlagern und Schaustellungen der
Messen und
Märkte heraus; sie haben bei der fortwährenden
Abnahme dieser letztern stetig an Wichtigkeit und
Umfang zugenommen.
Ihrem
Wesen nach waren solche Ausstellungen zuerst ausschließlich
Industrieausstellungen; jedoch fing man gleichzeitig auch an, künstlerische
Leistungen auszustellen, wozu namentlich die
Malerei Veranlassung gab, deren Werke nicht so häufig an allgemein zugänglichen
Plätzen zu finden sind. Damit entstanden die
Kunstausstellungen (s. d.), und diese beiden vereint bilden
heute den
Kern des gesamten vielseitig ausgebildeten Ausstellungswesens. Öfters selbständig auftretend, zuweilen mit jenen
vereint erscheinen die landwirtschaftlichen Ausstellungen,
Maschinen-, Blumenausstellungen u. a.; in allerneuester Zeit hat man mit Erfolg
einzelne neue Gebiete zu kultivieren versucht, so durch die Fischereiausstellung in
Berlin,
[* 3]
Ausstellung der Wollindustrie in
Leipzig
[* 4] u. a.
Diesen Bestrebungen gegenüber, welche den
Zweck verfolgen, zur
Nachahmung anzuregen und zu
belehren, sind solche Schaustellungen
wie die von
Hunden oder gar von
Kindern, die lediglich oder hauptsächlich zur Unterhaltung
des
Publikums dienen, nur ausnahmsweise mit dem
Namen Ausstellungen belegt worden.
Die erste
Industrieausstellung wurde 1756 und 1757 durch die Society for the promotion of arts, manufactures
and commerce in
London
[* 5] veranstaltet. Auf deutschem
Boden fand die erste eigentliche
Gewerbeausstellung 1791 zu
Prag
[* 6] statt; sie
sollte den
Umfang und den
Stand der
Industrie des
KönigreichsBöhmen
[* 7] zur
Anschauung bringen. Die nächste
Ausstellung eröffnete
Paris
[* 8] 1798, ihr folgten ebenda die von 1801, 1802, 1806, 1819, 1823, 1827, 1834, 1839, 1844 und 1848. Bei
der letzten war die Zahl der Aussteller auf 5494 gewachsen.
indes blieben dieselben auf engere
Kreise
[* 17] beschränkt.
Die erste gemeinsame deutsche
Industrieausstellung fand 1842 zu
Mainz
[* 18] statt; weit großartiger aber gestaltete
sich die im nächsten Jahr in
Berlin eröffnete, wo sich in dem zum Ausstellungsraum erwählten
Zeughaus 3040 Aussteller (75
aus
Österreich)
[* 19] zusammenfanden. In
Wien,
[* 20] wo schon 1835 und 1839 kleinere Ausstellungen stattgefunden hatten, beteiligten
sich 1850 gegen 2000, in
Leipzig 1850: 1414 Aussteller.
Alle diese waren indes nur auf das eigne Land beschränkt.
Die deutsche
Industrie glänzte besonders durch Buchdruck,
Steindruck, Typengießerei,
Instrumente, Glaswaren,
Porzellan, überhaupt
solche
Produkte, bei denen Kunstgeschick und tüchtige Schulbildung Hauptfaktoren sind.Neu und großartig
wie die
Ausstellung selbst war das zu ihrer
Aufnahme bestimmte Gebäude, der sogen.
Kristallpalast, von
Paxton ganz aus
Glas
[* 27] und
Eisen
[* 28] errichtet, ein Ausstellungsobjekt
in sich selber, das ganz neue Wege zur Benutzung dieser beiden Materialien zeigte.
Die finanziellen Ergebnisse der
Ausstellung waren sehr günstig: den
Ausgaben von 339,334 Pfd. Sterl. standen
Einnahmen von 512,632 Pfd. Sterl. gegenüber, mithin ergab sich ein Überschuß von
173,298 Pfd. Sterl. Die Zahl der Besucher belief sich auf über 6 Mill.
die Teilnahme an der 1854 zu München abgehaltenen allgemeinen Ausstellung deutscher Industrie- und Gewerbserzeugnisse, bei welcher
neben Bayern (2331 Aussteller) namentlich Österreich (1477 Aussteller) vertreten war.
Paris 1855. Die Weltausstellung zu Paris 1855 sollte allen Nationen geöffnet sein, aber in gleichmäßigerer Weise als vorher
in London. Die Zahl der Ausstellenden stieg auf 21,779, darunter 2175 Deutsche. In London hatte man die
ausgestellten Objekte unter 6 Gruppen gebracht, jetzt nahm man eine Einteilung in 30 Klassen an. Nächst der französischen war
hier die deutsche und österreichische Industrie am glänzendsten vertreten.
London 1862. Viel weiter als ihre gleichartigen Vorgänger ging die große Ausstellung aller Nationen in London 1862. Nicht nur
war die Zahl der Teilnehmer überhaupt (24,864) größer, die Beteiligung erstreckte sich auch auf weitere Kreise. England
freilich war durch eine geringere Zahl von Ausstellern vertreten als 1851, die andrer Länder hatte sich
aber mehr als verdoppelt; Bewerber aus vorher nicht vertretenen Gebieten waren erschienen. England wurde durch 7189, Deutschland
durch 2875 Namen repräsentiert.
Als ein ganz neues Moment muß das Zurückgreifen um 100 Jahre bei den Schöpfungen der Malerei und Skulptur
bezeichnet werden, man wollte dadurch »den Fortschritt und gegenwärtigen Stand der modernen Künste beleuchten«. Alle Gegenstände
waren in 4 große Abteilungen gebracht worden, welche zusammen 40 Klassen bildeten.
Paris 1867. Die bisherigen Ausstellungen hatten rein praktische Ziele verfolgt, die internationale Ausstellung zu Paris 1867 ging erheblich
weiter. Hier wurden zum erstenmal die Anstalten vorgeführt, welche sich mit der Hebung
[* 37] der physischen und moralischen Lage
des Volks beschäftigen, die Methode des Unterrichts, Wohnungen, Hausgeräte, Hausinstrumente etc. Neu war
auch der Versuch, das Verfahren der Herstellung gewisser Artikel praktisch vorzuführen. Damit verband sich eine kulturgeschichtliche
Abteilung: die Geschichte der Arbeit.
Das aus Eisen und Glas auf steinernem Fundament errichtete Ausstellungsgebäude
[* 38] war nach einem neuen, ganz besondern Plan erbaut.
Scheidewände teilten dasselbe in sieben elliptische, von oben beleuchtete Ringe, in deren Mitte sich ein
gartenartiger Hof
[* 39] mit Werken der plastischen Kunst befand. Jeder Rundgang bildete eine besondere Abteilung für eine spezielle
Art von Erzeugnissen, und sämtliche konzentrische Ringe waren durch 16 radiale Straßen in breitere oder schmälere, den einzelnen
Ländern zugewiesene keilförmige Sektoren geteilt.
Durchschritt man somit die Ringe in radialer Richtung, so befand man ich immer in demselben Land, während man, wenn man sie
peripherisch durchwanderte, in einem Rundgang die von allen Nationen der Welt ausgestellten Produkte einer und derselben Gattung
zu besichtigen Gelegenheit hatte. Dadurch wurde die vergleichende Übersicht der verschiedenen Erzeugnisse
wesentlich erleichtert. Freilich konnte das Prinzip nicht strikte durchgeführt werden, indem die zugemessenen Räume den aufzustellenden
Gegenständen häufig durchaus nicht entsprachen, so
daß viele Gegenstände ihren Platz in den besonders errichteten 13 Annexen
fanden.
Eine der größten Eigentümlichkeiten dieser Ausstellung bildete der Park, in welchem alle Länder, teilweise in verschiedenen
geschichtlichen Perioden, durch charakteristische Bauten repräsentiert waren. Kioske, maurische Paläste, altägyptische Tempel,
[* 40] türkische Bäder, gotische Kirchen, Schulhäuser, Arbeiterhäuser, Kolossalmonumente u. a. waren hier errichtet. Der Katalog
umfaßte 10 Gruppen, welche in 95 Klassen zerfielen. Die Zahl der Aussteller betrug 42,217, davon aus Frankreich und seinen
Kolonien 11,645, aus England und seinen Kolonien 3609, Deutschland 3388, Österreich 3072. Die Beteiligung
deutscherseits war unvollständig, sie zeigte aber dennoch den großen industriellen Fortschritt der letzten Jahre.
Der deutsche Gußstahl war unerreicht, Glas und Papier standen auf der höchsten Stufe, in chemischen Produkten schlug Deutschland
englische und französische Konkurrenz. In Garnspinnereimaschinen hatte der deutsche Maschinenbau der
ausländischen Industrie den Rang abgelaufen. Die deutschen mechanischen Webstühle,
[* 41] Werkzeugmaschinen, Lokomotiven standen englischen
und amerikanischen zum mindesten gleich. Den schönsten Preis aber hatten das Unterrichtswesen und das Unterrichtsmaterial
Deutschlands
[* 42] davongetragen.
Erziehungs-, Unterrichts- und Bildungswesen sollte in viel reichhaltigerm Maß zur Anschauung gebracht, eine Geschichte der Erfindungen
durch Nebeneinanderstellung von Maschinen, Apparaten aus verschiedenen Zeiten, eine Geschichte der Gewerbe durch Ausstellung von
gleichartigen, aus aufeinander folgenden Epochen stammenden Objekten, die Verwertung von Abfällen durch Gegenüberstellung
der letztern und der daraus gewonnenen Fabrikate gegeben werden u. a. Manche der Versuche stellten sich
allerdings in der Folge als Fehlschläge heraus; aber trotzdem war die WienerWeltausstellung nicht allein die reichste, kostbarste
und inhaltsvollste Sammlung, welche der Welt bis dahin geboten war, sie ist auch in dieser Hinsicht bis jetzt
nicht übertroffen worden.
Deutschland ragte in Wien namentlich hervor im Hüttenwesen, den chemischen Industrien, landwirtschaftlichen Produkten, der Industrie
in Leder, Kautschuk, Guttapercha, in Maschinenwesen und Transportmitteln, wissenschaftlichen Instrumenten, dem Marinewesen, der
bildenden Kunst und dem Erziehungs- und Unterrichtswesen. Die Zahl der Aussteller war geringer als in Paris. Von im ganzen
39,500 Ausstellenden entfielen 12,208 auf Österreich, 7524 auf Deutschland, 3564 auf Frankreich mit Kolonien, 1216 auf England
und Kolonien. Während der Dauer der Ausstellung tagten zwölf verschiedene Kongresse: ein volkswirtschaftlicher, ein medizinischer,
ein kunstwissenschaftlicher, ein meteorologischer u. a. Gegen Ende der Ausstellung fanden Vorträge über einzelne besonders
beachtenswerte Zweige der Ausstellung statt. Um dieselbe des Kaiserreichs würdig zu machen,
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