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überall Reste einer uralten Kultur aufdeckend. Er gab den Anstoß zu einer Reihe von Unternehmungen, welche ein helles Licht [* 2] über die griechische Welt verbreiteten. Im J. 1873 sendete die österreichische Regierung eine Expedition nach Samothrake aus (1879 wiederholt), und in demselben Jahr begannen die Ausgrabungen in Tanagra, welche eine große Anzahl von Terrakotten [* 3] ans Licht brachten. Das Hauptinteresse der griechischen Ausgrabungen konzentrierte sich jedoch auf die völlige Bloßlegung der Ruinen des alten Olympia durch die deutsche Reichsregierung 1875-81, wobei ein ungeheures Material von Architektur- und Skulpturüberresten dem Boden abgerungen wurde. Im J. 1876 fand ein griechischer Privatmann, Karapanos, die Ruinen des alten Zeusheiligtums und Orakelorts Dodona auf, und in demselben Jahr begannen die Franzosen ihre Ausgrabungen auf der Insel Delos, durch welche unter anderm die Apollonheiligtümer aufgedeckt wurden.
Die athenische Archäologische Gesellschaft macht sich besonders um die Reinigung der Akropolis [* 4] und die Freilegung ihrer Umgebung und von Gräberstraßen verdient. Im J. 1884 hatte sie ihre planmäßige Thätigkeit auf Epidauros und vorher auf Delphi erstreckt. Von großer Bedeutung für die Vermittelung der orientalisch-asiatischen Kultur nach dem Abendland sind die von dem nordamerikanischen Konsul di Cesnola seit 1869 auf Cypern [* 5] veranstalteten Ausgrabungen, deren reiche Ergebnisse in das Metropolitanmuseum von New York, zum kleinern Teil nach dem Britischen und dem Berliner [* 6] Museum gekommen sind.
Nachdem der Franzose Texier die Reihe der Ausgrabungen in Kleinasien Mitte der 30er Jahre begonnen hatte (»Description de l'Asie mineure«, Par. 1839 ff., 1863), richteten die Engländer ihr Augenmerk auf die dortigen griechischen Ansiedelungen und blieben auf dem Gebiet der Ausgrabungen die alleinigen Herren Kleinasiens, bis mit Schliemann eine neue Periode begann. Charles Fellows machte seit 1838 eine Reihe wichtiger Entdeckungen von lykischen Denkmälern (unter andern des Harpyienmonuments und des Nereidendenkmals von Xanthos), welche uns die Einwirkung der griechischen Kunstübung auf heimatliche Überlieferungen zeigen (»An account of discoveries in Lycia«, Lond. 1841). Nach ihm veranstaltete Newton in Halikarnaß und benachbarten Städten Ausgrabungen, deren Hauptergebnis die Auffindung des Mausoleums ist (vgl. Newton, A history of discoveries at Halicarnassus, Cnidus and Branchidae, Lond. 1862; J. ^[James] Fergusson, The mausoleum at Halicarnassus, das. 1862). Der Zielpunkt der nächsten Expedition war Ephesus, wo J. T. ^[John Turtle] Wood 1864 den berühmten Artemistempel zu suchen begann und ihn endlich 1870 entdeckte, zugleich auch den größten Teil der Stadt bloßlegte (»Discoveries at Ephesos«, [* 7] Lond. 1877). Im J. 1868 unternahm Pullan im Auftrag der Society of Dilettanti Ausgrabungen zu Priene in Karien, wobei er den Tempel [* 8] der Athene [* 9] Polias auffand, nachdem er schon früher den Bakchostempel in Teos ausgegraben hatte.
Alle diese Unternehmungen wurden aber, was die Reichhaltigkeit der Funde anbetrifft, in den Schatten [* 10] gestellt durch die Ausgrabungen auf der Akropolis des alten Pergamon, [* 11] welche der Ingenieur Karl Humann 1878-84 im Auftrag der preußischen Regierung unternahm, und deren Ergebnisse in das Berliner Museum gekommen sind. Von gleichem Glück begünstigt waren zwei von Benndorf geführte Expeditionen nach der Südküste Lykiens (1881 und 1882), auf deren letzterer ein großes Grabdenkmal in Gjölbaschi, dem alten Trysa, ausgegraben wurde, dessen plastischer Schmuck nach Wien [* 12] überführt worden ist. Im J. 1881 traten auch die Amerikaner als Mitbewerber in Kleinasien auf.
Auf Kosten des amerikanischen Instituts für Archäologie wurden in Assos, an der südlichen Küste der troischen Landschaft, Ausgrabungen veranstaltet, welche die Bloßlegung und genaue Erforschung des alten dorischen Tempels auf der Akropolis zur Folge hatten. In der kleinasiatischen Stadt Myrina haben die Franzosen Gräber aufgedeckt und zahlreiche Terrakotten gefunden, welche mit den tanagräischen verwandt sind. Über Kleinasien hinaus reichten zwei 1882 und 1883 von der preußischen Akademie der Wissenschaften ausgesendete Expeditionen nach der alten Landschaft Kommagene im nördlichen Syrien, wobei Königsgräber und altsyrische Monumente entdeckt und erforscht worden sind.
In den Gebieten des alten Assyrien und Babylonien, den Euphrat- und Tigrisländern, sind die Ausgrabungen das Werk von Franzosen und Engländern gewesen. Der Entdecker der Ruinen Ninives ist der Franzose Botta (»Monuments de Ninivé«, mit Flandin, Par. 1846-50, 5 Bde.). Bald darauf begann der Engländer Layard auf derselben Stelle seine Ausgrabungen, welche er bis in die Mitte der 50er Jahre fortsetzte. Die materiellen Resultate derselben besitzt das Britische Museum, die wissenschaftlichen hat er in den Werken: »Niniveh and its remains« (Lond. 1848) und »Niniveh and Babylon« (das. 1853) niedergelegt. Ihm folgte im Anfang der 60er Jahre der Franzose Victor Place (»Ninivé et l'Assyrie«, Par. 1865 ff., 3 Bde.) und in den 70er Jahren der Engländer G. Smith (»Assyrian discoveries«, Lond. 1875) und Hormuzd Rassam (»Excavations and discoveries in Assyria«, das. 1880). Die Ruinen von Babylon sind durch Ker Porter, Ainsworth, Loftus, Oppert, Rassam u. a. untersucht worden, ohne daß jedoch bei der ungeheuern Ausdehnung [* 13] der Schuttberge solche Resultate erzielt werden konnten wie in Ninive. Um die Aufdeckung und Erforschung der Denkmäler des alten Persien [* 14] haben sich besonders Ker Porter (»Travels in Georgia, Persia etc.«, Lond. 1821 ff.),
Coste und Flandin (»Voyage en Perse; Perse ancienne«, Par. 1843-54, 6 Bde.),
Texier (»Description de l'Arménie, de la Perse etc.«, das. 1852),
Vaux (»Niniveh and Persepolis«, Lond. 1851),
Rawlinson (»The five great monarchies«, 4. Aufl., das. 1879, 3 Bde.) und Stoltze (»Denkmäler von Persepolis«, Berl. 1882) verdient gemacht. In der Krim [* 15] werden von der russischen Regierung systematische Ausgrabungen veranstaltet, welche besonders Gräber mit einer Menge von Geräten und Schmucksachen [* 16] (zum Teil von Gold) [* 17] geöffnet haben, die in das Museum der Eremitage nach Petersburg [* 18] gekommen sind. Für die Baudenkmäler Phönikiens ist eine französische Expedition unter Renan (»Mission en Phénicie«, Par. 1864 ff.) von großer Bedeutung gewesen. An der Küste Nordafrikas, in Ptolemais, Kyrene, Tripolis, besonders in Karthago, [* 19] sind die von Beulé begonnenen Ausgrabungen (»Fouilles à Carthage«, 1860) bis in die neueste Zeit fortgesetzt worden.
Neben diesen Ausgrabungen in den Gebieten der klassischen Altertümer hat die »Wissenschaft des Spatens« auch in allen Ländern nicht geruht, wo römische Niederlassungen bestanden haben, so besonders in Spanien [* 20] (Tarraco = Tarragona), in Frankreich (Massilia, Sanxay bei Poitiers), in der Schweiz [* 21] und in Deutschland. [* 22] Was das letztere Land betrifft, so sind in erster Linie die Rheinlande ¶
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ein ausgiebiges Terrain, aus welchem immer neue Funde (Trier, [* 24] Saalburg bei Homburg [* 25] v. d. H.) an das Licht kommen. Neuerdings geht man auch in Süddeutschland, namentlich in Bayern [* 26] (Augsburg), [* 27] eifrig den Spuren der Römer [* 28] nach. Über die Ausgrabungen auf klassischem Boden vgl. im allgemeinen K. L. Stark, Systematik und Geschichte der Archäologie der Kunst (Leipz. 1880).
Die neuere Zeit hat auch den Ausgrabungen prähistorischer Gegenstände allgemeines Interesse zugewandt, und namentlich durch die Aufdeckung und Untersuchung alter Wohnplätze (Pfahlbauten, [* 29] Höhlen etc.), Gräber, Küchenabfälle, Befestigungen, Monumente und Plätze gewerblicher Thätigkeit ist die Urgeschichte der Menschheit ungemein gefördert worden. Die Auffindung prähistorischer Gegenstände ist vielfach Sache des Zufalls. Doch hat man oft mit großem Erfolg Lokalitäten untersucht, an welche sich alte Volkstraditionen knüpfen.
Nicht selten weist die volkstümliche Benennung eines Ackerstücks, wie z. B. »Heidenacker«, »Heidenkirchhof«, »Hünenkirchhof«, »Wendenkirchhof«, darauf hin, daß an dieser Stelle ein alter Begräbnisplatz vorhanden sei. Ebenso leben in vielen Fällen auch die Hügelgräber und Steinmonumente als alte Gräber der Vorfahren unter der Bezeichnung »Heidenköppel«, »Hünenhügel«, »Hünengräber«, »Lauschhügel«, »Lausehügel«, »Wachthügel«, »Hünenbetten«, »Riesenbetten« in der Erinnerung des Volks fort.
Alte Befestigungen, Schanzen, schreibt das Volk gern jenen feindlichen Völkern zu, welche zuletzt im Land gehaust haben; doch reicht in manchen Gegenden die Volkserinnerung auch weiter und bezeichnet sie dann allgemein als heidnische mit der Benennung »Heidenschanzen« oder, wenn sie irgend welchen alten Feinden angehören sollen, mit dem Namen »Hunnen-«, »Avaren-«, »Hussiten-«, »Schweden-«, »Russen-« oder »Moskowiterschanzen«. Auch beim Ackern aufgefundene Thonscherben, deren Alter der Kundige mit Sicherheit annähernd zu beurteilen weiß, geben Berechtigung zu Nachgrabungen.
Die wichtigsten Fundstücke, welche die Prähistorie zu verwerten weiß, sind Schädel, Skelette, Waffen [* 30] (aus Stein, Bronze, [* 31] Eisen), [* 32] Geräte, namentlich Thonwaren, [* 33] Schmuckgegenstände, Knochen [* 34] von Tieren etc. Oft gestatten scheinbar geringfügige Fundstücke, sei es hinsichtlich ihres Materials, sei es mit Bezug auf die Bearbeitung, die wichtigsten Schlüsse, und die prähistorischen Ausgrabungen erfordern daher ebensoviel Vorsicht wie Sachkenntnis, wenn nicht manche wertvolle Andeutung, die sie dem Kundigen geben, verloren gehen soll.
Auch die Behandlung der aufgefundenen Gegenstände bereitet oft große Schwierigkeiten und muß mit der größten Behutsamkeit erfolgen. Gefäße sind namentlich unmittelbar nach dem Ausgraben sehr zerbrechlich und werden erst allmählich beim Austrocknen wieder fest. Letzteres aber darf nicht beschleunigt werden, weil besonders Gegenstände aus sehr nassem Boden bei schnellem Trocknen Risse bekommen und völlig zerstört werden. Mit großem Erfolg hat man die prähistorischen Funde auf Karten eingetragen, um die lokale Verbreitung gewisser Verhältnisse, die Herkunft auswärtiger Kunstprodukte, Handelsstraßen etc. aufzudecken, und namentlich für Westdeutschland sind diese kartographischen Arbeiten (durch v. Tröltsch u. a.) in neuester Zeit wesentlich gefördert worden.
Die ältesten menschlichen Spuren, Feuersteininstrumente und bearbeitete Renntierknochen, fanden sich in Oberschwaben bei Engisheim und Munzingen. In dieselbe Zeit fallen die Höhlengräber und Höhlenwohnungen an dem Rhône. Die Reste der neuern Steinzeit [* 35] sind viel häufiger. Hierher gehören die Dolmen im Süden und an der Nordseeküste, in der Schweiz, in den Vogesen, an der Mosel. Niederlassungsgebiete dieser neolithischen Periode sind die Gegenden um Kochem, Bonn, [* 36] Luxemburg, [* 37] Heilbronn, [* 38] Basel, [* 39] die Wetterau sowie ein Teil der Schweizer Seen. Geringer an Zahl sind die Denkmäler der alemannisch-fränkischen Zeit; sie beschränken sich auf Gräber, Auffüllungen zum Schutz gegen Überschwemmungen der Flüsse [* 40] und Aufschüttungen am Meeresufer. Sobald derartige Karten über ganze Länder ausgedehnt sein werden, wird man durch sie ein vollständiges Bild der Ausbreitung vorgeschichtlichen Handels und vorgeschichtlicher Industrie erhalten.