Blinden und Gläubigen ihre
Dienste
[* 2] an. Dies Unwesen der Starstecherkunst herrschte während des 16.-17. Jahrh. fast
durch ganz
Europa.
[* 3] Erst im 18. Jahrh. begann man, wieder einige
Aufmerksamkeit auf die Augenheilkunde zu verwenden; hier und da fingen
Ärzte von neuem an, den
Krankheiten des
Auges eine besondere Berücksichtigung zu schenken.
Maître-Jean
in
Frankreich war einer der ersten, welche manchen glücklichen Kunstgriff in der
Kur derAugenkrankheiten
[* 4] ausübten. Boerhave
erwarb sich das große
Verdienst, die
Augenkrankheiten systematisch geordnet und beschrieben und auf eine rationellere
Weise
abgehandelt zu haben. In
Frankreich machte die Augenheilkunde erfreulichere Fortschritte, erhielt aber bald eine zu mechanische
Tendenz, und es waren vorzüglich die Augenoperationen, welche später die französischen
Ärzte beschäftigten. In
Deutschland
[* 5] blieb die Augenheilkunde lange zurück; Bartisch,
Schurig, Widemann waren mehr Augenoperateure als Augenärzte; auch wurde
Deutschland
bis gegen das Ende des vorigen
Jahrhunderts von italienischen und französischen
Ärzten durchzogen, welche im
Lande den
Star stachen.
A.
^[JohannAdam]
Schmidt,
Himly und
Beer, welche zum
Aufblühen der in
Deutschland thätig und erfolgreich wirkten. In
Göttingen wurde unter
Richters Leitung
eine Augenklinik errichtet, nach deren Vorbild ähnliche Anstalten fast aus allen wichtigern
UniversitätenDeutschlands ins
Leben traten.
Indes ward in diesen Anstalten die Augenheilkunde als ein der
Chirurgie untergeordneter
Zweig betrachtet und behandelt. Die
erste ausschließlich für Augenheilkunde bestimmte
Klinik entstand durch
Beers Bemühungen in
Wien.
Später erhielt
Wien eine zweite Augenklinik unter
Jägers Leitung. Gegenwärtig fehlt es in keiner der größern
StädteDeutschlands
an einer besondern Heilanstalt für Augenkranke, und namentlich bestehen an allen, auch den kleinern deutschen
Universitäten
Lehrstühle und klinische Anstalten, in welchen die Studierenden der
Medizin mit der praktischen Augenheilkunde vertraut
gemacht werden. Auch in das
Regulativ von 1872 für die Staatsprüfung ist die Augenheilkunde als Prüfungsgegenstand aufgenommen worden.
Ähnliches gilt, wenn auch nicht ganz in dem gleichen
Umfang, von
England,
Frankreich und
Italien.
[* 9] Die staunenswerten Fortschritte,
welche die in den beiden letzten Jahrzehnten gemacht hat, verdankt sie hauptsächlich den Physiologen,
welche sich eingehender mit der
Physik des
Auges beschäftigten. Denn die Kenntnis einer
Reihe innerer
Augenkrankheiten war bis
auf einen
Punkt angekommen, wo für längere Zeit hinaus eine
Grenze für deren weitere
Ausbildung gesteckt zu sein schien.
Da machte
Helmholtz 1851 die hochwichtige
Erfindung des
Augenspiegels (s. d.), und damit war das
Mittel gefunden,
die bis jetzt so dunkeln krankhaften Veränderungen der tiefern Augengebilde (der brechenden
Medien und der
Netzhaut) genau
zu erkennen und diejenigen Heilwege zu finden, welche dem jeweiligen, nun viel strenger unterscheidbaren
Leiden
[* 10] entsprechen.
Mit der
Ausbildung des
physiologischen Teils der Augenheilkunde, an welcher neben
Helmholtz namentlich noch
Donders
in
Utrecht
[* 11] den rühmlichsten und fruchtbarsten
Anteil genommen hat, ist auch die Forschung auf dem Gebiet der mikroskopischen
und pathologischen
Anatomie des
AugesHand
[* 12] in
Hand gegangen und wesentlich gefördert worden. Nicht geringere Fortschritte hat
der eigentlich kurative, zumal der operative, Teil der Augenheilkunde gemacht. Die
Technik der Augenoperation hat
eine hohe Vollendung erreicht, zahlreiche neue Operationsweisen und mehrere neue wertvolle
Arzneimittel sind in die
Praxis
der Augenheilkunde eingeführt worden.
[* 4] (hierzu Tafel »Augenkrankheiten«). Der komplizierte
Bau des
Auges, die Ernährungseigentümlichkeiten der einzelnen
Gewebe,
[* 22] die
Lage und die außerordentlich hohen und mit dem Fortschreiten
der
Kultur stets wachsenden Ansprüche an die
Arbeit des
Organs veranlassen die mannigfaltigsten
Störungen. Nach Ruetes
Beobachtungen
sollen
Männer öfter von Augenkrankheiten befallen werden als
Frauen, auch soll sich bei Individuen mit weißem
Teint,
hellem
Haar
[* 23] und blauer
Iris eine größere
Anlage herausgestellt haben als bei dunkel Gefärbten.
Das
Lebensalter zwischen der
Geburt und dem zehnten Lebensjahr soll am meisten zu Augenleiden disponieren, und zwar sind die
Kinder am häufigsten zu entzündlichen
Affektionen des
Auges geneigt, welche
Disposition später abnimmt,
aber zur Zeit der Geschlechtsentwickelung wieder wächst. Vom 20.-50. Lebensjahr ist die
Disposition zu Augenkrankheiten gering; von da
an nimmt sie aber wieder zu, indem jetzt die Linsentrübungen häufiger werden; vom 70.-90. Jahr aber sinkt dieselbe auf
Null herab.
Die ältern
Ärzte waren vielfach der
Ansicht, daß gewisse
Krankheiten des Gesamtorganismus sich mit Vorliebe
am
Auge
[* 24] gleichsam lokalisierten. Sie sahen deshalb in den meisten Augenkrankheiten nur den
Ausdruck eines Allgemeinleidens, und demgemäß
kämpften sie gegen das letztere an in der Meinung, mit dem präsumtiven Allgemeinleiden werde auch die Augenkrankheit verschwinden.
Ja, man fürchtete sogar, durch Beseitigung des Augenleidens könnte ein allgemeines
Leiden, eine
Krankheit
an innern
Organen, hervorgerufen oder eine schon bestehende
Krankheit gesteigert werden. Diese
Ansichten sind im allgemeinen
zwar irrig, aber doch gibt es
Krankheiten, welche an keinem andern
Organ mit der
Bestimmtheit erkannt werden können wie am
Auge, so daß z. B. eine allgemeine akute Miliartuberkulose oft nur dadurch von einigen
in
Frage kommenden fieberhaften
Krankheiten unterschieden werden kann, daß der
Augenspiegel
[* 25] die
Knötchen in der
Aderhaut direkt
erkennen läßt,
¶
und das Gleiche gilt von einer bösartigen Zerstörung der Herzklappen, die nicht selten im Augenhintergrund an ihren Folgen
sicher beobachtet wird, noch ehe die Untersuchung des Herzens selbst die Erkrankung und den nahen Tod ahnen läßt. Doch sind
solche Fälle immerhin selten, und es gilt als allgemeiner Grundsatz in der Augenheilkunde, daß man bei
Augenkrankheiten sich direkt gegen dieselben wendet, daß man also eine vorzugsweise lokale Behandlung einleitet,
wobei selbstverständlich die Rücksichten auf ein etwa vorhandenes Allgemeinleiden des Körpers nicht aus dem Auge gesetzt
werden. Das große Heer der Augenkrankheiten überblickt man am besten an der Hand des topographisch-physiologischen Einteilungsprinzips,
indem man etwa folgende Gruppen von Augenkrankheiten unterscheidet:
Die der Haustiere sind, da der anatomische Bau ihrer Augen nicht wesentlich von dem des menschlichen Auges
abweicht, nicht prinzipiell verschieden von denen des Menschen. Am häufigsten werden beobachtet: Entzündungen der Konjunktiva,
entsteht teils durch Erkältung (Conjunctivitis catarrhalis), teils als eine eigenartige epidemische Affektion (vgl. Augenseuche),
teils infolge spezifischer Reize als Symptom bei akuten fieberhaften Infektionskrankheiten (C. symptomatica), teils nach Quetschungen
und Verwundungen (C. traumatica).
Der Verlauf der Konjunktivitis ist gewöhnlich günstig; nur bei längerer Dauer dehnt sich der Entzündungsprozeß
auf die durchsichtige Hornhaut und selbst auf die Regenbogenhaut und die Kristalllinse aus. Zur Behandlung ist eine Waschung
der Augen mit Bleiwasser empfehlenswert. Verlieren sich die Erscheinungen hiernach nicht in wenigen Tagen, so erweist sich die
täglich zweimal zu wiederholende Applikation einer ½prozentigen Lösung von Atropin vorteilhaft.
Entzündungen der durchsichtigen Hornhaut (Keratitis) entstehen als Folgeleiden der oben gedachten Prozesse oder durch direkte
Verwundungen (Peitschenhiebe bei Pferden). Wunden mit Substanzverlust verheilen mit Zurücklassung von Narben, die aber nur
dann störend wirken, wenn sie in der Sehachse liegen. Aufenthalt der Tiere in einem dunkeln Raum und wiederholte
Bepinselung des kranken Auges mit Atropinlösung haben eine günstige Wirkung auf den Verlauf der Keratitis.
Die drei zuletzt erwähnten Augenleiden sind bei den Tieren unheilbar. Nur beim grauen Star der Hunde
[* 32] wird
die operative Behandlung als Palliativmittel zuweilen versucht. Fehlerhafte Zustände der Augen werden bei Pferden am besten
in der Weise ermittelt, daß man zunächst die Tiere in einen dunkeln Raum stellt oder ihnen einen dunkeln Gegenstand vor die
Augen hält, um die Pupille zur Erweiterung zu bringen. Läßt man nun plötzlich das Tageslicht auf die
Augen einwirken, so zieht sich die Pupille schnell zusammen. Ist bei dieser Prüfung die Erweiterung und Verengerung der Pupille
nicht wahrnehmbar, so ist eine Störung des Sehvermögens anzunehmen. Nach vorheriger Anwendung von Atropin kann auch bei den
Tieren die Untersuchung der Augen mit dem Augenspiegel bewirkt werden.