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Dissociationsprozesse zurückzuführen sei. Die Kohlensäure des Bluts wird in den Lungen durch Dissociation aus dem gebundenen in den freien Zustand übergeführt und kann jetzt nach den Gesetzen der Diffusion mit Leichtigkeit in die kohlensäurearme Respirationsluft übertreten. Begünstigt wird die Dissociation der Kohlensäureverbindungen des Bluts durch die Aufnahme von Sauerstoff. Für den Sauerstoff ist das Oxyhämoglobin (s. Blut) der in Dissociation verkehrende Körper; das Hämoglobin nimmt in den Lungen den Sauerstoff auf, bindet ihn chemisch und läßt ihn infolge verminderten Drucks, erhöhter Temperatur oder infolge der austreibenden Wirkung andrer Gase, z. B. der Kohlensäure, wieder in Freiheit treten.
Mittelzahlen für die Größe des Gaswechsels haben nur einen geringen Wert, denn diese läßt sich durch die verschiedensten Momente sehr beeinflussen. So ist z. B. die Kohlensäureausscheidung in der erheblichsten Weise von der Beschaffenheit der Nahrung abhängig, und es wächst die Menge der durch die Lungen ausgeschiedenen Kohlensäure mit der Menge des mit der Nahrung aufgenommenen Kohlenstoffs. Ein 32 kg schwerer Hund Voits schied bei reichlicher Fütterung in 24 Stunden 840,4 g Kohlensäure aus, während im Hungerzustand die Ausscheidung auf 289,4 g herabsank.
Weiter wird die Kohlensäureausscheidung erheblich gesteigert durch Muskelarbeit, niedere Temperatur der Umgebung und zahlreiche andre Einflüsse. Die Sauerstoffaufnahme braucht nicht notwendig der Kohlensäureausscheidung genau parallel zu gehen, da einerseits die Bildung von Kohlensäure durch Spaltungsvorgänge ohne direkten Sauerstoffverbrauch aus dem Blut möglich ist, anderseits aber ein Teil des bei der Atmung aufgenommenen Sauerstoffs zur Bildung von unvollständigen Oxydationsprodukten, welche vorläufig im Körper aufgespeichert werden, benutzt werden kann. Nach Vierordt nimmt ein erwachsener Mensch in 24 Stunden etwa 746 g (520,601 ccm) Sauerstoff auf und scheidet etwa 867 g (443,409 ccm) Kohlensäure aus.
Wie die übrigen Körpermuskeln, so geraten auch die Respirationsmuskeln nicht von selbst in den Zustand der Thätigkeit, sondern es bedarf hierzu bestimmter, vom Zentralnervensystem ausgehender Reize, die ihnen mittels peripherischer Nervenfasern zugeführt werden. Es hat sich nun ergeben, daß die Atembewegungen von einer ganz bestimmten Stelle des verlängerten Marks aus angeregt werden. Diese Stelle ist deshalb als das Atmungszentrum (es entspricht dem sogen. Lebensknoten [s. d.]) bezeichnet worden, und nach Rosenthals Forschungen ist dasselbe doppelter Erregbarkeit fähig, nämlich 1) direkt vom Blut aus, 2) indirekt oder reflektorisch vermittelst sensibler Nerven.
Solange der Fötus in der Gebärmutter verweilt, findet zwischen seinem und dem mütterlichen Blut, vermittelt durch die Gefäße des Mutterkuchens, ein lebhafter Diffusionsverkehr statt. Das mütterliche Blut nimmt bei der Atmung fortwährend Sauerstoff auf, und es muß deshalb aus demselben Sauerstoff in das fötale Blut übertreten, sobald letzteres daran ärmer ist als jenes. Dieser Gasaustausch wird bei der Geburt unterbrochen, und infolgedessen verarmt das Blut des Fötus an Sauerstoff, während der Kohlensäuregehalt steigt.
Der Fötus würde ersticken, wenn nun nicht die Lungenatmung einträte, die durch die Veränderungen im Gasgehalt des Bluts ausgelöst wird. Daß der erste Atemzug in der That eine Folge dieser Veränderungen ist, beweist zunächst die Thatsache, daß alle Einflüsse, welche den Placentarkreislauf in ähnlicher Weise unterbrechen oder verändern wie der Geburtsakt (z. B. Kompression der Nabelschnur, Ablösung der Placenta, Tod der Mutter), in gleicher Weise den ersten Atemzug der Frucht herbeiführen; sodann die Erfahrung, daß Schwankungen im Gasgehalt des Bluts während des Lebens in ganz ähnlicher Weise einwirken: Verminderung des normalen Gasaustausches in den Lungen verstärkt die Atmung, Vermehrung des Gaswechsels vermindert sie.
Weiter ist festgestellt worden, daß man die Atmung ohne jede Gefahr für das Leben vollständig aufheben kann, sobald man durch Einblasen von Sauerstoff oder auch atmosphärischer Luft in die Lungen das Blut mit Sauerstoff sättigt und die Kohlensäure fortschafft. Diesen Zustand, in welchem die Atmungsbewegungen wegen Sättigung des Bluts mit Sauerstoff stillstehen, hat Rosenthal Apnoe genannt, und es ist bemerkenswert, daß sich der Fötus bis zum Eintritt des ersten Atemzugs in einem dauernden Zustand der Apnoe befindet.
Anderseits werden die Atmungsbewegungen um so stärker, je ärmer an Sauerstoff oder je reicher an Kohlensäure das Blut ist, ein Zustand, den man als Dyspnoe bezeichnet hat. Die Dyspnoe ist als ein regulatorischer Vorgang aufzufassen, der entweder eine Sauerstoffvermehrung oder eine Kohlensäureverminderung bezweckt, und man unterscheidet dem entsprechend auch zwischen einer Dyspnoe aus Sauerstoffmangel und einer Dyspnoe wegen Kohlensäureüberladung. Man hat ermittelt, daß kohlensäurereiche Gasgemische selbst dann Dyspnoe erzeugen, wenn in ihnen der Sauerstoff reichlicher vorhanden ist als in der atmosphärischen Luft, und man fand, daß unter diesen Umständen selbst dann Dyspnoe vorhanden ist, wenn das Blut mehr Sauerstoff enthält als unter normalen Verhältnissen. Hat aber Sauerstoffmangel oder Kohlensäureüberladung eine bestimmte Grenze überschritten, so büßt das Zentrum durch übermäßige Reizung seine Erregbarkeit vollständig ein, und es tritt jetzt Erstickung (Asphyxie) auf.
Über die Art und Weise, wie die Einwirkung der Gase des Bluts auf das Zentrum zu stande kommt, lassen sich kaum Vermutungen aussprechen. Wir müssen uns mit der Vorstellung begnügen, daß innerhalb des Zentrums fortwährend chemische Prozesse verlaufen, von deren Intensität der jeweilige Erregungszustand des Zentrums abhängig ist, und daß diese Prozesse anders verlaufen, wenn ein reicher Strom von Sauerstoff durch die Kapillaren tritt, als unter entgegengesetzten Verhältnissen.
Es wurde bereits oben bemerkt, daß das Atmungszentrum auch durch sensible Nerven reflektorisch erregt werden kann. Die wichtigsten dieser Nerven sind die an die Lungen tretenden Zweige des Lungen-Magennervs oder Nervus vagus. Durchschneidung oder Reizung der Vagi machen sich in höchst bemerkenswerter Weise geltend. Wenn man nur einen Vagus am Hals durchschneidet, so ist dieser Eingriff in der Regel von keinem nennenswerten Einfluß auf die Respiration; durchschneidet man aber auch den andern Vagus, so nimmt die Zahl der Atemzüge ganz erheblich ab; hierbei nehmen aber die einzelnen Atemzüge zunächst derartig an Tiefe zu, daß die Gesamtleistung des Atmungsapparats, speziell die Größe des Gaswechsels, nicht nennenswert verringert wird. Hat man einen Vagus am Hals durchschnitten, so ist man durch Reizung des untern, den Lungen zugekehrten Endes dieses Nervs nicht im stande, eine sichtbare Einwirkung auf die Atmung auszuüben. Schickt
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man aber durch den obern, noch mit dem Gehirn zusammenhängenden Stumpf des Nervs elektrische Reize, so beobachtet man bei mäßiger Reizung eine Beschleunigung der Respirationsbewegungen, bei stärkerer Reizung aber erfolgt Tetanus der Respirationsmuskeln, also Stillstand der Atmung; speziell beobachtet man hierbei Tetanus an dem inspiratorisch kontrahierten Zwerchfell (Inspirationstetanus). Nach der Durchschneidung beider Vagi nimmt man auf elektrische Reizung der zentralen Stümpfe ganz ähnliche Erscheinungen wahr.
Die Erregung des Zentrums durch den Vagus läßt man vom Ausdehnungszustand der Lungen abhängig sein. Hering und Breuer konnten nämlich durch künstliches Aufblasen der Lungen mit Luft sofort eine Exspirationsbewegung auslösen, während sie durch Ansaugen von Luft aus den Lungen sogleich eine Inspiration erhielten. Nach der Durchschneidung der Vagi kamen diese Erscheinungen in Wegfall, und die Genannten schlossen deshalb, daß jede Inspiration einen Reiz für eine Exspiration, jede Exspiration aber wieder einen Reiz für eine neue Inspiration abgebe, und daß diese beiden Reize durch die Bahnen der Vagi vermittelt würden, die deshalb inspiratorische und exspiratorische Fasern besitzen müßten. Die ganze Erscheinung wird als die Selbststeuerung der Atmung bezeichnet.
Hautatmung nennt man den durch die Oberhaut vermittelten Gaswechsel. Der Effekt desselben ist bei den Säugetieren im Verhältnis zur Lungenatmung nur sehr gering. Bei der Hautatmung handelt es sich um die Ausscheidung von Kohlensäure und Wasser und um die Aufnahme von Sauerstoff, indessen hat die Ausscheidung ein bedeutendes Übergewicht über die Aufnahme. Die in 24 Stunden durch die Haut des Menschen zur Ausscheidung gebrachte Kohlensäuremenge schwankte bei verschiedenen Beobachtern zwischen 2,23 und 32,08 g. Die Hautatmung, welche man im Gegensatz zur Respiration als Perspiration bezeichnet, übertrifft bei den niedern Tieren, z. B. bei Fröschen, die Lungenatmung an Umfang.
Frösche vermögen noch nach Entfernung der Lungen zu leben und nehmen dann ungefähr ebensoviel Sauerstoff auf wie früher. Da überfirnißte Tiere schnell zu Grunde gehen, so hat man der Hautatmung früher eine große Rolle zugeschrieben, und man hat sich gedacht, daß nach Sistierung derselben der Tod durch Zurückhaltung eines schädlichen Auswurfsstoffs bedingt werde. Neuere Untersuchungen haben nachgewiesen, daß es sich hier um eine tödliche Abkühlung handelt, dadurch herbeigeführt, daß die nach dem Firnissen auftretende bedeutende Blutfüllung der Haut die Wärmeabgabe außerordentlich vermehrt.
Darmatmung nennt man den durch die Schleimhaut des Verdauungsapparats bewirkten Gasaustausch. Wir treffen im Verdauungsapparat ein Gemisch von Stickstoff, Kohlensäure und Sauerstoff an, ersteres Gas in der Regel in größter, letzteres in kleinster Menge. Diese Gase sind mehrfachen Ursprungs; Sauerstoff und Stickstoff sind auf verschluckte atmosphärische Luft zurückzuführen, während die Kohlensäure teilweise den Gärungsprozessen innerhalb des Verdauungsapparats, teilweise Diffusionsvorgängen zwischen Blut und Inhalt des Verdauungsapparats ihr Vorhandensein verdankt. Der verschluckte Sauerstoff wird vom Blut absorbiert, für diesen gelangt Kohlensäure in den Verdauungsapparat zurück. Die Darmatmung hat bei den Säugetieren einen noch viel geringern Umfang als die Hautatmung, spielt dagegen bei manchen niedern Tieren und auch bei einigen Fischen, z. B. dem in morastigen Gewässern lebenden Schlammbeißer (Cobitis fossilis), eine große Rolle.
b) Innere Atmung. Hierunter versteht man den Verkehr zwischen den Gasen des Bluts und den Geweben, wodurch die Umwandlung des arteriellen Bluts in venöses erfolgt. Der Vorgang ist noch in Dunkel gehüllt; man kann nämlich entweder den Herd der innern in das Blut verlegen und in ihm den Sauerstoff sich verbrauchen und die Kohlensäure sich bilden lassen, oder aber annehmen, daß die Gewebe dem Oxyhämoglobin den Sauerstoff entziehen und die Kohlensäure in das Blut eintreten lassen. Zu gunsten der ersten Anschauung spricht besonders die außerordentliche Schnelligkeit, mit der das Blut seinen Sauerstoff innerhalb des Kapillargebiets verliert, während doch die Absorptionskoeffizienten der Gewebe für Sauerstoff außerordentlich klein sind. Außerdem ist es bekannt, daß nicht allein die in den Geweben als Lymphe vorhandene Flüssigkeit entweder gar keinen oder nur sehr minimale Mengen von Sauerstoff enthält, sondern daß auch die Kohlensäurespannung der Lymphe weit geringer als diejenige des Bluts ist.
Hinsichtlich der Atmung fremder Gasarten ist ermittelt, daß Wasserstoff, mit der nötigen Menge Sauerstoff gemischt, längere Zeit ohne Nachteil eingeatmet werden kann, während er bei Abwesenheit von Sauerstoff schnell Erstickung herbeiführt. Giftige Gase, die durch ihre Aufnahme in das Blut schädliche oder tödliche Veränderungen erzeugen, sind: Kohlenoxyd, Stickstoffoxyd, Cyanwasserstoff, Schwefelwasserstoff, Phosphorwasserstoff, Arsenwasserstoff u. a. Berauschend und betäubend wirken: Stickoxydul, ölbildendes Gas, Kohlensäure. Von irrespirabeln Gasen, d. h. von solchen, welche Stimmritzenkrampf bewirken, seien genannt: Chlorwasserstoffsäure, Fluorwasserstoffsäure, Untersalpetersäure, schweflige Säure, Chlor, Ammoniak.
[Atmung der Pflanzen.]
Bei den Pflanzen findet, wie bei den Tieren, sowohl bei Tag als in der Nacht Atmung statt; sie besteht in der Wechselwirkung zwischen dem Sauerstoff der Atmosphäre und den organischen Verbindungen des Pflanzenkörpers. Hierbei bilden sich als letzte Produkte der Atmung Kohlensäure und Wasser. Bei Entziehung der Sauerstoffzufuhr hören zunächst die das Wachstum einleitenden molekularen Bewegungen in den Pflanzenzellen auf, die Strömungen des Protoplasmas, die periodischen Bewegungen der Blätter werden sistiert, und die reizbaren Organe verlieren ihre Empfindlichkeit.
Dauert diese Unterbrechung der Lebensthätigkeit längere Zeit, so tritt der Zustand der intramolekularen Atmung ein, d. h. die Pflanze fährt auf Kosten ihrer eignen Substanz fort, aus Kohlenstoff- und Sauerstoffmolekülen Kohlensäure zu bilden; daneben treten, ähnlich wie bei der Gärung, kleine Mengen von Alkohol aus. Zuletzt sterben die so behandelten Pflanzen aus Mangel an Sauerstoff den Erstickungstod. Die normale Atmung, welche als hauptsächliche Kraftquelle der Lebensbewegungen sowohl für die grünen Pflanzen als die chlorophylllosen Schmarotzer und Pilze jederzeit notwendig ist, tritt bei den Chlorophyllpflanzen insofern versteckt auf, als dieselben behufs ihrer Ernährung unter dem Einfluß des Sonnenlichts Kohlensäure zersetzen und Sauerstoff ausscheiden. Da dieser Assimilationsprozeß energischer verläuft als die Atmung, so verdeckt er bei Tag die trotzdem stattfindende Atmung, welche erst während der Dunkelheit rein hervortritt. Besondere Atmungswerkzeuge fehlen den Pflanzen, vielmehr
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befindet sich jede Pflanzenzelle in direktem Gasaustausch mit ihrer Umgebung; die Spaltöffnungen und die mit ihnen in Verbindung stehenden Luftgänge im Innern vieler Pflanzen dienen nur der Durchlüftung. Am lebhaftesten atmen junge Keimpflanzen, austreibende Knospen und sich öffnende Blüten, überhaupt energisch wachsende Pflanzenteile. Die mit jeder Oxydation verbundene Wärmeentwickelung läßt sich auch an lebhaft atmenden Pflanzen nachweisen; die Temperatursteigerung beträgt z. B. bei 100-200 zusammengeschichteten keimenden Erbsen 1,5° C., im Blütenkolben der Aroideen je nach Umständen 4-15°. Auch die Phosphoreszenz mancher Pilze, wie der Rhizomorphen, des Agaricus olearius, steht zur Atmung derselben in Beziehung, da dieselben in einem sauerstofffreien Raum sofort aufhören zu leuchten.