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ohne eine so sichere Lenkung auf dem rechten Weg zu bleiben, zeigte sich sofort während des Entscheidungskampfs mit Sparta, des Peloponnesischen Kriegs (s. d., 431-404), in den [* 2] in einer Machtstellung eintrat, welche es wohl zur Hoffnung auf den Sieg und die Hegemonie über Hellas berechtigte. Der Ausbruch der Pest, welche den Kern der Bürgerschaft dahinraffte, und der Tod des Perikles (429), nach welchem der Demos von ehrgeizigen, gewissenlosen Demagogen, wie Kleon, sich leiten ließ, vereitelten diese Hoffnung. Es war deshalb ein weiser Schritt, daß Nikias 421 Frieden mit Sparta schloß, welcher, gewissenhaft gehalten, zwar wohl nicht überall die Ruhe hergestellt, aber Athen doch einige Muße gewährt hätte, um frische Kräfte zu sammeln und den Kampf zu einer gelegenern Zeit mit Aussicht auf Erfolg aufzunehmen.
Aber der verbrecherische Ehrgeiz des Alkibiades stürzte von neuem in kriegerische Verwickelungen und verleitete das leichtfertige, abenteuerlustige Volk zu der gewagten Unternehmung gegen Sizilien [* 3] (415-413), deren Untergang Alkibiades selbst, als er durch die Ränke seiner Neider und Gegner verbannt war, hauptsächlich verschuldete, indem er aus Rachsucht den Spartanern die für die Athener verderblichsten Ratschläge gab. Die Vernichtung der Flotte und des Heers vor Syrakus [* 4] knickte Athens Macht für immer: in dem zweiten Teil des Peloponnesischen Kriegs, der 413 mit der Besetzung von Dekeleia in Attika durch die Spartaner und der Errichtung einer spartanischen Flotte im Ägeischen Meer mit Hilfe der Perser, beides auf Alkibiades' Rat, begann, kämpfte Athen nicht mehr um die Herrschaft über Griechenland, [* 5] sondern nur noch um seine Existenz und mit immer geringerer Aussicht auf Erfolg, da der Seebund durch den Abfall der meisten Städte und Inseln sich aufzulösen drohte und im Innern die geheimen Umtriebe der Hetärien (politischen Klubs) Unfrieden säeten, das Volk verwirrten und alle schlechten Leidenschaften entfesselten. Der Hermokopidenprozeß (s. d.) hielt Athen mehrere Jahre lang in fieberhafter Aufregung. Den Ranken ehrgeiziger Parteihäupter, welche in der Errichtung einer oligarchischen Regierung Macht und Vorteil zu erlangen hofften, gelang es 411 sogar, die Solonische Verfassung auf kurze Zeit zu stürzen.
Die Zurückberufung des Alkibiades durch die Flotte, mit welcher er 410-408 im Hellespont und in der Propontis glänzende Siege über die Spartaner erfocht, und seine Ernennung zum alleinigen Oberfeldherrn schienen das Glück wieder zu gunsten Athens wenden zu wollen. Aber das Volk wurde so von gewissenlosen Demagogen beherrscht, daß es diesen hochbegabten Mann, der nun wirklich alles aufbot, um sein Vaterland zu retten, 407 von neuem von sich stieß und sogar 406 die Strategen, welche die Schlacht bei den Arginusischen Inseln gewonnen hatten, unter leeren Beschuldigungen zum Tod verurteilte.
Die Parteileidenschaft und Selbstsucht hatten patriotische Hingebung und Vaterlandsliebe schon so in den Gemütern ertötet, daß Theramenes und andre oligarchische Parteiführer sich nicht scheuten, als Athen nach Vernichtung seiner letzten Flotte 405-404 von den Spartanern zu Wasser und zu Lande belagert wurde, selbst einen heldenmütigen Widerstand durch hinhaltende Verhandlungen zu verhindern und Athen endlich wehrlos dem Sieger zu überliefern. Daß Athen nicht völlig zerstört und seine Einwohner nicht teils getötet, teils in die Sklaverei verkauft wurden, wie es die Athener 416 mit Melos gemacht hatten, und wie jetzt die Korinther und Thebaner verlangten, hatte es nur der Gnade Spartas zu danken, welches sich begnügte, durch die härtesten Bedingungen Athen zu einem machtlosen Staat herabzudrücken.
Die Festungsmauern des Piräeus und die Verbindungsmauern mußten geschleift, alle Kriegsschiffe bis auf zwölf ausgeliefert, der Seebund aufgelöst werden, und die Athener sollten des Aufgebots der Spartaner zu Wasser und zu Lande stets gewärtig sein. Zugleich wurde ein oligarchisches Regiment, um eine neue Verfassung einzurichten, eingesetzt, die sogen. Dreißig Tyrannen, an deren Spitze Kritias und Theramenes standen. Erst nachdem diese Gewaltherrscher die schwersten Leiden [* 6] über die Stadt gebracht, wurden sie von den Flüchtlingen unter Thrasybulos 403 gestürzt und unter dem Archontat des Eukleides die demokratische Verfassung in etwas gemäßigter Form wiederhergestellt, wobei auch der Areopag sein früheres Aufsichtsrecht zurückerhielt.
Denn da die Ausschreitungen der zügellosen Demokratie, die Geringschätzung und Verspottung der alten Religion und der staatlichen Ordnung, die Verachtung der alten strengen Sitte das Unglück hauptsächlich heraufbeschworen hatten, so glaubten die Wiederhersteller des athenischen Staates eine Wiedergeburt desselben am sichersten durch Rückkehr zu den alten Ordnungen, durch eine gründliche Reaktion, welcher auch Sokrates 399 zum Opfer fiel, erreichen zu können, ohne zu bedenken, daß der Geist der Eintracht und der Ehrfurcht, der die alten Ordnungen erfüllte, nicht durch Gesetze zurückgerufen werden konnte.
Kämpfe mit Makedonien.
Die äußere Macht Athens war für immer vernichtet, es fehlte an allem, an Geld, an Schiffen, an Mannschaft; Attika hatte durch die beständigen Einfälle der Feinde entsetzlich gelitten, ein großer Teil der Bürgerschaft war verarmt, die äußern Hilfsquellen versiegt, ja die Bevölkerung [* 7] durch die großen Menschenverluste eine andre geworden, das alte Selbstbewußtsein war nicht mehr vorhanden. Was das politische Leben betrifft, so sind es jetzt nicht mehr die großen Pläne und Ziele der frühern Zeit, welche das athenische Volk und seine Staatsmänner bewegen, es ist vielmehr ein Leben von einem Tag zum andern, und obwohl (auch abgesehen von Demosthenes) noch manch bedeutender Mann auftrat (wie es denn an tüchtigen Anführern zu Lande und zur See nicht fehlte), so war die Masse doch zu geneigt, sich von Demagogen zu einem bequemen Nichtsthun verführen zu lassen, wozu namentlich die Besoldungen und das stehend gewordene Theatergeld sowie die Verwendung von Söldnern für den Kriegsdienst beitrugen.
Indessen kam der Zwist zu gute, in den Sparta durch sein Streben nach der Hegemonie mit seinen alten Bundesgenossen geriet, und verschaffte ihm Gelegenheit, von der spartanischen Herrschaft sich loszumachen. Im Korinthischen Krieg (395) schloß sich Athen auf persischen Antrieb an Theben und Korinth [* 8] gegen Sparta an, und es hatte den wichtigen Vorteil davon, daß Konon nach Vernichtung der spartanischen Flotte bei Knidos (394) mit persischem Gelde die Mauern Athens nebst den Befestigungen des Piräeus und den Verbindungsmauern wiederherstellen konnte. Auch im Antalkidischen Frieden (387) behielten die Athener wenigstens Lemnos, Imbros und Skyros. Die darauf folgenden Feindseligkeiten zwischen Theben und Sparta machten es den Athenern möglich, wieder eine bedeutendere Stellung zu erlangen. Indem sie sich, gereizt durch den Handstreich, wodurch der spartanische Feldherr Sphodrias den Piräeus ¶
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einzunehmen versucht hatte (378), an Theben anschlossen, fanden sie freien Spielraum, um wieder eine, freilich im Vergleich mit der frühern Zeit beschränkte, Seeherrschaft zu begründen, welche ca. 70 Städte und Inseln umfaßte, die ihre Autonomie zugesichert erhielten. Als die Spartaner dies zu hindern suchten, wurden sie bei Naxos (376) von Chabrias geschlagen, und Timotheos, Konons Sohn, sowie Iphikrates dehnten diese Herrschaft auch im westlichen Meer aus.
Als Thebens Macht zu groß wurde, Epameinondas und Pelopidas den Böotischen Bund erneuerten und diesem eine herrschende Stellung in Griechenland zu erringen strebten, schloß Athen 371 mit Sparta Frieden und sah unthätig dem Kampf zu, der die Kräfte Thebens und Spartas aufrieb. Aber zur Erneuerung der frühern kühnen Politik, welche allein Athen die Hegemonie hätte verschaffen können, zumal da in Makedonien ein neuer mächtiger Nebenbuhler auftrat, fehlten den Athenern selbstlose Vaterlandsliebe, Eintracht, Mäßigung, freier Blick und jener Schwung in den Gemütern, welcher sie in den Perserkriegen auszeichnete. Ihre ungerechte Gewaltthätigkeit gegen die Bundesgenossen bewirkte 357 den Abfall der mächtigsten, und in dem Bundesgenossenkrieg (357-355) rieb Athen seine Kräfte auf, ohne einen Erfolg zu erreichen; die meisten Bundesgenossen mußten freigegeben werden, der Athenische Seebund beschränkte sich auf Euböa und einige kleine Inseln, von denen es an Beiträgen nur 45 Talente empfing.
Athen war daher kaum mehr im stande, den Kampf mit Makedonien aufzunehmen, wozu Demosthenes mit patriotischem Eifer unermüdlich riet, und seine Schwäche hätte eine friedliche Übereinkunft mit König Philipp über die Verhältnisse Griechenlands wohl entschuldigt. Aber zu dieser Resignation mochten sich die Athener in Erinnerung an ihre stolze Vergangenheit nicht verstehen, und so schwankten sie jahrelang zwischen kühnen Anstrengungen, Philipp die Spitze zu bieten, und schwächlichen Friedensverträgen hin und her, während der schlaue Mazedonier, einen offenen Bruch mit Athen vermeidend, immer weiter vordrang und sich endlich in Mittelgriechenland mit solcher Macht festsetzte, daß er den entscheidenden Kampf wagen konnte. In diesem stritten die Athener im Bund mit den Thebanern bei Chäroneia 338 mit altem Heldenmut; ihre Niederlage war eine rühmlichere als am Ende des Peloponnesischen Kriegs. Athen mußte sich zwar den von Philipp gegebenen Bedingungen fügen und den Makedonierkönig als Bundesfeldherrn von Griechenland anerkennen; doch verdankte es dem Ruhm und den Verdiensten seiner großen Männer eine milde und ehrenvolle Behandlung von seiten der Sieger, die von Bewunderung und Ehrfurcht für athenische Kunst und Wissenschaft erfüllt waren.
Gleichwohl konnten die Athener den Verlust ihrer Freiheit und ihrer Hoffnungen auf Wiederherstellung der frühern Macht nicht sofort verschmerzen. Nach Philipps Ermordung (336) und auf die falsche Nachricht vom Tod Alexanders (335) stellten sie sich unter Demosthenes' Führung nebst den Thebanern an die Spitze der Erhebung, welche das makedonische Joch abschütteln sollte. Sie scheiterte, aber auch Alexander schonte Athen aus Achtung vor seiner Vergangenheit und ehrte es während seines Eroberungszugs in Persien [* 10] wiederholt durch Briefe und Geschenke.
Noch einmal versuchte Athen nach dem Tod Alexanders, die griechische Freiheit wiederherzustellen: angestachelt von Hypereides, geführt von Leosthenes, begann es gegen Antipatros den Lamischen Krieg (323-322), welcher aber nach der Schlacht bei Krannon mit der völligen Niederwerfung Athens endigte. Hypereides und Demosthenes starben als Märtyrer der griechischen Freiheit, Athen aber erhielt eine makedonische Besatzung, verlor infolge einer neuen Zensuseinrichtung über die Hälfte seiner Bürger und wurde durch eine von Antipatros eingesetzte oligarchische Regierung beherrscht, an deren Spitze Demades und Phokion standen.
Diese Oligarchie wurde gestürzt, als nach Antipatros' Tod 318 Polysperchon und Olympias die Oberhand bekamen; Phokion wurde hingerichtet und eine Demokratie eingesetzt, welche aber bald wieder aufhörte, als Kassandros in Athen erschien und Demetrios von Phaleron an die Spitze der Verwaltung stellte, der nun 317-307 Athen zu einem beträchtlichen Wohlstand erhob. Trotzdem riefen die Athener, welche in Demetrios den aufgedrungenen Gebieter haßten, Demetrios Poliorketes gegen ihn zu Hilfe, der 307 die Stadt einnahm und die demokratische Verfassung wiederherstellte, wofür ihm das der Freiheit unwürdige Volk von Athen die ausschweifendsten Ehren dekretierte. So schnell erlosch aber die Zuneigung der wankelmütigen Menge wieder, daß man dem durch die Schlacht bei Ipsos (301) seiner Macht beraubten »Oberfeldherrn des befreiten Griechenland« die Thore verschloß.
Derselbe eroberte 298 die Stadt, behandelte sie aber mit unverdienter Milde, indem er ihre Verfassung nicht antastete, sondern sich damit begnügte, in den Hafen von Munychia und in den Piräeus Besatzungen zu legen. Auch diese wurden 287 mit Hilfe des Epeirotenkönigs Pyrrhos vertrieben, wodurch die volle Unabhängigkeit wiedergewonnen ward, aber nur auf kurze Zeit, denn des Demetrios Sohn Antigonos Gonatas bemächtigte sich im Chremonideischen Krieg (266-262) der Stadt und unterwarf sie der makedonischen Herrschaft, von der sie erst frei wurde, als sie von Aratos, dem Feldherrn des Achäischen Bundes, durch Bestechung des Befehlshabers der makedonischen Besatzung erlöst und jenem Bund zugeführt wurde (229).
Athen unter römischer Herrschaft.
Allein eine Rolle von selbständiger Bedeutung hat Athen nicht mehr gespielt. In den Verwickelungen zwischen Makedonien und Rom, [* 11] zuerst 211-205, dann 200-197 und 171-167, war Athen eifrig auf seiten der Römer [* 12] und erhielt von diesen neben Befreiung vom makedonischen Joch auch auswärtige Besitzungen, wie Lemnos, Imbros, Paros, zum Geschenk; allein als 146 Griechenland von den Römern unterworfen wurde, kam auch Athen, obwohl es sich an dem letzten Krieg nicht beteiligt hatte, unter die Oberaufsicht des römischen Statthalters von Makedonien. Im Innern behielt es seine Ordnungen, nur daß die Römer die aristokratische Regierungsform begünstigten, dem Areopag einen größern Wirkungskreis gaben und den ersten Strategen mit einer Art Regentschaft ausstatteten.
Die Hauptbedeutung der Stadt lag von jetzt an darin, daß es durch seine großartigen Bauwerke, durch seine Kunst- und Philosophenschulen, überhaupt als Erbin einer großen Vergangenheit ein Zentralpunkt für die Studien wurde; nicht bloß sendete Athen seine Söhne und Schüler nach allen Ländern aus, sondern es wurde auch von den Gebildeten und Bildung Begehrenden, namentlich von den Römern, aufgesucht. Und so genoß die Stadt eines ehrenvollen Daseins, als sie durch eigne Unklugheit einen schweren Schlag erhielt. Aufgereizt von dem Demagogen und Philosophen Aristion, ergriff Athen 88 die Partei des pontischen Königs ¶