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Flotte, um Athen [* 2] gegen einen neuen Angriff der Perser widerstandsfähig zu machen. Da die Umgestaltung Athens zu einer Seemacht das Anwachsen der handel- und gewerbtreibenden Bevölkerung [* 3] zur Folge haben und den festen Grundbesitz in Macht und Ansehen schädigen mußte, widersetzte sich Aristeides dem Vorschlag des Themistokles und wurde daher 483 auf des Themistokles Betrieb durch eine Entscheidung des Scherbengerichts verbannt. Der Ertrag der Silbergruben des Bergs Laurion, der bisher zur Unterstützung ärmerer Bürger verwendet worden war, wurde jetzt auf Antrag des Themistokles für die Begründung und Unterhaltung der Kriegsflotte bestimmt.
Diese Maßregel, welche den Grund zur Größe Athens als Seemacht legte, rettete zugleich die Freiheit Griechenlands und damit die selbständige Entwickelung der occidentalischen Welt im zweiten Perserkrieg (480), in welchem die Athener, nachdem sie ihre Stadt der Zerstörung durch die Perser preisgegeben, bei Salamis, Platää und Mykale das meiste zu den glänzenden Siegen [* 4] über die Barbaren beitrugen. Auf Aristeides' Antrag ward das athenische Volk für seine edle Hingebung dadurch belohnt, daß nun auch die vierte Klasse zu den öffentlichen Ämtern und Würden zugelassen wurde.
Zwar suchten die eifersüchtigen Spartaner der Entwickelung Athens Hindernisse zu bereiten, aber nachdem die Gewandtheit des Themistokles trotz der spartanischen Intrigen der wieder aufgebauten Stadt eine Ringmauer verschafft und sie dadurch widerstandsfähig gemacht (478), nachdem auch der Übermut und Verrat des Pausanias die Spartaner um die Hegemonie in der Fortführung des Perserkriegs gebracht hatte (476), trat Athen an die Spitze der aufstrebenden Griechenwelt und gründete unter Aristeides' Leitung den Bund der Seestaaten (Symmachie), dessen Mitglieder zur Stellung von Schiffen und Truppen und zur Zahlung von Geldbeiträgen für den gemeinschaftlichen Krieg gegen die Perser sich verpflichteten.
Mittelpunkt war Delos, wo die Bundeskasse sich befand. Doch ward der Charakter des Bundes bald wesentlich dadurch verändert, daß die kleinern Staaten die Stellung ihrer Quoten an Schiffen und Truppen Athen überließen und bloß Geld zahlten, während mehrere größere Inseln, wie Naxos (466) und Thasos (463), einen Versuch, abzufallen, mit völliger Unterwerfung büßen mußten. Die Athener wurden so aus Bundesgenossen Herren und verfügten nach Gutdünken über die Geldmittel des Bundes, namentlich seit die Bundeskasse 460 nach Athen verlegt worden war.
Den Perserkrieg führten die Athener eine Zeitlang mit Kraft [* 5] und Erfolg fort; besonders war es Kimon, seit Aristeides' Tod (468) Führer der konservativen Partei in Athen, welcher im Innern Erhaltung des Bestehenden, nach außen ein enges Bündnis mit Sparta anriet, um die ganze Kraft Griechenlands gegen die Perser wenden zu können. Er erfocht auch 466 einen großen Doppelsieg zu Wasser und zu Lande über die Perser am Eurymedon. Aber als die Spartaner im dritten Messenischen Krieg das ihnen auf Kimons Rat zugesandte athenische Hilfskorps zurückschickten und so das athenische Volk schwer beleidigten, wurde Kimon 461 verbannt, und ein völliger Umschwung in der Politik Athens trat ein.
Der Mann, der jetzt den herrschenden Einfluß erlangte, Perikles, wollte im Innern durch Vollendung der Demokratie alle Kräfte des Volks entfesseln und zu den höchsten Leistungen befähigen, zugleich aber im Kampf mit Sparta die Hegemonie über Griechenland [* 6] erringen. Das Bündnis mit Sparta wurde gelöst und ein neues mit dessen Todfeind Argos geschlossen. Auf Antrag des Ephialtes wurde 460 der Areopag seiner wichtigsten Rechte der Oberaufsicht über die Staatsverwaltung, des sittenrichterlichen Amtes und der Rechtspflege, beraubt und auf den Blutbann beschränkt.
Die oberste Aufsicht über die Staatsverwaltung erhielten sieben Nomophylakes (Gesetzeswächter), die Gerichte die Heliäa, und da deren Geschäfte erheblich vermehrt wurden, zahlte man den Geschwornen fortan Sold; diesem Heliastikon folgte bald das Theorikon (Theatergeld). Mit der Vernichtung der Macht des Areopags wurde der letzte aristokratische Rest der Verfassung beseitigt. Der Schwerpunkt [* 7] des Staates lag jetzt in der Volksversammlung, die in ihren Beschlüssen durch nichts mehr beschränkt war und die fortan sehr oft zusammentrat.
Indem Perikles durch die Macht seiner Beredsamkeit das Volk, den Demos, beherrschte und leitete, regierte er mit fast monarchischer Gewalt das Staatswesen, aber zum Heil desselben, da er nie den schlechten Neigungen und Leidenschaften des Volks schmeichelte oder nachgab, sondern es für die Größe des Vaterlandes, für ideale Ziele, für Künste und Wissenschaften begeisterte. Freilich dauerte diese segensreiche Wirkung auch nur so lange, als er lebte. Seitdem auch für den Kriegsdienst und für die Teilnahme an der Volksversammlung ein Sold (Ekklesiastikon) bezahlt wurde, machten die Athener aus den öffentlichen Angelegenheiten ein Geschäft, und Eigennutz, Streitsucht, Parteigeist nahmen immer mehr überhand und vergifteten das staatliche Leben.
Neben diesen innern Reformen, welche die Hebung [* 8] der untern Stände und die Beteiligung aller am politischen Leben zum Zweck hatten, ging in jener Zeit eine lebhafte kriegerische Thätigkeit her. Im J. 460 ward von der Krieg gegen Persien [* 9] wieder aufgenommen. Ägypten [* 10] war unter Inaros, dem Satrapen des benachbarten Libyen, gegen Persien ausgestanden. Athen schickte eine große, prächtige Flotte zur Unterstützung des Aufstandes. Einige Jahre fochten die Athener glücklich.
Zuletzt aber wurden sie auf der Nilinsel Prosopitis von Megabyzos eingeschlossen und aufgerieben (455). Noch ehe dies geschah, hatte die mit Argos geschlossene Verbindung in einen Krieg mit den peloponnesischen Seestaaten Korinth, [* 11] Epidauros und Ägina verwickelt. Im J. 458 fielen die Athener in den Peloponnes ein, wurden zwar bei Halieis geschlagen, siegten aber zweimal zur See und schlossen Ägina ein. Um dies zu entsetzen, rückten die Korinther in Megaris ein und bedrohten das von seiner streitbaren Mannschaft fast ganz entblößte Attika. Da zog Myronides an der Spitze der Greise und Jünglinge gegen sie und schlug sie zweimal bei Megara.
Allerdings erlitten die Athener 457 wieder eine Niederlage, als sie sich den Spartanern bei Tanagra entgegenstellten, die von einem Feldzug zu gunsten von Doris gegen Phokis durch Böotien nach dem Peloponnes zurückkehren wollten. Allein die Spartaner zogen nach Hause, ohne den Sieg zu benutzen, und Myronides schlug (456) die Thebaner bei Önophyta, worauf Böotien, in dessen Städten die Aristokraten gestürmt und demokratische Regierungen eingesetzt wurden, Phokis und das opuntische Lokris sich dem Athenischen Bund anschlössen. In demselben Jahr wurden die langen Mauern nach dem Piräeus und Phaleron vollendet, durch welche Athen eine sichere Verbindung mit der See erhielt, und Ägina unterworfen. 455 wurde durch die Ansiedelung der flüchtigen ¶
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Messenier in Naupaktos am Korinthischen Meerbusen ein fester Punkt gewonnen und Achaia zum Anschluß an den Athenischen Bund bewogen, der nun schon einen beträchtlichen Teil des griechischen Festlandes umfaßte. Gleichzeitig ward der Friede im Innern hergestellt, indem Kimon, 457 zurückberufen, die öffentlichen Angelegenheiten in Gemeinschaft mit Perikles leitete. Um für den Untergang des athenischen Heers in Ägypten Rache nehmen zu können, brachte Kimon 450 einen fünfjährigen Waffenstillstand mit Sparta zu stande und unternahm 449 mit 200 Schiffen einen Zug nach Kypros, auf dem er vor Kition seinen Tod fand; noch nach seinem Tod errangen die Athener einen Seesieg über die Perser bei Salamis, und obwohl sie die Eroberung von Kypros aufgeben mußten, trat doch jetzt eine längere Waffenruhe zwischen Griechenland und Persien ein, welche die Freiheit der griechischen Städte in Asien [* 13] und die Sicherheit von Handel und Verkehr verbürgte.
Blüte Athens im Perikleischen Zeitalter.
Athen stand auf dem Höhepunkt seiner Macht. Perikles trat jetzt allein an die Spitze des Staates, welchen er 20 Jahre lang mit fast monarchischer Gewalt leitete. Allerdings erlitt Athen durch den Wiederausbruch der Feindseligkeiten mit seinen Gegnern in Griechenland erhebliche Verluste. Durch die Niederlage des Tolmides bei Koroneia 447 ging die Hegemonie über Böotien verloren, 445 fielen Euböa und Megara vom athenischen Bündnis ab, ein gleichzeitiger Einfall der Spartaner in Attika brachte den Staat in höchste Gefahr.
Indes Perikles wußte die Spartaner zu einem 30jährigen Frieden zu bewegen, indem Athen auf die Hegemonie zu Lande verzichtete, und beobachtete fortan, besonders Sparta gegenüber, eine friedliche Politik. Auf das letzte Ziel der athenischen Wünsche und Hoffnungen, die Herrschaft über ganz Griechenland, verzichtete er keineswegs, und es war ihm klar, daß es um diesen Preis noch zu einem großen Entscheidungskampf kommen müsse; aber er wollte denselben nicht provozieren und in der Friedenszeit Athen stark für die Entscheidung machen. Zu diesem Zweck mußte die Seeherrschaft Athens erweitert und verstärkt werden, daher der Abfall von Bundesgenossen, wie der von Euböa und 440 der von Samos und Byzantion, energisch bestraft wurde.
Durch Anlegung von Kolonien (wie Thurii in Unteritalien, Amphipolis an der Mündung des Strymon) wurde diese Herrschaft noch erweitert, attische Bürger wurden als Kleruchen auf Naxos, Andros, in der Chersones, an den Küsten des Schwarzen Meers angesiedelt; das aus inschriftlichen Urkunden zu ersehende Verzeichnis der zinspflichtigen Orte enthält über 260 Gemeinden, deren es im ganzen über 300 sein mochten. Über alle diese kleinern Städte und Staaten gebot Athen unbeschränkt.
Ein besonderes Augenmerk richtete Perikles auf die Finanzen, auf Anlegung eines großen Staatsschatzes. Der jährliche Tribut bestand in 600 Talenten (2,700,000 Mk.), konnte aber noch höher, möglicherweise aufs Doppelte, gesteigert werden. Andre beträchtliche Summen gingen ein durch die Zölle und Hafengelder, durch die Kopfsteuer der Metöken, durch die Erträge der Gold- und Silberbergwerke, namentlich an der thrakischen Küste, durch Pachtgelder etc., so daß zu Perikles' Zeit die Gesamteinnahme sich auf fast 5 Mill. Mk. belief, und daß trotz der kolossalen Ausgaben für Zwecke der Kunst und für die Besoldungen zu Anfang des Peloponnesischen Kriegs ein Staatsschatz von 6000 Talenten (ca. 30 Mill. Mk.) zur Verfügung stand. Eine Flotte von 300 Trieren [* 14] war stets kriegsbereit; die Landmacht bestand aus 13,000 Hopliten, wozu 16,000 Hopliten Landwehr kamen. Und diese Macht war in den Händen einer Bürgerschaft, welche verhältnismäßig klein genannt werden kann. Ganz Attika zählte ca. 100,000 Seelen bürgerlicher Bevölkerung, wozu noch ca. 40,000 Metöken und ca. 400,000 Sklaven kamen.
Aber nicht bloß für politische und militärische Zwecke wurden Summen gesammelt und verwendet: was die Periode des Perikles so großartig, ja einzig in der Geschichte macht, ist der bewundernswürdige Aufschwung der Kunst in den verschiedensten Beziehungen. Vor allem ward die Burg Athens, die Akropolis, [* 15] geschmückt mit den erhabensten Monumenten, dem Parthenon, dem Erechtheion, den Statuen der Athene, [* 16] den Propyläen etc., wobei Künstler wie Pheidias, Iktinos, Kallikrates thätig waren.
Aber auch sonst wurde die Stadt aufs reichste mit Kunstbauten ausgestattet, und daneben wurden Bauten zu Schutz und Sicherheit nicht versäumt. Die Verbindungsmauern zwischen Stadt und Hafen wurden um eine dritte vermehrt, die Befestigungen des Piräeus, Werften und Schiffshäuser erweitert. Kein Wunder, daß Athen die erste Stadt der griechischen Welt, ein Sammelplatz und eine Bildungsschule von Hellas, in geistiger Beziehung seine Hauptstadt wurde. Die berühmtesten Philosophen und Künstler jener Zeit, wie Anaxagoras, Gorgias, Protagoras, Pheidias, Polygnotos u. a., hielten sich immer oder zeitweilig in Athen auf; die Philosophie und Beredsamkeit entwickelten sich zur höchsten Blüte, [* 17] namentlich aber fand die Poesie, zumal die dramatische, die edelsten Vertreter.
Das Drama hatte von jeher in Athen die sorgfältigste Pflege gefunden, aus anfänglich dürftigen Elementen wurde es durch Äschylos und noch mehr durch Perikles' Zeitgenossen Sophokles und Euripides auf seinen Höhepunkt erhoben. Diese Blüte fand eine wesentliche Unterstützung durch das Theatergeld, welches auch dem ärmern Bürger den Besuch der Aufführungen möglich machte, und durch die Liberalität, womit von seiten des Staates die Umzüge und Vorstellungen unterstützt wurden, wie denn für musische Zwecke auch das von Perikles erbaute Odeion bestimmt war.
Nimmt man dazu, daß auch in materieller Beziehung aufs beste gesorgt war, daß durch Handel und Seefahrt, Industrie und Teilnahme an den öffentlichen Arbeiten Wohlstand und Fülle mehr und mehr sich verbreiteten, so kann man wohl diese (freilich kurze Zeit) als die schönste Periode der ganzen griechischen Geschichte bezeichnen. Bildungseifer und Schönheitssinn waren dem Ionier von Natur eigen, und diesen Anlagen kam die Staatsverwaltung des Perikles aufs liberalste entgegen.
Sturz Athens.
Aber freilich verbargen sich hinter diesen glänzenden Erscheinungen auch große Schäden und furchtbare Gefahren. Das von Natur zum Leichtsinn und Übermut geneigte Volk wurde durch seine Souveränität zu einer Selbstüberschätzung verleitet, welche sich den »Bundesgenossen« gegenüber in despotischer Unterdrückung zeigte; durch die Leichtigkeit des Lebens, welche durch die Besoldungen u. dgl. bewirkt wurde, griff die Lust zum Müßiggang mehr und mehr um sich. Die nächste Gefahr aber lag darin, daß keine Gewähr dafür vorhanden war, ob nach dem Tode des Perikles ein Nachfolger seine Stelle ausfüllen werde. In der That war es Perikles nicht vergönnt, unter den vielen talentvollen Zeitgenossen einen ebenbürtigen Nachfolger zu finden; daß aber das Volk nicht sittlich stark genug war, um auch ¶