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Konflux der verschiedensten Kulturzustände und Nationalitäten. Vor allem sind in der Stadt die Rassen des Königreichs repräsentiert: Rumelioten, Mainoten, Wlachen, Albanesen, Fanarioten, unter denen sich Italiener, Briten, Franzosen, Deutsche, [* 2] Afrikaner und Asiaten in den mannigfaltigsten Trachten bewegen. Athen [* 3] ist der Mittelpunkt des politischen, wissenschaftlichen und finanziellen Lebens des ganzen Landes, tritt jedoch in Industrie und Handel völlig hinter seine Hafenstadt Piräeus zurück.
Von industriellen Etablissements bestehen in der Hauptstadt selbst nur vier Spiegelfabriken, je eine Fabrik für Wagen, Schokolade, Dampfnudeln und Eis, [* 4] ferner eine Marmorschneiderei; die einzige Seidenfabrik ist eingegangen. Im Piräeus betrug der Wert der Einfuhr 1881: 46 Mill., der der Ausfuhr 2,2 Mill. alte Drachmen; daselbst liefen 1883: 10,732 Schiffe [* 5] (davon 9275 griechische) von 2,430,520 Ton. ein, 10,849 Schiffe von 2,415,654 Ton. aus (näheres s. unter Piräeus). Athen ist der Sitz eines deutschen Konsuls und von fünf größern Banken. Von wissenschaftlichen Anstalten besitzt Athen eine Universität, das deutsche archäologische Institut, die École française d'Athènes, ein Gymnasium, eine Sternwarte [* 6] (auf dem Nymphenhügel im SW.), einen botanischen Garten, [* 7] ein anatomisch-pathologisches Museum, ein andres für Naturgeschichte, eine Nationalbibliothek mit ca. 150,000 Bänden, die Bibliothek der Kammer (6000 Bände), eine Münzsammlung, ein Schullehrerseminar, ein Polytechnikum mit der Sammlung mykenischer Altertümer und dem Museum der Archäologischen Gesellschaft, das Rhizarion (geistliches Seminar), einen Archäologischen Verein, dessen reiche Altertümersammlung sich im Gymnasion Varvakion befindet, und mehrere wissenschaftliche und gemeinnützige Gesellschaften.
Die Universität, 1837 eröffnet, besteht aus vier Fakultäten und ist nach dem Muster der Münchener eingerichtet. Es lehren an ihr 60 Professoren und 19 Privatdozenten; die Zahl der Studierenden beträgt etwa 1350. Ferner werden Schulen für Knaben und Mädchen, darunter mehrere Lancastersche, von dem Stadtrat unterhalten; auch besteht eine deutsche Elementarschule. Die Verwaltung Athens steht unter dem Präfekten (Nomarchos) von Attika, der unmittelbar dem Ministerium des Innern untergeordnet ist.
Die städtischen Angelegenheiten leitet ein Bürgermeister (Demarchos) nebst mehreren ihm beigeordneten Beisitzern und einem Gemeinderat, welch letztere Behörden sämtlich von der Gemeinde (Demos) erwählt werden. Am wurde die Eisenbahn von Athen nach Piräeus (die erste in Griechenland) [* 8] eröffnet und im Juli 1884 die Linie Athen-Eleusis der Bahn Piräeus-Patras, an welche sich eine Linie von Korinth [* 9] nach Nauplia anschließen soll. Eine Bahn von Athen nach Laurion ist im Bau, geplant ist eine Linie von Piräeus über Athen und Livadia nach Larissa.
Geschichte Athens.
Königtum und Aristokratie.
Durch seine Lage auf der felsigen Halbinsel Attika, welche durch unwegsame Gebirge vom Festland getrennt ist, dem Strom der Völkerzüge entrückt, blieb Athen lange ungestört ein Wohnsitz pelasgischer Bevölkerung; [* 10] nur zur See empfing es Einwanderer und Ansiedler, zuerst Phöniker, dann kleinasiatische Stämme, Dardaner, Karer und Leleger. Sie brachten neue Götterdienste in das Land und begründeten die ersten Anfänge einer höhern Kultur. In ihrer Sage knüpften die Athener diese Zeit der Einwanderung und der Begründung eines Staatslebens an den Namen des Kekrops, [* 11] der aus Sais eingewandert sein soll. Er soll die Burg von Athen, die Kekropia, erbaut haben.
Auf ihr erwählt sich Zeus [* 12] ein Heiligtum, Athene [* 13] pflanzt den Ölbaum und erringt den Sieg über Poseidon [* 14] als die eigentliche Polias, die Burg- und Landesgottheit. Erechtheus ist der erste König. Nach und nach siedelten sich auch Ionier in Athen an, verschmolzen sich mit den Erechthiden und machten die Stadt zur mächtigsten in Attika, welche die übrigen elf Stadtgemeinden zur Unterwerfung bringt, ihre vornehmsten Geschlechter nach Athen zieht und Attika zu Einem Staatswesen vereinigt.
Als Urheber dieser Landesvereinigung (Synoikismos) wurde Theseus verehrt. Die Bevölkerung ward ansehnlich vermehrt, als infolge der dorischen Wanderung zahlreiche vornehme Geschlechter aus Böotien, Ägialeia, Messenien, Trözen und Ägina in Athen Zuflucht suchten. Der Nelide Melanthos (aus dem messenischen Geschlecht Nestors) kam nach den Erechthiden auf den Thron [* 15] von Athen. Das Volk war in drei Stände gegliedert: die Eupatriden (Adel), die Geomoren (Landbauer) und die Demiurgen (Gewerbsleute).
Die erstern bilden den Staat; sie sind im Besitz der großen Landgüter, Priester und Krieger; sie sind zu Geschlechtern, von diesen je 30 wieder zu Phratrien vereinigt. Außerdem bestand die politische Einteilung des Volks in die vier alten ionischen Phylen: Geleonten, Hopleten, Ägikoreis und Argadeis. Das Königtum endete 1068 v. Chr. mit Melanthos' Sohn Kodros, der sich bei einem Einfall der Dorier in Attika für sein Volk opferte; da der Sage nach sich nun niemand würdig fühlte, sein Nachfolger zu sein, wählte man fortan Archonten.
Doch war Verwirkliche Ursache dieser Änderung wohl die Eifersucht der jüngern Mitglieder des königlichen Geschlechts, welche an den königlichen Ehren teilhaben wollten. Der Archon herrschte lebenslänglich, und sein Amt vererbte nach dem Rechte der Erstgeburt, doch war er dem Geschlecht des Königs und dem Areopag verantwortlich. Im J. 753 ward die Lebenslänglichkeit des Archontats aufgehoben und die Amtsdauer auf zehn Jahre beschränkt, 714 die Erbfolge aufgehoben und die Wählbarkeit jedes Eupatriden festgesetzt. Im J. 683 endlich ward die Dauer des Amtes einjährig und seine Macht unter neun Archonten verteilt.
Erst jetzt war die Verfassung eine aristokratische, eine Parteiherrschaft, welche den Eupatriden alle Rechte und Vorteile zuwies und den übrigen Ständen immer drückender wurde. Namentlich die rücksichtslose Handhabung des Schuldrechts erbitterte das Volk, besonders die Paraler, die Handel- und Gewerbtreibenden, und die Diakrier, die Bauern und Hirten im Bergland, während die großen Grundbesitzer Pedieer hießen. Der erste Versuch, diese Opposition zu dämpfen, war die Gesetzgebung Drakons (620), welche aber nur in einer Schärfung des Blut- und Schuldrechts bestand (»die Gesetze mit Blut geschrieben«) und die Adelsherrschaft befestigte.
Der Versuch des Eupatriden Kylon, eine Tyrannis zu errichten (612),
mißlang; doch wurde durch die dabei vorgekommenen blutigen Szenen (die Anhänger Kylons wurden an den Altären getötet, daher »Kylonischer Frevel«) die Adelsherrschaft erschüttert, und namentlich mußte das mächtigste Geschlecht, das der Alkmäoniden, die Stadt räumen. Ein unglücklicher Krieg mit dem Tyrannen Theagenes von Megara steigerte die Aufregung; vor einer verderblichen Revolution wurde aber der Staat bewahrt durch Solon, ¶
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einen der edelsten Männer der ganzen griechischen Geschichte.
Verfassungsreformen.
Solon, schon 604 durch die Wiedergewinnung des an Megara verlornen Salamis populär geworden, gab dem Staat 594 als Archon eine neue Verfassung. Nachdem er die Geldverhältnisse durch die sogen. Seisachtheia (»Entlastung«, Aufhebung der Schuldknechtschaft und Ermäßigung der Hypothekenschulden um 27 Proz.) geordnet, gab er seine Verfassung, welche Rechte und Pflichten nach dem Vermögen der Bürger in Grundbesitz festsetzte (Timokratie), so jedermann die Möglichkeit eröffnete, zu den höchsten Ämtern aufzusteigen, und doch den bestehenden Zustand, das Übergewicht des Adels, nicht mit einemmal beseitigte. Er teilte zu diesem Zweck das Volk in vier Klassen: die Pentakosiomedimnen, welche wenigstens 500 Scheffel (oder entsprechend viel Wein und Öl) jährlich bezogen;
die Hippeis, 300-500;
die Zeugiten, 300-150;
die Theten. Die drei ersten Klassen leisteten den Kriegsdienst als Schwerbewaffnete und zahlten Steuern;
die erste Klasse hatte als besondere Leistung die Kriegsschiffe zu bauen und auszurüsten;
die vierte Klasse war steuerfrei und diente nur leichtbewaffnet, später als Schiffsbemannung.
Das Archontat blieb der ersten Klasse vorbehalten, die andern Ämter waren auch der zweiten und dritten Klasse zugänglich. Neben den Archonten stand der Rat (Bule), der, aus 400 über 30 Jahre alten Bürgern der ersten drei Klassen bestehend, die Verwaltung, Finanzen, Gesetzgebung zu überwachen hatte; die Mitglieder jeder der vier Phylen bildeten als »Prytanen« einen regierenden Ausschuß. Zur Volksversammlung (Ekklesia) hatten alle Bürger Zutritt; es fanden jährlich vier Versammlungen statt, der Geschäftskreis derselben umfaßte Wahl der Beamten, Rechenschaftsabnahme, die wichtigsten politischen Entscheidungen.
Dem alten Blutgericht des Areopags gab Solon eine zensorische Aufsichtsgewalt über Staatswesen und Sitte. In den gewöhnlichen Streitsachen entschied die Heliäa, das aus 5000 jährlich durchs Los gewählten Mitgliedern bestehende Geschwornengericht. Neben den Bürgern waren noch da die Metöken (Beisassen), Fremde, welche gegen eine Kopfsteuer im Land wohnten, aber vor Gericht einen Vertreter (Prostates) brauchten, meist Gewerbsleute und Kaufleute, und endlich Sklaven (in der Blütezeit etwa 500,000 Seelen im ganzen).
Die Solonische Verfassung bildet den Ausgangspunkt für die gesetzliche Entwickelung des athenischen Staatswesens. Zunächst aber folgten noch Unruhen, welche besonders durch die Unzufriedenheit der sich verkürzt glaubenden Geschlechter hervorgerufen wurden. Dadurch erhielt der tapfere und listige Peisistratos Gelegenheit, mit Hilfe der Diakrier sich der Tyrannis zu bemächtigen, welche er nach zweimaliger Vertreibung 538-527 dauernd behauptete; jedoch war seine Regierung sehr wohlthätig.
Zunächst schuf sie Ruhe und Ordnung, überhaupt aber herrschte er mit Milde und Mäßigung und hatte das gemeine Beste im Auge; [* 17] besonders war er auch bemüht, geistige Bildung in Athen zu verbreiten. Er achtete die rechtlichen Formen und erlaubte sich in dieser Beziehung keine Eingriffe in die Solonische Verfassung. In seinem Sinn herrschten nach seinem Tod (527) seine Söhne Hippias und Hipparchos gemeinschaftlich fort bis 514. In diesem Jahr wurde Hipparchos, der jüngere der beiden Brüder, von Harmodios und Aristogeiton aus Privatrache ermordet. Seitdem neigte sich Hippias zum Argwohn und zur Grausamkeit; er glaubte sich furchtbar machen zu müssen, um sicher zu sein. Daher verlor er bald jede feste Stütze in Athen. Die in Verbannung lebenden Alkmäoniden gewannen das delphische Orakel für sich, und dieses bewog die Spartaner zu einem Heereszug gegen Athen. So gelang es 510, Hippias zu vertreiben, welcher in Persien [* 18] Aufnahme fand.
Der Alkmäonide Kleisthenes bildete nun die Solonische Verfassung im demokratischen Sinn um, indem er die vier alten Phylen auflöste und das Volk, welches er durch Aufnahme von Metöken vermehrte, in 10 neue Phylen einteilte, welche in 100, späterhin in 174 Demen zerfielen, die geographisch getrennt waren. So wurde nicht bloß der Zusammenhang der alten Geschlechter gelöst, sondern auch das niedere Volk dem Einfluß der großen Grundbesitzer entzogen. Der Rat bestand fortan aus 500 Mitgliedern, 50 aus jeder Phyle, und zerfiel demnach in 10 Abteilungen (Prytanien), die abwechselnd je den zehnten Teil des Jahrs die Staatsverwaltung leiteten.
Demgemäß wurde die Zahl der jährlichen Volksversammlungen auf 10 erhöht. Auch wurde bestimmt, daß die Ämter durchs Los besetzt werden sollten, welches unter den vorhandenen Bewerbern zu entscheiden hatte; doch behielten in dieser Beziehung die drei ersten Klassen ihre Vorrechte. Endlich führte Kleisthenes das sogen. Scherbengericht (Ostrakismos, s. d.) ein, durch welches Bürger auf zehn Jahre verbannt werden konnten, die durch ihre Macht oder durch ihre politischen Bestrebungen dem Staatswohl gefährlich wurden.
Als der Spartanerkönig Kleomenes erkannte, daß der Sturz der Tyrannis in Athen die Einführung der Demokratie und eine große Machtentwickelung der Stadt zur Folge hatte, machte er einen Versuch, nach Vertreibung des Kleisthenes eine aristokratische Regierung unter Isagoras einzusetzen. Indes der Versuch mißlang, und ein Heereszug der Peloponnesier unter den Königen Demaratos und Kleomenes 507 scheiterte durch die Zwietracht seiner Führer und den Widerspruch der Korinther. Die gleichzeitig von Norden [* 19] her in Attika eingefallenen Böotier und Chalkidier wurden von den Athenern zurückgeschlagen. Das Gebiet von Chalkis wurde von 4000 athenischen Kleruchen besetzt. Athens Macht stieg seitdem immer mehr, und in gleichem Verhältnis entwickelte sich in dem verjüngten Staate das Bewußtsein seiner Kraft. [* 20]
Begründung der athenischen Macht.
Bald genug bekam Athen Gelegenheit, seine Kraft zu gebrauchen und zu zeigen. Durch den Zusammenstoß der Griechen in Kleinasien mit der persischen Macht kam auch den europäischen Griechen die Gefahr nahe, von der asiatischen Großmacht angegriffen zu werden. Daher unterstützten die Athener die gegen Persien sich erhebenden Ionier (499) mit 20 Schiffen, zogen aber dadurch (nach der Niederschlagung des ionischen Aufstandes) die Perser nach Europa [* 21] herüber. In der hierdurch hervorgerufenen großen Gefahr bewährten die Athener eine hingebende Vaterlandsliebe, eine Begeisterung und eine Tapferkeit und Tüchtigkeit, die sie den Spartanern ebenbürtig zur Seite stellten und sie ermutigten, nach dem höchsten Ziel, der Herrschaft über ganz Hellas, zu ringen. Den ersten Perserkrieg (490) bestand Athen fast allein und errang unter Miltiades den glänzenden Sieg von Marathon. Nach Miltiades' Tod traten Themistokles und Aristeides an die Spitze des Staates. Ersterer erbaute den neuen Hafen Piräeus und betrieb den Bau einer großen ¶