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Zeitgenossen. Newtons Verdienst bezüglich des allgemeinen Gravitationsgesetzes besteht zunächst darin, mit Zahlen nachgewiesen zu haben, daß die irdische Schwerkraft, wenn sie abnimmt im umgekehrten Verhältnis des Quadrats der Entfernung, gerade ausreicht, den Mond [* 2] in seiner Bahn zu erhalten. Bekanntlich hat er diesen Nachweis schon 1666 versucht; er scheiterte aber an der ungenauen Kenntnis des Erdradius. Erst als er 1682 den genauern, aus der Picardschen Gradmessung [* 3] abgeleiteten Wert dieser Größe erfuhr, zeigte die Rechnung die gewünschte Übereinstimmung.
Neben jener unsterblichen Entdeckung des Gravitationsgesetzes verdienen aber auch andre Arbeiten Newtons [* 4] im Fach der Physik und Mechanik eine ausgezeichnete Stelle in der Geschichte der Astronomie, [* 5] wie seine Theorie des Lichts, seine Verbesserung der Teleskope etc. Er war nicht selbst Beobachter, aber Zeitgenosse des großen Astronomen Flamsteed. Halley (1656-1742) beobachtete um dieselbe Zeit die Kometen [* 6] genauer und benutzte seinen Aufenthalt auf St. Helena zur Anfertigung eines »Catalogus stellarum australium«.
Die Observatorien zu Greenwich und Paris [* 7] wurden um diese Zeit gegründet, und ihre großartige Ausrüstung und regelmäßige Thätigkeit ließ alles, was sonst in Europa [* 8] für astronomische Beobachtungen geschah, weit hinter sich zurück. Erst um die Mitte des 18. Jahrh. begann man auch an andern Orten zweckmäßige Sternwarten [* 9] zu errichten. Dagegen beginnt mit Flamsteed in England und mit der Astronomenfamilie Cassini in Frankreich eine Reihe thätiger Astronomen, unter denen mehrere die Beobachtungskunst bedeutend förderten. Der größte und sorgfältigste Beobachter des 18. Jahrh. ist Bradley in Greenwich (1692-1762), dessen Arbeiten erst in diesem Jahrhundert durch Bessel ihre volle Würdigung erfahren haben. Er ist der Entdecker der Nutation und der Aberration des Lichts. [* 10] Sein Nachfolger ward der unermüdet thätige Maskelyne, der fast 100,000 Sterndurchgänge beobachtete.
Für die beobachtende Astronomie eröffnete um die Mitte des vorigen Jahrhunderts die Erfindung der achromatischen Ferngläser durch Dollond (der theoretische Erfinder ist Euler) eine neue Periode; die unbequemen langen Fernrohre, durch welche die ältern Beobachter den Übelstand der Farbenzerstreuung [* 11] der Objektive auf ein unschädliches Maß zu reduzieren suchten, wurden nun beiseite gelegt, denn ein Dollondscher Achromat von 3 m Länge übertraf an optischer Kraft [* 12] die alten von einigen Hundert Fuß Brennweite.
Von fast noch größerer Wichtigkeit war die Vervollkommnung der Spiegelteleskope durch William Herschel und die zu gleicher Zeit eingeführte Vereinfachung der mechanischen Hilfsmittel der Beobachtung. Man kam zu der Überzeugung, daß es nur weniger Arten von Instrumenten bedürfe, die nach Gebrauch und Einrichtung in zwei Klassen zerfallen: in solche, die nur in einem Vertikalkreis (Meridian) beweglich sind, und in solche, die nach allen Seiten hin gewendet werden können.
Mit erstern bearbeitete man die großen Sternverzeichnisse und die darauf gegründeten Sternkarten. Auch hierin waren die Briten Vorgänger, welche überhaupt seit Newtons Zeit bis gegen Ende des 18. Jahrh. den unbestrittenen Primat in dem Astronomenstaat behaupteten. Die berühmten Herschelschen Arbeiten gehören nicht in die Reihe der Ortsbestimmungen, sie sind Betrachtungen der Himmelskörper und können in mancher Beziehung als Fortsetzungen der Cassinischen angesehen werden, übertreffen diese aber an Genauigkeit und Ausdehnung. [* 13] So entdeckte Herschel zu den fünf Cassinischen Monden des Saturn noch zwei, sah zuerst die Teilung des Ringes, bestimmte seine und des Planeten [* 14] Umdrehungszeit, entdeckte den Uranus u. a. Noch weit erfolgreicher waren seine Forschungen am Fixsternhimmel. Er fand gegen 700 Doppelsterne, maß sie nach ihrem gegenseitigen Abstand und Richtungswinkel und bestimmte ihre Farben, untersuchte ferner 2500 Nebelflecke [* 15] (man hatte bis auf Messier nur etwa 20 gekannt, und dieser hatte sie bis auf 102 vermehrt), löste die Milchstraße und mehrere Nebelflecke in Sterne auf, untersuchte die Zahl und Verteilung der sichtbaren Fixsterne [* 16] etc. Bei seinen Arbeiten unterstützte ihn seine Schwester Karoline; sein einziger Sohn, John Herschel, wurde Erbe seines Ruhms und Talents.
Durch des letztern Beobachtungen der Doppelsterne mit James South, durch seine Revision der von seinem Vater entdeckten Nebel und durch seine Entdeckungen am südlichen Himmel, [* 17] zu welchem Zweck er sich mehrere Jahre am Vorgebirge der Guten Hoffnung aufhielt, hat er sich dem Vater ebenbürtig gezeigt. Auch in Frankreich herrschte das 18. Jahrh. hindurch und namentlich gegen Ende desselben eine rege, die astronomische Wissenschaft fördernde Thätigkeit. Clairaut hatte zuerst die ungeheure Arbeit, die Wiederkehr eines Kometen voraus zu berechnen, nach den Andeutungen Halleys glücklich gelöst; die Vorhersagung traf bis auf einen Monat ein.
Messiers unermüdeter Thätigkeit verdanken wir die Auffindung von nicht weniger als 19 Kometen. Lagrange (1736-1813) und Laplace (der Verfasser der »Mécanique céleste«, 1749-1827) verfeinerten die Analysis und machten sie zur Lösung der schwierigsten und verwickeltsten Probleme geschickt, während Lalande und sein Neffe Lefrançais durch genaue Ortsbestimmung [* 18] der Sterne sich den Dank der künftigen Beobachter gesichert haben. Franzosen waren es ferner, welche zuerst durch Gradmessungen die [* 1] Figur der Erde bestimmten und den Grund zu einer genauern Erforschung des südlichen Himmels legten. Die Bestimmung der Sonnenparallaxe durch die Venusdurchgänge 1761 und 1769 muß als ein Resultat des Zusammenwirkens fast aller zivilisierten Nationen Europas angesehen werden. Das Verdienst, zuerst darauf aufmerksam gemacht zu haben, wie dieses wichtige Element gefunden werden konnte, gebührt aber dem weit blickenden Halley. - In Deutschland [* 19] treffen wir in der ersten Hälfte des 18. Jahrh. nur auf vereinzelte Bestrebungen; die Sternwarten zu Wien, [* 20] Berlin, [* 21] Göttingen [* 22] konnten nicht mit denen von Greenwich und Paris wetteifern, und die Kirch und Hell mochten sich ebensowenig mit den Messier und Bradley messen.
Höher steht Tobias Mayer (1723-62), und der größte Analytiker seiner Zeit, Leonhard Euler, gehört wesentlich Deutschland an. Bodes (1747-1826) langjähriges folgenreiches Wirken war mehr ein schriftstellerisch verarbeitendes als ein schaffendes und selbst beobachtendes; aber seine Sternverzeichnisse und Sternkarten, vor allem jedoch seine Ephemeriden haben der Wissenschaft viel genützt. Gegen Ende des Jahrhunderts machte Zach seine zahlreichen Ortsbestimmungen, indem er zuerst den Sextanten zu diesem Zweck im großen benutzte. Bürg, Olbers u. a. bereicherten die theoretische und praktische Astronomie durch wichtige ¶
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Arbeiten. Die Sternkunde fand jetzt Verbreitung und Anerkennung in einem Maß, wie es bisher noch nie der Fall gewesen war. Auch Schweden, [* 24] Dänemark, [* 25] Italien [* 26] und selbst Rußland blieben jetzt nicht zurück; Wargentin, Carlini, Piazzi u. a. waren als Beobachter und zum Teil auch als Theoretiker für Erweiterung der Wissenschaft thätig.
Die erste Nacht des 19. Jahrh. ist durch die Entdeckung eines neuen Planeten, der Ceres, durch Piazzi in Palermo [* 27] bezeichnet, und es wurden nun bis 1807 noch drei andre Planetoiden entdeckt. Die Bemühungen von Olbers zur Auffindung noch weiterer Planetoiden blieben freilich seit der Entdeckung der Vesta (1807) erfolglos, weil noch keine hinreichend genauen Sternkarten vorhanden waren, welche eine Unterscheidung der kleinen Wandelsterne von den lichtschwachen Fixsternen ermöglichten. Es ist eins der Hauptverdienste Bessels, die Ausführung solcher Karten, welche sich auf die Sterne bis zur 9. Größenklasse erstrecken, angeregt zu haben.
Dieselben haben es im Lauf der Jahre seit 1845 ermöglicht, mehr als 200 weitere kleine Planeten unter dem unermeßlichen Heer der lichtschwachen Fixsterne herauszufinden. Die glücklichsten Planetenentdecker, Gasparis, Hind, Luther, Goldschmidt, Peters, Watson, sind auch diejenigen, welche über die durch eignen Fleiß vervollständigten reichhaltigsten Himmelskarten verfügen. Wichtiger noch als die Auffindung der kleinen Planeten erwies sich die scharfsinnige Untersuchung der Störungen des Uranus, welche Leverrier 1846 unternahm, und deren glänzendes Ergebnis die theoretische Entdeckung des Neptun ist, der nach den Anweisungen Leverriers von Galle an dem bezeichneten Orte des Himmels aufgefunden ward. Zu den großartigsten Leistungen der neuern Zeit auf dem Gebiet der beobachtenden Astronomie gehört die Herstellung des großen »Atlas [* 28] des nördlichen gestirnten Himmels« durch Argelander unter Mitwirkung von Schönfeld und Krüger (Bonn [* 29] 1857-63, 40 Karten). Die Grundlage dieser Himmelskarten bildet die Durchmusterung des nördlichen Himmels, welche 1852-62 auf der Bonner Sternwarte [* 30] ausgeführt worden ist und alle Sterne bis zur 9.-10. Größenklasse umfaßt. Die Gesamtzahl der angestellten Beobachtungen beträgt in runder Summe 1,065,000.
Fortschritte der Astronomie in der neuesten Zeit.
Die neueste Ära, welche eine wichtige Vervollkommnung der Astronomie bezeichnet, datiert von Einführung der Chemie und Experimentalphysik in die astronomischen Beobachtungsmethoden. Die Erfindung der Photographie hat in der Vervollkommnung, welche ihr die Bemühungen der Chemiker gegeben, für die Astronomie eine hohe Bedeutung erlangt. Denn gegenwärtig wird sie nicht nur mit Erfolg benutzt, um am Fixsternhimmel durch treue Wiedergabe von Doppelsternen die Messungen ihrer Abstände und gegenseitigen Lagen wesentlich zu präzisieren, sondern sie findet eine noch lohnendere Aufgabe in der Darstellung von Bildern der Oberfläche von Sonne [* 31] und Mond; ebenso hat man die Spektren der Sterne, ja selbst die von Kometen photographiert.
Die Photometrie [* 32] des Himmels hat in jüngerer Zeit nicht minder überraschende Fortschritte gemacht. Steinheils Scharfsinn gab zuerst Mittel an die Hand, [* 33] strenge Messungen der Sternhelligkeiten an Stelle der frühern rohen Schätzungen zu setzen. Einen weitern wesentlichen Fortschritt auf diesem Gebiet bildet die Konstruktion des Zöllnerschen Astrophotometers. Die folgenreichste Anwendung auf dem astronomischen Gebiet fand aber die Spektralanalyse. [* 34] Sie lieferte eine solche Menge von neuen und glänzenden Entdeckungen, wie sie in der gesamten Vergangenheit nur das Jahrhundert, in welchem das Fernrohr [* 35] erfunden wurde, aufweist.
War es bisher nur möglich, in den Meteoriten die stoffliche Zusammensetzung zu erkennen, so untersucht heute dank der bewundernswerten Erfindung der prismatischen Analyse des Lichts der astronomische Physiker die chemische Zusammensetzung der entferntesten Weltkörper qualitativ fast mit derselben Sicherheit wie der Chemiker den Körper, den er im Laboratorium [* 36] unter den Händen hat. Durch die Entdeckung von Kirchhoff und Bunsen sind Arbeiten ermöglicht worden, infolge deren wir gegenwärtig mehr über die stoffliche Zusammensetzung der Fixsternwelt als über deren Dimensionen und Bewegungsverhältnisse wissen.
Die Spektralanalyse hat in dem unermeßlichen Heer der Fixsterne vier bestimmte und wohl voneinander unterschiedene Typen erkannt, auf die sich alle Individualitäten zurückführen lassen. An der Hand dieses neuen Hilfsmittels konnte ferner sein Schöpfer Kirchhoff die Unrichtigkeit der von Wilson und Herschel aufgestellten Theorie der physischen Zustände des Sonnenballs nachweisen, und die Beobachtungen von Spörer in Anklam [* 37] erwiesen bald die Richtigkeit der neuen Kirchhoffschen Sonnentheorie, die dann auch durch die spektroskopische Beobachtung der totalen Sonnenfinsternis [* 38] durch Deutsche, [* 39] Engländer und Franzosen in Indien bestätigt ward.
Die Sonne erwies sich als ein glühender Gasball, der von einer weniger erhitzten Atmosphäre umhüllt ist. Die bei totalen Sonnenfinsternissen am Sonnenrand beobachteten Protuberanzen erwiesen sich als ungeheure Säulen [* 40] glühenden Wasserstoffs, die mit furchtbarer Gewalt von der Sonnenoberfläche 20,000, ja bis 40,000 und in einzelnen Fällen selbst bis zu 50,000 Meilen mit Geschwindigkeiten von vielen Meilen in der Sekunde emporgeschleudert werden. Das Haupthindernis der genauern Kenntnis der Protuberanzen war bis dahin das strahlende Sonnenlicht gewesen, welches nicht erlaubte, jene Gebilde am hellen Sonnenrand zu erkennen, daher man zu ihrer Beobachtung auf die paar Minuten der gänzlichen Bedeckung der Sonne durch den Mond bei totalen Sonnenfinsternissen angewiesen war.
Auch diesem großen Übelstand ist durch die Spektralanalyse abgeholfen, indem sie, wie zuerst Lockyer und Janssen fanden, es möglich macht, die Protuberanzen zu jeder Tagesstunde am Sonnenrand zu sehen. Ebenso hat uns die Spektralanalyse in der neuesten Zeit wichtige Aufschlüsse über die Natur der Kometen geliefert. Die Bedeutung derartiger astrophysischer Untersuchungen hat bereits zur Anlage eigner Observatorien geführt, wie zu Potsdam [* 41] und Meudon. Genaueres über die Ergebnisse enthalten die Art. Sonne und Spektralanalyse.
Die Sternschnuppen, sonst ein Stiefkind der Astronomie, haben in den letzten Jahrzehnten, hauptsächlich durch die Arbeiten von Schiaparelli, ein ganz unerwartetes Interesse gewonnen durch den Nachweis ihres Zusammenhangs mit den Kometen; vgl. Kometen und Sternschnuppen.
Wie auf andern Gebieten menschlicher Thätigkeit, so hat sich auch neuerdings in der Astronomie mehr als früher das Streben geltend gemacht, zahlreiche Kräfte einzelner zur Erreichung eines gemeinsamen Ziels zu ¶