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Zirkumpolarsternen vor; auch bestimmte er aus den Dämmerungserscheinungen die Höhe der Atmosphäre. Der Perser Al Sufi entwarf im 10. Jahrh. in Bagdad einen wertvollen, kürzlich von Schjellerup veröffentlichten Sternkatalog. Im 11. Jahrh. berief der Perserfürst Malek Schah Astronomen, um die Länge des tropischen Jahrs zu bestimmen; sie fanden 365 Tage 5 Stunden 48 Minuten 48 Sekunden und müssen folglich sehr gute alte Beobachtungen verglichen haben. Um einen richtigen Kalender zu erhalten, schlug Omar Chejam einen 33jährigen Cyklus mit 8 Schalttagen vor, so daß statt des 32. Jahrs erst das 33. ein Schaltjahr sein sollte, eine Einrichtung, welche der Wahrheit noch näher kommt als selbst die gregorianische.
Das von Bagdad ausgehende Licht [* 2] hatte einzelne Strahlen nach Spanien, [* 3] Persien [* 4] sowie zu den Tataren und Mongolen ausgesandt, die noch glänzten, als die Hauptquelle versiegt war. In Spanien arbeitete Alfons X., König von Kastilien, von mehreren Gelehrten unterstützt, an der Verbesserung der Sonnentafeln. Auch die Herrscher der Mongolenfürsten waren den Wissenschaften wohlgesinnt, und der große Dschengischan wünschte sich, wiewohl vergebens, einen Astronomen; erst seinem Enkel Hulagu gelang es, den berühmten Nasireddin zu gewinnen, dem er eine Sternwarte [* 5] zu Meragah im nordwestlichen Persien baute, wo dieser auf Grund eigner Beobachtungen die unter dem Namen der ilekhanischen bekannten astronomischen Tafeln entwarf. Auch der Enkel Timurs, der Uzbeke Ulugh Beigh in Samarkand, beförderte die astronomische Wissenschaft und leitete selbst die Arbeiten an der von ihm errichteten prachtvollen Sternwarte.
Erwähnung in der Geschichte der Astronomie [* 6] verdienen noch die Chinesen. Bekanntlich hatte Chinas Omar, der Kaiser Schihoangti, vor etwa 2100 Jahren die chinesischen Bücher verbrannt und darunter auch die astronomischen. Indes stellte man sie bald nachher, teils aus Erinnerungen alter Leute, teils aus geretteten Bruchstücken, wieder her. Aber der Himmel [* 7] und die Tabellen stimmten je näher, desto schlechter, und man mußte zuletzt eine allgemeine Reform der Astronomie dekretieren.
Yhang war es, der den schwierigen und gefährlichen Auftrag erhielt. Er verfertigte neue Sonnentafeln, edierte ein Sternverzeichnis nebst Sternkarten, schickte zwei Gesellschaften von Mathematikern, eine nach Norden, [* 8] die andre nach Süden, um das Reich zu messen und zu beschreiben. Das Wichtigste aber, was wir den Bemühungen der Chinesen verdanken, sind Kometenbeobachtungen, welche die alten Griechen, Römer, [* 9] Byzantiner etc. gänzlich vernachlässigt haben. Sind auch die chinesischen Ortsbestimmungen für die Kometen, [* 10] welche den Europäern durch die Jesuitenmissionen übermittelt worden sind, nur ungenau, so haben doch Pingré und Burckhardt aus denselben eine Anzahl Bahnen näherungsweise ableiten können, und diese sind über ein Jahrtausend hindurch die einzigen, welche wir haben.
Neuere Geschichte der Astronomie in Europa.
Wie wir gesehen, waren die Leistungen der Araber nicht ohne alle Wirkung auf das Abendland geblieben. Gegenseitiger Fanatismus trat zwar vielfach hindernd in den Weg, aber Cordovas Hochschule war selbst in der Zeit des bittersten Religionshasses von Schülern aus christlichen Staaten besucht, und in wichtigen Fragen sehen wir christliche Gelehrte mit Bekennern des Mosaismus und des Islam zur gemeinsamen Arbeit und Beratung vereinigt. Doch war der Anteil der erstern nur höchst gering.
Allerdings ist die Zahl der Kommentatoren und Kompilatoren der astronomischen Werke des Altertums vom 10. bis in die Mitte des 15. Jahrh. keine ganz kleine, und Weidler und Riccioli führen deren mehr als 50 auf; aber nicht einer hat die Wissenschaft theoretisch oder praktisch bereichert, wenn wir nicht etwa Peter d'Ailly ausnehmen, der gegen Ende des 14. Jahrh. vergeblich auf den Fehler des julianischen Kalenders aufmerksam machte. Einen höhern Rang in der Wissenschaft nimmt nur Roger Bacon (gest. 1294) ein.
Deutschland [* 11] erzeugte den ersten Astronomen der neuern Zeit, Georg Purbach (1423-61), dessen Schüler Regiomontanus (1436-76) in Wien, [* 12] Rom und [* 13] Nürnberg [* 14] als Lehrer der Astronomie auftrat und in letzterer Stadt einen reichen Bürger, Bernh. Walther, für die Astronomie gewann, der mit großen Kosten Instrumente anschaffte und in der Rosengasse zu Nürnberg die erste deutsche Sternwarte anlegte, auf welcher er mit Regiomontanus beobachtete. Die Zeit bestimmten sie durch die Fixsterne, [* 15] und 1472 beobachteten sie als die ersten in Europa [* 16] einen Kometen, indem sie seine Abstände von andern Sternen maßen. Sixtus IV. berief den berühmten Regiomontanus behufs der Kalenderverbesserung nach Rom, wo derselbe indessen schon im 40. Jahr seines Alters starb. Walther setzte die Beobachtungen allein fort und bediente sich dabei seit 1484 einer mechanischen Uhr. [* 17]
War auch bis dahin mehrfach das Ungenügende der Ptolemäischen Weltansicht, welche die Erde in das Zentrum der Welt setzte und Mond, [* 18] Sonne [* 19] und Planeten [* 20] um sie laufen ließ, erwiesen, so war es doch dem 15. Jahrh. vorbehalten, ein vollkommneres an dessen Stelle zu setzen. Nikolaus Kopernikus (1472-1543) beobachtete und forschte 23 Jahre, um ein der Natur entsprechendes und einfaches System aufzustellen, das er in seinem Werk »De revolutionibus orbium coelestium« entwickelt hat, mit dessen Herausgabe er so lange zögerte, daß er es nur auf seinem Sterbebett gedruckt zu Gesicht [* 21] bekam. Er legte zunächst der Erde eine tägliche Bewegung in der Richtung von W. nach O. um ihre Achse und eine jährliche in gleicher Richtung um die Sonne bei; in derselben Richtung bewegen sich auch sämtliche Planeten um die Sonne.
Außerdem schrieb er auch noch der Erdachse irrtümlich eine jährliche konische Bewegung zu. Durch die Annahme einer Bewegung der Erde und der Planeten um die ruhende Sonne ließen sich die scheinbaren Bewegungen der Sonne und Planeten, insbesondere die von den Alten unterschiedenen beiden Ungleichheiten der letztern, die ungleiche Geschwindigkeit und die rückläufigen Bewegungen und Stillstände, einfacher als in dem geozentrischen System der Alten erklären.
Übrigens behielt aber Kopernikus die exzentrischen Kreise [* 22] und Epicykeln bei, nur verminderte er die Zahl der letztern. Das 16. Jahrh. hat außer Kopernikus noch einige Bearbeiter der astronomischen Wissenschaften aufzuweisen. Sein Schüler Rhäticus, Professor in Wittenberg [* 23] (1514-72), vervollkommte die Rechnungsmethoden. Peter Apianus (Bienewitz) zu Ingolstadt [* 24] war als praktischer Beobachter ausgezeichnet und bemerkte unter anderm, daß die Kometenschweife stets von der Sonne abgewendet sind. Reinhold (1511-53) entwarf Tabellen auf Grund einer Ausgleichung der Beobachtungen des Ptolemäos und des Kopernikus, die Pruthenischen ¶
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Tafeln. Mannigfache Verbesserungen erfuhren in dieser Zeit die astronomischen Instrumente und die Beobachtungsmethoden. Besonders sind die Erfindungen des Transversalmaßstabs, des Nonius [* 26] und des Proportionalzirkels hervorzuheben. Auf der vom Landgrafen Wilhelm IV. zu Kassel [* 27] errichteten Sternwarte arbeiteten Christ. Rothmann und Justus Byrg mit außerordentlicher Thätigkeit. Sie bestimmten 900 Sterne, suchten eifrig nach der Sonnenparallaxe, gelangten aber zu der Überzeugung, sie sei für ihre Instrumente unmeßbar. Auch befolgten sie bereits die in neuerer Zeit von Bessel wieder zur Anwendung gebrachte Methode, das Passageinstrument im ersten Vertikal zu gebrauchen. In die zweite Hälfte des 16. Jahrh. gehört auch die Kalenderverbesserung Gregors XIII. (s. Kalender). Der größte Astronom des Jahrhunderts nächst Kopernikus ist aber Tycho Brahe.
Tycho Brahe (1546-1601) ist der Reformator der Beobachtungskunst, wie Kopernikus der des Weltsystems. Er war der erste, der die Breite [* 28] seines Beobachtungsorts durch Zirkumpolarsterne bestimmte und zur Berichtigung seiner Instrumente anwendete, der erste, der die Refraktion bei seinen Beobachtungen in Rechnung brachte, obwohl er in Erklärung dieser Erscheinung nicht glücklich war. Er entdeckte die Variation und die jährliche Ungleichheit der Mondbahn. Auch zeigte er, besonders durch Beobachtungen an dem Kometen von 1577, daß diese Körper sich weit jenseit des Mondes befinden.
Brahe ist auch der erste seit Hipparch, der eine Berichtigung sämtlicher Elemente unternahm und durchführte; er hat 777 Sterne mit Sorgfalt und einer mindestens sechsmal so großen Genauigkeit als Hipparch beobachtet. In Prag, [* 29] das dem in seinem Vaterland in Ungnade gefallenen Astronomen eine Freistätte bot, fand der große Meister seinen noch größern Schüler. Johann Kepler (1571 bis 1630) benutzte Brahes und seine eignen Beobachtungen, um die wahre Gestalt der Planetenbahnen zu erforschen, und fand nach langen vergeblichen Versuchen das Rechte.
Namentlich war es der Planet Mars, [* 30] dessen Bewegung er mit der noch von Kopernikus festgehaltenen Theorie eines exzentrischen Kreises unvereinbar fand. In seinem Hauptwerk: »Astronomia nova de motibus stellae Martis« (Prag 1609),
legte er seine mühsam, fast nur durch Versuche gewonnenen beiden ersten Gesetze nieder;
neun Jahre später folgte in der »Harmonia mundi« das dritte.
Die von ihm gefertigten sogen. Rudolfinischen Tafeln übertrafen alles in diesem Fach bisher Geleistete. Kepler erlebte noch die Anwendung des neuerfundenen Fernglases und machte selbst Vorschläge zu dessen Verbesserung. Die 1608 in Holland von Hans Lippershey zu Middelburg gemachte Erfindung verbreitete sich rasch im ganzen gebildeten Europa, und die wichtigsten Entdeckungen am Himmel folgten nun rasch aufeinander. Simon Marius fand die Jupitertrabanten, Scheiner die Sonnenflecke, Galilei die Sichelgestalten der Venus und die ersten Spuren des Saturnrings, die Ringgebirge des Mondes u. a. In wenigen Jahrzehnten hatten sich die Objekte der Astronomie nach allen Seiten hin mehr als verdoppelt, und das bewaffnete leibliche Auge [* 31] durchschaute Fernen, welche vorher selbst das geistige nicht geahnt hatte; dieses aber erhob sich erst jetzt zu einer einigermaßen würdigen Vorstellung vom Weltall.
Galilei (1564 bis 1642) war der größte Naturforscher seiner Zeit, durch physikalische, mechanische und astronomische Entdeckungen gleich ausgezeichnet. Seine ersten großen, freilich erst später in ihrer wahren Bedeutung für die Astronomie erkannten Entdeckungen waren die Gesetze der Pendelschwingungen und des freien Falles der Körper. Er zeigte ferner, daß das Gewicht der Körper keinen Einfluß auf die Gesetze des Falles habe, sondern nur der Widerstand der Luft.
Als Astronom war er einer der unermüdlichsten Beobachter, aber viele seiner Entdeckungen sind nur in vertrauten Briefen an Freunde enthalten. Er schlug zuerst die Trabanten des Jupiter zu Längenbestimmungen vor, beobachtete und beschrieb drei Kometen und entdeckte mit dem letzten Rest seines Augenlichts noch 1637 die Libration des Mondes. René Descartes (Cartesius, 1596-1650) versuchte, die Natur und Bewegung der Himmelskörper durch seine berühmt gewordene, aber unhaltbare Wirbeltheorie zu erklären.
Verdienter hat sich Cartesius um die Physik und auch um die Astronomie durch seine Untersuchungen über das Licht gemacht. Was er über Strahlenbrechung [* 32] und Reflexion [* 33] sowie über Fern- und Vergrößerungsgläser gesagt hat, sichert ihm einen ehrenwerten Platz auch unter den Astronomen. Schon in Galileis Zeit fallen die ersten Versuche, die Mondoberfläche darzustellen: Galilei selbst, Scheiner, Rheita versuchten sich darin ohne sonderlichen Erfolg. Hevel in Danzig [* 34] ist der erste, der 1643 ein Mondbild zu stande brachte; sein Sternkatalog wurde bald durch andre verdrängt, aber mehrere Sternbilder tragen bis heute die Namen, welche er ihnen gab. Riccioli, der Verfasser eines neuen »Almagest«, gab wenige Jahre später eine neue, von Grimaldi verzeichnete Mondkarte heraus, die aber der Hevelschen nachstand.
In die zweite Hälfte des 17. Jahrh. fallen die Entdeckung der Geschwindigkeit des Lichts durch Olaf Römer 1675; die Wahrnehmung und Erklärung der Abnahme der Länge des Sekundenpendels mit abnehmender geographischer Breite durch Richer; die wichtigen Arbeiten des ältern Cassini an der 1667 erbauten Pariser Sternwarte, der mit seinen bis über 62 m langen Fernrohren hauptsächlich die Planetenoberflächen untersuchte, ihre Flecke, ihre Rotationszeit, ihre Trabanten, ihre Abplattung etc. bestimmte, auch die genauere Form des Librationsgesetzes entdeckte und überhaupt der thätigste Astronom seiner Zeit war;
ferner die Entdeckung der wahren Gestalt des Saturnrings und des ersten (in der Reihenfolge der Abstände vom Saturn sechsten) Saturntrabanten durch den großen Physiker Huygens;
die Erkennung der wahren Gestalt der Kometenbahnen durch Dörfel;
endlich die größte aller physischen Entdeckungen: das Newtonsche Gravitationsgesetz.
Der Entdeckung des Gesetzes der Schwere war bereits mehrfach vorgearbeitet. So suchte der Italiener Borelli in seiner »Theorie der Mediceischen Planeten« (Flor. 1666) die Bewegungen der Himmelskörper von der gegenseitigen Anziehung abzuleiten und verglich diese Anziehung mit der des Magnets. In England hatte schon zu Anfang des 17. Jahrh. Gilbert an die gegenseitige Anziehung des Mondes und der Erde, der Planeten und der Sonne etc. geglaubt und diese Ansicht in der Schrift »De mundo nostro sublunari philosophia nova«, welche erst nach seinem Tod 1651 erschien, ausgesprochen. Auch Kepler hatte schon ziemlich richtige Ansichten von der Anziehung der Himmelskörper. Als ein rein mechanisches Problem faßten dieselbe zuerst Wren und Hooke auf, Newtons [* 35] ältere ¶