sein
Schicksal vorhersagen will, so sucht er zuerst für die Zeit seiner
Geburt nach dem
Horoskop
[* 2] oder nach dem
Punkte der
Ekliptik,
der im
Augenblick der
Geburt dieses
Menschen eben aufging, die zwölf
Häuser des
Himmels auf (s. Figur). Diese werden nämlich
durch die zwölf Positionskreise bestimmt, welche als die größten
Kreise
[* 3] der
Sphäre den
Äquator in zwölf
gleiche Teile teilen und durch den nördlichen und südlichen
Durchschnitt des
Horizonts mit dem
Meridian gehen, während der
Positionsbogen in der den zwischen dem Positionskreis und dem
Meridian enthaltenen Teil des
Äquators bildet.
Außerdem sind der
Kopf und der
Schwanz des
Drachen oder die
Knoten, in welchen die
Ekliptik durch die Planetenkreise geschnitten
wird, und die
Region des
Glücks (der
Fortuna) oder die
Entfernung der
Ebene des
Mondes von der
Sonne noch zwei für die Astrologie wichtige
Himmelsräume, welche, wenn sie innerhalb der einem
Menschen gehörigen
Konstellation liegen, den
Grad seiner
Macht etc. erhöhen. Das übrige der
Kunst besteht hauptsächlich in einer genauen Ausfüllung des obigen
Schemas durch
Beobachtung
und Berechnung, um dann daraus eine weissagende Antwort zu bilden.
Vgl.
Maury, La magie et l'astrologie dans l'antiquité
et au moyen-âge (4. Aufl., Par. 1877);
Mensinger, Über ältere und neuere Astrologie (Berl. 1872);
die
Lehre
[* 11] von derStellung der
Gestirne am
Himmel,
[* 12] den
Gesetzen
ihrer
Bewegung und ihren physischen Eigentümlichkeiten. Der
Begriff der Astronomie, anfangs fast nur die Ergebnisse der kunstlosen
Beobachtung
des
Himmels und der Veränderungen an ihm umfassend, hat sich von
Jahrhundert zu
Jahrhundert erweitert. Ihr großes
Gebiet läßt sich nach verschiedenen
Gesichtspunkten einteilen. Am nächsten liegt die Trennung in praktische
und theoretische von denen die erstere alles umfaßt, was sich auf die unmittelbare
Beobachtung, sowohl mit bewaffnetem als
mit unbewaffnetem
Auge,
[* 13] bezieht, während die theoretische Astronomie, fußend auf dem von der
Beobachtung dargebotenen
Material, auf
mathematischem Weg die
Gesetze aufzufinden strebt, welche denErscheinungen zu
Grunde liegen.
Sie findet in vielen
Fällen, daß die praktische Astronomie nur den
Schein der
Dinge erfaßt hat, und lehrt dann die wahre Sachlage
kennen, wie sie z. B. die scheinbaren
Bewegungen der
Gestirne auf die wahren zurückführt. Sie ist im stande, mittels der
ihr bekannten allgemeinen
Gesetze denOrt derGestirne für einen beliebigen zukünftigen Zeitpunkt zu bestimmen,
z. B.
Sonnen- und Mondfinsternisse,
Oppositionen und
Konjunktionen,
Bedeckungen und Vorübergänge auf das genaueste vorherzubestimmen
etc., und zeigt so auch wiederum der praktischen Astronomie
Ort und Zeit an, wo sie ihre
Beobachtung anzustellen hat.
Vielfach teilt man die gesamte theoretische in drei Teile: sphärische, theorische (bisweilen auch theoretische
genannt) und physische Astronomie. Die sphärische Astronomie betrachtet die
Erscheinungen, wie sie sich unmittelbar am
Himmel darstellen. Der
Name rührt daher, daß die
Gestirne dem unbefangenen Beobachter auf der Innenseite einer
Kugel (sphaera) erscheinen, in deren
Mittelpunkt sich das
Auge scheinbar befindet. Unter theorischer (von
Theorie, d. h. spekulierendes Nachdenken)
versteht man den rein berechnenden, auf
Raum- und Zeitbestimmungen beruhenden Teil der Astronomie; sie geht von den scheinbaren auf
die wahren
Bewegungen zurück.
Die physische Astronomie dagegen wird alsdann bestimmt als die
Lehre von den
Ursachen der wahren
Bewegungen, von den
Kräften, durch
welche die Himmelskörper aufeinander wirken, wohin z. B. die
Gesetze der
Gravitation, der Zentripetal- und
Zentrifugalkraft
[* 14] gehören; zu ihr rechnet man daher auch die
Theorie von den
Gesetzen der elliptischen
Bewegung der Himmelskörper, von den gegenseitigen
Störungen der elliptischen
Bewegung, von der durch die
Rotation bewirkten
Abplattung der
Erde etc. Häufig
versteht man aber unter physischer Astronomie auch die
Lehre von der physischen
Beschaffenheit der Himmelskörper.
Gegenwärtig wird indessen dieser
Zweig der der in neuerer Zeit, besonders infolge der Anwendung der
Photographie und
Spektralanalyse
[* 15] auf die
Beobachtung der Himmelskörper, einen glänzenden Aufschwung genommen hat, gewöhnlich mit dem
NamenAstrophysik bezeichnet.
Geht die nähere Betrachtung der Himmelskörper über das, was die
Beobachtungen mit Sicherheit zu folgern gestatten, hinaus,
und untersucht sie z. B. nach Wahrscheinlichkeitsgründen den
Zweck der Weltkörper, die
Natur ihrer Bewohner etc., so wird
sie zur Konjekturalastronomie, die sehr leicht sich des
Namens einer
Wissenschaft ebenso unwürdig macht wie die
Astrologie.
Hilfswissenschaften der Astronomie sind: reine
¶
mehr
Mathematik in ihrem ganzen Umfang, sowohl die elementare als die höhere Analysis, wie ja viele der wichtigsten analytischen
Untersuchungen nur durch Probleme veranlaßt worden sind, welche die Astronomie stellte; viele Zweige der angewandten Mathematik, namentlich
Mechanik und Optik, erstere sowohl behufs genauer Kenntnis der astronomischen Instrumente und der Wirkung ihrer
einzelnen Teile wie auch als Mechanik des Himmels (wie zuerst Laplace sie genannt hat) zur Einsicht in den innern Zusammenhang
der Bewegungen und zur Entwickelung der Bedingungen des Gleichgewichts und der Stabilität der Weltkörper und ihrer Systeme; letztere,
die Optik, ist namentlich dem Beobachter unentbehrlich, denn sie hauptsächlich lehrt die Instrumente verfertigen
und zweckmäßig anwenden und gibt über viele Erscheinungen an den Weltkörpern die Aufschlüsse; die Physik im engern Sinn,
insbesondere auch die Meteorologie, nicht als sollte der Astronom das Wetter
[* 17] bestimmen, sondern weil der Luftkreis das Medium
ist, durch welches wir die Himmelskörper erblicken, und weil die darin vorgehenden Veränderungen sowohl
auf den Ort, wo, als auf die Art, wie sie uns erscheinen, den wesentlichsten Einfluß haben.
Die Geschichte der Astronomie reicht in das höchste Altertum zurück. Unter dem reinen Himmel Südasiens und Ägyptens sehen wir die
ersten Forscher mit Beharrlichkeit viele Jahrhunderte hindurch die augenfälligsten und für die Zeitrechnung
wichtigsten Phänomene, namentlich die Mond- und Sonnenfinsternisse nebst dem Auf- und Untergang derSterne, beobachten. Die
Chaldäer haben hauptsächlich die chronologischen Grundlagen festgestellt; ihr 18jähriger Saros ist das sprechendste Denkmal
ihres ausdauernden Fleißes. Im alten Indien hat man die Planeten beobachtet, ihre Zusammenkünfte unter
sich und mit dem Mond bestimmt und die Perioden ihres Umlaufs abgeleitet.
Durch Rückwärtsberechnung seltener von ihnen beobachteter Konjunktionen sowie durch Vergleichung ihrer cyklischen Perioden
mit unsrer heutigen Theorie hat sich aber die Behauptung des hohen Alters der indischen Astronomie nicht in dem früher angenommenen
Maß bestätigt. Dagegen reichen die astronomischen Beobachtungen der Chinesen bis ins höchste Altertum
hinauf. Die älteste sichere Beobachtung, die man kennt, ist diejenige einer Sonnenfinsternis
[* 18] von 2158 v. Chr. Daß die Priesterkaste
Ägyptens nicht unbedeutende astronomische Kenntnisse besessen habe, ist allerdings sehr wahrscheinlich; aber die starre
Abgeschlossenheit und Geheimhaltung, welche ÄgyptensPriester für nötig erachteten, ist schuld daran,
daß das meiste, was sie geleistet haben mögen, für uns verloren ist.
Die Ansprüche der Hebräer auf ein hohes Altertum ihres chronologischen Systems und ihrer astronomischen Tafeln haben vor derKritik nicht bestanden; sie reichen kaum bis Esra hinauf und sind von auswärts entlehnt. Die Theogonie, Kosmogonie und
Geogonie der Griechen hat nur das Reich der Fabeln erweitert; ihre Erklärungsversuche, selbst der gewöhnlichsten Erscheinungen
(wie der Mondphasen), sind mitunter unglaublich wunderlich; keiner hat das Richtige getroffen, worüber man sich auch gar
nicht wundern kann, wenn man erwägt, daß die griechischen Weisen philosophierten, ohne genügende Grundlagen in den Beobachtungen
zu besitzen.
Aristillos und Timocharis eröffnen die Reihe der alexandrinischen Astronomen. Sie bestimmten die Orte
der Fixsterne
[* 20] zwar noch mit sehr rohen Hilfsmitteln, doch aber so genau, daß Hipparch ihre Arbeiten brauchbar fand. Bald nach
ihnen gab Aratos eine Beschreibung des gestirnten Himmels in Versen. Weit wichtiger waren die Arbeiten des Aristarch von Samos.
Er machte den Versuch, die Zeit des höchsten und tiefsten Sonnenstandes genauer zu ermitteln und die
Entfernung der beiden vorzüglichsten Himmelskörper von der Erde zu bestimmen.
Für den Mond fand er 56 Erdhalbmesser (nur 4 zu wenig), und den Durchmesser des Mondes nahm er zu einem Drittel des Erddurchmessers
(im rohen gleichfalls richtig) an. Ferner glaubte er für den Winkel,
[* 21] welchen die nach Mond und Sonne gerichteten
Linien an der Erde zur Zeit des ersten und letzten Viertels machen, 87° gefunden zu haben, woraus die Entfernung der Sonne 19mal
größer als die des Mondes und ihr Durchmesser 6-7mal größer als der der Erde gefunden wird. Dies ist freilich
um mehr als das Zwanzigfache falsch, gleichwohl war die Methodean sich richtig, und wenn die Sonne statt 400mal nur 10-20mal
soweit entfernt wäre wie der Mond, so würde das Verfahren auch praktisch anwendbar gewesen sein.
Aristarch hat aber noch ein wesentlicheres Verdienst: er lehrte, die Erde drehe sich um ihre Achse und zugleich
in einem schiefen Kreis
[* 22] um die Sonne, eine für jene Zeit sehr kühne Bemerkung, die, konsequent verfolgt, zum kopernikanischen
System hätte führen können. Auch von Euklides, der um jene Zeit lebte, haben wir ein astronomisches Werk: »Phaenomena«,
welches hauptsächlich von den Erscheinungen des Auf- und Unterganges der Gestirne handelt. Wahrscheinlich
ist auch Manetho, ein ägyptischer Priester, in diese Zeit zu setzen, wiewohl das uns von ihm erhaltene Werk nur wenig Spuren
echter Kenntnisse, dagegen größtenteils astrologische Träumereien enthält.