reichliche oder unzeitige Darreichung (z. B. im
Fieber oder bei
Kindern) geradezu als
Gifte wirken. Die meisten Arzneimittel werden im
Laufe von 1-3
Tagen in veränderter chemischer
Zusammensetzung durch den
Darm
[* 2] und die
Nieren wieder ausgeschieden, und es bedarf
erneuter Einfuhr, wenn ihre
Wirkung fortdauern soll; einzelne
Stoffe dagegen, z. B.Digitalis, wirken noch
mehrere
Tage nach, und diese
Wirkung steigert sich bei andauerndem
Gebrauch bis zu bedrohlichen Vergiftungserscheinungen (kumulative
Wirkung).
Bis zu einem gewissen
Grad sind die
Folgen, welche ein Arzneimittel hervorrufen wird, wenn
man es in dieser oder jener
Menge gibt, mit
Bestimmtheit vorauszusagen; wenn es trotzdem Schwankungen gibt, wenn eine erwartete
Wirkung ausbleibt oder
eine andre unerwartete Nebenwirkung eintritt, so kann entweder eine mangelhafte
Beschaffenheit der Arznei die
Schuld daran
tragen, oder es kann eine gewisse abnorme
Reaktion des
Körpers, eine
Idiosynkrasie, zu
Grunde liegen. Über die Wirkungsweise
der Arzneimittel im
Körper ist sehr wenig Sicheres bekannt.
Wenn sich im
Magen
[* 3] durch abnorme
Prozesse eine große
MengeSäure gebildet hat und man
Magnesia oder
doppeltkohlensaures Natron
einführt, so ist die Beseitigung der
Säure leichtverständlich, da sich dieselbe mit der
Magnesia oder dem
Natron zu einem
neutralen
Salz
[* 4] verbindet. Es gibt aber nur sehr wenige
Fälle dieser Art, und für die
Mehrzahl der Arzneimittel fehlt
uns jede Einsicht in die chemischen
Prozesse, welche sich zwischen denselben und gewissen
Bestandteilen der
Gewebe
[* 5] abspielen,
und auf welche die
Wirkung der in letzter
Reihe zurückzuführen ist.
Ebenso kennen wir auch nur von sehr wenigen Arzneimitteln die
Schicksale, welche dieselben im
Körper erleiden,
und oft genug werden Arzneimittel ohne jegliche chemische Veränderung in den
Exkrementen wieder ausgeschieden. Viele Arzneimittel unterliegen
der Einwirkung der Verdauungssäfte und der die
Gewebe durchtränkenden
Flüssigkeiten. Ob sich aber hieraus die
Thatsache erklärt,
daß manche Arzneimittel bei direkter Einführung ins
Blut sehr energisch wirken, vom
Magen aus aber ganz wirkungslos
erscheinen, ist noch fraglich.
Vgl. die Handbücher der Arzneimittellehre von
Husemann (2. Aufl., Berl. 1883, 2 Bde.),
Nothnagel und
Roßbach
[* 6] (4. Aufl., das. 1880);
Hirsch,
[* 7] Die
Prüfung der Arzneimittel mit Rücksicht auf die wichtigsten europäischen
Pharmakopöen
(das. 1875);
Binz, Grundzüge der Arzneimittellehre (6. Aufl., das. 1879);
die zur Bereitung von
Arzneimitteln dienenden
Pflanzen. Man
hat seit den ersten Anfängen der
Heilkunde zahlreiche
Pflanzen wegen ihrer wirklichen oder vermeintlichen Heilkraft verwendet,
und
Rosenthal zählt in seiner
Synopsis über 8000 Arzneipflanzen auf, ohne damit irgendwie Vollständigkeit zu erreichen.
Unter diesen
Pflanzen sind nun aber ganz außerordentlich viele, deren medizinische Wirksamkeit mit vollem
Recht angezweifelt
werden darf, und im
Lauf der Zeit sind denn auch immer mehr
Pflanzen aus dem Arzneischatz gestrichen, um nur günstigsten Falls
noch hier und da als Volksheilmittel benutzt zu werden, während neuere Einführungen zwar zahlreich
genug auftauchen, aber nur in seltenern
Fällen als eine wirkliche
Bereicherung des Arzneischatzes sich dauernde Geltung verschaffen.
Die neuere
Medizin, deren
Streben ohnehin auf Vereinfachung der ärztlichen
Verordnungen gerichtet ist, hat vollends sehr viele
früher geschätzte Arzneipflanzen fallen lassen; so führt die »Pharmacopoea
germanica« noch
nicht 200
Pflanzen auf, von denen überdies eine Anzahl, wie Kirsche, Himbeere,
Raps, Kakao etc., gar nicht
als Arzneipflanzen zu bezeichnen sind und andre, wie
Rose,
Linde etc., kaum noch von
Ärzten angewandt werden. Die Arzneipflanzen verteilen sich ziemlich
gleichmäßig über das ganze
Pflanzenreich, der vierte Teil etwa gehört den
Kryptogamen und
Monokotyledonen,
der Rest den
Dikotyledonen an, und von letztern liefern die
Kompositen,
[* 10]
Labiaten,
Umbelliferen,
[* 11] Solaneen und
Papilionaceen die
meisten
Droguen.
Nach ihrem Vaterland verteilen sich die um so ungleicher; über die Hälfte gehört
Europa
[* 12] an, und zu diesen könnte man noch
etwa 20 hinzurechnen, welche in Südeuropa und
Vorderasien einheimisch sind.
Afrika
[* 13] liefert etwa 12 Arzneipflanzen,
Asien
[* 14] dagegen 34, und diese kommen meist aus Vorder- und
Hinterindien
[* 15] und von den
Inseln.
Amerika
[* 16] hat uns nur wenige, allerdings einige
sehr wichtige Arzneipflanzen geliefert,
Südamerika
[* 17] gegen 20,
Nordamerika
[* 18] aber nur etwa 5.
AustralischeDroguen haben bis jetzt
kaum irgend welche Bedeutung. Einige der wichtigsten Arzneipflanzen sind auf beifolgenden Tafeln abgebildet; die
Beschreibung der einzelnen
Pflanzen ist unter den lateinischen
Gattungsnamen zu suchen.
1) in der
Anatomie,
Physiologie, pathologischen
Anatomie, 2) in der
Chirurgie und
Augenheilkunde, 3) in der innern
Medizin, 4)
in der
Geburtshilfe, 5) in der öffentlichen
Gesundheitspflege durch eine
Approbation erteilt. Diese Staatsprüfung kann an
jeder deutschen
Universität nach vorher eingeholter Bewilligung der Oberexaminationskommission des
Landes
abgelegt werden (übrigens bezeichnet die moderne
Gesetzgebung auch den geprüften und approbierten
Tierarzt als Arzt). Früher
war der Arzt ein gewerbtreibender
Künstler, der nach gesetzlichen
Taxen kurierte, und es bestanden besondere, einseitig gebildete
Klassen von Ärzten, z. B. Wundärzte, Landärzte,
Militärärzte etc. Abstufungen, die dem innern
Wesen
der ärztlichen
Wissenschaft gänzlich zuwider sind, da diese sich durchaus nicht bruchstückweise und noch weniger ohne gehörige
Vorbereitung durch naturwissenschaftliche
Studien aneignen läßt, während es doch im
Interesse des Einzelnen wie der ganzen
Gesellschaft liegt, daß nur vollständig durchgebildeten Ärzten das menschliche
Leben anvertraut werde. In neuerer
Zeit werden auch weibliche Ärzte ausgebildet. Es sind vorzugsweise Russinnen und Amerikanerinnen, welche sich teils auf
den
Universitäten und
Fachschulen ihrer
Heimat, teils auf
SchweizerUniversitäten für die ärztliche
Praxis ausbilden, vorzugsweise
für
Geburtshilfe,
Frauenkrankheiten und
innere Medizin.
Nach der deutschen
Gewerbeordnung ist die Ausübung der
Heilkunde ohne Nachweis der Befähigung jedem gestattet. Das frühere
Verbot der
Kurpfuscherei (Medikasterei) ist in Wegfall gekommen, und der Arzt ist
¶
lediglich dem allgemeinen Strafgesetz unterstellt, welches fahrlässige Tötung und Körperverletzung mit Strafe bedroht. Dabei
gilt es aber als ein straferhöhendes Moment, wenn der Thäter vermöge seines Berufs oder Gewerbes zu der Aufmerksamkeit, welche
er aus den Augen setzte, besonders verpflichtet war, wie dies bei einem der Fall ist. Unter ebenderselben
Voraussetzung fällt auch bei fahrlässigen Körperverletzungen das Requisit des sonst erforderlichen Strafantrags seitens
des Verletzten hinweg.
Indem nun die Gewerbeordnung den ärztlichen Beruf unter Anwendung des Prinzips der Gewerbefreiheit in den Kreis
[* 28] der von ihr normierten
Gewerbe hineinzog, hat sie zugleich die Beschränkungen beseitigt, welchen früher die Ärzte in der Wahl
des Orts und des Bezirks, an und in welchem sie praktizieren wollten, unterworfen waren. Neben der freien Vereinbarung des
ärztlichen Honorars hat nunmehr der Grundsatz der »ärztlichen Freizügigkeit« für das ganze Reichsgebiet Geltung.
Selbstverständlich besteht aber auch für Ärzte die allgemeine strafrechtliche Vorschrift, wonach der bei Unglücksfällen
oder gemeiner Gefahr oder Not von der Polizeibehörde zur Hilfe Aufgeforderte dieser AufforderungFolge zu leisten hat, wofern
er der letztern ohne erhebliche eigne Gefahr genügen kann. Dagegen sind in allen größern StädtenDeutschlands
[* 30] Armenärzte bestellt, welche von der Gemeinde bezahlt werden und erkrankten Armen unentgeltliche Hilfe leisten.
Dazu kommen zahlreiche Gemeinde-, Land-, Bezirks-, Kreiskrankenhäuser etc., in welchen Unbemittelten ärztliche Hilfe und Verpflegung
zu teil wird. Auch sind in größern Städten Krankenberatungsanstalten, ärztliche Hilfsstationen u.
dgl. ins Leben gerufen, um Armen Gelegenheit zur Erlangung ärztlichen Beirats und ärztlicher Hilfe zu gewähren. Indessen
läßt sich nicht verkennen, daß in manchen Gegenden, namentlich auf dem platten Land, eine bessere Organisation der ärztlichen
Hilfsleistung für Unbemittelte wünschenswert sein möchte.
Übrigens wird auch nach der deutschen Gewerbeordnung noch eine staatliche Approbation für Ärzte erteilt.
Dieselbe ist sogar notwendig für alle diejenigen Personen, welche sich als Ärzte (Wund-, Augen-, Zahn-, Tierärzte, Geburtshelfer)
oder mit gleichlautenden Titeln bezeichnen wollen, oder die seitens des Staats oder einer Gemeinde als solche anerkannt oder
mit amtlichen Funktionen betraut werden sollen. Diese Approbation wird auf Grund eines Befähigungsnachweises
erteilt, aber nicht von der vorgängigen akademischen Doktorpromotion abhängig gemacht. Die nähern Bestimmungen über die
Prüfung der Ärzte sind in einer Bekanntmachung des Bundes- (Reichs-) Kanzlers vom (Bundesgesetzblatt, S. 635) enthalten,
während sich die Prüfung der Tierärzte nach einer Bekanntmachung vom (Reichsgesetzblatt, S.
10; Zentralblatt des DeutschenReichs 1878, S. 160) richtet.
Zur Approbationserteilung sind hiernach nur die Zentralbehörden derjenigen Bundesstaaten befugt, welche eine
oder mehrere
Landesuniversitäten, resp. Tierarzneischulen haben. Die Approbation erstreckt sich auf das ganze Reichsgebiet. Die vorgängige
Prüfung kann entweder vor der medizinischen Oberexaminationskommission in Berlin
[* 31] oder vor einer bei jeder
Universität bestehenden medizinischen Examinationskommission, resp. vor besondern zahnärztlichen
Prüfungskommissionen sowie bei den Tierarzneischulen abgelegt werden.
Die Zulassung zu der Prüfung der Ärzte ist durch das Gymnasialzeugnis der Reife bedingt. Für die Zulassung auch von Realschulabiturienten
ist zwar neuerdings viel agitiert worden, ohne dieselbe jedoch bis jetzt durchzusetzen. Außerdem werden
das Abgangszeugnis von der Universität, das Zeugnis über Ablegung der naturwissenschaftlichen Prüfung (tentamen physicum)
an einer deutschen Universität und der Nachweis von klinischen Übungen erfordert. Die Dispensation von der Prüfung wegen
wissenschaftlicher erprobter Leistungen ist nach einer Bekanntmachung des Bundes- (Reichs-) Kanzlers vom (Bundesgesetzblatt,
S. 687) nur dann zulässig, wenn dem Nachsuchenden von seiten eines Staats oder einer Gemeinde amtliche
Funktionenübertragen werden sollen.
Die Approbation kann von der Verwaltungsbehörde zurückgenommen werden, wenn die Unrichtigkeit der Nachweise dargethan wird,
auf Grund deren dieselbe erteilt wurde. Die Gewerbenovelle vom hat hierzu weiter bestimmt,
daß die Approbation auch dann entzogen werden kann, wenn ihrem Inhaber die bürgerlichen Ehrenrechte aberkannt worden sind,
jedoch nur für die Dauer des Ehrverlustes. Auch hat ebendieselbe Novelle die Bestimmung getroffen, daß die Ausübung der
Heilkunde vom Gewerbebetrieb im Umherziehen ausgeschlossen sein soll, insoweit der Ausübende für dieselbe nicht approbiert
ist.
Ein Zahntechniker, welcher sich lediglich mit der Anfertigung und Ausbesserung von künstlichen Gebissen und Zähnen beschäftigt,
wird jedoch durch diese Bestimmung nicht getroffen. Derjenige, welcher sich, ohne hierzu approbiert zu sein, als Arzt (Wund-,
Augen-, Zahn-, Tierarzt, Geburtshelfer) bezeichnet oder einen ähnlichen Titel beilegt, durch welchen der Glaube erweckt
wird, der Inhaber desselben sei eine geprüfte Medizinalperson, hat Geldstrafe bis zu 300 Mk. und im Unvermögensfall Haft bis
zu 6 Wochen verwirkt.
Ein Arzt, welcher ein unrichtiges Zeugnis über den Gesundheitszustand eines Menschen zum Gebrauch bei einer Behörde oder Versicherungsgesellschaft
wider besseres Wissen ausstellt, wird mit Gefängnis von 1 Monat bis zu 2 Jahren bestraft; auch kann auf
Verlust der bürgerlichen Ehrenrechte erkannt werden. Ebenso trifft denjenigen, welcher unter der ihm nicht zustehenden Bezeichnung
als Arzt ein Gesundheitszeugnis ausstellt, Gefängnisstrafe bis zu 1 Jahr. Unbeschadet der ärztlichen Gewerbefreiheit besteht
übrigens unter den deutschen Ärzten das Bestreben nach Konsolidierung und Hebung
[* 32] des ärztlichen Standes.
Zahlreiche ärztliche Vereine zur Vertretung der gemeinsamen Berufsinteressen sind gegründet, und ein Deutscher Ärztevereinsbund,
dessen Organ der deutsche Ärztetag ist, welcher sich alljährlich versammelt, ist ins Leben getreten. Er hat sich zur Hauptaufgabe
gemacht, auf den Erlaß einer allgemeinen deutschen Ärzteordnung hinzuwirken (s. Ärztliche Vereine).