seitdem sehr oft in
Druck erschienen
und fast in alle europäischen
Sprachen übersetzt.
Fast gleichen
Ruf erlangten sein »Paradiesgärtlein voller christlicher
Tugenden« (1612),
Zu
Beckers bekannter
»Weltgeschichte« lieferte er eine
Fortsetzung vom
Ausbruch der französischen
Revolution bis auf die neueste Zeit (bis 1871) in 9
Bänden, welche weniger weitschweifig
als seine frühern Werke ist; ihr fehlen aber auch wie jenen
Frische der
Darstellung und tiefere Auffassung des geistigen
Inhalts. In frühern
Jahren veröffentlichte Arnd auch einige
Tragödien und
»Israelitische Gedichte« (Stuttg. 1829).
Nach seiner Rückkehr habilitierte sich Arndt im Jahr 1800 zu
Greifswald als
Privatdozent der Geschichte und
Philologie, verheiratete
sich mit der Tochter des
ProfessorsQuistorp, die ihm aber bald wieder durch den
Tod entrissen ward, und
erhielt, nachdem er sich ein Jahr (1803-1804) in
Schweden aufgehalten, 1805 eine außerordentliche Professur. Die 1803 erschienene
»Geschichte der
Leibeigenschaft in
Pommern
[* 20] und
Rügen« zog ihm eine
Anklage von seiten mehrerer adliger Gutsbesitzer zu. Der
König von
Schweden urteilte
aber, nachdem er das
Buch gelesen, Arndt habe recht gehabt, so zu schreiben,
und hob 1806 die
Leibeigenschaft und die Patrimonialgerichte in Vorpommern auf. Aus derselben Zeit datiert das Schriftchen
»Germanien
[* 21] und
Europa«
[* 22] (1803),
worin Arndt die von
Frankreich drohenden
Gefahren beleuchtete. Die
»Fragmente über Menschenbildung«
(Altona
[* 23] 1805, 2 Bde.; 3. Bd.
1819) empfahlen eine kräftige Vorbildung des künftigen
Geschlechts zur Natürlichkeit und Tüchtigkeit. Im Jahr 1806 erschien
der erste Teil desjenigen Werks, durch welches am meisten auf seine Zeit eingewirkt hat, und in welchem sich seine Eigentümlichkeit
am treuesten abspiegelt. Es ist dies der
»Geist der Zeit« (6.Auflage des Ganzen,
Altona 1877), dessen erster
Teil die kommenden Ereignisse prophetisch voraus verkündete. Arndt selbst arbeitete damals in der schwedischen
Kanzlei zu
Stralsund.
In jener Zeit war es, wo er mit einem schwedischen
Offizier, der geringschätzig von
Deutschland
[* 24] gesprochen, einen
Zweikampf
hatte, in
dem er schwer verwundet wurde.
Nach der
Schlacht bei
Jena floh er nach
Schweden und fand dort eine
Anstellung, die ihm Zeit ließ, den zweiten
Teil des Werks
»Geist der Zeit« auszuarbeiten, der 1809 in
London
[* 25] erschien und im feurigsten patriotischen Schwung auf die
Wege hinwies, auf denen allein
Deutschland aus der
Erniedrigung erlöst werden könne. Der
Sturz des
KönigsGustav IV. von
Schweden bewog ihn 1809, sein bisheriges
Asyl zu verlassen und nach
Deutschland zurückzukehren, wo er nach einem
Aufenthalt zu
Berlin sein
Amt in
Greifswald für kurze Zeit wieder antrat und enge Beziehungen mit hervorragenden preußischen
Patrioten anknüpfte. Im Jahr 1812 begab er sich nach
Prag
[* 26] und von da nach
Petersburg,
[* 27] auf eine Einladung
des
Freiherrn vom
Stein, der in ihm einen kräftigen
Beistand in der
Anfeuerung des deutschen Nationalgeistes gegen die Fremdherrschaft
zu finden glaubte. In diesem
Sinn und im Auftrag
Steins verfaßte Arndt
Pamphlete, Aufrufe,
Verkündigungen,
Gegenschriften und Widerlegungen
französischer
Verkündigungen undBerichte, sowie er auch zu dem sehr ausgebreiteten Briefwechsel mit
England und
Deutschland, besonders in
Sachen der zu errichtenden russisch-deutschen
Legion, einer
KoalitionEnglands mit Rußland
etc., gebraucht wurde.
»Noch ein
Wort
über die
Franzosen und über uns« (1814).
In dem Schriftchen »Das preußische
Volk und
Heer« (1813) schildert er mit beredten
Worten, wie
Preußen
[* 29] aus tiefstem
Sturz wieder auferstanden sei durch die zwei
Mittel, welche die Staatsleiter
mit wahrer Umsicht angewendet: »den
Geist freizulassen und das
Volk kriegsgeübt zu machen«. Aus derselben Zeit stammen die
schönsten seiner
Lieder, die
Kriegs- und Vaterlandslieder. Eine besondere Sammlung patriotischer
LiederArndts erschien schon 1813 unter
dem
Titel:
»Lieder für
¶
mehr
Deutsche«,
[* 31] eine zweite: »Kriegs- und Wehrlieder«, 1815. Dieselben gingen später in die vollständigen Ausgaben seiner »Gedichte«
(zuerst Frankf. 1818, 2 Bde.; Ausgabe letzter Hand,
[* 32] Berl. 1860; 2. Aufl. 1865) über. Noch 1813 veröffentlichte er einen dritten
Teil seines Werks »Geist der Zeit«, worin er die Grundzüge eines neuen, zeitgemäßen Verfassungszustands
in Deutschland gab, die er weiter ausführte in der Schrift »Über künftige ständische Verfassungen in Deutschland« (1814).
Der Vertretung des Bauernstands widmete er eine besondere Schrift (1815). Während die deutschen Heere auf französischem Boden
kämpften, ließ er Flugblatt auf Flugblatt ausgehen, so: »Über Sitte, Mode und Kleidertracht«, »Entwurf einer deutschen
Gesellschaft«, »Blicke aus der Zeit in die Zeit«, »Über die Feier der LeipzigerSchlacht«, sämtlich von 1814, dann »FriedrichAugust von Sachsen«,
[* 33] »Die rheinische Mark und die deutschen Bundesfestungen«, beide von 1815. Seine publizistische Thätigkeit
konzentrierte er in der Zeitschrift »Der Wächter«, die er 1815-16 zu Köln
[* 34] herausgab. Im J. 1818 wurde
er Professor der Geschichte an der neubegründeten Universität zu Bonn,
[* 35] nachdem er 1817 die SchwesterSchleiermachers, Nanna
(gest.
als zweite Gattin heimgeführt hatte. In demselben Jahr erschienen seine »Märchen und Jugenderinnerungen«
und der vierte Teil vom »Geist der Zeit«. Seine akademische Wirksamkeit war indessen von kurzer Dauer.
Nach Beginn der Demagogenverfolgungen infolge von Kotzebues Ermordung wurden wegen des vierten Bandes des »Geistes der Zeit«
und wegen Privatäußerungen im September 1819 ArndtsPapiere in Beschlag genommen, er selbst im November 1820 von seinem Amt suspendiert
und im Februar 1821 die Kriminaluntersuchung wegen demagogischer Umtriebe gegen ihn eröffnet.
Dieselbe hatte kein Resultat: ArndtsForderung einer Ehrenerklärung wurde nicht erfüllt, er ward aber auch nicht für schuldig
erklärt, sein Gehalt ihm gelassen, die Erlaubnis, an der Universität Vorlesungen zu halten, jedoch nicht wieder erteilt.
Eine Schilderung des Prozesses gab Arndt später selbst in dem »Notgedrungenen Bericht aus meinem Leben, aus
und mit Urkunden der demagogischen und antidemagogischen Umtriebe« (Leipz. 1847, 2 Bde.).
In den folgenden Jahren schrieb er: »Nebenstunden, Beschreibung und Geschichte der Shetländischen Inseln und Orkaden« (Leipz.
1826);
Noch ein andrer tiefer Schmerz traf
ihn 1834 durch den Verlust seines SohnsWilibald, eines blühenden Knaben von neun Jahren, der in den Fluten des
Rheins ertrank. Es war einer der ersten Regierungsakte FriedrichWilhelms IV., Arndt wieder in sein Amt einzusetzen und ihm seine
Briefe und Papiere zurückgeben zu lassen. Die Universität wählte Arndt 1841 zum Rektor. Neben seiner wieder begonnenen amtlichen
Thätigkeit setzte er seine litterarische fort. Es erschienen: »Versuch in vergleichender Völkergeschichte«
(2. Aufl., Leipz. 1844);
So kam das Hoffnungsjahr 1848 heran,
das auch Arndt mit frischer Jünglingsbegeisterung begrüßte. Er ward von dem 15. rheinpreußischen Wahlbezirk
in
die deutsche Nationalversammlung gewählt und hier durch feierliche Huldigung der ganzen Versammlung begrüßt.
Übrigens beschränkte sich seine Beteiligung an den Verhandlungen auf kurze, aber kräftige Reden im Sinn der konstitutionell-erbkaiserlichen
Partei; er war auch Mitglied der großen Deputation, welche dem König von Preußen die deutsche Kaiserkrone anbieten sollte.
Am trat er mit der Gagernschen Partei aus der Versammlung aus und zog sich wieder in die Stille
seines akademischen Lebens zurück. Aber den Glauben an eine bessere Zukunft Deutschlands verlor er nicht; dieser Glaube leuchtete
aus seinen »Blättern der Erinnerung, meistens um und aus der Paulskirche in Frankfurt«
[* 37] (Leipz. 1849),
der
letzten größern poetischen Gabe von ihm, sowie aus seinem »Mahnruf an alle deutschen Gauen in betreff der schleswig-holsteinischen
Sache« (1854),
Als Dichter reiht er sich nur in seinen Schlachten-, Freiheits- und Vaterlandsliedern den großen Dichtern aller Zeiten an;
in seinen übrigen Dichtungen fehlt ihm das Bedeutende und Originale, was den Dichter ersten Ranges macht.
Er war kein Genie, kein großer Gelehrter und Forscher, auch kein großer Staatsmann, aber voll Begeisterung für die erhabensten
Interessen der Menschheit und voll edelster Hingebung für die Sache des Volks, ein mannhafter Charakter, der noch als Greis den
Idealen seiner Jugend mit Jünglingsfeuer anhing.
Wie er durch seine Schriften und Lieder die BefreiungDeutschlands von der Fremdherrschaft höchst wirksam unterstützt hatte,
so suchte er in der Zeit der Reaktion das Verlangen und Streben des Volks nach dem großen Ziel der nationalen Einheit furchtlos
und mit Feuereifer aufrecht zu erhalten, »wie ein altes gutes deutsches
Gewissen«, die Verzagenden stärkend, die Schwankenden in der Treue befestigend, die Feinde des Rechten und Guten mit der Wucht
seines heiligen Zornes niederschmetternd.
Daher blieb er, obgleich die Zeit viele seiner Ansichten überflügelt hatte, gleichsam das Banner, um welches auch die jüngern
Generationen der Vaterlandsfreunde sich scharten, und sein Verlust ward schmerzlich empfunden. SeinInneres
und Äußeres spiegelte in seltener Reinheit die Eigenschaften, die den deutschen Mann zieren: eine feste, energische Gestalt,
ein reiches, poetisch gestimmtes Gemüt, sittlichen Ernst und Strenge, heiße Liebe zu Freiheit und Vaterland. Im J. 1865 wurde
ihm in Bonn ein Bronzedenkmal (von Afinger) errichtet;
seinem Andenken ist auch der 21 m hohe Turm
[* 39] auf dem
Rugard auf der InselRügen (1873) gewidmet.