Gegen die
Anschuldigungen der
Gomaristen, die eine staatliche Unterdrückung der Arminianer forderten, legten diese 1610 bei den
Ständen
der
ProvinzHolland eine Remonstranz (Remonstrantia, daher Demonstranten genannt) ein, welche in fünf
Artikeln unter anderm
erklärte, daß Gott zwar von
Ewigkeit einen Beschluß wegen der
Seligkeit und
Verdammnis der
Menschen gefaßt
habe, aber mit der
Bedingung, daß alle diejenigen, die an
Christus glauben, selig, die Ungläubigen hingegen verdammt sein
sollten, sowie daß
Christus für alle
Menschen gestorben sei, aber nur der Gläubige durch seinen
Tod wirkliche
Versöhnung
und Vergebung der
Sünden erlange.
Die Generalsynode trat zu
Dordrecht
[* 3] bis unter dem Vorsitz
Joh. Bogermanns, eines
entschiedenen
Kontraremonstranten, zusammen. Um derselben das Ansehen zu geben, als repräsentiere sie die ganze
reformierte Kirche,
hatte man nicht nur aus den
Niederlanden, sondern auch aus
England,
Schottland, der
Schweiz
[* 4] und
Deutschland
[* 5] eine
Schar eifriger
Anhänger der unbedingten
Prädestination herbeigezogen. Die Arminianer wurden nicht als stimmberechtigte Mitglieder, sondern nur
zum Behuf ihrer Verantwortung zugelassen.
Vergebens war denn auch ihre
Verteidigung durch den gelehrten
Episcopius; die fünf
Artikel der Arminianer wurden verworfen, die arminianischen
Prediger (über 200) abgesetzt. Als orthodoxe
Lehre
[* 6] aber wurde festgesetzt: daß der seligmachende
Glaube ohne allen
Anteil der
ganz unfähigen
Natur ein
Geschenk der absolut freienGnade, die partikulare Erwählung zur
Seligkeit also
in keiner
Weise die
Wirkung, sondern nur die
Ursache desselben sei, sowie daß die erlösende
Wirkung des
Todes Jesu sich auf
die Auserwählten beschränke.
Die
Generalstaaten bestätigten diese Beschlüsse, und man schritt sofort zur Ausführung derselben. Der
RatspensionärOldenbarneveldt
war schon verhaftet worden, er wurde zum
Tod verurteilt und hingerichtet;
Grotius
wurde mit lebenslänglichem Gefängnis bestraft. Die vertriebenen Arminianer fanden
Aufnahme beim
HerzogFriedrich IV. von
Schleswig-Holstein,
[* 7] auch
in
England und
Frankreich. Selbst in
Holland ward seit 1620, als die politische Aufregung sich gelegt hatte und nicht nur
die
Akten der
DordrechterSynode, sondern auch die
Confessio des
Episcopius in 25
Artikeln (1621) nebst ihrer
Apologie (1630) und
der
Katechismus Uytenbogaerts erschienen waren, die
Stimmung eine mildere. Im J. 1636 erhielten die Arminianer überhaupt freie Religionsübung
zugestanden. An ihrer 1634 gestifteten theologischen
Schule zu
Amsterdam
[* 8] lehrten hervorragende Theologen,
unter ihnen
Episcopius (gest. 1643), Limborch (gest. 1714),
Clericus (gest. 1736), Wetstein (gest. 1754). Von
England aus verbreiteten
die Arminianer sich auch nach
Nordamerika,
[* 9] wo sie aber in verschiedene
Fraktionen zerfielen und zum Teil dem
Baptismus sich zuwandten.
Auch in
Holland selbst ist die anfangs blühende arminianische
Kirchengemeinschaft in ihrem äußern Bestand
zurückgegangen; es haben sich
Elemente verschiedener Art, z. B. socinianische, mit ihnen vermischt, und so entstanden
auch unter ihnen verschiedene
Spaltungen, z. B. die antitrinitarischen Arminianer. Die bedeutendste
Fraktion aber waren die rein independentistischen
Kollegianten. In neuester Zeit sind die Arminianer
Hollands mit den dort sich bildenden
Freien Gemeinden in eine
gewisse
Fühlung getreten.
Der Einfluß des Arminianismus auf
Theologie und
Kirche ist unverhältnismäßig größer als der
Umfang seiner äußern
Gemeinschaft;
durch die
Arbeiten der
oben genannten Theologen sind seine Bestrebungen vielfach auch in die protestantische
Kirche eingedrungen.
Die Unabhängigkeit von einem bindenden
Bekenntnis förderte unter ihnen die Schriftauslegung, die Freiheitslehre
trieb zu einer nähern Betrachtung der ethischen Aufgaben, H.
Grotius bahnte den Weg zu einer neuen Auffassung der Versöhnungslehre.
Die
Verfassung der Arminianer ist nach der
Kirchenordnung Uytenbogaerts eine sehr einfache. Die Leitung der
Gemeinschaft steht bei der
Synode, welche aus den Abgeordneten sämtlicher
Gemeinden mit den
Predigern und einem
Professor des
Seminars
besteht; die laufenden
Geschäfte in der Zwischenzeit besorgt ein
Ausschuß von fünf Mitgliedern.
Der damalige Oberbefehlshaber der
Truppen am
Niederrhein, Quintilius
Varus, schaltete unter den
Deutschen wie ein unumschränkter
Herrscher und reizte deren
Zorn besonders dadurch, daß er unter ihnen ganz nach der
Weise römischer
StatthalterRecht sprach.
Es gelang daher dem Arminius leicht, nicht nur seine
Cherusker, sondern auch die benachbarten
Völker für seine
Pläne zu gewinnen, und nachdem dies geschehen, lockte
er denVarus nach den östlichern Gegenden an der
Weser, machte ihn durch
anscheinende
Beweise von Ergebenheit sicher und ließ dann im Hochsommer 9
n. Chr. die Nachricht an ihn gelangen, daß unter
einem östlicher wohnenden
Volk, wahrscheinlich den
Katten, ein
Aufstand ausgebrochen sei. Um diesen zu
unterdrücken, brach
Varus auf und nahm
¶
mehr
seinen Weg durch den sogen. Teutoburger Wald (wahrscheinlich den heutigen Osning). Arminius mit seinen Genossen hatte sich von ihm
getrennt unter dem Vorgeben, daß er die deutschen Hilfsvölker zusammenziehen und ihm nachfolgen wolle. Als aber das durch
Troß und Gepäck beschwerte römische Heer sich durch die engen, weglosen, von bewaldeten Höhen eingeschlossenen
Thäler mühsam durchwand, sah es sich plötzlich von allen Seiten von den Deutschen angefallen. Nur langsam und unter großen
Verlusten setzte es seinen Marsch am ersten Tag fort; am zweiten Tag wurden die Verluste und Bedrängnisse durch den Feind und
durch Regen und Sturm immer größer, so daß Varus am Abend schon nicht mehr im stande war, ein festes Lager
[* 13] aufzuschlagen; am dritten Tag aber wurde die Widerstandskraft der Römer völlig gebrochen, Varus stürzte sich in Verzweiflung
in sein Schwert, und bis auf einen kleinen Teil, der sich durch die Flucht rettete, wurde das ganze Heer von drei
Legionen nebst zugehöriger Reiterei und Hilfsmannschaft, zusammen etwa 40,000 Mann, vernichtet.
Die FesteAliso, welche die Römer auf deutschem Gebiet errichtet, wurde nun eilends von der römischen Besatzung verlassen,
und so war Deutschland bis an den Rhein vollständig befreit. Die Nachricht von dieser Niederlage erregte in Rom
[* 14] den größten
Schrecken; man fürchtete, daß die Deutschen den Rhein überschreiten und in Gallien den Aufstand gegen Rom
entzünden möchten; Augustus soll sein Kleid zerrissen und ausgerufen haben: »Varus ! Varus ! gib mir meine Legionen wieder!«
Es wurden daher die umfassendsten Anstalten zur Gegenwehr getroffen, in den Jahren 10 und 11 übernahm Tiberius
den Schutz der gefährdeten Rheingrenze und machte sogar einige Einfälle, obwohl ohne erheblichen Erfolg, in deutsches Gebiet.
Indessen begnügte man sich auf beiden Seiten zunächst mit der Behauptung der Rheingrenzen, bis im Jahr 14 der Kampf durch
einen Angriff der Römer erneuert wurde. In diesem Jahr machte Germanicus, der Sohn des Drusus, um die aufrührerischen
Legionen zu beschäftigen, einen Streifzug in das Gebiet der Marser, das er, ohne Widerstand zu finden, mordend und zerstörend
durchzog, und in der ersten Hälfte des folgenden Jahrs unternahm er in gleicher Weise einen Zug
in das Gebiet der Katten, wobei
er Gelegenheit fand, den Schwiegervater und Gegner des Arminius, Segestes, der von Arminius belagert wurde, zu befreien
und ihn nebst seiner Tochter Thusnelda, der mit ihrem Gatten gleichgesinnten Gemahlin des in seine Gewalt zu bringen.
Der Hauptplan des Germanicus aber war gegen die Cherusker, die Besieger des Varus, gerichtet. Deshalb führte er
noch im J. 15 vier Legionen zu Schiffe
[* 15] nach der Mündung der Ems,
[* 16] und hier trafen auch vier andre Legionen unter Cäcina und die
Reiterei, welche den Weg zu Lande zurückgelegt hatten, mit ihm zusammen. Mit dieser gewaltigen Streitmacht suchte er den Arminius auf,
der sich zunächst vor ihm zurückzog; endlich stieß er auf ihn und lieferte ihm eine Schlacht, die nach
blutigem Kampf ohne entscheidenden Erfolg blieb.
Auch im folgenden Jahr machte Germanicus erst einige Streifzüge in deutsches Gebiet. Nachdem aber mittlerweile eine Flotte
von 1000 Schiffen ausgerüstet worden, führte er auf dieser seine gesamten Streitkräfte wiederum nach der
Mündung der Ems, richtete dann seinen Marsch südöstlich nach der Weser und traf hier die Feinde auf dem jenseitigen Ufer versammelt,
überschritt den Strom und lieferte ihnen auf dem Idistavisofeld (in der Gegend von Minden
[* 17] und Hameln)
[* 18] eine blutige Schlacht,
die hauptsächlich infolge
des Ungestüms der Deutschen mit einer großen Niederlage derselben endete.
Noch einmal sammelten sich die Deutschen stromabwärts der Weser (wahrscheinlich in der Gegend des SteinhuderMeers), und es kam
zu einer zweiten Schlacht, in der sich zwar die Römer den Sieg zuschrieben, die aber doch nur die Folge hatte, daß Germanicus
über den Rhein zurückging. Es ist zweifelhaft, ob Germanicus bei einer Fortsetzung der Angriffe sein Ziel
erreicht haben würde. Jedenfalls wurde seinen Unternehmungen durch den argwöhnischen Tiberius, der ihn vom Oberbefehl abrief,
das Ziel gesetzt, und so war die Freiheit der Deutschen auch aus dieser Gefahr errettet.
VonArminius wird uns noch berichtet, daß
er im J. 17 einen Krieg mit dem Markomannenkönig Maroboduus bestand, der, wenn auch nicht unmittelbar,
den Sturz des letztern herbeiführte, und daß er im J. 19 im 37. Lebensjahr auf Anstiften seiner Verwandten, die ihn des
Strebens nach der Königsherrschaft beschuldigten, den Tod fand. - Das von dem Bildhauer E. v. Bandel (s. d.) 1838 begonnene, 1844 im
Unterbau vollendete kolossale Nationaldenkmal des Arminius auf der Grotenburg bei Detmold
[* 19] wurde in Gegenwart des deutschen
Kaisers feierlich enthüllt.
Hauptquellen für die Geschichte des Arminius sind Tacitus' »Annales« (I, 55-70; II, 7-23, 45, 46, 88), Vellejus Paterculus (II,
107-120), Florus (IV, 12, 9), Dio Cassius (LVI, 18-24), Sueton (Aug. 23), Strabon (Rer. geogr. VII, 1).
Von neuern Bearbeitungen der Geschichte des Arminius heben wir hervor: Fr. Roth, Hermann und Marbod (Stuttg. 1817);
Jakob (eigentlich Harmensen), Stifter der Arminianer, geb. 1560 zu Oudewater in Südholland, studierte zu Utrecht,
[* 20] Marburg
[* 21] und Leiden,
[* 22] wo sein GönnerRudolfSnellius ihn in das System des PetrusRamus (s. d.) einführte, hörte 1582 in Genf
[* 23] Beza und
besuchte Italien
[* 24] und Rom. Im J. 1587 nach Amsterdam zurückgekehrt, ward er im folgenden Jahr als Prediger daselbst angestellt.
Da die holländische Kirche damals durch eine Streitfrage über die Prädestination erregt war, ob sie nämlich nach Calvin
als eine absolute oder nur als eine bedingte aufzufassen sei, so beauftragte der Kirchenvorstand Arminius mit
der Widerlegung der Schriften eines Laien, Namens Koornhaert, des Hauptvertreters der letztern Ansicht. Unter der Arbeit wurde
aber Arminius für die mildere Auffassung gewonnen und geriet, 1603 als Professor nach Leiden berufen, 1604 mit seinem KollegenGomarus
in Streit durch die Behauptung: Gott habe von Ewigkeit das Schicksal eines jeden bestimmt, weil er den Glauben
des einen und den Unglauben des andern vorhergesehen habe. Ein zwischen den beiden Gegnern 1608 veranstaltete Gespräch legte
den Streit nicht bei. Arminius aber starb vor dessen Entscheidung 1609.