besoldeten Staatsbeamten, welche nur unberechtigte Ansprüche fördern und die Armenlast steigern würde, sondern sie muß
einen Bestandteil der Selbstverwaltung bilden und in derselben möglichst einen ehrenamtlichen Charakter behaupten (Armendeputationen,
Armenpflegschaftsräte als besondere für die Armenpflege bestellte Körperschaften in größern Städten). Neben der politischen
Gemeinde findet die freie Vereinsthätigkeit, welche vorzüglich für besondere Gebiete der Mildthätigkeit
sich eignet (z. B. durch Vereine gegen Verarmung, Krippen, Bewahranstalten, Rettungshäuser, Badeanstalten, Sonntagsschulen,
Suppenanstalten etc.), das Genossenschaftswesen (z. B. Hilfs-
und Krankenkassen), das Versicherungswesen ein weites und nützlich zu bebauendes Thätigkeitsgebiet, da die politischen
Organe die Armenlast auf das Maß des schlechthin Notwendigen einzuschränken haben. Auch die Stiftungsangelegenheiten
müssen, wie in England seit 1853 geschah, einer regelmäßigen Staatsaufsicht unterstellt werden.
Was die Objekte der Armenpflege anbelangt, so wird grundsätzlich nicht nur Bedürftigkeit, sondern auch Hilfslosigkeit und
Erwerbsunfähigkeit vorauszusetzen sein. Abgesehen von der Gewährung augenblicklich notwendiger Hilfe, wobei auf die Verschuldung
der Hilfsbedürftigkeit nichts ankommt, wird die Organisation des Armenwesens im weitern Sinn stets danach
trachten, durch präventive Hilfe der Verarmung rechtzeitig vorzubeugen (Darlehnskassen, Leihämter, Versicherungszwang) und
anderseits für Beschäftigungslose die Gelegenheiten, Arbeit zu finden, herbeizuführen, um der Gewöhnung an Almosen entgegenzuwirken,
endlich auch den Gründen verschuldeter Verarmung strafrechtlich und polizeilich zu begegnen (Unterdrückung der Landstreicherei,
des Bettelns etc.). In den Bereich des Armenwesens fallen auch die Anstalten für verlassene Kinder (Findelhäuser),
für Elternlose (Waisenhäuser), Geisteskranke (Irrenanstalten), Taubstumme, Invaliden, Blinde und Kranke.
Doch sind derartige Anstalten technisch nach eigenartigen Gesichtspunkten zu behandeln und zu würdigen; von Wichtigkeit ist
dabei jedoch der humane Grundsatz, daß in allen Anstalten, in denen Arme mit Nichtalmosenempfängern gemeinschaftlich
verpflegt werden, die Scheidung zwischen unverschuldeter Armut und Vermöglichkeit thunlichst zu beseitigen ist. Aus diesem
Grund sind auch die besondern Armenschulen (s. d.) für die Kinder der Hilfsbedürftigen pädagogisch zu verwerfen.
Was schließlich die Organisation der Armenpflege innerhalb der dazu verpflichteten Kreise anbelangt, so unterscheidet man
geschlossene Armenpflege in eigens dazu bestimmten Anstalten (Werkhäuser, Hospitäler) und offene Armenpflege. Welcher Einrichtung
der Vorzug zu geben sei, hängt von örtlichen Verhältnissen und von den verfügbaren Mitteln sowie von anderweitigen Umständen
im einzelnen Fall ab. Die offene Armenpflege in der eignen Behausung des Armen erscheint als das thatsächlich überall
vorwiegende, naturgemäße, billigere System, von welchem nur aus bestimmten Gründen ausnahmsweise abgegangen werden sollte.
Zweckmäßig für die wissenschaftliche Betrachtung des Armenwesens ist die neuerdings in Frankreich aufgekommene Unterscheidung
von prévoyance, worunter die präventiven Aufgaben fallen, und assistance oder Armenpflege im engern Sinn, denen alsdann auch
die répression (Unterdrückung der Bettelei) hinzuzufügen wäre.
Litteratur.
Vgl. im allgemeinen Rau, Lehrbuch der politischen Ökonomie, Bd.
2 (5. Aufl., Leipz.
1863);
ferner De Gérando, Le visiteur du pauvre (Par. 1829; deutsch, Quedlinb.
1831);
Derselbe, De la bienfaisance publique (Par. 1839, 4 Bde.);
Buß, System der gesamten Armenpflege (Stuttg. 1843-1846, 3 Bde.);
Vogt, Das Armenwesen und seine Bedeutung für die Entwickelung der öffentlichen Zustände (Bern
1853, 2 Bde.);
Kries,
Die englische Armenpflege (Berl. 1863);
Lentz, Des institutions de bienfaisance et de prévoyance en Belgique (Brüssel 1866);
Rocholl, System des deutschen Armenpflegerechts (Berl. 1872), und namentlich Emminghaus, Das Armenwesen und die Armengesetzgebung in
europäischen Staaten (das. 1870);
»Verhandlungen des elften Kongresses deutscher Volkswirte 1869«; Seydel.
Willd. (Grasnelke), Gattung aus der Familie der Plumbagineen, niedrige, rasenbildende, schmalblätterige, besonders
in Südeuropa und Nordafrika einheimische perennierende Kräuter und Halbsträucher mit einfachem, blattlosem Stengel, der ein
Köpfchen kleiner, meist rosenroter Blüten trägt. Die Frucht ist klein, einsamig mit häutigem Gehäuse,
Blüten in Knöpfchen, welche am Grund von einer vielblätterigen Hülle umgeben sind, und tief fünfteiliger Blumenkrone.
Armeria vulgaris
Willd. (Grasnelke, Grasblume, Sandnelke, Meergras), mit rosenroten, auch weißen Blüten, wächst in Deutschland. Als Spielart wird
häufig Armeria maritima Willd. (Statice ArmeriaL., Meerstrandsgrasnelke, Seenelke, Meergras) betrachtet. Sie ist
an den Küsten der nordeuropäischen Meere, z. B. in England und Schweden, aber auch des Atlantischen Ozeans heimisch und wird
zur Einfassung der Gartenbeete benutzt.
Konrad (Armer Konz), ein geheimer Bauernbund, der sich zu Anfang des 16. Jahrh. im Ramsthal ^[richtig:
Remsthal] in Württemberg bildete, benannt nach einem lustigen Gesellen, Konrad oder Konz, bei dem »koan
Rat« verfangen wollte, der in zerfetztem Mantel und grauem Filzhut einherschritt und sich als kaiserlicher Feldhauptmann gebärdete.
Der Bund verfolgte unter der Maske lustiger Schwänke und Possen seine auf Befreiung der Bauern aus ihrer elenden Lage gerichteten
Tendenzen. Der Hauptmann teilte auf den geheimen Versammlungen unter die Mitglieder die Güter aus, welche
die Verbrüderung »im Monde« besaß, die Äcker und Weinberge in der »Fehlhalde«, auf dem »Hungerberg«,
am »Bettelrain«, in »Nirgendsheim«
u. dgl. Die Erhebung des Armen Konrad 1514 gegen den Herzog Ulrich von Württemberg mißlang (s, Bauernkrieg), und der
Bund wurde gewaltsam unterdrückt.
1) Karl Gustav, schwed. General, geb. 1666 in Ingermanland, trat 1685 in französische Kriegsdienste, in denen
er sich bei verschiedenen Gelegenheiten auszeichnete. Im J. 1700 nach Schweden zurückgekehrt, beteiligte er sich mehr ehrenvoll
als erfolgreich am Kampf Karls XII. gegen Rußland, verteidigte Finnland gegen eine russische Flotte und
Helsingfors heldenmütig und kämpfte im Februar 1714 bei Stor-Kyro mit außerordentlicher Tapferkeit gegen die russische Übermacht
unter Apraxin, mußte sich aber schließlich mit großem Verlust nach Osterbotten zurückziehen. Im September 1718 mit 6000 Mann
nach dem nördlichen Norwegen zur Eroberung Drontheims gesandt, sah er auf dem Rückmarsch über die Tydalsfjelde
den größten Teil seines Heers durch Kälte und Hunger zu Grunde gehen und entging selbst mit wenigen kaum dem Verderben. Später
zum General der Infanterie, Freiherrn und Oberbefehlshaber in Finnland ernannt, starb er
mehr
2) Gustav Moritz, Graf von, Günstling Gustavs III. von Schweden, geb. zu Juva im finnischen Gouvernement Abo als Sprößling
einer der angesehensten Familien Finnlands, Sohn des Generalmajors und Landeshauptmanns Baron Magnus Wilhelm Armfelt, trat noch jung
in das schwedische Heer und gewann bald die vertraute Freundschaft König Gustavs III., den er 1780 zu Spaa
genauer kennen lernte. Liebenswürdig, geistreich und aufopferungsfähig, aber auch ränkesüchtig und ehrgeizig, ward er
Gustavs erklärter Günstling und seit dem Reichstag von 1786 von herrschendem Einfluß.
Zweimal rettete er während des Kriegs gegen Rußland (1788-90) dem von Verrätern umgebenen Monarchen Freiheit und Lehen.
Als Gustav auf Anstiften Rußlands von seinen westlichen Nachbarn angegriffen wurde, sandte er Armfelt zu den treuen
Dalekarliern. Armfelt bildete hier ein Korps von 18,000 Mann, schlug die Dänen und bestimmte sein ihm ganz ergebenes Heer, in die
Nähe der Hauptstadt zu marschieren, um dem König während des Reichstags von 1789 zur Hand zu sein. Zum
Generalmajor erhoben, unterzeichnete er den Frieden von Werelä, dem 1791 die Offensivallianz mit Rußland gegen
die französische Revolution folgte.
Noch auf dem Sterbebett ernannte der König 1792 Armfelt zum Gouverneur von Stockholm und zum Mitglied der Regentschaft; allein der
Bruder des Königs, Herzog Karl von Södermanland, später König Karl XIII., welcher Armfelt aus politischen und
persönlichen Gründen mit unwürdigem Haß verfolgte, hob die letztere Bestimmung auf und übertrug um sich seiner zu entledigen,
den Posten eines Gesandten zu Neapel. Bald darauf ließ er der sich in eine Verschwörung gegen des Herzogs
Günstling Reuterholm eingelassen und sogar russische Hilfe angerufen hatte, des Hochverrats anklagen, in contumaciam zum Tod
verurteilen und seine Güter konfiszieren, während Armfelt nach Petersburg entfloh und von der russischen Regierung in Kaluga interniert
wurde.
Gustav IV. gab ihm 1799 Rang und Güter zurück und überhäufte ihn mit Gunstbezeigungen. Armfelt wurde zum
Gesandten in Wien, 1805 zum Generalgouverneur von Finnland ernannt und focht 1806 und 1807 mit Auszeichnung in Pommern, 1808 mit
weniger Glück in Norwegen. Nach dem Sturz Gustavs IV. 1809 zum Präsidenten des Kriegskollegiums ernannt, nahm er bereits 1810 den
Abschied und zog sich durch seine Verbindung mit der Gräfin Piper neue heftige Verfolgungen zu. Er ging
deshalb 1811 nach Petersburg, wo man ihn wegen seines Einflusses in dem 1809 an Rußland abgetretenen Finnland freudig aufnahm.
Er wurde in den Grafenstand erhoben, zum Präsidenten des Komitees für die finnischen Angelegenheiten und zum Mitglied des
Senats ernannt. Armfelt wirkte auf diesem Posten eifrig für das Beste seines Vaterlands, das ihm die Erhaltung
seiner Privilegien sowie die Wiedervereinigung mit Altfinnland verdankte, dessen Bauern, widerrechtlich zu Leibeignen gemacht,
auf seinen Bericht freigegeben wurden. Er folgte seinem neuen Souverän in den Feldzug von 1812, trug wesentlich zu dem wichtigen
Friedensschluß mit der Türkei bei und weckte in Alexander I. zuerst die Ideen der Emanzipation Polens, der
Wiedereinsetzung des Hauses Bourbon sowie der Souveränität des römischen Papstes. Armfelt starb plötzlich zu Zarskoje Selo
Er
sprach und schrieb mit Leichtigkeit fast alle Sprachen Europas. Eine Selbstbiographie Armfelts findet sich
in »Handlingar rörande Sveriges historia« (Stockh. 1830, deutsch in den »Zeitgenossen«).
- Sein Sohn Gustav Magnus, geb. 1792, trat 1812 in russische Kriegsdienste, starb als Generalleutnant und Inspektor
der finnischen Nationaltruppen.