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diesen Namen eines einzelnen ihnen benachbarten Stammes auf das ganze Land übertrugen. In der Bibel [* 2] wird Armenien Thogarma genannt. Die armenische Überlieferung verbindet diese drei Namen, indem sie als Stammvater oder Archegeten des Volks Haik, Sohn des Thorgom, nennt und nach diesem seinen Sohn Armenak ersten König des Landes Ararat sein läßt. Die Armenier gehörten zum arischen oder indogermanischen Völkerstamm und bildeten in dem von ihnen unterworfenen Land einen kriegerischen Lehnsadel, der eine Menge kleinerer Lehnsfürstentümer bildete; neben ihm gab es nur leibeigne Bauern. Im Norden [* 3] behauptete sich unter der Herrschaft der Armenier die iberische, im Süden die kurdische und syrische Bevölkerung. [* 4]
Die Armenier standen unter nationalen Königen, welche aber schon früh die Oberhoheit des assyrischen, dann (seit 620 v. Chr.) des medischen Reichs anerkennen mußten. Nach der Überlieferung des armenischen Geschichtschreibers Moses von Chorene (5. Jahrh. n. Chr.) half Tigranes I., der letzte jener alten Könige, Kyros die Herrschaft der Meder stürzen. Dann bildete Armenien eine Satrapie des persischen Reichs, bis es von Alexander d. Gr. mit ganz Persien [* 5] seinem Reich einverleibt wurde (330 v. Chr.). Nach Alexanders Tod kam Armenien unter die Herrschaft der Seleukiden und blieb unter derselben bis auf Antiochos d. Gr. Als dieser von den Römern geschlagen wurde, fielen zwei Statthalter, Artaxias und Zadriades (Zariadres), ab (190); ersterer stiftete in Großarmenien, letzterer in Kleinarmenien ein Reich. Beide wurden von den Römern als Könige anerkannt.
Artaxias erbaute Artaxata als Hauptstadt Großarmeniens (s. oben). Dies ward 165 teilweise wieder von den Syrern erobert, aber 150 denselben von neuem durch die Arsakiden, eine Nebenlinie des parthischen Königshauses, entrissen, deren Herrschaft unter Tigranes II., d. Gr., ihren Höhepunkt erreichte, indem dieser Kappadokien und Mesopotamien eroberte und 84 auch die Herrschaft über Syrien gewann. Als Schwiegersohn des Königs Mithridates von Pontus in dessen großen Krieg mit den Römern verwickelt, wurde er 69 von Lucullus bei Tigranokerta, der von ihm gegründeten Hauptstadt, dann (66) von Pompejus besiegt und mußte die zu des letztern Füßen niedergelegte Krone als ein Gnadengeschenk der Römer [* 6] annehmen.
Sein Nachfolger Artavasdes (Artabazos I.) brachte den Römer Crassus auf dessen Zug gegen die Parther durch Verrat ins Verderben und ward 31 auf Antonius' Anstiften ermordet. Seitdem blieb Armenien jahrhundertelang Gegenstand des Kampfes zwischen Römern und Parthern; nur vorübergehend kam es durch Trajans Siege (115-117 n. Chr.) unter römische Herrschaft; 259 aber ward es von den Neupersien beherrschenden Sassaniden erobert. Im J. 286 von Tiridates III. mit römischer Hilfe noch einmal befreit und in der folgenden Zeit für das Christentum gewonnen, ward es 428 von dem neupersischen König Bahram V. erobert und nach Entthronung Artaschirs unter dem Namen Persamiena zu einer Provinz des Sassanidenreichs gemacht.
Der kleinere westliche Teil Großarmeniens kam damals unter oströmische Herrschaft, unter der zu jener Zeit auch Kleinarmenien stand, ging aber ebenfalls nach und nach an die Sassaniden verloren. Nach dem Sturz des Sassanidenreichs durch die Araber (636) ward Großarmenien auch von diesen überflutet, hatte unter den Kämpfen derselben gegen die byzantinischen Kaiser, die meist in Armenien ausgefochten wurden, schwer zu leiden und wurde teils von byzantinischen, teils von arabischen Statthaltern regiert.
Unter der Dynastie der Bagratiden, die 859 mit dem einem alten armenischen Fürstenhaus entsprossenen Aschod I. zur Herrschaft gelangte, freilich in Abhängigkeit von den Kalifen, blühte das großarmenische Reich noch einmal für kurze Zeit auf, vermochte sich aber, bei dem Zerfall der Dynastie von innern Kämpfen zerrissen, des Andranges der feindlichen Nachbarvölker, der Perser, Tataren u. a., nicht zu erwehren und fiel daher 1080 zum Teil in die Gewalt der Byzantiner, zum Teil in die der damals ihren Eroberungslauf beginnenden seldschukkischen Türken.
Nur einige einheimische Fürsten behaupteten ihre Unabhängigkeit, die sie aber gegen die Mitte des 13. Jahrh. an die Mongolen verloren. Im J. 1472 kam Großarmenien durch Usum Hassan als Provinz an Persien. Der Osmanensultan Selim II. aber eroberte 1522 Armenien und verleibte es, bis auf den östlichen Teil, Irwan, welchen die Perser behielten, dem türkischen Reich ein. Den nördlichen Teil des persischen Teils eroberten 1828 die Russen, welche 1878 auch den Türken das Gebiet von Kars und Batum [* 7] abnahmen.
Das von Zadriades gestiftete Reich Kleinarmenien wurde von Mithridates mit dem pontischen Reich vereinigt, nach dessen Besiegung durch die Römer erst dem Dejotarus, Vierfürsten von Galatien, unter römischer Hoheit verliehen und blieb in diesem Verhältnis, bis es 70 n. Chr. durch Kaiser Vespasianus zur römischen Provinz gemacht wurde. Bei der Teilung des römischen Reichs kam es zum oströmischen Kaisertum. Es umfaßte, nachdem Großarmenien an Persien übergegangen war, das Land zwischen dem Halys, dem Pontischen Gebirge, dem Euphrat und dem Essischen Meerbusen.
Die Hauptstadt war früher Melitene, später Mopsuestia, zuletzt Sis. Durch die Ausbreitung der arabischen Herrschaft ging auch dieses Land allmählich den Byzantinern verloren, und 693 befand sich der größte Teil desselben in den Händen der Araber. Im J. 752 kam Armenien zwar wieder unter byzantinische Herrschaft, nachdem es der Kaiser Konstantin Kopronymos den Arabern entrissen hatte; allein der Druck der byzantinischen Herrschaft veranlaßte öftere Empörungen, die bei der Schwäche der oströmischen Regierung solche Erfolge hatten, daß schon die ersten Kreuzfahrer auf unabhängige armenische Dynastien stießen.
Aber erst um 1080 gelang es dem alten Bagratidenstamm angehörigen Rhupen (Ruben), ein selbständiges Reich in Armenien zu gründen, welches unter Rhupens Nachfolgern sich auch über Kilikien und Kappadokien erstreckte und in den Kreuzzügen eine wichtige Rolle spielte. Neben der der Rhupeniden jedoch entstanden noch mehrere kleinere Herrschaften in Armenien Leo II. erbat sich von dem König von Jerusalem, [* 8] Grafen Heinrich von Champagne, die Königswürde, ließ sich dieselbe durch den Kaiser Heinrich VI. und den Papst Cölestin III. bestätigen und empfing aus den Händen des hierzu abgeordneten Erzbischofs von Mainz, [* 9] Konrad von Wittelsbach (1198), zu Tarsus die Krone.
Wechselvolle Kämpfe mit den Byzantinern, den durch den ersten Kreuzzug entstandenen christlichen Staaten in Vorderasien und den Türken füllten die Geschichte Armeniens in der folgenden Zeit aus. Zu Anfang des 13. Jahrh. kam das Land in Abhängigkeit von dem Sultanat von Ikonion, zu Anfang der zweiten Hälfte des 13. Jahrh. aber wurde es durch. Hulagus Eroberungszug den Mongolen unterthänig. Dazu kamen dann späterhin Streitigkeiten mit den Sultanen von Ägypten, [* 10] die Armenien wiederholt mit verwüstenden Raubzügen ¶
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heimsuchten, sowie innere Zerwürfnisse, besonders infolge der Einmischung der Päpste in die kirchlichen Angelegenheiten Armeniens, wodurch die Kraft [* 12] des Reichs gebrochen wurde, so daß es 1375 dem Angriff des ägyptischen Sultans Schaban erlag. Der letzte König, Leo VI., aus dem Haus der Könige von Cypern [* 13] aus dem Geschlecht Lusignan, mütterlicherseits von den Rhupeniden abstammend, fiel in ägyptische Gefangenschaft und begab sich nach seiner Freilassung nach Paris, [* 14] wo er 1393 starb.
Kleinarmenien wurde nun ägyptische Provinz und von Statthaltern, die zu Sis residierten, regiert. Im J. 1403 brachen die Turkmenen in Armenien ein und machten sich zu Herren des Landes, zuerst die Turkmenendynastie Kara Koinlu (»der schwarze Hammel«),
dann die Turkmenendynastie Ak Koinlu (»der weiße Hammel«),
seit 1468. Nach dem Sturz dieser Dynastien machten sich die Perser zu Herren von Armenien, wurden jedoch zu Anfang des 16. Jahrh. durch die Türken verdrängt, unter deren Botmäßigkeit das Land zum großen Teil noch jetzt steht.
Bis zur Besitznahme der Provinz Eriwan durch Rußland hatte man von Armenien nur lückenhafte Kunde. Die Reisenden Hardin, Tournefort und der deutsche Gelehrte Olearius haben in den vorigen Jahrhunderten dieses Land flüchtig durchzogen und noch flüchtiger beschrieben. Morier, Ker Porter, William Ouseley verweilten zu Anfang dieses Jahrhunderts in der Nähe des Ararat und haben Beschreibungen jener Gegend geliefert, die aber alle ungenügend sind. Als die Russen in Armenien Sicherheit der Straßen hergestellt hatten, kamen auch die Männer der Wissenschaft, die Natur- und Altertumsforscher, um das merkwürdige Land näher zu untersuchen.
Der Dorpater Professor Parrot bereiste mit seinen Begleitern Behages und Federow Armenien 1829, bestieg und maß die beiden Araratkegel und veröffentlichte das erste wissenschaftliche Werk (»Reise zum Ararat«, Berl. 1834, 2 Bde.). Wenige Jahre später bereiste der Archäolog und Naturforscher Dubois de Montperreux dieselben Gegenden. Ihm folgten Karl Koch (»Wanderungen im Orient«, Bd. 2 u. 3, Weim. 1846-47),
Szowitsch, Carteron, Woskobrinikow, Kolenati, Brosset (»Voyage archéologique«, Par. 1849-51),
J. G. Taylor und Strecker (»Zur Geographie von Hocharmenien«, in der »Zeitschrift der Gesellschaft für Erdkunde« [* 15] 1869). M. Wagner (»Reise nach dem Ararat und dem Hochland Armenien«, Stuttg. 1848) besuchte zuerst die durch kurdische Räuberstämme äußerst unsichere Südseite des Ararat. Abich bereiste seit 1844 den Alagös und die vulkanischen Gruppen an der Südseite des Göktschasees und hat über die Resultate seiner geologischen Wanderungen interessante Fragmente hinsichtlich des Gebirgsbaues Armeniens im Bulletin der Petersburger Akademie sowie neuerlich ein zusammenfassendes Werk (»Geologie [* 16] des armenischen Hochlandes«, Wien [* 17] 1882, 1. Hälfte) veröffentlicht.
Neben diesen Forschern haben noch einzelne Sammler im Auftrag der Akademie und des Museums von St. Petersburg [* 18] und für Rechnung reicher Besitzer von Privatsammlungen in Moskau, [* 19] Kiew [* 20] und Kasan [* 21] das russische Armenien bereist, so daß die dortige Flora und Fauna mindestens ebenso genau bekannt geworden sind wie die von Spanien [* 22] und Portugal. In dieser Richtung hat durch seine wiederholten Reisen auf türkischer wie russischer Seite Gustav Radde, dessen Sammlungen das Kaukasische Museum in Tiflis birgt, sich die größten Verdienste erworben. Ein nicht geringer Teil von Türkisch-Armenien ist anläßlich des letzten Kriegs durch die Russen aufgenommen worden.
Die Geschichte Armeniens ist mehrfach von armenischen Schriftstellern bearbeitet worden, z. B. von Arisdag de Lasdiverd (franz. hrsg. von Prudhomme, Par. 1864), Moses von Chorene (deutsch von Lauer, Regensb. 1869), Faustus von Byzanz (deutsch von Lauer, Köln [* 23] 1879) u. a.
Vgl. Saint-Martin, Mémoires historiques et géographiques sur l'Arménie (Par. 1818, 2 Bde.);
Curzon, Armenia: a residence at Erzeroum (Lond. 1854);
Lukas Indjidjian, Altarmenien (1822);
Derselbe, Archäologie von Armenien (Vened. 1836, 3 Bde.);
Langlois, Essai historique et critique sur la constitution sociale et politique de l'Arménie (Petersb. 1860);
»Journal of the London [* 24] Geogr. Society« (Bd. 3, 6, 10, die Entdeckungen von Monteith, Ainsworth u. a. enthaltend);
Haxthausen, Transkaukasia (Leipz. 1856, 2 Bde.);
Kiepert, Über älteste Landes- und Volksgeschichte von Armenien (»Monatsberichte der Berliner [* 25] Akademie«, Berl. 1869);
Creagh, Armenians, Koords and Turks (Lond. 1880).