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gegen N. und S., in tiefer liegende Landschaften ab. Der Nordost- und Nordrand zieht von dem Durchbruch des Araxes bis etwa 42° östl. L. v. Gr. von SO. gegen NW. Gegen N. fällt er zu den Ebenen des Kur und Rion ab, wird im Maximum seiner Annäherung an den Kaukasus zwischen 61 und 62° östl. L. vom Kur durchbrochen und lehnt sich an die Hochebenen von Achalzych, Kars, Eriwan und Nachitschewan an. Dieses Bergland wird aus mehreren terrassenartig aufsteigenden Parallelketten gebildet und trägt zahlreiche Porphyr-, Basalt- und Trachytberge.
Zwischen den Ketten liegen langgestreckte, wohlbewässerte Hochebenen. Der Südrand liegt zwischen 39 bis 37½° nördl. Br. und 44 bis 37° östl. L. Die innerste und höchste Kette dieses Berglands ist der Ala Dagh. Dasselbe umgibt mit seinen beständig in Schnee [* 2] gehüllten Kalksteinbergen, welche im Tura Dschelu bis 4220 m ansteigen, den Wansee und lehnt sich im N. unmittelbar an die vom östlichen Euphrat durchflossenen Hochebenen an. Wenige beschwerliche Pässe, worunter der von Bitlis, führen über die Kette. Im S. des Ala Dagh folgt eine breite Längenstufe, in welcher der Tigris, in der Thalebene von Diarbekr, nach O., weiter westlich auch der Euphrat auf eine Strecke nach W. fließt. Im S. wird die breite Längenstufe von dem von O. nach W. ziehenden, bis 1000 m hohen Tûr Addîn (Mons [* 3] Masius) begrenzt und von der ersten Stufe Mesopotamiens getrennt. Am Ostrand steigt man aus Aserbeidschân allmählich über mehrere Stufen auf die Hochebenen Armeniens hinauf; kurze, die Terrassen miteinander verbindende Engpässe führen über dieselben. Am Westrand wird, wie auf der Ostseite, der Abfall des Hochlands nach dem Gestade des Schwarzen Meers und zu den niedriger liegenden Hochebenen Kleinasiens durch mehrere Stufen vermittelt.
Zwischen der Hochebene von Erzerum (1965 m) und Trapezunt am Schwarzen Meer, auf einer Entfernung von 185 km, zieht sich eine Bergkette, über die man in die vom Tscharuch durchflossene Mittelstufe von Baiburt, sowie ein zweiter Gebirgszug hin, über den man zum pontischen Gestade gelangt. Plutonische Kräfte haben an der Bildung des armenischen Gebirgssystems überwiegenden Anteil genommen. Die geschichteten neptunischen Formationen und die ältern Bildungen, wie Granit, Syenit, Gabbro etc., sind im Verhältnis zu den später entstandenen (Trachyt, augitischer Porphyr) schwach repräsentiert.
Die armenischen Gebirge scheinen als Ketten mit dem Kaukasus und den Gebirgen Kleinasiens, Kurdistans und Westpersiens gleiche Ursachen wie eine gleiche Epoche der Entstehung gehabt zu haben. Das große Hebungssystem aller dieser Gebirge zeigt genau dieselbe Richtung von SO. nach NW.; der Kern sämtlicher Hauptketten besteht aus Gesteinsmassen, welche petrographisch entweder identisch oder doch nahe verwandt sind. Nach der Erhebung der armenischen Alpenketten scheint eine Periode vulkanischer Thätigkeit eingetreten zu sein, welche im eigentlichen Hochland nur einzelne Erhebungskrater inmitten der Kette bildete und Schlacken und geschmolzenes Gestein aus der Tiefe emporhob.
Übrigens ist der vulkanische Herd Armeniens noch keineswegs erloschen; seine fortdauernde Thätigkeit gibt sich nicht nur in warmen Mineralquellen (z. B. die Schwefelquellen bei Tiflis von 32,7° C.), sondern auch in den immer wiederkehrenden Erdbeben [* 4] kund, deren Hauptfokus der Ararat ist. Armenien ist reich an Metallen. Berühmt sind die Bergwerke zu Gümüschchane, Kure, Baiburt etc., welche Silber, Blei, [* 5] Eisen, [* 6] Arsenik, Alaun, [* 7] Steinsalz, besonders aber Kupfer [* 8] liefern. - Armeniens Flüsse [* 9] gehören mit wenigen Ausnahmen zu den Stromsystemen des Euphrat (Tigris), Araxes und Kur, welche sämtlich in Armenien entspringen.
Der Euphrat bildet sich aus zwei Quellflüssen, dem Murad Su oder östlichen und dem Kara Su oder westlichen Euphrat. Von Malatia bis Gerger durchbricht er den Taurus und bildet eine Reihe von Wasserfällen und Stromschnellen. Der Tigris, eigentlich schon zu Kurdistan gehörig, entsteht ebenfalls aus zwei Quellflüssen: der östliche, der Schatt, entspringt südlich vom Wansee;
der westliche, der Arm von Diarbekr, entquillt dem Alindschik Dagh;
der vereinigte Strom durchbricht die südlichste Tauruskette und beginnt bei Mosul seinen Mittellauf.
Der Aras entspringt zwischen den beiden Euphratarmen und fließt auf weiter Hochebene gegen O. und SO.; die Quelle [* 10] des Kur liegt (auf jetzt russischem Gebiet) nordöstlich von Kars. Außer diesen ist noch der in das Schwarze Meer mündende Tscharuch (Akampsis) zu erwähnen. An größern Seen enthält den Wansee, auf türkischem, und den Göktscha, auf russischem Gebiet gelegen.
Armenien zerfällt in drei Klimaregionen: in die des Regens mit subtropischem Klima, [* 11] in die des veränderlichen Niederschlags und in die des ewigen Schnees. Die erste Region begreift nur das Kurthal von Tiflis bis zum Kaspischen Meer und die Thallandschaft des obern Tigris; die zweite umfaßt die Hochebenen, die Randgebirge und die Plateauketten Armeniens bis zu einer absoluten Höhe von etwa 4000 m und bietet sehr viele Abstufungen dar. Während in der Ebene von Karahissar südeuropäisches Klima herrscht, haben die Mittelstufen der Randgebirge mitteleuropäisches Klima, und die Ernten können hier erst im August und September eingebracht werden.
Die Hochebenen Armeniens haben im allgemeinen sehr rauhes Klima, besonders lange und strenge Winter und kurze Sommer mit sehr heißen Tagen, aber immer kalten Nächten; indessen wird das Klima durch die verschiedene absolute Höhe der Hochebenen bedeutend modifiziert. Ein charakteristischer Zug des armenischen Himmels besteht in den scharfen Gegensätzen feuchter Luftschichten von verschiedenen Temperaturen und in der häufigen Ausgleichung derselben durch heftige Entladungen (Schneeschauer im Winter, Regen- und Hagelschauer im Sommer). Von N. her haben die kalten Nordwinde ungehinderten Zutritt und treten dann den ohnehin auf dem armenischen Plateau sich abkühlenden Süd- und Ostwinden entgegen, wodurch jene heftigen Stürme erzeugt werden, welche von jeher die Küstenschiffer des Schwarzen Meers in Schrecken setzten. Die Region des ewigen Schnees begreift die höchsten Teile des Berglands; sie beginnt am Ararat bei 4000 m, reicht aber im Innern des Landes noch über 800 m tiefer herab. - Die Pflanzenregionen des armenischen Berglands sind erst ziemlich unvollständig bekannt.
Die untern Regionen der Randgebirge sind mit immergrünen Bäumen bewachsen; in den höhern Regionen findet man wohl kräftigen Baumwuchs, aber eigentlicher Hochwald vermag sich in größerm Umfang nicht zu entwickeln. Vorherrschende Waldbäume sind Buche und Eiche zwischen 300 und 1250 m Höhe; Fichte [* 12] und Ahorn steigen vereinzelt bis 1850 m; als oberster Waldbaum macht sich die Birke geltend, die bis über 2500 m Höhe erklimmt. Die noch höhern Regionen sind mit Sträuchern und ¶
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Alpenpflanzen bekleidet. Besonders bemerkenswert sind darunter mehrere Pyrethrum-Arten, aus denen das sogen. kaukasische Insektenpulver fabriziert wird, das, wie auch Galläpfel, einen ansehnlichen Handelsartikel bildet. Obstbäume und Wein kommen nur in absolut niedrig gelegenen Strichen fort, z. B. bei Eriwan; die höhern Gegenden sind Weideländer oder auch zum Anbau des Getreides tauglich, wie denn der Weizen bei Erzerum noch in 1900 m Höhe ansehnliche Ernten gibt.
Von der Tierwelt ist in Armenien besonders das Geflügel (Wachteln, rote Gänse oder Enten, [* 14] Fasanen, Tauben, [* 15] Störche und Kraniche) sehr reich vertreten. Von Vierfüßlern finden sich zahlreich Bären, Luchse, Lemminge und mehrere Murmeltierarten; ferner Springmäuse und auf den höchsten Höhen das wilde Schaf [* 16] (Ovis gemelii). Füchse, graue Biber, Dachse und Wölfe zeigen sich gelegentlich. Als Haustiere spielen Büffel und Rindvieh, Pferde, [* 17] Esel und Kamele, [* 18] Schafe, [* 19] Ziegen und Hunde [* 20] die Hauptrolle.
Im klassischen Altertum unterschied man Großarmenien (Armenia major), die große Osthälfte des Landes, die östlich an Medien und an das Kaspische Meer, südlich an Mesopotamien und Assyrien grenzte, und Kleinarmenien (Armenia minor), das den kleinern Gebietsteil westlich vom Euphrat umfaßte. Gegenwärtig ist Armenien unter die oben genannten Mächte geteilt. Das türkische Armenien umfaßt außer dem alten Kleinarmenien den westlichen Hauptteil von Großarmenien und zwar die Wilajets Wan, Bitlis, Darsim, Erzerum sowie Teile der Wilajets Diarbekr und Charput (nach der Einteilung vom Jahr 1300 der Hedschra).
Hauptstädte sind hier Erzerum, Wan, Bitlis, Musch etc. Das russische Armenien (früher im Besitz der Perser) begreift den nordöstlichen Teil des alten Großarmenien und wird der Hauptmasse nach von den Flüssen Kur und Araxes umschlossen; es bildet die jetzigen Gouvernements Eriwan, Jelissawetpol und Kars sowie Teile des Gouvernements Tiflis. Die bedeutendsten Städte sind: Tiflis, Kars und Eriwan;
außerdem Gümri (Alexandropol), Jelissawetpol, Nachitschewan, Schuscha u. a. In diesem Teil des Landes liegen auch die drei alten hochberühmten Klöster: Etschmiadsin, Sitz des Patriarchen von Armenien, Haghpad und Sanahine.
Der persische Teil von Armenien umfaßt die südöstlichste Ecke des alten Großarmenien und gehört zur Provinz Aserbeidschân.
Die Armenier sind von hoher Statur, brünett und von bedeutender Intelligenz und besitzen aus der Zeit ihrer politischen Selbständigkeit eine reiche Litteratur. Ebenso haben sie die Lehren [* 21] der christlichen Religion, die bereits im 2. Jahrh. zu ihnen kam, in eigentümlicher Weise aufgefaßt und entwickelt und sich in neuerer Zeit auch der evangelischen Lehre [* 22] zugänglich gezeigt (s. Armenische Kirche). Sie werden im allgemeinen als verständig, friedliebend, mildthätig, arbeitsam und enthaltsam geschildert; besonders aber zeichnen sie sich durch ihr Geschick zu kaufmännischen Geschäften aller Art aus, womit freilich auch jene Fehler verknüpft sind, welche Handelsvölkern eigen zu sein pflegen. In Zusammenhang damit steht als ein Hauptcharakterzug ihres Wesens die Neigung, sich von ihrer Heimat nach allen Seiten hin zu verbreiten.
Daher kommt es, daß die Armenier schon seit langem nur noch einen Bruchteil der Bevölkerung [* 23] des Hochlandes bilden, während man sie zerstreut in fast allen türkischen Provinzen, in Rußland, Persien [* 24] und Indien, in den großen Handelsstädten des Mittelmeers [* 25] und des österreichischen Kaiserstaats bis nach Westeuropa findet, wo sie als Geldwechsler, Bankiers, Kaufherren und hausierende Krämer oder auch als Handwerker und Lastträger ihren Erwerb suchen. Aber trotz der weiten Zerstreuung, in der die Armenier leben, bilden sie überall geschlossene Gemeinwesen, welche ihre nationale Eigentümlichkeit zu behaupten wissen.
Man schätzt ihre Zahl in Armenien selbst auf höchstens 1 Mill., in Persien und den angrenzenden Gebieten auf 100,000, in der europäischen Türkei [* 26] auf 400,000, in Rußland auf ½ Mill., in Indien auf 5000, in Afrika [* 27] auf ebensoviel, in Siebenbürgen, Ungarn [* 28] und Galizien auf 16,000, im übrigen Europa [* 29] auf 1000. Die Kopfzahl des gesamten Volks dürfte 2½ Mill. kaum erreichen. In ihrem Heimatsland sind die Armenier meist Hirten und Ackerbauer geblieben. Ihre Kleidung gleicht der der Türken, nur daß sie statt des Turbans als Kopfbedeckung eine hohe, gerade aufstehende Pelzmütze tragen.
Die Frauen dürfen sich öffentlich nur verhüllt zeigen. Heiraten werden von den Eltern durch Vertrag abgeschlossen, ohne daß die Beteiligten irgendwie befragt werden, und die Ehe vermag nur der Tod zu lösen; im übrigen gilt die Frau nicht als Gefährtin des Gatten, sondern als bloße Magd. Um die Hebung [* 30] der geistigen Bildung des Volks, das im allgemeinen noch auf einer tiefen Stufe steht, haben sich in neuester Zeit evangelische Missionäre aus Nordamerika [* 31] verdient gemacht.
Von den Anstalten derselben abgesehen, gibt es in Armenien nur sehr wenige Schulen. Sprache [* 32] und Litteratur pflegt am erfolgreichsten die Kongregation der Mechitaristen (s. d.). Außer den eigentlichen Armeniern wohnen im Land als eingewanderte Völkerschaften die herrschenden Türken, zumeist mit Ackerbau beschäftigt, nomadisierende Kurden, im südöstlichen Teil des Landes tatarische Stämme, Nestorianer, welche einen syrischen Dialekt sprechen und zumeist die Gebirge an der Grenze von Persien bewohnen, Georgier und Lasen im N. sowie zerstreut Griechen, Juden, Zigeuner.
Die Wohnungen sind mit Rücksicht auf den langen und harten Winter angelegt und haben (in den Städten) möglichst wenige Öffnungen. Die Dörfer bestehen aus Lehmhütten, häufiger aber noch aus unterirdischen Wohnungen, die sich im Winter bei hoch liegendem Schnee nur durch den aufsteigenden Rauch bemerklich machen. Unmittelbar neben dem Wohngemach befindet sich der Stall und unter der Dachluke der Tandur, ein ca. 1 m tiefes Loch im Boden, das zur Erwärmung des Raumes und zur Brotbereitung dient.
Während der zahlreichen Fasttage begnügt sich der gemeine Mann mit Brot [* 33] und einem Stück Zwiebel oder mit Obst, Reis und Bohnen. Der Ackerbau erzeugt in den bergigen Strichen Weizen, Gerste, [* 34] Spelz und Flachs, auf den Ebenen Reis, Baumwolle, [* 35] Tabak, [* 36] Sesam, hier und da Hirse; [* 37] im allgemeinen aber ist er unbedeutend. In den Ebenen wird auch Seiden- und Bienenzucht [* 38] fleißig betrieben. Die Tataren und Armenier lieben die Jagd auf wilde Ziegen, Bergschafe und Bären. Industrie ist unbedeutend. Die Frauen, seltener die Männer, weben Teppiche, seidene und wollene Zeuge, Strümpfe, Pferdedecken, Shawls etc., namentlich aber Tressen, wozu man die Gold- und Silberfäden meist aus Rußland erhält.
Geschichte.
Die Armenier nannten sich selbst Haikh (»Herren«),
daher ihr Land persisch Hajastan hieß, während der Name von den Medern herrührt, die ¶