1871), auf welche sich auch die Didotsche Ausgabe (Par. 1848-74, 5 Bde.) stützt.
Eine Sammlung der Fragmente ist Roses »Aristoteles pseudepigraphus« (Leipz.
1863). Übersetzungen von gesammelten Werken des Aristoteles erschienen in den bekannten Stuttgarter Klassikersammlungen, eine neue,
mit Einleitungen, in Kirchmanns »Philosophischer Bibliothek«.
[Litteratur.]
Vgl. Buhle, Vita Aristotelis (im 1. Bd. der Werke);
Stahr, Aristotelia (Bd. 1: »Das
Leben des Aristoteles«, Halle 1830; Bd. 2: »Die
Schicksale der Aristotelischen Schriften etc.«, das. 1832);
Brandis, Aristoteles, seine akademischen Zeitgenossen und nächsten Nachfolger
(»Geschichte der griechisch-römischen Philosophie«, 2. Teil, 2. Abt., Leipz. 1853-57);
Lewes, Aristotle (Lond. 1864; deutsch
von Carus, Leipz. 1865);
Grote, Aristotle (2. Aufl., das. 1879);
Grant, Aristotle (Lond. 1874);
Heitz, Die
verlornen Schriften des Aristoteles (Leipz. 1865);
Bonitz, Aristotelische Studien (Wien 1862-66, 4 Bde.).
Aus der Litteratur über die einzelnen Kreise der Aristotelischen Schriften sind hervorzuheben (in der Reihenfolge obiger Anordnung):
Kampe, Die Erkenntnistheorie des Aristoteles (Leipz. 1870);
Eucken, Die Methode der Aristotelischen Forschung (Berl.
1872);
Sottini, Aristotile e il metodo scientifico (Pisa 1873);
Teichmüller, Aristotelische Forschungen (Halle 1867-69, 2 Bde.;
die Poetik und Kunstlehre betreffend);
Reinkens, Aristoteles über Kunst, besonders über Tragödie (Wien 1870);
Döring, Die Kunstlehre
des Aristoteles (Jena 1876);
Eberhard, Die Aristotelische Definition der Seele (Berl. 1868);
F. Brentano, Die Psychologie
des Aristoteles (Mainz 1870);
J. B. ^[Jürgen Bona] Meyer, Aristoteles' Tierkunde (Berl. 1855);
Sundevall, Die Tierarten des Aristoteles (Stockh. 1863);
Glaser, Die Metaphysik des Aristoteles (Berl. 1841);
Eucken, Die Methode der Aristotelischen Ethik (das. 1870);
Rassow, Forschungen über
die Nikomachische Ethik des Aristoteles (Weim. 1874);
Oncken, Die Staatslehre des Aristoteles (Leipz. 1870).
Philosophie. Aristoteles ist mit seinem großen Vorgänger Platon darüber einverstanden, daß, wenn es
kein Allgemeines (Begriff, Gattung) an den Dingen gäbe, auch kein Wissen von diesen möglich wäre; darin aber bildet er den direkten
Gegensatz zu Platon, daß er als echter, vornehmlich der organischen Natur zugewandter Naturforscher nicht
das Allgemeine (die Gattungsidee), sondern das Einzelne (die Individuen) für das wahrhaft Existierende erkennt.
Zwar hat z. B. jedes einzelne Pferd die Gattungsmerkmale (den Allgemeinbegriff) eines solchen an sich; wirklich ist aber darum
doch nicht der Begriff Pferd, sondern das Pferdindividuum. Der Begriff kommt zur Wirklichkeit nur, indem
er sich verkörpert, d. h. zur Form (zum gestaltenden Prinzip) einer Materie (eines bildsamen Stoffs) wird. An jedem wirklichen
Ding (mit Ausnahme eines einzigen, der Gottheit) ist beides, Form und Materie (wie am Menschen Seele und Leib), zu unterscheiden,
obgleich niemals zu trennen, indem (mit Ausnahme wieder jenes einzigen) Form nie ohne Materie, diese nie
ohne jene gegeben ist.
Die Ausgestaltung des Stoffs durch die Form aber geht niemals plötzlich, sondern, wie Aristoteles wieder im Anschluß an die
unmittelbaren Thatsachen der organischen Natur bemerkt, stets allmählich vor sich, so daß das schließlich Wirkliche (Ausgebildete)
anfänglich nur als Mögliches (Anlage zur Ausbildung, Angelegtes), wie das Hühnchen im Ei, die Pflanze
im Samenkorn, existierte. Das zu Verwirklichende (der Begriff des Huhns, der Pflanze) macht hierbei die
Zweck-, die gestaltende
Form (die »Seele« des Huhns, der Pflanze) die wirkende und der von letzterer gestaltete Stoff (die organische Materie) die materiale
Ursache des Wirklichen (des lebendigen Hühnchens, der lebenden Pflanze) aus (das um dieses Insichtragens
des Zwecks, griech. telos, willen Entelechie, d. h. das seinen Endzweck in sich Habende, heißt).
Der Übergang aus der bloßen Anlage (Potenzialität) in Wirklichkeit (Aktualität) erfolgt durch Bewegung. Damit diese eintrete,
der Übergang aus bloßer Anlage zu sein in wirkliches Sein erfolge, bedarf es selbst einer Ursache, und
da sich bei dieser das Nämliche, Übergang aus Nichtwirksamkeit in Wirksamkeit, also Bewegung, wiederholt, einer weitern
Ursache u. s. f. Da nun die Reihe dieser Ursachen nicht ins Endlose gehen kann, weil es sonst gar keine Ursache gäbe, so muß
eine letzte Ursache vorhanden sein; diese aber als letzte darf in keiner Weise bloße Anlage (bloßes Vermögen)
zum Thätigsein, sondern muß Thätigkeit schlechthin sein, da sie sonst (gegen ihren Begriff als letzte) selbst einer weitern
Ursache bedürftig wäre, um aus bloßem Vermögen zur That in diese selbst überzugehen. Es muß eine selbst
unbewegte Ursache aller Bewegung geben, da jedes Unbewegte nur durch ein in Bewegung Befindliches in Bewegung gesetzt werden
kann.
Nicht nur wird ein ruhender Körper durch einen bereits bewegten bewegt, sondern auch ein Lebensfähiges, aber Unbelebtes
nur durch ein bereits Lebendiges belebt. Zeugnis des erstern ist die an sich bewegungslose Materie, die durch
den Anstoß des ersten Bewegers in Umschwung gesetzt wird; Zeugnis des letztern die (von Aristoteles zum Gegenstand einer eignen
Schrift gemachte) Zeugung der organischen Wesen (vor allen der Tiere), deren (lebensfähiger, aber noch lebloser) Keim, das Ei,
der Befruchtung durch die lebenden Eltern bedarf, um zum Leben zu gelangen. In jenem Fall entstehen Bewegungs-,
in diesem Generationsreihen, welche beide, da auch der Übergang aus Nichtzeugen in Zeugen schließlich eine Bewegung ist,
auf die eine unbewegte Ursache aller Bewegung, den ersten Beweger, Gott, als Quell- und Ausgangspunkt aller Bewegung und alles
Lebens zurückführen.
Dieser selbst ist seinem Wesen nach reine That (Energeia), nicht bloßes Vermögen (Dynamis), als welche
er folglich weder jemals begonnen haben, noch jemals aufhören kann, thätig zu sein, weil er im erstern Fall einer Ursache
bedürfte, um aus bloßem Vermögen in That, im letztern einer solchen, um aus That in bloßes Vermögen überzugehen, in keinem
Fall also selbst letzte Ursache wäre. Gott ist notwendig ewig, da die durch ihn bewirkte Bewegung ohne Anfang und Ende ist,
wie umgekehrt auch die von ihm bewirkte Bewegung selbst ewig ist, weil er als reine That weder anfangen, noch aufhören kann,
dieselbe zu bewirken. Er ist immateriell, unveränderlich, leidenlos; weil er nicht nur sonst selbst eines
Bewegers, wie alle Materie, bedürftig, sondern auch ohne einen solchen, der mit dem Begriff eines ersten Bewegers unvereinbar
ist, kein Leiden denkbar wäre. Er ist unbeweglich, obgleich er andres bewegt; denn er bewegt nur, wie es das Schöne thut und
das sonst als liebenswürdig Anziehende, welches den nach ihm Begehrenden in Bewegung versetzt, ohne selbst
in solcher zu sein, d. h. Gott bewegt als Ideal, dem das der Gestaltung (durch die Form) Bedürftige (die Materie) zustrebt.
Er ist Einer, denn das der Zahl nach Viele hat Materie; rein
mehr
Form (ohne Stoff, Seele und Leib), von allem Seienden das einzige, dessen Thun nicht Gestalten materiellen, sondern selbst geistigen
Stoffs, nicht (praktisches) Handeln, sondern (theoretisches) Denken ist, keinen Zweck außer sich hat, sondern selbst Zweck ist,
dem alle Materie durch Unterwerfung unter die Form sich zu nahen die Bestimmung hat. In Gott ist das Denken
sich selbst Gegenstand; er ist Denken des Denkens; sein Thun, da er sich selbst genügend, keines von ihm verschiedenen Dinges
bedürftig ist, die angenehmste und seligste Beschäftigung.
Gott (die stofflose Form) und die Materie (der formlose Stoff) stellen entgegengesetzte Endpunkte dar, zwischen welchen näher
dem einen oder dem andern stufenförmig geordnet alle andern aus Form und Stoff gemischten wirklichen
Dinge gelegen sind. Bei denen, welche dem materiellen Weltstoff näherstehen, überwiegt der Stoff die Form, bei denen dagegen,
welche dem ersten Beweger näherstehen, die Form den Stoff. Jene machen die leblose, diese die lebendige Natur und
zwar in der Art aus, daß das roheste und formloseste Produkt der elementarischen Natur die unterste, der Mensch dagegen die
oberste Stufe der Reihenfolge bildet.
In der leblosen Natur wird das Wirken einer Seele noch nicht, in der lebendigen hingegen zuerst als bloß ernährendes (im
Pflanzenreich), als empfindendes (im Tierreich) und zu beiden vorhergehenden Verrichtungen hinzukommend
als denkendes Wirken im Menschen sichtbar. Jede dieser drei Stufen der lebendigen Natur setzt die frühern, die lebendige Natur
selbst die leblose und diese wieder die allgemeinen Bedingungen alles natürlichen Daseins, Raum, Zeit und Bewegung, voraus,
deren letzte ihren Grund in Gott als letztem Beweger hat.
Die Zeit ist unbegrenzt, der Raum dagegen begrenzt; denn da dieser nichts andres ist als die Grenze eines einschließenden
Körpers, so müßte es, falls er unbegrenzt sein sollte, einen unbegrenzten Körper geben, was ein Widerspruch wäre. Auch
folgt aus dem Begriff des Raums, daß dessen Leere unmöglich ist. Die Bewegung, die entweder (quantitative)
Zu- oder Abnahme, oder (qualitatives) Anderswerden, oder bloße Ortsveränderung ist, schließt als anfangs- und endlos sowohl
das Entstehen aus dem Nichts als das Vergehen ins Nichts aus;
alles wird aus einem Seienden und zu einem solchen;
Stoff und Bewegung
sind so ewig wie der erste Beweger, die Welt so ungeschaffen und so unvergänglich wie Gott selbst. Da
letzterer nur Einer, so ist auch die erstere nur Eine;
nicht zusammenhangslos wie eine schlechte, sondern in sich nach Grund
und Folge motiviert wie eine gute Tragödie, ein ineinander greifendes System von Bewegungen, und da der Beweger der
vollkommenste ist, so ist auch das Bewegte seiner Gestalt nach vollendet und abgeschlossen.
Das Universum denkt Aristoteles
unter dem Bild einer Kugel, deren in stetem, gleichmäßigem, kreisförmigem Umschwung nach der besten Seite (von links nach
rechts) begriffene äußerste Schale der Fixsternhimmel, deren ruhender Mittelpunkt die gleichfalls kugelförmige Erde ist,
zwischen welchen konzentrisch die mit ungleichmäßiger Bewegung in schiefen Bahnen nach der schlechten
Seite hin (von rechts nach links) laufenden sieben Planetensphären (Sonne und Mond inbegriffen) gelagert sind.
Jener macht den vollkommensten, weil dem ersten Beweger nächsten, die Erde den unvollkommensten, weil demselben fernsten
Teil des Weltalls aus, daher auf der letztern anstatt der
Wandellosigkeit der Gestirnwelt unaufhörlicher
Wechsel herrscht. Die Zu- und Abnahme des Irdischen wird durch die stete Ungleichmäßigkeit der Planetenbewegungen (besonders
der ihr bald näher-, bald fernerstehenden Sonne) bewirkt; die Gleichmäßigkeit der Himmelsbewegung ihrerseits spiegelt sich
in der Gleichmäßigkeit ab, mit welcher jene Ungleichmäßigkeit der planetarischen Einwirkungen (z. B.
der Jahreszeiten) periodisch wiederkehrt.
Folge dieser Mischung des beharrenden und wandelbaren im Jenseits (Himmel über dem Monde) ist im Diesseits (Erde unter dem Monde)
die, mit der Einförmigkeit der Himmelserscheinungen verglichen, unendlich größere Mannigfaltigkeit von Formen und Gestalten
der irdischen Phänomene, insbesondere der organischen (pflanzlichen, tierischen, menschlichen) Natur unter dem
Einfluß der Himmelskörper. An derselben tritt, da sie dem ersten Beweger so fern steht, um so mehr das Bedürfnis eines
eignen innern Bewegungsprinzips, der Seele, hervor, wodurch sie als Sitz einer von ihr selbst (wenigstens relativ) ausgehenden
Bewegung anderseits dem ersten Beweger (als absolutem Quell aller Bewegung) wieder ähnlich wird.
Dasselbe tritt auf der untersten Stufe des organischen Lebens (in der Pflanze) ohne sichtbaren Lebensmittelpunkt, gleichsam
durch den ganzen Organismus ergossen, nur als ernährende, auf der mittlern Stufe (im Tier) zugleich als empfindende mit einem
Mittelpunkt des leiblichen (Herz) und zugleich einer Einheit des wahrnehmenden, Lust und Unlust fühlenden, begehrenden
und verabscheuenden psychischen Lebens, mit Geschlechtsgegensatz, willkürlicher Bewegung, Gedächtnis und Einbildungskraft auf.
Im Menschen, dem vollkommensten Tier, kommt zu beiden genannten als höchste Stufe die denkende, von den beiden frühern unterschiedene
Seele (die Vernunft, der Geist, griech. nūs), die nicht aus der Natur stammt, sondern etwas »Göttliches« oder doch Gottähnliches
ist, »von außen« hinzu.
Dem allgemeinen Grundgedanken der Entwickelung des Wirklichen aus dem Möglichen entsprechend, erscheint die Seele auf jeder
der genannten Stufen zuerst als bloße Anlage (organischer Keim der Pflanze oder des Tiers; Samenkorn, Ei, Embryo), welche, um zur
vollendeten Auswickelung zu gelangen, des von außen kommenden Reizes, der Sollizitation, sowohl zur Ernährung
als zur sinnlichen Empfindung (und Begehrung) und zum vernünftigen Denken bedarf. Jener geht von den innern Zuständen des
leiblichen Organismus (Nahrungsmangel), der Reiz zur sinnlichen Empfindung und Begehrung von den äußern Gegenständen (dem
Sicht-, Hör- und Schmeckbaren etc.), der Anreiz zur Entwickelung der Vernunftanlage dagegen von dem (nicht
materiellen) Gegenstand des Denkens, dem Denken selbst aus, welches in diesem Betracht als thätige, zur Vernunftthätigkeit
anregende Vernunft (nus poietikos, thätiger Geist) von der leidenden Vernunft (der Anlage zur Vernunftthätigkeit, nus pathetikos,
leidender Geist) sich unterscheidet. Im Menschen, der alle drei Arten der Seele (wie? bleibt dunkel) in sich
vereinigt, gleicht die denkende Seele ursprünglich einer unbeschriebenen Wachstafel, die zwar der Möglichkeit, nicht aber
der Wirklichkeit nach ein Buch ist, die erst durch die Sollizitation des thätigen Geistes das wird, was sie (als leidender
Geist) der Anlage nach ist, und zu der sich demnach jener gerade so verhält wie der erste Beweger zur
(im bewegungslosen Stoff der Anlage nach