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Jesuiten am obern Parana, aus deren Missionen nach und nach ein merkwürdiges politisches Gemeinwesen erwuchs, welches trotz vielfacher Anfeindung bis zum Sturz des Ordens fortbestand. Unter Philipp III. wurden 1620 die Länder südlich vom Zusammenfluß des Parana und Paraguay [* 2] als Gobierno del Rio de la Plata [* 3] unter eine besondere Regierung gestellt und dann in drei Provinzen, Tucuman, Buenos Ayres [* 4] und Paraguay, geteilt. Ein drückendes Monopolsystem machte ein Gedeihen dieser Kolonien unmöglich, und ein maßloser Schleichhandel als Folge desselben und besonders von den Portugiesen betrieben, die 1680 Buenos Ayres gegenüber die Kolonie von Sacramento gegründet hatten, brachte die Spanier um die beabsichtigten Handelsvorteile.
Nach der gewaltsamen Vertreibung der Jesuiten verfielen ihre blühenden Niederlassungen, und die von ihnen erzogenen und bevormundeten indianischen Insassen versanken in Elend und Verwilderung. Die Ämter waren im Alleinbesitz der Spanier, welche das Land mit rücksichtslosem Eigennutz ausbeuteten und es verkommen ließen. Im J. 1776 wurde aus den La Plata-Ländern ein besonderes spanisches Vizekönigreich, mit der Hauptstadt Buenos Ayres, gebildet, welches bis Feuerland herab und von den Anden bis an die Quellen des Paraguay, Parana und Uruguay reichte, also das jetzige Bolivia, Paraguay, Uruguay und Argentinien umfaßte. Nach Vertreibung der Portugiesen aus der Nachbarschaft (seit November 1776) nahm man ein liberales Handelssystem an, infolge dessen besonders Buenos Ayres aufblühte. 1782 wurde das Vizekönigreich in acht Intendanzen geteilt.
Als die Engländer unter Popham infolge der spanisch-französischen Allianz, von einigen Einwohnern aufgefordert, Buenos Ayres einnahmen, erboten sie sich, die Einwohner zu unterstützen, wenn dieselben sich von Spanien [* 5] unabhängig machen wollten. Dieses Anerbieten fand aber damals wenig Anklang, vielmehr wurden die Engländer 12. Aug. von der Bevölkerung [* 6] selbst wieder vertrieben und auch ein neuer Angriff abgeschlagen. Erst die Veränderung der Lage der Dinge in Spanien durch die französische Invasion machte die nationale Partei der Kreolen, an deren Spitze Mariano Moreno stand, der spanischen Herrschaft abgeneigt. Im J. 1809 schickte die spanische Zentraljunta von Sevilla [* 7] an Stelle des franzosenfreundlichen Vizekönigs Liniers einen neuen, Cisneros, nach Buenos Ayres.
Dieser regierte aber so unklug und willkürlich, daß die Einwohner von Buenos Ayres, bei denen nach und nach die revolutionären Ideen durch die Einflüsterungen englischer Kaufleute Eingang gefunden hatten, die Einberufung eines Kongresses verlangten, der den Vizekönig nach Europa [* 8] zurückschickte. Am bildete sich unter Cornelio Saavedra eine provisorische Junta, welche die Geschäfte leiten sollte, bis die Abgeordneten aus den Provinzen eintreffen würden. Damit war das Signal zum Abfall von Spanien gegeben, welch letzteres alle Vermittelungsvorschläge verblendet zurückwies. Liniers ward in den Schlachten [* 9] bei Cotagaita (24. Okt.) und bei Tupiza geschlagen und bald darauf in Buenos Ayres erschossen. Im J. 1811 wurde auch in Paraguay der spanische Gouverneur vertrieben, und die Schlachten von Tucuman und Salta befreiten das ganze Gebiet der La Plata-Provinzen von spanischen Truppen.
Nach Auflösung der Junta trat eine konstituierende Versammlung zusammen, um mehr Regelmäßigkeit und Nachdruck in die Staatsverwaltung zu bringen. Doch kam es zu keiner geordneten Regierung, und keine der berufenen obersten Behörden vermochte sich allgemeine Anerkennung zu verschaffen, da Buenos Ayres die oberste Leitung allein an sich riß, dem aber die Provinzen widerstrebten; überhaupt machte sich der Gegensatz zwischen den europäisch gebildeten Portenos (Einwohnern der Hauptstadt) und den rohen, halbwilden Gauchos, welche von den Resten der gotischen (spanischen) Partei aufgereizt wurden, mehr und mehr bemerkbar. Da die Herrschsucht der Portenos den Abfall der Banda Oriental (Uruguays) und Paraguays zur Folge hatte, auch Oberperu an die Spanier verloren ging und die Zerrüttung in den Provinzen aufs höchste stieg, gab endlich Buenos Ayres seine Zustimmung zur Berufung einer neuen Nationalversammlung nach Tucuman, um den Provinzen ein Zugeständnis zu machen.
Diese erklärte die Unabhängigkeit der vereinigten Provinzen des Rio de La Plata, und ward ein provisorisches Grundgesetz bekannt gemacht. Ein nachfolgender Kongreß in Buenos Ayres gab aber eine Verfassung nach dem Muster der nordamerikanischen. Regierungen folgten nun wieder auf Regierungen in schnellem Wechsel. In diesem Gewirr traten besonders zwei Parteien hervor, die Unitarier oder Zentralisten, die eine starke Zentralgewalt einführen wollten, und die Föderalisten, die für die Aufrechthaltung der Unabhängigkeit der einzelnen Provinzen waren und nur für gemeinschaftliche Interessen und für auswärtige Verhältnisse eine Verbindung wollten. Der Parteikampf führte zu einer völligen Auflösung der La Plata-Länder in so viele Staaten, als Provinzen waren, und ermutigte die Monarchisten zu gefährlichen Anschlägen.
Endlich vereinigte sich der Föderalist Rodriguez mit dem Unitarier Rivadavia zu einer gemeinschaftlichen Regierung, welche sich zunächst auf Buenos Ayres beschränkte und für diese eine Volksvertretung berief, die jene Männer in ihrem Reformwerk und in der festen Begründung der Republik wirksam unterstützte. Darauf schloß Buenos Ayres mit den Provinzen Corrientes, Entre Rios und Santa Fé den sogen. »vierseitigen Vertrag« vom und lud die übrigen Provinzen zu einer Offensiv- und Defensivallianz ein.
Ende Dezember 1824 trat ein neuer Generalkongreß in Buenos Ayres zusammen; die Provinzen hatten eingesehen, daß sie ohne die Hauptstadt, welche den einzigen Hafen bildete, alle Zölle einnahm und Handel und Verkehr beherrschte, nichts bedeuteten. Die einzelnen unter einer Union sich vereinigenden Föderativstaaten waren nun: Buenos Ayres, Entre Rios, Corrientes, Gran Chaco [* 10] (freie Indianer), Salta, Tucuman, Rioja, Santiago de Estero, Cordova, Santa Fé, San Juan della Frontera, Mendoza und San Luis. Am bestimmte ein vorläufiges Grundgesetz die Verhältnisse der Konföderation genauer;
Buenos Ayres ward mit der Leitung der auswärtigen Angelegenheiten beauftragt.
Den Unitariern gelang es, die Konstitution vom zu stande zu bringen, durch welche eine starke Zentralregierung eingesetzt wurde und Rivadavia als Generalkapitän von Buenos Ayres zur Präsidentschaft der Föderation gelangte. Da aber die Unruhen im Innern fortdauerten, indem mehrere Provinzen sich weigerten, dem ¶
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Unionssystem beizutreten, so dankte dieser schon wieder ab, der erste und einzige Präsident dieser Konstitution. Ein Umschwung der Dinge zu gunsten der Föderalisten erfolgte 1829, als der Estanciero und Gauchoshäuptling Don Juan Manuel de Rosas sich an ihre Spitze stellte und ihren Waffen [* 12] das Übergewicht verschaffte. Ende 1829 wurde derselbe zum Gouverneur von Buenos Ayres sowie zum Haupte der Konföderation erwählt und im August 1830 mit diktatorischer Gewalt bekleidet. Der Krieg zwischen den Unitariern und Föderalisten endigte mit der Niederlage der erstern, welche nun gänzlich unterdrückt wurden. Die Majorität des Repräsentantenhauses war eifrig föderalistisch und ein gefügiges Werkzeug in der Hand [* 13] des Machthabers Rosas. Die Einzelregierungen der Provinzen wurden nach dem Föderativsystem geordnet, die Finanzverhältnisse fingen an, sich nach und nach zu bessern, und der Handel hob sich.
Nach außen wußte Rosas die Würde des Staats geschickt zu wahren. Im Innern aber artete seine Herrschaft immer mehr in grausamen Terrorismus aus, besonders nachdem er 1835 durch die wiederholte Weigerung, die ihm angetragene Präsidentschaft anzunehmen, es durchgesetzt hatte, daß er zum Präsidenten mit unumschränkter Vollmacht gewählt wurde. Während er nun alle seine Gegner nach und nach zu Grunde richtete, wußte er sich auch seiner Parteigenossen zu entledigen, sobald sie seinen Absichten in den Weg traten oder zu Macht und Ansehen gelangten.
Die Haupthebel seiner Regierung waren Kerker, Vermögenskonfiskationen, Hinrichtungen und Meuchelmord. Besonders aber war es auf alle höher Gebildeten abgesehen, unter denen man von selbst Unitarier vermutete. Im J. 1840 organisierte Rosas die berüchtigte Mashorkagesellschaft, die sich die Aufgabe stellte, den argentinischen Boden von den Unitariern zu säubern, und vom Diktator allemal losgelassen ward, um zu plündern und zu morden, wenn es galt, den Gegnern Furcht und Schrecken einzujagen. Dabei führte aber Rosas selbst ein straffes unitarisches Regiment, denn alle Provinzen mußten sich unter seine Gewalt beugen.
Aber gerade sein vollständiger Sieg bereitete ihm eine Reihe von Verlegenheiten, denen er zuletzt unterlag. Paraguay wollte er nicht für einen unabhängigen Staat, sondern nur für eine Provinz der Argentinischen Republik gelten lassen, weil es ebenfalls früher zu Buenos Ayres gehört habe. Auch mit Brasilien [* 14] stand er auf gespanntem Fuß, weil hier flüchtige Unitarier Aufnahme gefunden hatten. Den Hauptgegenstand des Zwistes bildete aber Uruguay, mit dessen Unabhängigkeit es weder Brasilien noch Rosas ehrlich meinte.
Hier unterstützte er mit bewaffnetem Beistand den Präsidenten Oribe gegen seinen Rivalen Ribera, für den Frankreich und England eintraten. Diese Mächte stellten endlich dem Diktator Rosas' ein Ultimatum, worin sie Einstellung des Kriegs mit Uruguay und Anerkennung der Unabhängigkeit dieses Staats forderten. Die abweisende Antwort Rosas' führte zum Krieg mit England und Frankreich, zu welch beiden Mächten sich noch Uruguay, Paraguay und Brasilien gegen Rosas gesellten.
Zunächst wurde das argentinische Geschwader vor Montevideo [* 15] von dem englisch-französischen genommen. Am 23. Sept. begann die Blockade der Häfen und Küsten von Buenos Ayres, worauf die englisch-französische Flotte den Uruguay hinaufsegelte, um sich mit General Paz zu verbinden, der mit 5-6000 Mann in Corrientes stand, und so gegen Oribe zu agieren. Zwar brachte Rosas mit England und mit Frankreich einen Friedensvertrag zu stande, die beide für die [* 16] argentinische Republik günstig genug waren; indes nun fiel der Gouverneur von Entre Rios, Don Juste José de Urquiza, ein früherer Gauchoshäuptling, von Rosas ab, und unter seiner Leitung trennten sich die Provinzen Entre Rios und Corrientes von der Argentinischen Republik. Am schlossen die Regierung von Brasilien, der Präsident von Uruguay, Don Joaquin Suarez, und Urquiza einen geheimen Vertrag gegen Rosas und Oribe, infolge dessen Urquiza nach Besiegung Oribes an der Spitze von 28,000 Mann den Parana überschritt.
Die Provinz Santa Fé erklärte sich für ihn, worauf Urquiza gerade auf Buenos Ayres losging. Am gerieten die argentinischen Vortruppen, 6000 Reiter, mit der Reiterei Urquizas in Kampf, welch letztere die so gefürchtete Gauchosreiterei im ersten Anprall niederritt. Auch die Hauptschlacht bei Monte Caceros 3. Febr., endete mit der Niederlage der Argentiner. Rosas wartete das Ende nicht ab; er floh nach Buenos Ayres und gelangte von da auf ein englisches Schiff, [* 17] das ihn nach Europa brachte.
Der in Buenos Ayres zurückgelassene General Mancilla übergab diese Stadt, und alle Staaten fügten sich darauf der von den Siegern eingesetzten provisorischen Regierung. An der Spitze derselben stand Vicente Lopez. Urquiza ward Oberbefehlshaber der Argentinischen Republik und Minister des Äußern bei der provisorischen Regierung. Die von ihm zur Feststellung einer neuen Verfassung nach Santa Fé berufenen Gouverneure der einzelnen Provinzen beschlossen, einen Verfassungsrat einzuberufen, der im August die neue Verfassung beraten und geben sollte, und bis dahin Urquiza diktatorische Gewalt zu übertragen.
Als die Volksvertretung zu Buenos Ayres, in welcher die Unitarier die Oberhand hatten, sich widersetzte, ward sie von Urquiza 23. Juni aufgelöst. Kaum aber hatte Urquiza Buenos Ayres verlassen, um sich nach Santa Fé zu begeben, wo die verfassunggebende Versammlung zusammenkommen sollte, als 12. Sept. seine Anhänger in Buenos Ayres vertrieben wurden, worauf die aufgelöste Volksvertretung wieder zusammentrat und ihrem Vorsitzenden General Pinto die vollziehende Gewalt übertrug.
Urquiza, dessen Macht zur Unterwerfung von Buenos Ayres nicht hinreichte, zog sich in die Provinz Entre Rios zurück. Der inzwischen in Santa Fé zusammengetretene Kongreß vollendete die neue Bundesverfassung und ernannte Urquiza zum konstitutionellen Diktator. Am legte derselbe den Eid als Präsident sämtlicher Staaten der Argentinischen Republik ab. Am wurde in Parana, welches zum Regierungssitz erhoben ward, bis Buenos Ayres wieder zum Bund getreten sein würde, die erste gesetzgebende Versammlung nach der neuen Verfassung eröffnet.
Mit Buenos Ayres, wo inzwischen nach Pintos Tod Pastor Obligado an die Spitze der Regierung getreten war, kam endlich ein Vertrag zu stande, worin sich beide Regierungen gegenseitig die Unverletzlichkeit und Unteilbarkeit ihres Gebiets gewährleisteten und sich zu gemeinschaftlicher Abwehr verpflichteten, namentlich auch gegen die Indianerstämme. Die früher allen 13 Provinzen gemeinschaftlich gegebenen Gesetze sollten in Kraft [* 18] bleiben, beide Staaten eine gemeinschaftliche ¶