Zwangsarbeitshäuser für hartnäckige Bettler und gemeinschädliche Müßiggänger, in welchen diese durch
Zwang zum Fleiß
angehalten werden. Hierher können nach ihrem
Wesen und
Zweck die heutigen deutschen Arbeitshäuser, dann nach ihrem Hauptcharakter die
englischen Arbeitshäuser (workhouses) gerechnet werden, welche letztern in der englischen
Armenpflege eine große
Rolle spielen. Die Einrichtung
des englischen Werkhauses stützt sich vorzüglich auf die
Abschreckungstheorie. Sie ist darauf berechnet,
von der Inanspruchnahme öffentlicher
Hilfe möglichst abzuschrecken und durch eignen
Erwerb die
Aufnahme in Arbeitshäuser zu vermeiden.
3) in welche arbeitsfähige
Arme sich freiwillig aufnehmen lassen oder im
Sinn einer humanen
Armenpflege untergebracht werden.
Dieselben können ebensowohl
Privat- wie öffentliche Anstalten sein. Zu gunsten solcher Arbeitshäuser sagt man,
daß hier der
Verdienst die durch Gemeinsamkeit der Benutzung etc. sehr ermäßigten
Kosten der Unterstützung einigermaßen
decken könne, und daß es durch die Einrichtungen der Anstalt wohl zu ermöglichen sei, dem Unterstützten die Lust an der
Arbeit zu erhalten, welche ihm zugleich das
Bewußtsein sichere, noch nicht zur
Klasse der Almosenempfänger
heruntergesunken zu sein. Da arbeitswillige, aber erwerbslose
Menschen menschenfreundliche
Teilnahme verdienen, so darf das
Werkhaus mit Anstalten für Verbrecher und Müßiggänger niemals in
Verbindung gebracht werden; es ist vielmehr alles aufzubieten,
um das
Ehrgefühl dieser schuldlos Unglücklichen zu schonen.
Der
Zweck der
Verbringung in die Anstalt kann ein temporärer sein, man kann dieselbe anderweiter Unterstützung so lange vorziehen,
bis es gelungen ist, den
Armen wieder Arbeitsgelegenheit zu verschaffen. Die Anstalt, welche dem
Arbeiter außer
Heizung
[* 2] und
Beleuchtung
[* 3] auch
Werkzeuge
[* 4] und Materialien gewährt, soll jedem arbeitsfähigen
Armen je nach dessen Fähigkeit
Arbeit und so viel
Verdienst verschaffen, daß er sich nähren kann. Diejenigen
Armen aber, welche wegen Kränklichkeit oder
hohen
Alters nicht mehr zu arbeiten im stande sind, gehören nicht in Arbeitshäuser, sondern in Versorgungshäuser
andrer Art. Die
Kosten können durch die gemeinschaftliche Benutzung der Werkstätten im Werkhaus ermäßigt
werden; Beschäftigungsarten, die zu viel
Raum in Anspruch nehmen, sind auszuschließen.
Der Kostenersparnis wegen sind Beschäftigungen vorzuziehen, die nur einfache
Werkzeuge erfordern, oder man schafft vorzugsweise
solche an, die von vielen benutzt werden können, wie
Spinnräder,
Webstühle,
[* 5]
Drehbänke,
Nähmaschinen,
[* 6] Gerätschaften zu Verfertigung
von
Holz- und Strohwaren. Hierbei geben Lokalverhältnisse, namentlich die Rücksicht auf
Konkurrenz mit
bereits bestehenden Gewerbsbetrieben, und die der Anstalt zu
Gebote stehenden
Mittel den
Ausschlag.
Stets muß der
Austritt aus diesem
Verhältnis dem
Arbeiter frei stehen, unordentliche und unfleißige aber werden des bösen
Beispiels wegen aus der Anstalt entfernt. Die
Wohlthätigkeit der Arbeitshäuser kann oft sehr erhöht werden, wenn
dieselben zugleich den Verkauf der in ihnen gefertigten Gegenstände übernehmen; aber auch hier wird dem
Arbeiter daneben
der eigne Verkauf gestattet werden können, in welchem
Fall ein verhältnismäßiger Teil des Erlöses für Benutzung von
Werkzeugen,
Feuerung und
Licht
[* 7] an die Anstalt abzugeben ist. Je nach dem
Bedürfnis und den
Mitteln der Anstalt
läßt sich mit ihr eine Einrichtung zu gemeinschaftlicher Verköstigung der
Arbeiter sowie eine Freischule für die
Kinder
derselben, sowohl als Bewahranstalt wie auch als förmliche Unterrichtsanstalt, verbinden.
Oft hilft die Anstalt dem
Arbeiter dadurch,
daß sie ihm
Werkzeuge nach
Hause leiht. Unter sonst gleichen Verhältnissen verdient
überhaupt die Beschäftigung in der eignen
Wohnung des Arbeiters den Vorzug. Beachtenswert in dieser Hinsicht sind die Bemühungen
der Frauenarbeitsvereine, einzeln stehenden bedürftigen
Frauen durch Einrichtung von Verkaufsstellen
(Bazaren) lohnenden
Erwerb
zu schaffen. Der
Lette-Verein in
Berlin
[* 8] hat schöne Erfolge in dieser Beziehung aufzuweisen. Vgl. auch
Asyl.
nennt man die
Vergeltung, welche der
Arbeiter für Vermietung seiner Arbeitskraft, bez.
für Verkauf seiner Arbeitsleistungen zu
Zwecken des persönlichen Genusses oder des
Erwerbs erhält. Da nun für Erwerbszwecke
weit mehr fremde
Kräfte verwendet werden als für persönliche Dienstleistungen, so sind auch im allgemeinen die erstern
bei
Bildung und Regelung desLohns entscheidend. Man unterscheidet realen und nominellen Arbeitslohn.
Letzterer, der
in
Geld veranschlagte Arbeitslohn, gibt keinen vollständigen Aufschluß über die wirtschaftliche
Lage des Arbeiters, da die Kaufkraft
einer bestimmten Geldsumme nicht immer die gleiche ist.
Dagegen läßt sich der reale Arbeitslohn, d. h. die
Summe der Unterhaltsmittel, welche der
Arbeiter sich mit
Hilfe
seines
Lohns beschaffen kann, zu Vergleichungen für verschiedene
Zeiten und
Orte benutzen. Nicht immer ist das
Einkommen des
Arbeiters reiner Arbeitslohn. In demselben ist, wenn der
ArbeiterWerkzeuge etc. selbst stellt, auch
Kapitalrente enthalten. Unter normalen
Verhältnissen muß der Arbeitslohn durch die
Einnahmen des Arbeitgebers voll gedeckt werden. Er ist, ebenso wie
Zins und Unternehmereinkommen, Reinertragsanteil an der
Unternehmung, nicht etwa ein abgeleitetes
Einkommen.
Der
Rechtstitel für Bezug des
Lohns ist der abgeschlossene
Vertrag, nicht aber das vom
Arbeiter gebrachte
Opfer oder seine Leistung,
die freilich bei
Bildung der Lohnhöhe bestimmend mitwirken können. Je nach der Art der Leistung, nach
der
Höhe des
Lohns, der Sicherheit seines Bezugs, der
Stellung des Arbeiters etc. bezeichnet man den Arbeitslohn als
Salär,
Gage,
Honorar,
Gehalt,
Sold,
Besoldung etc. Im gewöhnlichen
Sinn versteht man unter demselben den
Lohn der
Handarbeiter, welcher infolge der
Technik und der gesamten
Wirtschafts- und Rechtsordnung die Existenzgrundlage des größten Teils der
Bevölkerung,
[* 9] der »arbeitenden
Klasse«, bildet, und auf den auch die üblichen Lohntheorien vorzüglich Anwendung finden, während bei andern
Lohnarten mehr
Abweichungen vorkommen.
Der Arbeitslohn ist Naturallohn, wenn er in
Naturalien, insbesondere in Gegenständen gereicht wird, die zum Unterhalt des Arbeiters
dienen
(Kost,
Wohnung, Landnutzung etc.). Derselbe herrscht vor in
Zeiten der Naturalwirtschaft mit ihrer
größern Gleichförmigkeit in
Wirtschaft und
Verkehr und entspricht auch in solchen
Zeiten dem
Interesse von
Arbeiter und Arbeitgeber.
Die
Lage des erstern wird gesichert, indem er erhält, was er gerade braucht, während der letztere durch Gewährung von
Naturalien den
Arbeiter leichter
an sich fesseln und beaufsichtigen kann.
Mit größerer
Entwickelung des
Verkehrs und der
Arbeitsteilung und mit Gewährung der persönlichen
Freiheit wird der Geldlohn
möglich, notwendig und in der
Regel für beide Teile vorteilhaft. Er stellt den
Arbeiter unabhängiger und ermöglicht eine
wirtschaftlichere Verwendung. Doch ist auch in der Geldwirtschaft die Verabreichung von
Naturalien oft
nicht zu umgehen, so in verkehrsarmen Gegenden, wenn Arbeitern eine billige und gute Bedarfsdeckung erschwert ist, wenn sie
leicht eine
Beute absichtlich gewährten Lotterkredits werden etc.,
¶
mehr
oder wenn die durch die ganze Arbeitsart bedingte familienhafte Zusammengehörigkeit eine selbständige Versorgung nicht
gestattet (Dienstbote). Der Arbeiter hat weniger durch Preisschwankungen zu leiden, kann allerdings auch der Freiheit der Bewegung
zum Teil verlustig gehen. Auch kann die Naturallöhnung durch gewissenlose Unternehmer mißbraucht werden, indem sie dem
Arbeiter zu hohen PreisenWaren aufdrängen, welche er nicht gebrauchen kann und daher zu Schleuderpreisen
verkaufen muß etc. Dieser unter dem NamenTrucksystem bekannten Ausbeutung sucht die moderne Gesetzgebung, meist durch Verbot,
vorzubeugen, so die deutsche Gewerbeordnung von 1869, § 134, und die Novelle zu derselben von 1878.
Der Arbeitslohn ist Zeitlohn (Tag-, Wochen-, Jahreslohn), wenn die Arbeitskraft für eine bestimmte Zeit vermietet
wird und letztere zur Bemessung der Lohnhöhe dient, wobei freilich nach erwiesener Leistungsfähigkeit und bekanntem Fleiß
Unterschiede gemacht und Lohnklassen gebildet werden können. Der reine Zeitlohn ist einfach zu bemessen und bietet, weil
der Betrag bestimmt ist, weniger Veranlassung zu Streitigkeiten bei der Bemessung. Dagegen macht sich
bei ihm der Einfluß von individueller Tüchtigkeit und individuellem Fleiß nicht überall genügend geltend: der Arbeiter
sucht seine Arbeitskraft zu schonen, der Arbeitgeber wünscht dieselbe möglichst anzuspornen.
Dieser Widerstreit der Interessen ist in geringerm Maß vorhanden bei dem Akkordlohn oder Stücklohn, welcher sich
nach der Leistung, der abgelieferten Stückzahl (Raum-, Gewichtseinheiten) bemißt. Bei demselben ist demnach das Interesse
des Arbeiters mehr in unmittelbare Beziehung zum technischen Erfolg gebracht, die Lohnverteilung eine gerechtere und der
Arbeiter in vielen Fällen mehr Herr seiner Zeit und selbständiger als bei dem Zeitlohn. Dagegen reizt der Akkordlohn zum
raschen Überhinarbeiten an und beeinträchtigt, wenn die Kontrolle schwer, leicht die Güte der Leistung.
Während er zur Überarbeitung Veranlassung geben kann, führt er keineswegs immer zu einer Erhöhung desEinkommens der Arbeiter.
Letzteres kann sogar, wie dies in verschiedenen Zweigen der Hausindustrie geschehen, herabgedrückt werden. Aus diesem Grund
wird auch der Akkordlohn als nur dem Unternehmer von Vorteil von vielen Arbeitern verworfen. Durchführbar
ist der Akkordlohn nur da, wo sich die ganze Arbeit in bemeßbare einzelne Leistungen auflösen läßt. Im übrigen ist er
nicht am Platz, wenn in erster Linie die Güte der Leistung in Betracht kommt, wenn häufige, nicht durch
den Arbeiter veranlaßte Unterbrechungen der Arbeit vorkommen, wenn die Arbeitskraft nur im allgemeinen vermietet wird (Dienstboten)
etc. Eine selbständigere Stellung nimmt der Arbeiter bei dem Gruppenakkord ein, bei welchem eine Gruppe von Arbeitern gemeinschaftlich
die Ausführung von einfachen und zusammengesetzten Arbeiten gegen bestimmten Preis übernimmt.
Derselbe bietet jedoch die Gefahr, daß er in die Afterunternehmung (marchandage) ausartet und die Arbeiter
von einem klugen Führer ausgebeutet werden. Kommt es dem Arbeiter bei dem Akkordlohn nur auf die Menge von Leistungen an, so
wird sein Interesse bei dem Prämien-, dem Tantieme- oder Kommissionssystem sowie bei der Arbeitsgesellschaft noch enger an den
wirtschaftlichen Erfolg der Arbeit gefesselt. Das Interesse an Kostenerniedrigung wird wach erhalten durch
Gewährung von Sparprämien für Minderverbrauch von Werkzeugen, Roh- und Hilfsstoffen.
Das Anwendungsgebiet von solchen Prämien beschränkt sich auf die
Fälle, in welchen die Ausgabe sich scharf berechnen läßt
und die Ersparung in der Gewalt des Arbeiters liegt, ohne daß sie auf Kosten des Erfolgs der Unternehmung
selbst ausgeführt wird. Das Interesse an der Ertragserhöhung kann gesteigert werden durch Gewährung von Prämien, welche
nach einzelnen positiven Wirtschaftserfolgen bemessen werden. Solche Prämien können, wenn in einem Arbeitszweig allgemein
eingeführt, eine Verkürzung des festen Lohns zur Folge haben.
Dies wird jedoch nicht der Fall sein, wenn die Prämien in Kassen angesammelt und für Bedürfnisse einer
höhern Kultur verwendet werden. Am vollständigsten wird das Interesse des Arbeiters an die Unternehmung gefesselt, wenn sein
Lohn nach dem Reinertrag derselben bemessen wird, oder wenn gar der ArbeiterAnteil am Geschäft hat und auf
Grund desselben auch Kapitalgewinn zieht (Arbeitsgesellschaft, industrial partnership). Diese Beteiligung am Reinertrag ist
insbesondere dann berechtigt, wenn derselbe vorzüglich dem Geschick und dem Fleiß des Arbeiters zu verdanken ist.
Die mehrfach versuchte industrial partnership hat meist keinen glücklichen Erfolg gehabt, da sie die Autorität in der Leitung
zu sehr gefährdete und durch vielköpfige und mißtrauische Kontrolle die nötige Freiheit der Entschließung
hemmte. Leichter ausführbar schon ist das Tantiemesystem (Gewinnquote ohne Anteil am Geschäft). Da der Arbeiter mit seinem
Unterhalt auf den Lohn angewiesen ist, würde das reine Tantiemesystem nur am Platze sein, wo der Geschäftsertrag ein regelmäßiger
ist oder eine Minimalgarantie geleistet wird. Im übrigen dürfte die Tantieme nur einen kleinern Teil
vom Gesamtlohn (also neben Akkord- oder Zeitlohn) ausmachen. Dieselbe ist nicht am Platz, wo der Geschäftsertrag vorwiegend
von Geschick und spekulativer Thätigkeit des Unternehmers und vom Kapital abhängt, wo sie eine das Geschäft lähmende Kontrolle
bedingt, Mißtrauen hervorruft etc. In den wenigen Fällen, in denen sie anwendbar ist, erfordert sie neben
genügender Übersichtlichkeit des Geschäfts ein hohes Maß sittlicher Tüchtigkeit.
Im allgemeinen gelten für die Bildung der Lohnhöhe die gleichen Bestimmgründe wie für diejenige des Warenpreises. Auch
der Lohn wird zwischen zwei Grenzen
[* 11] durch das Verhältnis von Angebot und Nachfrage bestimmt, und zwar erweist
sich hierbei neben andern Trieben die Sorge für die eigne Person als mächtigster Beweggrund. Abweichungen werden dadurch bedingt,
daß der Arbeiter seine Arbeitskraft nicht von seiner Person loslösen kann, mit dem Verkauf seiner Ware in eine gewisse Abhängigkeit
gerät, sich immer in der Zwangslage zu verkaufen befindet, und daß endlich die Ausgleichung von Angebot
und Nachfrage nicht so rasch und in der Art erfolgen kann wie bei Waren.
Infolgedessen ist der Arbeiter im Konkurrenzkampf im allgemeinen nicht so günstig gestellt wie der Unternehmer, welcher auf
Grund seines Besitzes, seiner Kenntnisse, Verkehrsbeziehungen etc. länger auszuharren
vermag als der beschäftigungslose Arbeiter. Aus jener Besonderheit des Arbeitsverhältnisses erwächst aber auch die Notwendigkeit
für den Staat, Schutzvorkehrungen zu treffen, wo die Persönlichkeit des Arbeiters gefährdet erscheint. Darum ist denn auch
in den meisten Kulturstaaten der Arbeitsvertrag kein vollständig freier (Einschränkung von Frauen- und Kinderarbeit, Verbot
des Trucksystems, Anordnung von Maßregeln zum Schutz von Leben und Gesundheit u. dgl.). Die unterste Grenze
des Lohns ist der Wert der eignen Leistung für den
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