während der
Ehe erwerbthätig, bez. mit der Herstellung von Sachgütern beschäftigt.
Im großen Ganzen dürfen wir annehmen, daß mit der Schaffung von
Gütern, welche für unsern Unterhalt erforderlich sind
und direkt oder durch Vermittelung des
Haushalts zur Verzehrung gelangen, von jenen 55
Personen etwa 33 oder, hoch gerechnet,
40, d. h. ebensoviel
Prozente von der gesamten
Bevölkerung,
[* 2] beschäftigt sind. Mit vollständiger Genauigkeit
läßt sich diese Zahl natürlich nicht feststellen, zumal auch eine scharfe
Grenze zwischen
Haushalt und der übrigen schaffenden
Thätigkeit nicht gezogen werden kann. Auch ist sie schon aus den
oben erwähnten
Gründen, dann auch wegen der verschiedenartigen
historischen politisch-sozialen
Entwickelung nicht die gleiche bei verschiedenen Völkern und zu verschiedenen
Zeiten.
Von großem Einfluß auf den Erfolg der Arbeit sind ferner die
Intensität und Dauer der Beschäftigung. Überanstrengung und
Arbeit ohne genügende Erholungspausen können trotz
Ausdehnung
[* 3] der Arbeitszeit die durchschnittliche Leistung erheblich vermindern,
was durch die
Erfahrung bereits hinlängliche Bestätigung gefunden hat. Bekannt ist das
Resultat, welches
ein humaner Unternehmer,
Dollfus (s. d.), dadurch erzielte, daß er die Arbeitszeit von 12 auf 11
Stunden täglich herabsetzte.
Es stiegen infolgedessen Lust und Freudigkeit an der Arbeit,
Energie und
Aufmerksamkeit, und es erhöhten sich nicht allein die
Leistungen, sondern es verringerten sich auch durch Sparung an
Heizung,
[* 4]
Beleuchtung
[* 5] etc. die
Kosten. Die
günstigste Dauer der Arbeitszeit wird eine verschiedene sein je nach der Art der Beschäftigung und der Lebensweise des
Arbeiters. Auch individuelle
Anlagen, wie Körperkonstitution, Willenskraft, Verantwortlichkeitsgefühl etc., sind hier
von Bedeutung.
Der Erfolg der Arbeit ist weiter bedingt durch die Hilfsmittel der Arbeit und zwar sowohl
durch die künstlichen (s.
Kapital) als auch durch diejenigen, welche die
Natur uns bietet mit ihren verschieden verteilten
Kraftquellen, ihrer ungleichen Bodenergiebigkeit etc.
Endlich ist für denselben von Wichtigkeit die ganze
Organisation der Arbeit, ihre volkswirtschaftliche wie privatwirtschaftliche
Gliederung (s.
Arbeitsteilung, über
Organisation der Arbeit im sozialistischen
Sinn s.
Sozialismus), insbesondere
aber auch die Gestaltung der gesellschaftlichen Verfassungszustände, die Art der Rechtsordnung und des gesamten Staatslebens.
Politisch-religiöser
Druck, extreme Verteilung von
Besitz und
Einkommen, Gebundenheit an die
Scholle, Beschränkungen in der
Wahl der Beschäftigung etc. können die Arbeitskraft außerordentlich lähmen und ihre
Erfolge beeinträchtigen, während letztere bei günstiger Lebenslage u.
Zufriedenheit der untern
Klassen, bei religiöser und politischer Friedfertigkeit und tüchtiger
Staatsverwaltung das beste
Gedeihen versprechen. (Über
Recht auf s.
Sozialismus.)
Klassen pflegt
man in einer engern Bedeutung des
Worts »arbeitend«, im
Gegensatz zu den besitzenden
Klassen,
diejenigen
Klassen der
Bevölkerung zu nennen, welche für ihren
Erwerb und die selbständige Befriedigung ihrer Bedürfnisse
lediglich auf ihre
Arbeit angewiesen sind und diesen
Erwerb als Lohnarbeiter suchen. S.
Arbeiterfrage.
In der Arbeiterfrage wird das
WortArbeiter (welches sprachlich eine
Person bedeutet, die ihre
Kraft
[* 12] äußert, um
einen Wert hervorzubringen) in einem engern
Sinn gebraucht. Es bezeichnet hier nur Lohnarbeiter und von
diesen auch nur einen Teil. Die Arbeiterfrage, eine Lohnarbeiterfrage, bezieht sich nur auf diejenigen Lohnarbeiter,
welche als solche in gewerblichen und landwirtschaftlichen
Unternehmungen ihren
Erwerb suchen. Sie ist ein soziales
Problem,
doch nicht das einzige soziale
Problem, das heute existiert. Man nennt sie ab er häufig die
soziale Frage
schlechthin, weil sie unter den vielen sozialen
Fragen der Gegenwart weitaus die wichtigste und bedeutsamste ist.
SozialeProbleme sind Aufgaben für den
Staat und die
Gesellschaft zur Besserung ungenügender Zustände ganzer Gesellschaftsklassen,
welche ebensolchen
Umfang angenommen haben, daß zur Beseitigung der Mißstände die
Kraft der Einzelnen (der Individuen,
resp. der betreffenden
Klasse) nicht mehr hinreicht, sondern dazu die Mitwirkung der
Gesellschaft (Gesellschaftshilfe) und
des
Staats (Staatshilfe) notwendig ist. Ein soziales
Problem entsteht erst dadurch, daß die thatsächlichen Zustände der
Gesellschaft in
Widerspruch geraten mit einem Gesellschaftsideal, mit einem Zustand, wie er nach der idealen und sittlichen
Anschauung sein sollte, und daß man allgemein zu der Überzeugung gelangt ist, daß
Staat und
Gesellschaft
die Möglichkeit und die
Pflicht haben, diesen
Widerspruch zwischen
Ideal und Wirklichkeit, zwischen dem, was sein sollte, und
dem, was ist, zu heben.
SozialeProbleme können deshalb doppelten Ursprungs sein. Sie können einerseits entstehen dadurch, daß
die thatsächlichen Zustände sich gegen früher verschlechtert haben. Sie können aber auch anderseits entstehen, ohne daß
eine solche Verschlechterung eingetreten, lediglich dadurch, daß ein
Volk sich höhere Gesellschaftsideale stellt als früher.
Unter dieser Voraussetzung können sie sich auch dann bilden, wenn die thatsächlichen Zustände bessere geworden sind. Die
Arbeiterfrage gehört zu den
Problemen der letztern Art.
Die Arbeiterfrage hat zu ihrem Gegenstand die
Lage der vorerwähnten Lohnarbeiter in ökonomischer, moralischer und sozialer Hinsicht.
Diese
Lage zeigt zahlreiche Mißstände, die im
Widerspruch stehen einerseits mit den Anforderungen, welche vom Standpunkt
der
Moral und
Humanität an das
Leben der Einzelnen gestellt werden, und mit den
Rechten, welche der moderne
Staat als
Grundrechte der Persönlichkeit anerkennt, insbesondere mit dem
Prinzip der persönlichen
Freiheit und Gleichberechtigung,
anderseits mit den kulturellen Aufgaben und
Zielen des modernen Kulturstaats.
Die Arbeiterfrage ist die
Frage der
Lösung dieses
Widerspruchs, der Beseitigung dieses Mißverhältnisses, mit andern
Worten dieFrage
der Verwirklichung der
Forderungen der
Moral, der
Humanität, der
Gerechtigkeit, der
Sittlichkeit für diesen großen Teil des
Volks, den sogen. vierten
Stand. Es handelt sich hier im einzelnen um eine
Reihe positiver Anforderungen an die
Ausbildung, den
Arbeitsvertrag, die Art der Beschäftigung, die Arbeitszeit, die persönliche
Stellung zum Arbeitgeber, an
das
¶
mehr
Einkommen, die Wohnungs- und Ernährungsverhältnisse, das Familienleben, an die Sicherung und Versicherung gegen Unglücksfälle,
an die moralische, religiöse, soziale und politische Existenz dieser Klassen. Die Arbeiterfrage ist daher nicht nur eine Lohn- oder Einkommensfrage,
sondern eine Frage viel allgemeinerer, viel komplizierterer Art, und sie ist auch nicht bloß eine ökonomische,
sondern zugleich eine sittlich-religiöse und eine politische Frage. Die Besserung von Arbeiterzuständen ist auch schon vor
dem 19. Jahrh. Gegenstand sozialer Probleme gewesen.
Aber das, was man heute unter der Arbeiterfrage begreift, wenn von ihr schlechthin die Rede ist, ist doch erst eine Erscheinung, ein Problem
des 19. Jahrh. Für die richtige Würdigung dieser Arbeiterfrage ist
wesentlich, daß sie ihren besondern Entstehungsgrund und Inhalt hat einerseits in Übelständen, die erst im letzten Jahrhundert
durch die gegen früher völlig veränderten rechtlichen und technischen Verhältnisse der Volkswirtschaft hervorgerufen wurden,
anderseits darin, daß die heutigen Kulturstaaten und ihre Gesellschaft sich viel höhere Aufgaben für
die Verbesserung des Loses der untern Volksklassen stellen, als es früher geschah, daß man diese Klassen auf eine viel höhere
Stufe der Wohlfahrt, Freiheit und Gesittung erheben will, als sie früher erstrebt wurde.
Das Auftreten der in unserm Jahrhundert ist daher nicht ein Zeichen des Rückschritts, nicht ein Beweis
dafür, daß die Lage der Lohnarbeiter gegen früher eine schlechtere geworden, sondern im Gegenteil ein Zeichen des Fortschritts,
ein Beweis dafür, daß die Völker, bei denen die Arbeiterfrage eine brennende Tagesfrage ist, bewußt eine höhere Kulturstufe erreichen
wollen, daß ihr Rechtsbewußtsein, ihre humanen und sittlichen Anschauungen, ihre sittlichen Bestrebungen
höhere geworden sind.
Die Arbeiterfrage gehört zu den schwierigsten Problemen, die je Völker in der Geschichte sich gestellt haben. Es kann daher nicht wundernehmen,
daß die Ansichten über das Maß des Berechtigten und Erreichbaren und über den Weg zu diesem Ziel weit auseinander gingen
und gehen. Und in der That zahllos sind die Vorschläge zur Lösung der Arbeiterfrage, und die Litteratur, in der
die widersprechendsten Ansichten entwickelt sind, füllt eine große Bibliothek. Im allgemeinen aber lassen sich in diesem
Chaos drei Hauptrichtungen als besonders charakteristisch und als allein bedeutsam unterscheiden: zwei sich extrem gegenüberstehende,
falsche und eine dritte, richtige, die allein mögliche Lösung anbahnende, in der Mitte zwischen beiden
stehend. Das hauptsächlich unterscheidende Kriterium für die verschiedenen Richtungen ist weniger die Ansicht über das berechtigte
und erreichbare Ziel als die Stellung des Staats zur Lösung der Frage, das Verhalten der staatlichen Gesetzgebung und Verwaltung
zur Hebung
[* 14] der Mißstände. Diese Richtungen sind die individualistische (vulgo Manchesterrichtung), die
sozialistische und die sozialreformatorische.
Die Vertreter dieser Richtung sind eifrige Verfechter der absoluten wirtschaftlichen Freiheit der Einzelnen, welche für die
Arbeiterfrage nur die logischen Konsequenzen aus den ökonomischen Grundanschauungen der Physiokraten und des Smithianismus zogen (s. Physiokratisches System,
Manchesterpartei). Sie gehen von der Grundanschauung aus, daß der beste Zustand der Volkswirtschaft naturgesetzlich
aus der vollen Freiheit des Einzelnen sich entwickele. Der Staat könne durch eine positive Mitwirkung an den Aufgaben der
Volkswirtschaft nur schädlich wirken und jene naturgesetzliche
Entwickelung hindern.
Sie weisen daher dem Staat in der Volkswirtschaft nur die Aufgabe zu, die Freiheit der Person und das Eigentum
zu schützen und dafür zu sorgen, daß der Einzelne in seiner freien wirtschaftlichen Bewegung, in der Verfolgung seiner
wirtschaftlichen Interessen nicht gehemmt werde. Deshalb verwerfen sie auch für die Arbeiterfrage jede weitere Staatshilfe, z. B.
jede, auch die geringste Fabrikgesetzgebung, durch welche ein Fabrikant irgendwie in seiner Freiheit beschränkt
würde, also jede gesetzliche Regelung der Arbeit der Kinder, der jugendlichen und weiblichen Arbeiter, jede Zwangsvorschrift
im Interesse der Gesundheit der Arbeiter, bezüglich der Arbeiterversicherung etc. Im Grund erkennen sie gar keine Arbeiterfrage als ein
berechtigtes, selbständiges ökonomisches Problem an. Sie führen nämlich alle Übelstände in den Arbeiterkreisen
in der Hauptsache zurück entweder auf die Schuld der Arbeiter selbst, oder auf die frühere falsche Politik der Unfreiheit,
oder auf die noch nicht genügend durchgeführte, resp. in ihren Wirkungen noch nicht voll und ganz zur Geltung gekommene
wirtschaftliche Freiheit, oder auch auf die mit ihren Forderungen im Widerspruch stehende Militär-, Steuer-,
Schutzzoll- und Schulpolitik der modernen Staaten.
Mißstände, die sich nicht auf diese Ursachen zurückführen und durch Beseitigung derselben heben ließen, könnten nach
ihrer Lehre
[* 15] nur noch in geringem Lohn ihren Grund haben. Wo dieser bestehe, sei er aber nicht die Folge etwa einer mangelhaften
Verteilung des Volkseinkommens oder unberechtigter Handlungen der Arbeitgeber, der deshalb zu seiner Erhöhung eine neue besondere
restriktive Wirtschaftspolitik erheische, sondern sei er lediglich die Folge von Kapitalmangel der Unternehmer (Arbeitgeber)
und daher durch eine Erhöhung desKapitals derselben zu beseitigen.
Sie stützen diese Ansicht auf die sogen. Lohnfondstheorie (s. Arbeitslohn), nach welcher das Kapital, aus
dem der Lohn definitiv gezahlt werde, das Unternehmerkapital sei und daher (nach dem allgemeinen Preisgesetz), wenn dieses
steige, die Nachfrage nach Arbeitern und folglich die Löhne der Arbeiter steigen würden. Diese Seite der Arbeiterfrage sei also lediglich
die Frage, wie man das Kapital der Unternehmer zu vermehren habe, mithin eine Kapitalfrage. Die Lösung
dieser Frage erfordere aber keine besondere Politik. Dieselbe ergebe sich von selbst aus der naturgesetzlichen Entwickelung
der Volkswirtschaft bei freier Konkurrenz. Denn bei dieser finde eine stete Kapitalvermehrung statt.