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der erstern, zahlreichern Klasse Gehörenden suchten durch eine dialektische Methode zur Erkenntnis der Wahrheit zu gelangen und hießen Mubahhithún (s. v. w. Disputierende) oder Mutakallimún (Redende, Dialektiker). Zu ihnen gehören die orthodoxen Asch'ariten (vgl. Spitta, Zur Geschichte Abul Hasan el Asch'arîs, Leipz. 1876) und die mehr rationalistischen Mu'tasiliten (vgl. Steiner, Die Mu'taziliten, das. 1865); beide zusammen bildeten die positiv zu den Lehren [* 2] des Korans sich bekennende Partei.
Die zweite Klasse sind die Ischrakijún (Illuminaten, Idealisten), die vorzüglich auf die Reinigung und Läuterung der Seele hinarbeiteten, wobei sie mehr das Gefühl und Gemüt in Anspruch nahmen und weniger orthodox waren. Zu ihnen gehörte auch die sich durch strenge Askese auszeichnende Sekte der Sufi (s. unten). Die berühmtesten arabischen Philosophen sind: Al Kindi (lat. Alcindus, aus Basra, gestorben um 864), der die Werke des Aristoteles kommentierte und eine ausgedehnte Schriftstellerei auf den verschiedensten Wissensgebieten betrieb (vgl. über ihn Flügel, Leipz. 1857);
Abu Nasr
Mohammed
al
Farábi (Alfarabius, gest. 950), der zu wirklich tiefem Verständnis der griechischen
Philosophie durchdrang und durch seine
Erklärungsschriften der
Lehrer aller Spätern wurde (vgl. Arabische Schmölders, Documenta philosophiae
Arabum,
Bonn
[* 3] 1836, und
Steinschneider,
Al
Farabi, Petersb. 1869).
Das 10. Jahrh. war überhaupt ein philosophisch
bewegtes; ihm
gehören die sogen. »lautern
Brüder« in
Basra an, die einen halb philosoph
ischen, halb maurerischen
Orden
[* 4] darstellen wollten, ohne indes den Einfluß zu
gewinnen, den sie mit ihren 51 Abhandlungen, einer Art naturwissenschaftlich-philosoph
ischer
Encyklopädie, auszuüben dachten
(vgl. über sie die mannigfachen
Arbeiten von
Dieterici, 1858-83). Die philosoph
ische
Bewegung dauerte fort. Im folgenden
Jahrhundert
wirkten:
Avicenna (s. d.);
Abu Hámid
Mohammed
Ibn
Mohammed
Ibn Amed al Gasali (Algazel, 1059-1111) zu
Bagdad,
als
Philosoph ein Skeptiker, als Theolog orthodox (vgl.
Gosche, Berl. 1858; seine gegen die Ketzereien der
Philosophen gerichtete
»Wiederbelebung der
Religionswissenschaften« erschien arabisch in
Kairo
[* 5] 1278 d. H.; vgl. auch Averroes);
Abu Bekr Mohammed Ibn Bâdscha (Avempace, gest. 1138),
Verfasser verschiedener kleinerer, aber bedeutender Abhandlungen;
Abu Bekr
Mohammed
Ibn Tofail (gest. 1190 zu
Sevilla),
[* 6] Neuplatoniker (»Philosophus
autodidactus«, lat.
von E.
Pococke, Oxf. 1671; deutsch von J. G.
^[Johann
Gottfried]
Eichhorn: »Der Naturmensch«, Berl. 1782,
in welchem psychologischen
Roman die stufenweise
Entwickelung des
Menschen dargelegt wird);
Später verflacht sich die philosoph
ische Thätigkeit zu einer bloßen
Produktion scholastischer Kompendien. Hier seien genannt:
Schemseddín von
Samarkand (gestorben um 1203), Verfasser eines geschätzten
Grundrisses der
Logik (hrsg. von
Sprenger,
Kalk.
1854);
Nasîreddín von Tus (gest. 1273), dessen Werk »Tedschrîd ol kelâm« (»Entblößung des Wortes«, d. h. die metaphysische Abstraktion) von den Arabern häufig kommentiert wurde;
Adhudeddín al Idschi (gest. 1355),
schrieb »Kitāb ol Mawákif« (»Buch der Stationen«, zum Teil mit arab. Kommentar hrsg. von Sörensen, Leipz. 1848);
Mas'ud el Teftasáni (gest. 1390), Verfasser eines Kompendiums der Logik und Metaphysik.
Einen sehr bedeutenden Einfluß hat die arabische Philosophie besonders in Spanien [* 7] auf die Juden geübt und durch diese wieder auf die Scholastik: so ist der tiefsinnige Avicebron der jüdische Dichter Ibn Gabirol;
Mose ben Maimun oder Maimonides (s. d.) wirkt mehr in die Breite. [* 8]
Vgl. Schmölders, Sur les écoles philosophiques chez les Arabes, etc. (Par. 1842);
Munk, Mélanges de philosophie juive et arabe (das. 1859).
Mathematische Wissenschaften. Astronomie.
Die Araber rechnen zu den philosophischen Wissenschaften auch die mathematischen. In diesen waren sie ebenfalls die Schüler der Griechen, jedoch haben sie das Empfangene mit neuen Entdeckungen vielfach bereichert. Besonders häufig kommentiert wurde der auch ihnen als Hauptautorität geltende Euklides. In der Arithmetik führten sie aus Indien den Gebrauch der (jetzt sogen. arabischen) Ziffern ein, welche dann auf zwei Wegen, einem nördlichen und einem südlichen (ägyptisch-berberischen), zu den Europäern gelangt sind.
Die Algebra (im Arabischen: al gébr walmukábalah, »Verbindung und Vergleichung«) ist durch die Araber zu den Abendländern gekommen, obwohl schon die Griechen (Diophantos) diesen Wissenszweig kultiviert hatten. In ihm zeichneten sich aus: Abu Abdallah Mohammed Ibn Musa (gest. 820; sein Lehrbuch hrsg. u. übers. von Rosen, Lond. 1831), Thâbit Ibn Korrah (836 bis 901), Omar Ben Ibrahim al Chajjámi (gest. 1123; »L'Algèbre d'Omar Alkhayyami«, hrsg. von Woepcke, Par. 1851) u. a. In der Geometrie hielten sich die Araber ebenfalls an die Griechen, die sie in Übersetzungen lasen.
Wir besitzen noch einen vollständigen arabischen Euklides nach der Bearbeitung des Persers Nasîreddín aus Tus (gest. 1273; 13 Bücher, arab., Rom [* 9] 1594 u. Lond. 1657); ja, von dem 5., 6. und 7. Buch des Apollonios Pergäos von den Kegelschnitten, die griechisch verloren sind, hat man verschiedene arabische Übersetzungen gefunden, aus denen man das griechische Original zu ersetzen gesucht hat (vgl. Woepcke, Essai d'une restitution, etc., Par. 1856). In der Trigonometrie [* 10] bauten die Araber eifrig fort auf dem Grunde, den Menelaos [* 11] und Ptolemäos gelegt hatten; sie führten darin den Gebrauch der Sinus statt der Chorden ein und vereinfachten die weitläufigen trigonometrischen Operationen der Griechen.
Über ebene und sphärische Figuren schrieb Abu Dscha'far Mohammed Ibn Musa (gest. 873). Andre Mathematiker sind: Mohammed Beháeddín Ben al Hosain al Amuli (Arithmetik und Geometrie, arab. u. pers., Kalk. 1812; »Essenz der Rechenkunst«, arab. u. deutsch von Nesselmann, Berl. 1843; franz. von Arabische Marre, 2. Ausg., Rom 1864),
Mohammed Ibn al Haithem (gest. 1038),
den man den »Euklid der Araber« nannte, und der besonders über Kegelschnitte [* 12] schrieb, u. a. Eifrig wurde auch die Optik getrieben, in welcher die Araber manche richtige Anschauungen gewonnen haben, daher ihre Werke in Europa [* 13] noch im 16. Jahrh. benutzt wurden (so »Alhazenus Mazanus Arabs«, lat., Bas. 1572).
Unter allen mathematischen Wissenschaften blühte bei den Arabern am meisten die Astronomie. [* 14] Auch hier ging man von den Leistungen der Griechen aus, insbesondere von Ptolemäos' bekanntem Buch, das nach dem griechischen megistos (»das größte«) mit dem arabischen Artikel Almagest (s. d.) genannt wurde. Nach Ptolemäos nahmen die Araber auch griechische Sternnamen auf, doch vertauschten sie die für sie bedeutungslosen mythologischen Benennungen mit andern. Mit des Kalifen Al Mamûn berühmter Ausmessung der Erde, dessen Berichtigung der Ekliptik und der auf sein Geheiß geschehenen Anfertigung neuerer astronomischer Tafeln (Sîdsch), die ¶
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nach ihm die »Mamunischen« genannt werden, fängt die eigentliche Kultur der Astronomie unter den Arabern an. Einer der berühmtesten Astronomen dieser Periode war Alfergáni, der den Almagest in einen faßlichen Auszug brachte (gestorben gegen 830; seine »Elementa astronomica«, arab. u. lat. von Golius, Amsterd. 1669). Von dem gelehrten Al Kindî (s. oben, Philosophie) scheinen vieles entnommen und in eignen Schriften mehr nur popularisiert zu haben: der vielgenannte Abu Ma'schar (gest. 885, lat. Abumasar oder Albumasar und ähnlich, auch Japhar Indus; lat. mehrfach seit 1489), Al Bettáni (verderbt Albategnius, gest. 929; »De scientiis stellarum«, lat., Nürnb. 1537, Bologna 1645) und Ibn Júnus. Jener machte sich unsterblich durch die Entdeckung der Beweglichkeit des Apogäums der Sonne; [* 16] Ibn Júnus war Hofastronom Hâkems, des sechsten fatimidischen Regenten in Ägypten, [* 17] und verfaßte nach den von ihm in Kairo angestellten Beobachtungen die Hakemidischen (arab. u. franz. von Caussin, Par. 1804) und Fatimidischen Tafeln.
Auch die bujidischen Sultane in Bagdad waren große Beförderer der Astronomie, so besonders Adhud ed Daula und Scheref ed Daula, der in seinem Schloßgarten eine großartige Sternwarte [* 18] errichten ließ. Obgleich die arabischen Astronomen in der Theorie meist bei Ptolemäos stehen geblieben sind, so sind doch ihre Beobachtungen höchst wichtig. Über die astronomischen Instrumente der Araber (darunter auch die in europäischen Sammlungen vorkommenden Astrolabien) schrieb im 13. Jahrh. Abul Hassan Alí (übersetzt von Sedillot, Par. 1834-35, 2 Bde.). Wie überall im Mittelalter, ist übrigens auch bei den Arabern mit der Astronomie eng, oft unlöslich die Astrologie [* 19] verbunden, in deren Dienst bei vielen arabischen Astronomen die eigentliche Wissenschaft stand, und die sich dann mit kabbalistischer und magischer Weisheit vermischte, welche man zum Teil aus untergeschobenen Schriften des Hermes Trismegistos, [* 20] Zoroaster etc. schöpfte. Sie hat durch jüdische und lateinische Übersetzungen einen bedeutenden Einfluß auf das Mittelalter und selbst noch auf das 16. Jahrh. ausgeübt.
Naturwissenschaften. Medizin.
Von der Philosophie trennen die Araber nicht die physikalischen Wissenschaften, zu denen in ihrem wissenschaftlichen System auch die Medizin gerechnet zu werden pflegt. Sie hat bei ihnen die eifrigste Pflege gefunden, ohne daß es ihnen indes gelungen wäre, über ihre griechischen Lehrmeister erheblich hinauszukommen; im Gegenteil haben sie sich zu dem System des Galen, welches durch seine schematische Gliederung ihrer Geistesrichtung besonders zusagte, in eine geradezu sklavische Abhängigkeit begeben. So vor allem in der Anatomie, deren Kenntnis, weil die Religion Leichenzergliederungen streng verbot, eine lediglich durch Bücher vermittelte blieb, woraus sich sofort von selbst ergibt, daß an eine wirkliche medizinische Entwickelung bei ihnen nicht zu denken ist, mag es immerhin auch unter ihnen große Praktiker und gute Beobachter gegeben haben, die in den schon früh von den Kalifen wie von spätern Herrschern gegründeten Spitälern sich ausbilden konnten.
Besseres leisten sie daher vor allem in der pharmazeutischen Chemie, die wenigstens mit vielen Entdeckungen durch sie bereichert worden ist. Fast alle arabischen Ärzte wissen das Quecksilber aufzulösen, in Salzgestalt zu verwandeln und Salben daraus zu bereiten. Sie kennen die Ameisensäure und die Reinigung des Borax, [* 21] wenden Spießglanzmittel an und wissen aus den Pflanzen die wirksamen Stoffe auszuziehen. Den Weingeist bereiteten sie zuerst aus Zucker [* 22] und Reis.
Die Bereitung der Sirupe, der Elixire, der Naphtha und des Alkohols haben wir von ihnen gelernt. Auch die Botanik, die sie ursprünglich aus Dioskorides kennen lernten, haben sie bedeutend bereichert (vgl. Meyer, Geschichte der Botanik, Bd. 3). In der Therapie folgten sie Galen. Doch kann man ihnen nicht alles Verdienst um Erweiterung dieser Wissenschaft absprechen, wozu sie die Natur gleichsam zwang, indem sich neue Krankheitsformen entwickelten, von denen Galen und die Alten nichts gewußt hatten.
Dazu gehören die Pocken, der Aussatz, die Masern, die Röteln, der Friesel, die englische Krankheit etc. Die Chirurgie blieb teils wegen Mangels anatomischer Kenntnisse, teils aus falscher Schamhaftigkeit, hauptsächlich aber aus Operationsscheu vernachlässigt und gewann erst später in Spanien einige Ausbildung. Dasselbe gilt von der Geburtshilfe. Die ältesten uns bekannten Ärzte der Araber sind Syrer, welche die griechische Medizin kannten und übten (s. oben), und Perser, in deren Land syrische Ärzte schon vor der mohammedanischen Invasion praktiziert und Schulen (z. B. in Dschondesabúr) gegründet hatten.
Arabisch wurde die Medizin eigentlich erst durch den berühmten Übersetzer und Kommentator des Galen, Honein Ibn Ishák (gest. 873); neben ihm mag genannt werden Ibn Mâsaweíh (lat. Mesue, der ältere, gest. 857). Der größte und gelehrteste der arabischen Ärzte ist Râsi (s. d.), berühmter aber noch Avicenna (s. d.). Ferner sind bemerkenswert aus dem 11. und 12. Jahrh.: die Spanier Abul Kasim (Albucasis) el Sahráwi, der Chirurg;
Abu Merwan Ibn Zohr (Abimerun Avenzoar, gest. 1162), einer der originellsten Selbstdenker unter den arabischen Ärzten, und Averroes (s. d.).
Eine arabische Geschichte der Ärzte schrieb Ibn Ali Uçeibi'a (gest. 668 d. H.; hrsg. von Arabische Müller, Königsb. 1884). In den Naturwissenschaften zeichnen sich aus: als Botaniker Ibn el Beitár (gest. 1248; seine »Große Zusammenstellung« schlecht übersetzt von Sontheimer, Stuttg. 1840), als Chemiker Dschabir (s. d.), als Zoolog Damíri (1349-1405), Verfasser eines zoologischen Wörterbuchs (arab. gedruckt, Bulak 1284 d. H., 2 Bde.).
Vgl. Wüstenfeld, Geschichte der arabischen Ärzte und Naturforscher (Götting. 1840);
L. Leclerc, Histoire de la médecine arabe (Par. 1876; unkritisch).
Theologie und Rechtswissenschaft.
Den breitesten Raum in den Studien der Araber nimmt die Theologie und die mit ihr notwendig verbundene Jurisprudenz ein. Durch die Entwickelung beider aus Koran und Traditionswissenschaft, zum Teil später durch die Kreuzung mit und den Gegensatz gegen den Einfluß der griechischen Philosophie entstanden allmählich eine Menge Sekten, von denen 4 im 8. Jahrh. entstandene für rechtgläubig und 72 für ketzerisch galten. Unter den letztern haben sich am meisten ausgebreitet die Schiiten, welche noch heute in Persien [* 23] herrschen; die vier orthodoxen Sekten (Sunniten, weil sie der Sunna, der Überlieferung, folgen) bilden die bei weitem größte Masse der Mohammedaner, und es gehören zu ihnen die Bewohner Arabiens, Afrikas, Ägyptens, Syriens, der Türkei [* 24] und der Tatarei. Es sind: die Hanefiten (gestiftet von Abu Hanífa Ibn Thâbit, 690-767), Rationalisten, welche die Sunna mit den Grundsätzen der Vernunft in Einklang zu bringen bestrebt sind (vgl. Flügel, Die Klassen der hanefitischen Rechtsgelehrten, Leipz. 1862);
die Schafi'iten ¶