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waren, von der Engherzigkeit des mohammedanischen Dogmas und der Einseitigkeit des spezifisch arabischen Geistes. Gelang es auch binnen kurzem der orthodoxen Reaktion, die Bewegung zurückzudämmen, so hatte doch die kurze Freiheit genügt, Wissenszweige ins Leben zu rufen, für welche innerhalb des strengen Islam eigentlich kein Platz war: die Naturwissenschaften und vor allen die Philosophie. Beide waren bis dahin ausschließlich von Syrern gepflegt worden, welche die Schriften griechischer Philosophen und Ärzte kannten und studierten (s. Syrische Litteratur).
Unter den Abbassiden nun fing man an, diese Werke aus dem Syrischen in die allgemeine Litteratursprache des mohammedanischen Orients, das Arabische, zu übersetzen. Gleichzeitig wurden durch persische Vermittelung ähnliche Verbindungen mit Indien angeknüpft, und dem Eifer, mit welchem man dem Fremden Eingang verschaffte, entsprach die Energie der eignen Thätigkeit, welche bei den ältern Abbassiden, vor allen bei Al Mamun (813-833), die wirksamste Förderung fand. Er ließ eine große Bibliothek sammeln, an welcher er Gelehrte anstellte, gründete eine Sternwarte [* 2] und unterstützte überhaupt in jeder Weise die verschiedenartigen wissenschaftlichen Bestrebungen, welche sich an jene Übersetzungen anknüpften und die zwar nur in einzelnen Fällen Neues geschaffen, jedenfalls aber die Errungenschaften des klassischen Altertums erhalten und für das Mittelalter fruchtbar gemacht haben. Dieses rege geistige Leben ging auch dann nicht ganz unter, als im 10. Jahrh. die Macht der Kalifen durch die Emir Al Omrah und die Zersplitterung ihres Reichs sehr abnahm und die Einkünfte zu den Unterstützungen der Gelehrten und gelehrten Anstalten nicht mehr hinreichten.
Ein zweites Vaterland hatte die arabische Kultur in Spanien [* 3] gefunden. Hier wetteiferten die neuen omejjadischen Kalifen mit den Abbassiden im Orient. Durch ihre Bemühungen begannen Ackerbau, Kunstfleiß und Handel zu blühen, und Spanien wurde, besonders seit Almóndsir, Abd ur Rahmân III. (912) und Hákem II. (961), ein Hauptsitz der arabischen Litteratur. Was Bagdad für Asien, [* 4] war die von Hákem II. gestiftete Universität zu Cordova für den Westen. An dem regen wissenschaftlichen Leben im arabischen Spanien nahmen auch die Juden teil, und auch für deren Litteratur war Spanien mehrere Jahrhunderte hindurch der Hauptsitz. Von Spanien aus verbreitete sich der wissenschaftliche Ruhm der Araber über das christliche Europa, [* 5] und bald nach 900 reiste man aus Frankreich und andern europäischen Ländern dahin, um bei den Arabern hauptsächlich Mathematik und Medizin zu studieren. Gebrochen wurde die Blüte [* 6] der arabischen Litteratur in Europa mit dem Fall Cordovas 1236.
Vgl. v. Schack, Poesie und Kunst der Araber in Spanien und Sizilien [* 7] (Berl. 1865, 2 Bde.).
Nachdem die abbassidischen Kalifen im Orient zu bloßen Pontifices herabgesunken waren, wurden die Emir Al Omrah und die Gründer der aufkommenden einzelnen Dynastien, in welche das Kalifat sich auflöste, die Beförderer der Wissenschaften. So Aghlab, der Gründer der Dynastie der Aghlabiten in Tunis [* 8] (um 800); Asîs, der Fatimide (975-996), der Stifter der Universität in Kairo; [* 9] Mahmud, der Ghasnawide (997-1030), u. a. Selbst in der heutigen Berberei blühten Künste und Wissenschaften, und in Sizilien finden sich noch heute Spuren von einer bedeutenden arabischen Kultur.
Bemerkenswert ist, daß das eigentliche Arabien von diesem wissenschaftlichen Leben wenig oder gar nicht berührt ward. Die unvermischten Nationalaraber, welche dort, von dem Verkehr mit den unterworfenen Völkerschaften durch ihre Wüsten abgeschnitten, ihren Sitten und Gewohnheiten treu blieben, haben ihre alte Unwissenheit durch das ganze Mittelalter beibehalten, und es ist niemals aus den Augen zu lassen, daß die arabische Litteratur seit der Abbassidenzeit keineswegs die Litteratur der Araber, sondern die Litteratur der orientalischen Völker ist, welche sich in wissenschaftlichen Schriften des Arabischen fast ebenso ausschließlich bedienten wie das mittelalterliche Abendland des Lateinischen.
Mit dem 14. und 15. Jahrh. geht die Blüte der arabischen Litteratur zu Ende, und die ganze neuere Zeit hat nur zwei große Gelehrte aufzuweisen, den überaus vielseitigen Sojuti im 15. und den Polyhistor und Bibliographen Hadschi Chalfa zu Konstantinopel [* 10] im 17. Jahrh., der, freilich ohne eigne Originalität, die ganze ältere Litteratur erfaßte. Außer dem Koran umfaßt das Studium der neuern Araber nur die Grammatik (Nahw), die Tradition (Hadith) und das Gesetz (Fikh); aber auch hierin sind nur die Scheichs und Muftis wohlunterrichtet. Indes läßt die Einführung der Buchdruckerkunst und der Lithographie in verschiedene mohammedanische Kulturkreise ein neues Litteraturleben erwarten, und in Syrien, Ägypten, [* 11] Nordafrika zeigt sich bereits eine regere litterarische Thätigkeit.
Poetische Litteratur.
Den ersten Platz unter den besondern Fächern der arabischen Litteratur nimmt die Poesie (Schi'r) ein, deren erste Blüte in die Zeit kurz vor Mohammed fällt. Der Gegenstand der meisten Gedichte jener Periode sind die individuellen Erlebnisse der Dichter. Jede merkwürdige That, jede empfangene Wohlthat, jede überstandene Gefahr, jedes genossene oder ersehnte Liebesglück ward durch ein Gedicht gefeiert. Der äußern Form nach gab und gibt es unter den Arabern nur eine Art der Poesie, die mit den abendländischen Formen nichts Gemeinschaftliches und einen selten mit erzählenden Elementen versetzten lyrischen Charakter hat.
Jeder Vers (Beit, »Haus, Zelt«) zerfällt in zwei Halbverse (Misrá, »Thürflügel«) von gleichem Metrum, die Verse haben gleichen Endreim (Káfiah), und auch das Versmaß geht ohne Abwechselung oder Strophenbildung durch das ganze Gedicht durch. Der Einteilungsgrund der arabischen Gedichte ist die Länge. Von den kürzern heißen die 7-14 Beit langen Ghasele; sie sind meist erotischen Inhalts. Gedichte von mehr als 30, doch selten über 100 Beit heißen Kaside (Kaçídah); in ihnen werden stets mehrere, zum Teil an bestimmte Reihenfolge gebundene Gegenstände (Liebesklagen, Lobsprüche, Preis des eignen oder fremden Ruhms) in eine oft sehr äußerliche Verbindung gebracht. Einen andern Einteilungsgrund kann man dem Reim entnehmen, nach welchem ein Gedicht z. B. Lamíjah heißt, wenn es auf den Buchstaben l gereimt ist. Eine Sammlung von Gedichten Eines Verfassers heißt Diwán (»Register«). Über die arabische Metrik haben gehandelt: Freytag, Darstellung der arabischen Verskunst (Bonn [* 12] 1830);
Coupry, Traité de versification arabe (Leipz. 1875);
Guyard (im »Journal asiatique« 1876).
Mit dem Koran kam ein religiöses Element in die Poesie, das ihrer freien Entwickelung hinderlich war. Ihre Wiedergeburt fällt in die Epoche der Abbassiden. Indessen nimmt sie nun den Charakter der Kunst statt der Natur an; denn die Dichter waren großenteils Gelehrte, und viele suchten ihren Ruhm vorzüglich in sinn- und geistreichen Schmeicheleien, die für ¶
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den Dichter über alle Vorstellung einträglich waren. So gab der Feldherr Táher dem Abu Nowás 300,000 Dirhems für drei Verse auf seine Freigebigkeit mit den Worten: »Wären der Verse mehr, so wären auch der Dirhems mehr«. Die berühmtesten Dichter sind: der eben erwähnte Abu Nowás (gest. 814), der auch frische Trinklieder verfaßte (hrsg. von Ahlwardt, Greifsw. 1861);
Asmai (Açma'i, gest. 828 oder 328), auch ausgezeichnet als Kenner der alten Poesie und Sprachforscher;
Abu Temmám (s. d.);
Ibn Doreid (s. d.);
Mutanabbi (s. d.);
Abul-Alá (gest. 1057), voll Ernst und Leidenschaft die Schäden seiner Zeit geißelnd (vgl. Rieu, De Abul-Alae vita et carm., Bonn 1843; Auszüge mit Übersetzungen von Arabische v. Kremer in der »Zeitschrift der Deutschen Morgenländischen Gesellschaft«, Bd. 29-31);
Tograi (s. d.);
Ibn al Fáridh (s. d.);
Isseddín al Makdisí (gest. 1279),
allegorisch über Vögel [* 14] und Blumen (hrsg. von Garcin de Tassy, Par. 1821);
Buçíri (gestorben um 1295),
berühmt durch ein Lobgedicht auf Mohammed unter dem Titel: »Bordah« (hrsg. mit deutscher Übersetzung von C. Arabische Ralfs, Wien [* 15] 1860), u. a. Da es nach arabischer Ansicht das Merkmal eines guten Gedichts ist, daß es mit Weisheitssprüchen (Hikmah) durchwebt ist, so nehmen Sprichwörter und Gnomen in dieser Litteratur natürlich eine hohe Stelle ein.
Nicht geringer ist die Bedeutung der sprichwörtlichen Redensarten, deren Kenntnis zum Verständnis gelehrt schreibender Schriftsteller oft ganz unentbehrlich ist. Die meist apokryphischen je 100 Sprüche Alis, Abu Bekrs, Omars und Othmans hat der persische Dichter Watwát (gest. 1182) gesammelt (Alis Sprüche allein hrsg. von Fleischer, Leipz. 1837). Spätere Sammlungen sind von Meidani (gest. 1124; hrsg. von Freytag, Bonn 1838-1843, 3 Bde.), Samachschari (1074-1143; übersetzt von Fleischer, Leipz. 1835, und von Weil, Stuttg. 1836). Die Gewohnheit, Sittenlehren und Lebensregeln in Fabeln, Parabeln und Apologen einzukleiden, ist schon aus der Bibel [* 16] bekannt und im Orient einheimisch.
Die a. L. besitzt zwei berühmte Sammlungen dieser Art. Die eine, aus Indien stammend (wo das Werk den Titel: »Pantschatantra«, d. h. Fünfbuch, trägt),
in der aus dem Persischen geflossenen arabischen Übersetzung »Calila wa dimna« genannt, enthält Klugheitsregeln für einen Monarchen, in Tierfabeln eingekleidet, und ist unter den verschiedenen Namen: »Fabeln Bidpais«, »Humajun Nameh« (»Kaiserliches Buch«) u. a. eins der im Orient verbreitetsten Bücher und in viele abendländische Sprachen übersetzt, aus dem Persischen ins Arabische von dem Perser Ibn el Mukaffa (gestorben etwa 756; der arabische Text hrsg. von de Sacy, Par. 1816; mehrfach auch seit 1251 d. H. in Bulak gedruckt).
Die andre Sammlung führt den Namen Lokmans (s. d.). Noch ausschließlicher der Volkslitteratur gehört der Roman an. Die arabischen Romane geben sich teils als wahre Erzählungen (Kiçça) oder Biographien (Síret), teils als Märchen (Hikájah); hauptsächlich wählte man Ritter- und Heldengeschichten zum Gegenstand der Darstellung, doch wurden manche Stoffe auch aus dem Persischen entlehnt. Die beiden umfangreichsten und zugleich beliebtesten Romane sind: »Das Leben Antaras«, das in der altarabischen Zeit, und »Das Leben des Sultans Bibárs«, das in den Kreuzzügen spielt.
Märchen gehören noch heutzutage zu den beliebtesten Unterhaltungen; an der Spitze derselben stehen »Tausendundeine Nacht« (s. d.). Als Anthologien sind neben den beiden Hamasen (s. d.) zu nennen: das »Große Liederbuch« des Abulfáradsch al Isfaháni (gest. 967),
eine großartige Sammlung mit biographischen und theoretischen Beigaben (Ausgabe mit Übersetzung, begonnen von Kosegarten, Greifsw. 1840; vollständig gedruckt in 20 Bdn., Bulak 1285 d. H.), und die »Einzige Perle der Welt« des Tha'álebi (gest. 1038), nach den Ländern geordnet (vgl. Dieterici, Mutanabbi und Seifuddaula, Leipz. 1847). Neuarabische Sprichwörter hat Burckhardt gesammelt (übersetzt von Kirmß, Weim. 1834), Volkspoesien (besonders der Beduinen) Wallin und Wetzstein.
Der Poesie sehr innig verwandt sind die sogen. Makamen (s. d.), die von den Arabern als Meisterstücke der Redekunst gepriesen werden und in ihrer Form sich an die Reimprosa des Korans anlehnen. Sie sind bald im erzählenden, bald im dialogischen Ton gehalten. Begründet wurde diese Dichtungsweise durch Hamadáni (gest. 1007), vollendet durch Hariri (s. d.).
Vgl. außer den bereits angeführten Werken noch: Humbert, Anthologie arabe (Par. 1819);
Jolowicz, Polyglotte der orientalischen Poesie (2. Ausg., Leipz. 1856), und die verschiedenen arabischen Chrestomathien von de Sacy, Kosegarten u. a.
Geschichtschreibung. Geographie.
Die historische Litteratur fällt zunächst mit der Traditionswissenschaft, zum Teil auch mit der philologischen Erklärung der alten Poesie (Stammsagen u. dgl.) und der Genealogie zusammen. Allmählich entwickelt sie sich selbständiger. Wákidi (747-823) wird als Darsteller der ersten islamitischen Eroberungszüge genannt (manches ist ihm untergeschoben, echt die von v. Kremer, Kalk. 1855-56, herausgegebenen und die von Wellhausen, Berl. 1882, übersetzten Stücke); Ibn Koteibah (828-889) lieferte höchst wichtige Nachrichten über die alte Geschichte und die verschiedenen Stämme in einem universell angelegten Kompendium (hrsg. von Wüstenfeld, Götting. 1850). Seit dem 3. Jahrh. der Hedschra aber wurde nach dem Bekanntwerden mit der persischen Überlieferung, mit griechischer Astronomie [* 17] und christlicher Chronologie und durch Erweiterung des Gesichtskreises die Geschichte ein Lieblingsgegenstand der arabischen Gelehrten.
Das Verfahren ist annalistisch, ohne historischen Pragmatismus, aber in der guten Zeit nie ohne Angabe der schriftlichen oder mündlichen Quelle. [* 18] Anekdotische Details lieben die Geschichtschreiber besonders und vergessen darüber oft das Wichtigere; bei den meisten findet sich Übertreibung, Wundersucht und Leichtgläubigkeit, aus vielen spricht ein religiöser Geist und eine theokratische Ansicht der Weltbegebenheiten. Seit dem 10. Jahrh. schrieb man auch Universalgeschichtswerke, worin die Geschichte häufig nach Dynastien behandelt wird, und Al Berúni (973-1048), ein höchst bedeutender Kopf, verfaßte eine wichtige »Chronologie orientalischer Völker« (hrsg. von Sachau, Leipz. 1876-78; engl. von demselben, Lond. 1879). Die Sprache [* 19] ist meist einfach und schmucklos, bei vielen selbst vernachlässigt, bei andern umgekehrt schwülstig und bombastisch.
Trotz dieser Beschaffenheit der arabischen Geschichtschreibung ist ihr Inhalt wichtig, und für manche Partien ist sie unsre einzige Quelle. Die ersten umfassenden Geschichtschreiber sind Perser; unter ihnen ragt durch gewaltigen Fleiß hervor Tábari (839-923), dessen für die Geschichte des Orients unvergleichlich wichtige Weltgeschichte verloren schien, jetzt aber ziemlich vollständig wieder aufgefunden ist und von einem Verein von Orientalisten unter de Goejes Leitung herausgegeben wird (bisher 13 Halbbde., Leid. 1879-84; einiges war schon ¶