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Vorhöfen der Häuser aufgestellt war, um den Ausgang und Eingang zu bewahren, Gutes einzulassen und Böses abzuwehren, und von den Hausbewohnern mit Ehrengaben, wie Bändern, Myrten- und Lorbeerkränzen, reichlich bedacht ward. Wie zu Lande, so ist Apollon [* 2] auch zur See Geleiter und Beschützer besonders unter dem Namen Delphinios, den er nach dem ihm befreundeten Delphin, dem Symbol des schiffbaren Meers, führte. In dieser Eigenschaft wurde er vielfach in Häfen und auf Vorgebirgen, wie auf dem von Actium, insbesondere auch in Athen, [* 3] meist mit eigentümlichen Sühngebräuchen verehrt sowie als Kolonienführer betrachtet.
Als Unheilabwehrer (Alexikakos) im weitesten Sinn erweist Apollon seine Macht ganz besonders bei Krankheiten; denn wie er als Gott der heißen Jahreszeit die meisten Seuchen und die furchtbare Pest sendet und mit seinen Pfeilen, wie seine Schwester Artemis, [* 4] die Menschen schnell dahinrafft, so vermag er auch die wirksamste Hilfe zu verleihen und wurde daher neben seinem Sohn Asklepios [* 5] als der vornehmste Heilgott viel verehrt. Insbesondere als Erretter von Seuchen, aber auch von andern Nöten sang man ihm zu Ehren den Päan (s. d.).
Doch auch in geistiger Beziehung ist Apollon ein Abwehrer des Bösen und Erretter vom Verderben. Schon frühzeitig hat sich seine ursprüngliche physische Bedeutung überwiegend nach der ethischen Seite entwickelt, so daß er, der reine Lichtgott, zum Gotte der geistigen und sittlichen Reinheit und somit der Ordnung, des Rechts und der Gesetzmäßigkeit im menschlichen Leben geworden ist. Als solcher straft er einerseits unnachsichtlich den übermütigen Frevler, wie den Tityos, die Aloaden, die stolze Niobe und die Griechen vor Troja; [* 6] anderseits aber gewährt er dem Schuldbeladenen, der sich als Büßender und Schutzflehender an ihn wendet, Reinigung von der Befleckung des begangenen Verbrechens, die als eine die Klarheit des Geistes trübende, das Gemüt zerrüttende Krankheit angesehen wurde, und damit Heilung der Seele sowie die Wiederaufnahme in das bürgerliche Leben und die religiöse Gemeinschaft, aus denen er um seines Vergehens willen ausgestoßen war. Apollon selbst hatte dazu das Vorbild gegeben, indem er nach dem delphischen Drachenmord außer Landes geflohen war, um sieben Jahre lang zur Sühnung seiner Blutschuld Knechtsdienste bei Admetos zu thun, sich nach Ablauf [* 7] der Bußzeit in dem Lorbeerhain des thessalischen Tempels reinigen zu lassen und dann erst, nach Delphi zurückgekehrt, sein Amt als Prophet des Zeus [* 8] anzutreten. So verlangte er auch von allen Anerkennung der versöhnenden Macht der Mordsühne gegenüber dem alten Gesetz der nur neuen Mord und neue Schuld erzeugenden Blutrache.
Die durch den Apollonkultus namentlich von Delphi aus verbreiteten Sühnegebräuche trugen zur Verbreitung milderer Rechtssitten außerordentlich bei und erstreckten sich nicht bloß auf Einzelne, sondern auch auf ganze Städte und Landschaften. Als der alles Dunkel durchdringende Lichtgott ist Apollon ferner der Gott der Weissagung, die bei ihm auch eine durchaus ethische Bedeutung hat, indem er als Prophet und Diener seines Vaters Zeus dessen Willen den Menschen verkündet und damit dessen Ordnung in der Welt verbreiten hilft.
Stets verkündet er die Wahrheit; nur vermag der beschränkte Menschengeist nicht immer den Sinn seiner Sprüche zu verstehen, weshalb man sein Beiwort Loxias als der »Krumme« faßte. Er ist der Vorsteher jeder Art von Weissagung, ganz besonders aber derjenigen, die er durch seine menschlichen Werkzeuge, [* 9] vorzugsweise Frauen, in ekstatischem Zustand erteilen läßt. Groß war die Zahl seiner Orakelstätten in Asien [* 10] und Griechenland, [* 11] alle überstrahlte aber an Ansehen und Bedeutung die in Delphi.
Erhebend und begeisternd auf das menschliche Gemüt wirkt Apollon auch als Gott der Musik, die ihm zwar ebensowenig wie die Sühnung und Weissagung ausschließlich, aber doch vorzugsweise eigen ist. Bei Homer erscheint er nur als Zitherspieler, während der Gesang den Musen [* 12] zukommt; im Lauf der Zeit aber wurde er neben den Musen auch zum Gotte des Gesangs und der Dichtkunst und damit zum Musagetes (»Musenführer«) sowie zum Meister des Reigentanzes, der sich mit Musik und Gesang verbindet. Wie zu den Musen, so steht er als Freund alles dessen, was das Leben verschönt, auch mit den Chariten [* 13] (Grazien) in engster Verbindung.
Bei diesen vielfachen Beziehungen zum Natur- und Menschenleben nahm Apollon im griechischen Kultus zu allen Zeiten eine hervorragende Stellung ein; schon bei Homer wird er mit Zeus und Athene [* 14] in der Weise zusammengestellt, daß die drei Gottheiten den Inbegriff aller göttlichen Macht bezeichnen. Seine Verehrung erstreckte sich gleichmäßig über alle Gegenden, wo Griechen ansässig waren; als Hauptgott jedoch betrachteten ihn von alters her die Dorier, bei denen er wohl auch zuerst seine ideale ethische Gestalt erhalten hat.
Die beiden Mittelpunkte seines Kultus waren die Insel Delos, seine Geburtsstätte, wo bei seinem prächtigen, nahe dem Meeresstrand gelegenen Tempel [* 15] alle fünf Jahre die von den griechischen Staaten durch feierliche Gesandtschaften beschickten Festspiele der Delien gehalten wurden, und Delphi mit seinem Orakel und seinen mannigfachen Festen. Unter den apollinischen Kultusstätten in Asien war die bedeutendste Patara in Lykien mit einem berühmten Orakel.
Den Römern wurde Apollon unter dem letzten König, Tarquinius Superbus, durch die damals zuerst erfolgte Befragung des delphischen Orakels und die Erwerbung der Sibyllinischen Bücher (s. d.) bekannt. Durch den Einfluß derselben bürgerte sich sein Kultus bald so ein, daß ihm als Heilgott schon 431 v. Chr. ein Tempel errichtet wurde, von welchem die durch die Sibyllinischen Bücher verordneten Sühneprozessionen ihren Anfang zu nehmen pflegten. Bei den zuerst 399 angestellten Lektisternien (s. d.) nimmt Apollon die erste Stelle ein.
In der Not des zweiten Punischen Kriegs wurden ihm infolge eines Orakelspruchs 212 die Apollinarspiele eingerichtet. Zu einem der vornehmsten Götter Roms wurde er durch Augustus erhoben, der sich für seinen besondern Schützling hielt und seiner Hilfe den Sieg bei Actium zu verdanken glaubte. Deshalb erweiterte er den alten Apollontempel auf dem Vorgebirge und schmückte ihn mit einem Teil der Beute aus, erneuerte die bei demselben mit gymnischen und musischen Wettkämpfen und Wettfahrten zur See früher alle zwei, fortan alle vier Jahre gefeierten Spiele, errichtete in Rom [* 16] dem Gott einen neuen prächtigen Tempel neben seinem Haus auf dem Palatin und übertrug auf ihn und Diana die Säkularspiele. - Der vielseitigen Bedeutung des Apollon entspricht die Mannigfaltigkeit seiner Symbole. Die gewöhnlichsten sind die Kithara [* 17] und der Bogen, [* 18] je nachdem man den Gott des Gesangs oder den ferntreffenden Schützen darstellen wollte. Auf den delphischen Weissagegott, den pythischen Apollon, weist der Dreifuß hin, den man ihm auch vorzugsweise als Weihgeschenk darbrachte. Unter den Pflanzen war ihm der bei den Sühnungen gebrauchte Lorbeer (s. Daphne) von alters her heilig, der seine Tempel ¶
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umgab, und aus dem auch bei den Pythien der Siegeskranz geflochten wurde, sowie die Palme, [* 20] da er unter einer Palme geboren war; unter den Tieren besonders der Wolf, der Delphin (s. oben), der schimmernde und singende Schwan, mit Beziehung auf Weissagung der Habicht, der Rabe, die Krähe, die Schlange [* 21] u. a.
Vgl. Schwartz, De antiquissima Apollinis natura (Berl. 1843);
Schönborn, Über das Wesen Apollons und die Verbreitung seines Dienstes (das. 1854);
Roscher, Studien zur vergleichenden Mythologie der Griechen und Römer, [* 22] Heft 1 (Leipz. 1873);
Stengel [* 23] (in den »Jahrbüchern für klassische Philologie« 1884, S. 351 ff.).
Apollon ist der einzige von den olympischen Göttern, welchen die bildende Kunst von Anfang an unbärtig und jugendlich darstellte. In der älteren Periode erscheint er in strenger Stellung, nackt, mit lang in den Nacken hängendem Haar, [* 24] wie ihn der von Tenea zu München [* 25] sowie verwandte Statuen zeigen, die aber auch als Athleten erklärt werden. Seine Waffen [* 26] (Bogen und Pfeil) und die Kithara charakterisieren ihn, doch auch andre Attribute, wie ihm z. B. in Delos und Delphi die Chariten mit Musikinstrumenten auf die Hand [* 27] gestellt wurden. In großartiger Schönheit bildete ihn Onatas, und überhaupt war Apollon ein Lieblingsgegenstand der ältern Kunst vor Pheidias, welche den Gott kräftiger und reifer auffaßte, während man ihn in der zweiten Blütezeit jugendlich, zarter und auch gern in genrehaften Situationen wiedergab (besonders berühmt sind in dieser Beziehung der sogen. Apollino zu Florenz [* 28] und der Apollon Sauroktonos, der »Eidechsentöter«, zu Rom, Paris [* 29] und anderwärts).
Sein Körper zeigt die blühendsten jugendlichen Formen, das Antlitz, umwallt vom herrlichsten Lockenschmuck, ernstes Sinnen oder erhabene Begeisterung. In vollster Thätigkeit zeigt ihn der von Belvedere, eins der bewundertsten Kunstwerke im Vatikan [* 30] zu Rom (1495 in den Ruinen von Antium aufgefunden, s. Fig. 1), dessen Original in Erz vermutlich einst zu Delphi stand. Er ist (nach neuerer Deutung) dargestellt, wie er mit der Ägis in seiner Linken die heranstürmenden Gallier von seinem Heiligtum zurückscheucht (279 v. Chr.), während man ihn früher (Winckelmann) als mit dem Bogen schießend auffaßte (vgl. Ans. Feuerbach, Der vatikanische Apollo, Nürnb. 1833). Jene Erklärung stützt sich auf eine demselben Original nachgebildete, 1792 bei Janina aufgefundene Bronzestatuette im Besitz des Grafen Stroganow in St. Petersburg [* 31] (vgl. Stephani, Apollon Boëdromios, Petersb. 1860, und Wieseler, Der Apollon Stroganow und der von Belvedere, Leipz. 1861). Eine dem Original näher stehende Kopie des Kopfes enthält die Baseler Antikensammlung.
Den begeisterten Gott stellt uns der Apollon Musagetes des Vatikans dar, eine bewegte Kitharödengestalt in langem Festgewand u. mit fast weiblicher Fülle der Formen, welchen man allgemein für eine Nachbildung des Apollon Palatinus von Skopas ansieht. Ruhig, träumerisch zeigen ihn die beiden schon erwähnten Statuen des Apollino und Sauroktonos. Den kräftigern ältern Typus des Apollon mit Leier und Greifen, den rechten Arm auf das Haupt legend (Motiv des sogen. Apollon Lykeios), repräsentiert eine Statue des kapitolinischen Museums (s. Fig. 2). In Einzeldarstellungen kommt Apollon besonders häufig als Verteidiger seines delphischen, von Herakles [* 32] entführten Dreifußes und als Schützer seiner von dem Frevler Tityos angegriffenen Mutter Leto, auch als Besieger des Drachen Python (vgl. Schreiber, Apollon Pythoktonos, Leipz. 1879) vor. Der riesige Apollon des Chares zu Rhodus, eins der sieben Wunder der Alten Welt, ist uns leider nicht bekannt; alle von ihm hier und da vorkommenden Abbildungen, z. B. mit gespreizten Beinen, Schiffe [* 33] dazwischen durchfahrend, sind Phantasiegebilde moderner Zeit.