Anträge auf Strafverfolgung können bei der Staatsanwaltschaft, bei den Behörden und Beamten des
Polizei- und
Sicherheitsdienstes
und nach der deutschen Strafprozeßordnung auch bei den
Amtsgerichten mündlich oder schriftlich angebracht werden. Die mündliche
Anzeige ist zu beurkunden. Eine Verpflichtung zur Anzeige (Anzeige-, Denunziationspflicht) ist, sofern eine
bereits begangene unerlaubte
Handlung in
Frage steht, nach den meisten Strafgesetzen nur infolge einer
besondern Amtspflicht begründet, und daher kann auch die Unterlassung einer in derartigen
Fällennur für diejenigen Beamten
und ihre Bediensteten eine
Strafe nach sich ziehen, welche sich eben dadurch einer besondern Pflichtverletzung schuldig gemacht
haben.
Auch in Ansehung einer beabsichtigten strafbaren
Handlung liegt die Anzeige zunächst nur den dazu verpflichteten
Beamten ob; nur bei eigentlichen
Verbrechen (im engern
Sinn) ist die Verpflichtung zur Anzeige eines verbrecherischen Vorhabens
einem jeden auferlegt und die Unterlassung der Anzeige für strafbar erklärt worden, so z. B.
nach dem österreichischen
Strafgesetzbuch. Das deutsche
Strafgesetzbuch dagegen straft die Unterlassung
einer von bevorstehenden
Verbrechen nur bei besonders schweren
Verbrechen, nämlich bei
Hochverrat,
Landesverrat,
Münzverbrechen,
Mord,
Raub,
Menschenraub und bei gemeingefährlichen
Verbrechen, also namentlich bei
Brandstiftung, vorsätzlicher Gefährdung
eines Eisenbahntransports, vorsätzlicher
Überschwemmung u. dgl. Dabei wird jedoch vorausgesetzt,
daß der zu Bestrafende zu einer Zeit, in welcher die Verhütung des
Verbrechens möglich war, glaubhafte
Kenntnis von dem verbrecherischen Vorhaben erhalten und gleichwohl weder der Behörde noch der durch das
Verbrechen bedrohten
Person zur rechten Zeit Anzeige davon gemacht habe.
Die
Strafe (Gefängsnisstrafe ^[richtig:
Gefängnisstrafe] von 1
Tag bis zu 5
Jahren) tritt jedoch nur dann ein, wenn das
Verbrechen oder doch wenigstens ein strafbarer
Versuch desselben wirklich begangen worden ist. Auf der andern Seite wird aber
auch eine wider besseres
Wissen erstattete Anzeige mit
Strafe belegt und zwar nach dem deutschen
Strafgesetzbuch mit Gefängnis nicht
unter einem
Monat; auch kann dem Verletzten die Befugnis zugesprochen werden, dieVerurteilung auf
Kosten
des Schuldigen öffentlich bekannt zu machen. Übrigens wird der
Ausdruck Anzeige im
Strafprozeß auch als gleichbedeutend mit »indicium«,
Indiz (s. d.), zur Bezeichnung einer
Thatsache gebraucht, welche eine Schlußfolgerung für die
Schuld oder Unschuld des Angeschuldigten
zuläßt.
Ludwig, Bühnendichter und Schriftsteller, geb. zu
Wien,
[* 3] Sohn eines Subalternbeamten, war durch
den frühzeitigen
Tod seines
Vaters genötigt, seine
Studien zu unterbrechen und als
Autodidakt weiterzustreben.
SeinLeben ist ein wechselvolles, vielbewegtes. Wir finden ihn zuerst als
Praktikant in einer Buchhandlung angestellt, hierauf
(1860-67) als
Schauspieler, dann, der
Misere dieses
Standes überdrüssig, als Journalist thätig, schließlich, als auch diese
Laufbahn den realen Anforderungen des
Lebens nicht entsprach, als Kanzleibeamten bei der Polizeibehörde
beschäftigt, bis ihn endlich der durchschlagende Erfolg seines
Dramas »Der
Pfarrer
von Kirchfeld« (1870) bestimmte, den
Staatsdienst
zu entsagen und sich ganz der Schriftstellerei zu widmen.
Seine dramatische Thätigkeit weist von jetzt an eine
Reihe zum Teil großartiger Erfolge auf, und zwar beruhen diese
weniger auf der kunstreichen
Anlage seiner
Stücke als auf dem realistischen
Kolorit und der naturwüchsigen
Kraft
[* 4] des
Ausdrucks
wie anderseits auf der
Wucht des
Inhalts, d. h. der in ihm aufs höchste gesteigerten
Leidenschaften, die meist aus sittlichen
oder religiösen
Konflikten hervorbrechen. Nicht alle
Schöpfungen des Dichters stehen auf gleicherHöhe;
er selbst gibt den Volksstücken: »Der
Pfarrer von Kirchfeld« (1870),
»Die Kreuzelschreiber«, »Ein
Faustschlag«, »Der Meineidbauer«, »Das
vierte
Gebot« (letzteres 1878 geschrieben) den Vorzug.
AndreDramen von ihm sind: »Elfriede«,
Konversationsstück (1873);
Als erzählender Dichter hat Anzengruber nicht geringere Erfolge mit dem
Roman »Der Schandfleck«
(Wien 1876; umgearbeitet, Leipz.
1884) und einer Sammlung von Bauerngeschichten: »Dorfgänge«
(Wien 1879, 2 Bde.),
erzielt. Neuere novellistische
Arbeiten sind:
»Bekannte von der
Straße Genrebilder« (Leipz. 1881);
In der Jägersprache das eifrige
Suchen des
Vorstehhunds, durch welches
er zu erkennen gibt, daß er die frische
Spur eines
Hasen oder das Geläufe eines Federwilds verfolgt.
einer der vier Hauptstämme des griech.
Volks, der seinen Ursprung von
Äolos ableitete. Es sind unter ihnen
diejenigen Pelasgerstämme zu verstehen, welche durch Zuwanderung von
Ioniern und andern Seestämmen und
Vermischung mit ihnen zu einer höhern Kulturstufe gelangten. Der
Name findet sich deshalb an verschiedenen
Orten von
Griechenland,
[* 9] in
Thessalien,
Elis,
Messenien,
Lokris,
Ätolien und Kephallenia. Wichtig war für die Ausbreitung der Äolier namentlich die
Wanderung
der äolischen Böotier nach
Böotien, von wo nach der dorischen
Wanderung äolische
Stämme, mit
Achäern
gemischt, nach
Kleinasien zogen; hier besetzten sie
Lesbos und
Kyme und eroberten allmählich
Troas und
Mysien. An dem üppigen
Gestade zwischen dem Kaikos und dem
Hermos, auf einem
Raum von 53 km
Länge und ebensoviel
KilometerBreite,
[* 10] erhoben
sich 30 äolische
Städte, von denen 11 als die bedeutendsten genannt werden:
Kyme
(Cumä),
Larissa, Neonteichos, Killa,
Notion,
Ägiroëssa, Pitane, Ägää, Myrina, Gryneia, Temnos. Sie hatten untereinander ein
¶
mehr
Schutzbundnis geschlossen, zu welchem eine Zeitlang auch das mächtige Smyrna gehörte, welches später dem IonischenBund beitrat.
Bis auf Krösos' Zeit waren die Äolier frei, unter diesem mußten sie Lydiens, darauf PersiensOberhoheit anerkennen. Die Perserkriege
gaben ihnen ihre Freiheit zurück, aber der Friede des Antalkidas (387 v. Chr.) brachte sie von neuem unter
persische Herrschaft. Nach Alexanders d. Gr. Tod kamen sie unter syrische Gewalt. Die Römer
[* 12] gestatteten ihnen nach dem Sturz
der syrischen Macht eine scheinbare Unabhängigkeit, bis Sulla Äolien, weil es mit Mithridates verbündet gewesen, zur römischen
ProvinzAsien
[* 13] schlug.
Der äolische Dialekt hat kein fest begrenztes Sprachgebiet und keinen scharf ausgeprägten Charakter.
Er bezeichnet mehr eine ältere Periode der griechischen Sprachentwickelung, die gemeinschaftliche Grundlage aller mundartlichen
Verschiedenheiten; in den grammatischen Formen hat er vielfach das Ursprüngliche erhalten und in den Vokalen große Ähnlichkeit
[* 14] mit den italischen Dialekten. Erklärlich ist nach obigem, daß die äolische Litteratur keinen Reichtum bietet.
Am meisten treten noch die Lesbier hervor. Unter ihnen pflegten Sappho, Alkäos und die selten genannte Erinna die leidenschaftlich
bewegte melische Poesie. Nur metrisch bezeichnen die Äolier eine Epoche (vgl. Sapphischer Vers, Alkäischer Vers).