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Als der wichtigste Seehafen Belgiens, dessen merkantiles Gebiet weit in das Innere des Kontinents hineingreift, bildet Antwerpen [* 2] zugleich einen der ersten Handelsplätze Europas, der aber die meisten seiner ausgeführten Waren in reinem Transit empfängt. Von den großartigen Docks wurden die beiden ältern: Grand und Petit Bassin, von Napoleon I. 1804-13 mit einem Kostenaufwand von 13 Mill. Fr. erbaut, nachdem er Antwerpen zum ersten Kriegshafen an der Westküste Frankreichs hatte erklären lassen.
Das kleine Bassin (175 m lang und 147 m breit) kann 100, das große (402 m lang, 175 m breit) etwa 250 Schiffe [* 3] mittlerer Größe aufnehmen. Im Lauf der Zeit reichten jedoch diese beiden Bassins nicht mehr aus, und es wurde 1859 der Bau eines dritten, des Bassin du Kattendyk, von 350 m Länge und 140 m Breite [* 4] begonnen, an welches sich weiterhin das Bassin aux Bois, Bassin de la Campine, Bassin du Canal anschließen. Neuerdings sind auf einem Teil der alten Südcitadelle Docks angelegt, und andre für Petroleum werden auf dem Terrain der von der Stadt angekauften Nordcitadelle errichtet. Die Tiefe der Docks, die mit Quadern ausgemauert sind und durch Schleusen mit der Schelde korrespondieren, beträgt gegen 10 m; sie sind mit Magazinen, Packhäusern und Kaufhallen umgeben. Der Verkehr wird wesentlich durch die neuen Kais erleichtert, die sich längs des Hafens hinziehen, und an denen die größten Dampfer anlegen können. Ist Ostende [* 5] mehr Posthafen (also für den Brief- und Personenverkehr), so bildet Antwerpen die Warenhalle.
[* 1] ^[Abb.: Situationsplan von Antwerpen.]
Die Schiffahrtsbewegung in Antwerpen war 1883 folgende: Es liefen ein 4689 Seeschiffe (darunter 3700 Dampfer) von 3,857,934 Ton., davon 2,156,539 T. britisch u. 383,745 T. deutsch, aus 4689 Seeschiffe von 3,857,904 T. An Binnenschiffen kamen 1883 in Antwerpen an 28,433 Fahrzeuge von 2,229,588 T. Die Reederei ist nicht erheblich, Antwerpen besaß Anfang 1884 nur 57 eigne Schiffe von 85,307 T. Ein reger Exporthandel, dessen Objekte meist aus Produkten der einheimischen Industrie bestehen, findet nur nach Südamerika, [* 6] China, [* 7] Japan und Indien statt. Ungleich bedeutender ist der Transithandel in Eisen, [* 8] Garnen, Getreide, [* 9] Kaffee und neuerdings auch in deutschen Kohlen. Die Einfuhr zur See übersteigt die Ausfuhr noch immer um die Hälfte. Die Haupteinfuhrartikel waren 1883: Getreide (besonders aus den Vereinigten Staaten, [* 10] Rußland, Indien und Preußen), [* 11]
Weizen | 8.7 Mill. Hektol. | Hafer | 2.8 Mill. Hektol. |
Roggen | 1.7 " " | Mais | 0.5 " " |
Gerste | 2.5 " " | Mehl | 0.1 " " |
Kaffee 727,855 Säcke, Reis 629,839 Säcke, exotischer Rohzucker, Kakao, Hopfen, [* 12] Schmalz und Speck, Talg, Öle, [* 13] Petroleum (866,847 Fässer und Kisten), Droguen, Tabak, [* 14] Baumwolle [* 15] (228,797 Ballen), Wolle (170,196 Ballen), Holz, [* 16] Diamanten.
Handelsbewegung 1882 | Mill. Kilogr. | Wert in Mill. Frank |
---|---|---|
Einfuhr (Generalhandel) | 2286.0 | 1194.9 |
Ausfuhr (Spezialhandel) | 1013.6 | 459.5 |
Transit zur Ausfuhr | 182.8 | 269.1 |
Antwerpen ist durch einen Kanal [* 17] mit der Maas (mit mehreren Seitenkanälen) verbunden. Hier münden die Eisenbahnen von Gent, [* 18] Boom, Mecheln, [* 19] Maastricht [* 20] und Vlissingen. Regelmäßige Dampferkurse verbinden Antwerpen mit Hamburg, [* 21] Rotterdam [* 22] und verschiedenen englischen Häfen sowie auch mit New York (einmal monatlich), Buenos Ayres [* 23] in Südamerika und Adelaide, [* 24] Melbourne [* 25] und Sydney [* 26] in Australien. [* 27] Antwerpen ist Sitz bedeutender Assekuranz- und Handelsinstitute, auch ¶
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Sitz eines deutschen Konsuls und zugleich einer der wichtigsten Punkte für Auswanderung; die Zahl der Auswanderer über Antwerpen betrug 1882: 35,120 Personen, die der deutschen Auswanderer in den 9 Jahren 1875 bis 1883: 97,678 Personen.
An Anstalten für Wissenschaften und Kunst besitzt Antwerpen ein königliches Athenäum, eine höhere Knabenschule, Industrieschule, Navigationsschule, ein Lehrerinnenseminar, ein Institut für Taubstumme und Blinde, zahlreiche wissenschaftliche Gesellschaften, eine Schule für praktische Medizin und Chirurgie, einen botanischen Garten [* 29] (mit hübschem Palmenhaus und dem Standbild des Botanikers Coudenberg), einen großartigen zoologischen Garten (seit 1843), der an Reichhaltigkeit nur dem Amsterdamer nachsteht, eine öffentliche Bibliothek und eine berühmte Akademie der bildenden Künste (mit 16 Professoren), die im 14. Jahrh. als Brüderschaft von St. Lukas entstand und in der Geschichte der niederländischen Kunst eine hochwichtige Stelle einnimmt.
Aus ihr gingen die berühmtesten Maler der flandrischen Schule hervor, von denen viele geborne Antwerpener sind, wie van Dyck, Calvaert, die beiden Teniers, Seghers, Crayer, Floris und Bril (vgl. Rooses, Geschichte der Malerschule Antwerpens, deutsch, Münch. 1880). Die Akademie hat ihren Sitz im Gebäude des Museums (ehemaliges Kloster), das zugleich die hervorragendste Gemäldesammlung Belgiens enthält. Dieselbe stammt aus den jetzt aufgehobenen Klöstern, wurde durch die wertvolle van Ertbornsche Privatsammlung wie durch Ankäufe und Schenkungen verstärkt und umfaßt jetzt ca. 650 Nummern, darunter Meisterwerke von Rubens (Christus am Kreuz, [* 30] der ungläubige Thomas, Kommunion des heil. Franziskus, eine Pietà, heilige Familie etc.), Quintin Massys (Bestattung Christi), van Dyck (Grablegung, Christus am Kreuz), Jordaens (Anbetung der Hirten), Rembrandt, van de Velde, Teniers, Ruisdael, van Eyck (heil. Barbara, Madonna) und andern Meistern der flandrischen Schule.
Von öffentlichen Denkmälern sind außer den genannten noch anzuführen: die Kolossalstatue des Boduognatus, des Häuptlings der Belgier in den Kämpfen gegen Cäsar (1861 errichtet);
die Statue Schoonbekes, eines patriotischen Bürgers aus dem 15. Jahrh., in der Vorstadt Berchem;
das Standbild Carnots, in der Vorstadt Borgerhout;
das Reiterstandbild Leopolds I. (von J. ^[Joseph] Geefs, 1868 errichtet) am ehemaligen Mechelner Thor;
das Sandsteindenkmal des Dichters Ryswyck (1864 errichtet) und die Bronzestatue von D. Teniers (seit 1867).
Auch der sogen. Quintin-Massys-Brunnen mit einem Dach [* 31] von geschmiedetem Eisen und einer Statue des Salvius Brabo verdient Erwähnung. - Finanzen 1882: Das Budget war in Einnahme und Ausgabe auf 26,853,706 Fr. veranschlagt. Von den ordentlichen Ausgaben, die sich auf 11,051,097 Fr. beliefen, erforderte die Verwaltung 2,6 Mill., der öffentliche Unterricht 2,3 Mill., die Straßenbeleuchtung 2,7 Mill. Fr., unter den außerordentlichen die städtische Schuld 9,6 Mill., die öffentlichen Arbeiten 5,8 Mill. Fr. Gegenüber, am linken Scheldeufer, liegt der Vlaamsch Hoofd (Tete de Flandre), von wo man einen guten Überblick über die im Halbkreis lang sich hinstreckende Stadt genießt.
Geschichte. Antwerpen (Aen't Werf, »Am Werft«) wird zuerst im 8. Jahrh. erwähnt. Als Hafen- und Handelsort erscheint es schon im 10. und 11. Jahrh., und Anfang des 12. Jahrh. waren Antwerpener Tücher in Frankreich und Deutschland [* 32] ein gesuchter Handelsartikel. In der Periode der Kreuzzüge war Antwerpen nächst Brügge und Gent die reichste Stadt Flanderns. Die höchste Blüte [* 33] aber erreichte Antwerpen Mitte des 15. Jahrh., wo Gent und Brügge durch unglückliche Fehden sanken. Die Hansa, durch Brügge beleidigt, verlegte zu Anfang des 16. Jahrh. ihre Magazine nach Antwerpen, worauf 1516 alle fremden Kaufleute mit Ausnahme der Spanier von Brügge und Gent nach Antwerpen wanderten.
In den folgenden Jahrzehnten erreichte Antwerpen seinen Höhepunkt. Eine vielseitige Industrie, namentlich Webereien von Woll-, Seiden- und Leinenwaren, Tapeten und Waffen, [* 34] Glas- und Goldwaren, wurde damals begründet; zugleich erlangte der Geldhandel hohe Bedeutung, an der Börse Antwerpens (dem Muster für die spätere Londoner) schlossen im 16. Jahrh. die Fürsten Europas ihre Anleihen ab. Zugleich blühten Künste und Wissenschaften, die berühmtesten Baumeister und Maler (Rubens, van Dyck, Massys u. a.) schmückten die Stadt mit ihren Werken.
Unter Karl V. war Antwerpen die herrlichste Stadt der ganzen christlichen Welt, von wo aus die Produkte des flandrischen und brabantischen Fleißes sich bis Arabien, Persien [* 35] und Indien verbreiteten. Als der portugiesisch-ostindische Handel den levantischen überflügelte, richteten die Portugiesen in Antwerpen ihren Stapel auf. Dies zog die berühmtesten Handelshäuser von Florenz, [* 36] Pisa [* 37] und Genua, [* 38] aus Augsburg [* 39] die Fugger und Welser nach Antwerpen. Damals zählte die Stadt über 240,000 Einw. 200-250 Seeschiffe lagen öfters auf einmal vor ihren Kais, über 2000 Frachtwagen langten in jeder Woche aus Deutschland, Frankreich und Lothringen an. Der auswärtige Verkehr beschäftigte ein Gesamtkapital von 500 Mill. Goldgulden. Antwerpen hatte 4500 eigne Schiffe in See, und es galt das Sprichwort: »Die Welt ist ein Ring und der Diamant [* 40] darin«.
Diese Blüte wurde durch den Abfall der Niederlande [* 41] vernichtet. Bei der Wichtigkeit der Stadt, in welcher die Reformation zahlreiche Anhänger zählte, suchte bereits 1566 die Statthalterin Margareta von Parma [* 42] durch Verstärkung [* 43] der Besatzung bei Gelegenheit des Bildersturms, während dessen nur Wilhelm von Oranien ein gräßliches Blutbad verhinderte, sich Antwerpens zu versichern. Zu den Festungswerken, die Karl V. 1546 durch einen deutschen Ingenieur, Franz, hatte anlegen lassen, ließ dann Alba [* 44] durch den Italiener Paciotto 1567-72 die starke Citadelle mit einem Aufwand von 1,400,000 Thlr., wovon Antwerpen selbst ein Drittel tragen mußte, erbauen.
Zweimal versuchte 1574 Wilhelm von Oranien vergeblich, die Citadelle zu nehmen. Die spanischen Söldner, welche ihren Lohn nicht empfingen, verübten von der Citadelle aus Bedrückungen aller Art und richteten ein furchtbares Blutbad (die »spanische Furie«) in Antwerpen an, wobei das Rathaus und 600 Bürgerwohnungen in Flammen aufgingen und über 10,000 Bürger ersäuft oder erstochen wurden. Am endlich gelang es den Antwerpenern, durch Zahlung des rückständigen Soldes und ungeheurer Summen an die Befehlshaber die spanische Besatzung zur Räumung der Citadelle zu bewegen und alle Truppen aus der Stadt zu entfernen.
Einen der glänzendsten Akte in dem Heldenkampf der Niederländer zu Gewinnung ihrer Freiheit bildet die berühmte 14monatliche Verteidigung Antwerpens gegen Alexander von Parma, bei welcher beide Teile sich in genialer Erfindung neuer Angriffs- und Abwehrmittel überboten, schließlich aber die Stadt doch kapitulieren und sich dem Feind ergeben mußte (16./17. Aug. 1585). Dies entschied zugleich den Sieg des Katholizismus und den Untergang der Handelsblüte von Antwerpen. In Antwerpen wurde der zwölfjährige Waffenstillstand geschlossen, durch welchen Spanien [* 45] die Unabhängigkeit der nördlichem ¶