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Adoptivvater, der ihm auch seine Tochter Faustina zur Gemahlin gab, in vertrautester Freundschaft, hauptsächlich mit seinen Studien beschäftigt, aber auch an den Regierungsgeschäften thätigen Anteil nehmend. In seinen frühern Jahren widmete er sich unter der Leitung des Cornelius Fronto mit dem größten Eifer den rhetorischen Übungen, wie sie damals betrieben zu werden pflegten; von seinem 25. Lebensjahr an gab er sich aber ganz dem stoischen Philosophen Junius Rusticus hin, der ihn völlig für sich und seine Philosophie gewann. So war er also auch als Kaiser (161-180) durchaus stoischer Philosoph, aber im besten Sinn, indem er sein Leben nach den strengen sittlichen Grundsätzen dieser philosophischen Schule einrichtete und die ihm durch seine Stellung auferlegten Pflichten auf das vollkommenste erfüllte.
Gleichwohl war seine Regierung nicht so glücklich, wie es seine Gerechtigkeit, seine Milde und seine unermüdliche Thätigkeit verdienten. Zwar in den ersten Jahren (161-165) wurden nicht nur die Einfälle der feindlichen Nachbarn in Britannien und am Rhein von den dahin gesandten Feldherren abgewehrt, sondern es wurde auch gegen den Partherkönig Vologäses III. ein Krieg mit dem glänzendsten Erfolg geführt, durch den Armenien wieder der römischen Schutzherrschaft unterworfen, Mesopotamien zur römischen Provinz gemacht und sogar Seleukia und Ktesiphon erobert wurden.
Allein das aus dem Osten zurückkehrende Heer brachte von dort eine furchtbare Pest mit, welche von nun an die ganze Regierungszeit Mark Aurels hindurch das römische Reich verheerte, und 167 begannen die sich immer wieder erneuernden Einfälle der Quaden, Markomannen, Jazygen und andrer germanischer und sarmatischer Völker am Rhein und an der Donau, die den Kaiser fast ununterbrochen in Anspruch nahmen. Zunächst dauerten diese Kriege bis 175, wo ihn ein Aufstand des Avidius Cassius nach Asien [* 2] rief und ihn nötigte, ein Abkommen mit den Feinden zu treffen. Es werden aus dieser Zeit mehrere Siege der Römer [* 3] berichtet, unter denen einer besonders erwähnenswert ist, weil sich an ihn eine oft erwähnte christliche Legende knüpft. Es wird nämlich erzählt, das römische Heer sei 174 in der Zeit des heißesten Sommers in einem engen Thal [* 4] von den Quaden eingeschlossen und nahe daran gewesen, vor Hitze und Durst umzukommen; da habe der Gott der Christen auf das Gebet einer aus lauter Christen bestehenden Legion (die deshalb den Namen der Fulminata bekommen haben soll) für die Römer einen erquickenden und stärkenden Regen, für die Feinde aber Hagel und Blitz und Donner geschickt, und nun seien die Feinde mutig angegriffen und völlig geschlagen worden.
Trotz aller Siege indes war jenes Abkommen zwar nicht unrühmlich, aber doch nicht derart, daß der Krieg dadurch beendigt worden wäre. Nachdem daher der Aufstand des Avidius Cassius durch den Tod des Urhebers von selbst erloschen war, wurde der Kaiser schon 178 genötigt, den Kampf von neuem aufzunehmen, den er zwar nicht unglücklich, aber doch ohne eine völlige Entscheidung bis zu seinem am 17. März 180 erfolgenden Tod fortführte. Aus der innern Geschichte seiner Regierung werden uns nur Handlungen der Milde und des Wohlwollens berichtet. Er erweiterte die Stiftung Trajans für arme Kinder und gab ihr eine feste Einrichtung, er ordnete das Vormundschaftswesen, milderte die durch Pest und Hungersnot entstehende Bedrängnis des Volks durch freigebige Spenden und durch den Erlaß rückständiger Abgaben und traf auch sonst mehrfache wohlthätige Anordnungen und Einrichtungen.
Und eine gleiche Milde bewies er auch gegen seinen Adoptivbruder Lucius Verus, den er aus Pietät gegen Antoninus Pius, der auch ihn adoptiert hatte, zu seinem Mitkaiser ernannte (er starb 169), und dessen Fehler und Ausschweifungen er sorgfältig zu verhüllen und unschädlich zu machen suchte. Nur gegen die Christen zeigte er sich abgeneigt, so daß dieselben, vielleicht ohne sein Wissen und Zuthun, hier und da Verfolgungen erfuhren, in denen z. B. die berühmten Kirchenväter Justin und Polykarp den Märtyrertod erlitten (166). Wie aber in seiner Regierung, so drückt sich sein vortrefflicher Charakter namentlich auch in einer Schrift aus, die wir noch von ihm besitzen, in den zwölf Büchern seiner (griechisch geschriebenen) »Selbstbetrachtungen«, in denen sich seine reine und edle Sinnesweise aufs klarste abspiegelt. Er wurde deshalb nicht nur von seinen Zeitgenossen, die ihm unter andern Ehren die noch auf dem Kapitol vorhandene vortreffliche Reiterstatue widmeten, sondern auch von der Nachwelt allgemein verehrt und gepriesen. Seine »Selbstbetrachtungen« sind zuerst herausgegeben von Guil. Xylander (Zür. 1558); bessere Ausgaben sind die von Casaubonus (Lond. 1643), Gataker (Cambridge 1652), J. M. ^[Johann Matthias] Schultz (Schlesw. 1802) und Korais (Par. 1816). Übersetzungen erschienen in fast allen europäischen Sprachen; neuere deutsche von Schneider (3. Aufl., Bresl. 1875) und Cleß (Stuttg. 1866). Außerdem hat man von Antoninus einige lateinische Briefe an Fronto, die sich in den von Angelo Mai (Rom [* 5] 1823) und von Naber (Leipz. 1867) herausgegebenen Schriften Frontos befinden.
Vgl. Noël Desvergers, Essai sur Marc-Aurèle (Par. 1860);
E. Zeller in den »Vorträgen und Abhandlungen« (Leipz. 1865);
Renan, Marc-Aurèle et la fin du monde antique (Par. 1882);