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Erhitzt man in einem Digestor Methylviolett mit Methylalkohol und Natriumhydrat, läßt bei 90° unter einem Druck von 5-6 Atmosphären Chlormethyl zufließen, scheidet nach dem Erkalten das unverändert gebliebene Methylviolett durch Zusatz von Alkali ab und versetzt das Filtrat mit Salzsäure und Zinkchlorid, so bildet sich eine schwer lösliche Zinkverbindung, welche als Methylgrün C25H29N3Cl2 in den Handel kommt.
Dies ist ein schöner Farbstoff, zerfällt aber bei 100° in Violett und Chlormethyl und ist auch gegen Seife empfindlich. Zur Darstellung von Malachit- oder Bittermandelgrün C23H25N2Cl mischt man Dimethylanilin mit Chlorzink und Sand, erhitzt mit Benzotrichlorid auf 110°, zieht mit kochendem Wasser aus und fällt aus der Lösung den Farbstoff mit Chlornatrium. Es ist das Zinkdoppelsalz der Farbebase, welche auch mit Hilfe von Bittermandelöl (Benzaldehyd) dargestellt werden kann.
Die Salze der Sulfosäure zeigen auf der Faser eine höhere Widerstandsfähigkeit. Ein andres Anilingrün, Vert d'Usèbe, Aldehydgrün, entsteht bei Behandlung von schwefelsaurem Rosanilin mit Aldehyd und Erhitzen der homogenen Masse mit einer Lösung von unterschwefligsaurem Natron. Man benutzt die filtrierte Flüssigkeit unmittelbar als Färbebad oder fällt sie mit essigsaurem Natron oder Tannin. Chlorsaures Kali oder chlorige Säure gibt mit salzsaurem Anilin das Emeraldin, einen sehr beständigen, in Wasser, Alkohol, Säure und Alkalien unlöslichen grünen Niederschlag, welchen man direkt auf der Faser erzeugen kann.
Bei der Einwirkung von Anilin auf salzsaures Anilin bei 220-250° entsteht Diphenylamin, welches, mit Salzsäure ausgezogen, aus der Lösung durch viel Wasser gefällt und durch Rektifikation gereinigt wird. Erhitzt man dasselbe mit Oxalsäure auf 110-120°, so entsteht Diphenylaminblau, welches durch Überführung in die Sulfosäure wasserlöslich gemacht wird. Man kann auch das Diphenylamin in die Sulfosäure verwandeln und diese mit Oxalsäure nicht über 30° erhitzen.
Die Ammoniak-, Natron- und Kalksalze dieser Säure finden in der Technik vielfach Verwendung. Durch Nitrierung liefert Diphenylamin gelbe und gelbrote Farbstoffe (Citronin ist Dinitrodiphenylamin, Aurantia [s. d.] Hexanitrodiphenylamin). Leiten sich die genannten Farbstoffe von dem Pararosanilin ab, so liefert auch das Rosanilin mehrere Farbstoffe. Wird die Base in alkoholischer Lösung mit Jodmethyl oder Jodäthyl behandelt, so entsteht Trimethylrosanilinjodid oder die entsprechende Äthylverbindung, welche als Hofmanns Violett (Neu-, Jodviolett) in den Handel gekommen, aber seit Einführung des billigern Methylvioletts in den Hintergrund getreten ist.
Erhitzt man ein Rosanilinsalz mit Anilin, so werden Wasserstoffatome durch Phenylgruppen ausgetauscht, und es entstehen rotviolettes Monophenylrosanilin (Amarant), blauviolettes Diphenylrosanilin (Violet de Parme) und blaues Triphenylrosanilin (Lichtblau, Azulin, Azurin, Bleu de Lyon). [* 2] Letzteres wird besonders durch Erhitzen von Rosanilin mit Anilin und etwas Benzoesäure auf 180° erhalten; es entweicht dabei viel Anilin und Ammoniak, und wenn man die Masse dann in Salzsäure bringt, so scheidet sich der Farbstoff aus.
Das Lichtblau ist nur in Spiritus [* 3] löslich, doch werden mehrere wasserlösliche Sulfosäuresalze dargestellt (Nicholsons Blau, Alkaliblau, Wasserblau, Chinablau). Wird Trimethylrosanilin noch weiter mit Jodmethyl behandelt, so entsteht Jodgrün, welches als Zinkdoppelsalz in den Handel kam, aber durch das billigere Methylgrün verdrängt wurde. Wird salzsaures Rosanilin mit salzsaurem Anilin auf 240° erhitzt, so entsteht Bismarckbraun, ein schwarzgrünes Pulver, welches sich mit brauner Farbe in Alkohol löst und in der Seiden- und Lederfärberei viel benutzt wird.
Anilingelb (Anilinorange, Aurin) wird aus dem harzartigen Nebenprodukt von der Rosanilinbereitung gewonnen. Aus der mit einem Dampfstrahl bereiteten Lösung fällt man das schwer lösliche salpetersaure Salz [* 4] des Chrysanilins C20H17N2 . Diese Base ist amorph, gelb, fast unlöslich in Wasser, leicht löslich in Alkohol und färbt, wie auch ihre Salze, Seide [* 5] und Wolle schön goldgelb. Ein Oxydationsprodukt des Anilins von noch nicht sicher erkannter Konstitution ist das Anilinschwarz (Indigschwarz, Lukasschwarz), welches seiner Unlöslichkeit halber nicht in Fabriken, sondern in den Färbereien direkt auf der Faser erzeugt wird.
Man druckt auf das Gewebe [* 6] eine durch Gummi verdickte Lösung von möglichst toluidinfreiem salzsauren Anilin, chlorsaurem Kali und Salmiak, welche mit einer Kupferverbindung (vorzugsweise Schwefelkupfer) versetzt ist, und läßt das Schwarz unter Zutritt des Sauerstoffs der Luft bei etwa 30° sich entwickeln. Statt des Kupfers hat man mit gutem Erfolg auch Vanadin- und Cersalze angewandt. Ein Teil Vanadinchlorür soll bei Gegenwart von chlorsaurem Kali 1000 Teile salzsaures Anilin verwandeln.
Oft wird das Schwarz nach einiger Zeit grün, doch kann dies vermieden werden, wenn man die Gewebe mit chromsaurem Kali und Schwefelsäure [* 7] behandelt. Wenn man konzentrierte Lösungen von Anilinsalzen durch den galvanischen Strom zersetzt, so scheidet sich am positiven Pol Anilinschwarz aus. In konzentrierter Schwefelsäure löst sich das Schwarz zu einer Sulfosäure, deren alkalische Lösung durch reduzierende Körper entfärbt wird, unter dem Einfluß des Sauerstoffs der Luft aber wieder Anilinschwarz liefert. Das Anilin wird nur in der Zeugdruckerei benutzt und zeichnet sich durch seine vollkommene Echtheit aus.
Anilinfarben finden sich in der Natur; die im Mittelmeer und an der portugiesischen Küste lebende Molluskenspezies Aplysia depilans Gm. (Seehase) sondert in einem unter ihrem Mantellappen liegenden blasenartigen Organ ein flüssiges Anilinrot und Anilinviolett ab, welches dem Tier als Verteidigungswaffe dient, indem es, ausgespritzt, das Wasser trübt und vergiftet. Auch beim Rot- und Blauwerden der Speisen (»blutendes Brot« etc.), einem durch Bakterien vermittelten Fäulnisprozeß der Proteinkörper, bilden sich Anilinfarben.
Die Anilinfarben sind an sich nicht giftig, doch enthält nicht kristallisierte Ware bisweilen giftige, zu ihrer Bereitung benutzte Stoffe, wie Arsenik, Quecksilbersalze, die indes auch nur unter besondern Verhältnissen schädlich werden können. Mit Fuchsin gefärbte Nahrungsmittel [* 8] enthalten so außerordentlich wenig Farbstoff, daß ein Gehalt an Arsen, welcher doch immer in engen Grenzen [* 9] bleibt, kaum noch in Betracht kommt. Enthielte das Fuchsin selbst 10 Proz. Arsen (was niemals vorkommt), so würde man in 100 ccm eines damit gefärbten Likörs doch nur 0,02 mg Arsen dem Körper zuführen, eine Dosis, die völlig unschädlich ist. Daß mit Anilinrot gefärbte Zeuge irgendwie schädlich sich erwiesen hätten, ist niemals behauptet oder beobachtet worden; wohl aber könnten mit Anilinrot bedruckte Stoffe Gefahr bringen, wenn von dem vorausgesetzt stark arsenhaltigen Farbstoff mit der vielleicht angewandten arsenhaltigen Beize erheblichere Mengen sich abrieben und ¶
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staubförmig in die Mundhöhle [* 11] und den Magen [* 12] gelangten. Sehr giftig aber können auch die mit Anilinfarbe bedruckten Tapeten werden, da eine Anzahl gewissenloser Fabrikanten die Anilinfarbenrückstände, welche häufig einen bedeutenden Gehalt von Arsen enthalten, aufkaufen. Übrigens ist zu berücksichtigen, daß im Publikum der Name Anilin auf alle Teerfarbstoffe ausgedehnt wird, unter denen sich allerdings mehrere befinden, die mit Entschiedenheit als giftig bezeichnet werden müssen.
Das Anilin wurde 1826 von Unverdorben aus Indigo [* 13] erhalten und Kristallin genannt;
Runge beschrieb es 1837 als Kyanol, welches er aus Steinkohlenteer gewonnen hatte;
Fritzsche bereitete es 1840 durch Destillation [* 14] von Indigo mit Kalihydrat;
Zinin gewann 1842 sein Benzidam aus Nitrobenzol, worauf Hofmann 1843 die Identität aller vier Körper nachwies.
Die Bildung farbiger Produkte beobachtete zuerst Runge. Beißenhirz entdeckte 1853 die Entstehung eines blauen Farbstoffs beim Behandeln von Anilin mit chromsaurem Kali und Schwefelsäure, aber Perkins brachte 1856 die erste nach demselben Verfahren bereitete Anilinfarbe (Mauvein) in den Handel. Im J. 1858 entdeckte Hofmann bei der Einwirkung von Chlorkohlenstoff auf Anilin das Anilinrot. Verguin erhielt unabhängig von Hofmann denselben Farbstoff durch Zinnchlorid und nahm mit Gebrüder Renard, Färbern in Lyon, Patente in England und Frankreich auf die Darstellung von Fuchsin.
Sie erwarben auch die von Girard und Delaire gemachte Erfindung der Fuchsinbereitung mittels Arsensäure, und seitdem ist die Fabrikation von Fuchsin in Frankreich durch die Société de la Fuchsine in Lyon monopolisiert. Hofmann erforschte die Natur der neuen Farbstoffe, erklärte die Bildung von Anilinblau aus Fuchsin und Anilin und entdeckte die mit Alkoholjodüren darstellbaren Farbstoffe. Die Anilinfarbenindustrie hat in kurzer Zeit eine außerordentliche Bedeutung gewonnen.
Man konsumierte schon 1869 über 1,5 Mill. kg Anilinöl und davon 1 Mill. allein in Deutschland, [* 15] den Rest in Frankreich, England und der Schweiz. [* 16] Im J. 1879 betrug die Tagesproduktion in England 2500 kg (mit nur geringer Ausfuhr), in Frankreich 5-6000 kg (davon über ⅔ Export nach Deutschland), in Deutschland 9000 kg. Obwohl die Begründung der Anilinfarbenindustrie und ihre ersten wichtigsten Erfindungen auf englischem und französischem Boden stattfanden, beteiligte sich doch Deutschland gleich anfangs durch billige und gute Fabrikate an derselben und lief bald allen Mitbewerbern den Rang ab. Seine meist sehr bedeutenden Fabriken liegen hauptsächlich in Südwest- und Westdeutschland und beteiligen sich an der europäischen Gesamtfabrikation mit ungefähr der Hälfte.
Bei weitem die größte Menge der Anilinfarben findet in der Färberei Verwendung. In der That sind die Vorzüge dieser Farbstoffe vor andern Pigmenten sehr bedeutend. An Glanz und Schönheit sowie an Leichtigkeit der Färbeprozesse werden sie von kaum irgend einem andern Färbematerial erreicht, während zugleich ihr Preis ein so niedriger ist, daß bei ihrer eminenten Ausgiebigkeit nur wenige andre Stoffe damit konkurrieren können. Am schönsten erscheinen die Anilinfarben auf Seide, durch welche sie ohne weiteres aus kalter Lösung fixiert werden; daher beherrschen gegenwärtig die Anilinfarben die Seidenfärberei vollständig.
Wolle färbt sich in erwärmten Lösungen von Anilinfarben ebenso leicht wie Seide, aber ihre Verwendung beschränkt sich hier doch auf Kammwollgewebe für Frauenkleidung und auf Wollgarn. Am wenigsten eignen sich die Anilinfarben für Baumwolle, [* 17] welche dieselben nur nach vorhergegangener Beizung aufnimmt; immerhin hat der Zeugdruck mit den Anilinfarben einige prachtvolle Effekte erzielt. Leider werden alle diese Farbstoffe durch Licht [* 18] sehr schnell zerstört, sie gehören in dieser Beziehung zu den vergänglichsten Pigmenten.
Durch starke Alkalien oder Säuren werden sie zwar entfärbt, aber beim Waschen erscheint die Farbe wieder; nur durch längere Behandlung mit verdünntem Ammoniak und sorgfältiges Auswaschen kann man sie ziemlich vollständig entfernen. Zur Papierfärberei benutzt man mit Alaun, [* 19] Tannin, Seifen bereitete Farblacke; nicht unbedeutende Mengen von Anilinfarben werden auch zum Färben von Likören, Essig, Zuckerwaren, Elfenbein, Horn, Leder etc. verbraucht; für die Aquarellmalerei sind besondere Präparate dargestellt worden, aber zur Ölmalerei und zum Färben von Fetten sind die Anilinfarben nicht verwendbar. Auch in der Buchdruckerei werden die Anilinfarben vielfach zum Druck feiner Arbeiten benutzt (s. Buchdruckfarben).
Vgl. Kopp, Examen des matières colorantes artificielles dérivées du goudron de houille (Zabern [* 20] 1863, 2 Bde.);
Reimann, Technologie des Anilins (Berl. 1866);
Krieg, Theorie und praktische Anwendung von in der Färberei und Druckerei (3. Aufl. von Oppler, das. 1860);
»Rapports du jury international«, Teil 7 (Par. 1868);
M. Vogel, Entwickelung der Anilinindustrie (2. Aufl., Leipz. 1870);
Bolley, Altes und Neues aus Farbenchemie und Färberei (Berl. 1868);
Derselbe, Handbuch der chemischen Technologie, Bd. 5 (Braunschw. 1870);
Beckers, Anilinfärberei (5. Aufl. von Reimann, Berl. 1874);
Girard und de Laire, Traité des dérivés de la houille applicables à la production des matières colorantes (Par. 1873);
Wurtz, Progrès de l'Industrie des matières colorantes artificielles (das. 1876);
Ostermayer, Die organischen Farbstoffe der Steinkohlenteerindustrie (Lörrach 1879);
Mierzinsky, Die Teerfarbstoffe, ihre Darstellung und Anwendung (Leipz. 1878);
Bersch, Fabrikation der Anilinfarbstoffe (Wien [* 21] 1878);
Schultz, Chemie des Steinkohlenteers (Braunschw. 1882).