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Die Landessynode tritt auf Berufung des Landesherrn alle drei Jahre zu ordentlichen Versammlungen zusammen; zu außerordentlichen Versammlungen kann sie nach Bedürfnis jederzeit berufen werden. Die Katholiken stehen seit 1868 unter dem Bischof zu Paderborn [* 2] als »apostolischem Administrator«. Das Unterrichts- und Erziehungswesen in Anhalt [* 3] steht seit geraumer Zeit in sehr günstigem Ruf. Man zählt 9 Mittelschulen, 6 höhere Töchterschulen, 15 Bürgerschulen, 207 Volksschulen, für welche die Lehrer in dem Seminar zu Köthen [* 4] gebildet werden. Für die höhere Bildung wirken 4 Gymnasien, 2 Realgymnasien, 2 Realprogymnasien, 1 Lehrerinnenseminar in Dessau; [* 5] daneben bestehen verschiedene Privaterziehungsinstitute und Rettungshäuser.
Das Klima [* 6] ist mild, nur in dem gebirgigsten Teil etwas rauh. Von der Gesamtfläche entfielen 1878 auf Äcker und Gärten 61,5 Proz., Wiesen und Weiden 8,6, Wald 24,4 Proz. Die Hauptprodukte sind: Getreide [* 7] (namentlich Weizen), Obst und Gemüse, Hülsenfrüchte, Zuckerrüben, Kartoffeln, Tabak, [* 8] Flachs, Ölfrüchte, Hopfen [* 9] und andre Kultur- und Handelspflanzen sowie Holz, [* 10] vorzüglich auf dem Harz und dem rechten Elbufer, wo die reichen und große Einkünfte abwerfenden Waldungen allein 415 qkm (7,38 QM.) einnehmen, während die Gesamtgröße aller Waldungen des Landes (1883) 549,9 qkm (9,9 QM.) beträgt.
Die Landwirtschaft, die Hauptbeschäftigung der Einwohner, wird mit großer Sorgfalt betrieben, namentlich auf den zahlreichen herzoglichen und landesfiskalischen Domänen, deren Areal zu einem Drittel des Landes berechnet wird, und den großen Rittergütern. Die Viehzucht [* 11] ist sehr ansehnlich; schönes Rindvieh wird namentlich in den Niederungen an der Elbe und nördlich von derselben gezogen; auch Pferde [* 12] gibt es in ausreichender Menge. Am waren vorhanden: 15,816 Pferde, 54,935 Rinder, [* 13] 130,610 Schafe, [* 14] 57,517 Schweine, [* 15] 26,620 Ziegen und 6318 Bienenstöcke.
Außer Wild, dessen Gedeihen die großen Waldungen sehr begünstigen, liefert das Tierreich viele Fische, [* 16] namentlich Lachse, auch Welse, Störe und Neunaugen, endlich Honig in Menge. Produkte aus dem Mineralreich werden fast ausschließlich im Oberherzogtum gewonnen, wo sich Silber- und Kupfererze, Bleiglätte, Eisen, [* 17] Spießglanz, Vitriole aller Art, Flußspat, [* 18] Schwefel und Marmor vorfinden. Die Gesamtproduktion der Harzer Bergwerke betrug 1882: 1030 kg Silber (wichtigste Gruben der Pfaffenberg und der Meiseberg), 2620 Ztr. Kaufglätte, 7340 Ztr. Blei. [* 19]
Die Tilkeroder Gruben sind bekannt durch die daselbst gefundenen Selenerze, Palladium und selbst Gold. [* 20] Bedeutend ist der Reichtum des Landes an Braunkohlen, deren Abbau 1883 auf 16 Gruben durch 1100 Arbeiter stattfand und eine Produktion von 795,973 Ton. (à 1000 kg) im Wert von 2,401,370 Mk. erzielte. Der östliche Teil des Landes liefert außerdem Gips, [* 21] Mergel, Bau- und Mühlsteine, [* 22] namentlich aber Abraumsalze und Steinsalz. Das herzogliche Salzbergwerk Leopoldshall förderte 1882: 13,165 T. Steinsalz, 507,091 T. Kalisalze, 4658 T. Bittersalze, 32 T. Boracit. Berühmte Eisenquellen hat Alexisbad im Oberherzogtum.
Die gewerbliche Industrie ist namentlich in den Industriezweigen, welche mit der Landwirtschaft in engerer Verbindung stehen, bedeutend. Hierher gehören vor allen die Rübenzuckerfabrikation (welche im Kampagnejahr 1882/83 in 31 Fabriken 609,527 T. Rüben verarbeitete und einen Ertrag von 57,431 T. Rohzucker lieferte), Branntweinbrennerei und Bierbrauerei [* 23] (welche im Etatsjahr 1882/83 in 71 Brauereien 219,500 hl Bier lieferte), am schwunghaftesten in Dessau und Zerbst [* 24] betrieben.
Der Tabaksbau, der in frühern Jahren große Flächen in Anspruch nahm, ist in jüngster Zeit erheblich zurückgegangen; 1883-84 wurden auf 102 Hektar 171 T. Tabaksblätter gewonnen. Die Hütten- und Hammerwerkindustrie blüht im Selkethal, wo die gewonnenen Erze verarbeitet werden (daselbst die Silber- oder Viktor-Friedrichshütte mit Vitriolsiederei und der Eisenhüttenort Mägdesprung). Chemische [* 25] Industrie auf Verarbeitung der bei Leopoldshall gewonnenen Abraumsalze (Carnallit und Kainit) liefert verschiedene Kalisalze.
Andre Industrieerzeugnisse sind Gold- und Silberwaren, Fayence, [* 26] Chemikalien; auch Wollspinnereien und Wollwebereien, Maschinen- und Papierfabriken mit nicht unbedeutender Produktion sind vorhanden. Der Handel ist beträchtlich, namentlich mit den Rohprodukten des Landes (Getreide, Vieh, Holz, Wolle etc.), aber nicht minder auch mit Zucker [* 27] und Spiritus; [* 28] ferner mit Mehl [* 29] und Kleie, Strohpapier, Garn, Tuch und Eisenwaren. Eingeführt werden vorzugsweise Roheisen, Farbhölzer, Guano, Schiefer, Kohlen, Materialwaren, Palmöl, Thran etc. Der Handel wird durch die schiffbaren Flüsse [* 30] Elbe (an der seit 1859 der Hafen Wallwitzhafen bei Dessau besteht) und Saale, durch die guten Landstraßen und die Eisenbahnen, welche das Land durchkreuzen (Gesamtlänge 188 km), wesentlich unterstützt und konzentriert sich in Dessau, Bernburg, [* 31] Koswig, Zerbst und Köthen. Zur Förderung des Handels dient ferner die Landesbank (in Dessau); zur Leitung des Zoll- und Steuerwesens besteht für das ganze Land eine Zolldirektion (Sitz in Magdeburg). [* 32]
Das Herzogtum ist nach der Landschafts- und Geschäftsordnung für das gesamte Anhalt vom eine konstitutionelle, im Mannesstamm nach dem Rechte der Erstgeburt erbliche Monarchie. Der Herzog (gegenwärtig Friedrich, der seinem Vater, dem Herzog Leopold Friedrich, succedierte) führt den Titel Hoheit, vereinigt in sich die Exekutivgewalt; die legislative teilt er mit den Ständen. Das herzogliche Haus besitzt außerhalb des Landes zahlreiche und ansehnliche Güter in den preußischen Provinzen Sachsen, [* 33] Brandenburg [* 34] und Preußen [* 35] (495 qkm); außerdem die Herrschaft Hertnek in Ungarn. [* 36]
Alle Staatsangehörigen sind vor dem Gesetz gleich und genießen gleiche Rechte und Pflichten. Der Landtag wird aus 36 Vertretern gebildet, von denen 2 der Herzog für die Dauer der Landschaftsperiode ernennt, 8 von den meistbesteuerten Grundbesitzern, 2 von den meistbesteuerten Handel- und Gewerbtreibenden, 14 von den übrigen Wahlberechtigten der Städte und 10 von den übrigen Wahlberechtigten des platten Landes gewählt werden. Wähler zum Landtag ist jeder Anhaltiner, welcher das 25. Lebensjahr überschritten hat, sich im Vollgenuß der bürgerlichen Ehrenrechte befindet, nicht unter Vormundschaft oder Kuratel steht, nicht im Konkurs befangen ist und nicht Armenunterstützung aus öffentlichen oder Gemeindemitteln bezieht oder im letzten der Wahl vorhergegangenen Jahr bezogen hat.
Stimmberechtigt zu den Wahlen der meistbesteuerten Grundbesitzer sind diejenigen Grundbesitzer, welche aus dem Grundeinkommen von innerhalb des Herzogtums belegenen Grundstücken 21 Mk. oder mehr zur Einheit der Ergänzungssteuer zahlen. Stimmberechtigt zu den Wahlen der meistbesteuerten Handels- und Gewerbtreibenden sind diejenigen Gewerbesteuerpflichtigen, welche 15 Mk. oder mehr zur Einheit der Ergänzungssteuer entrichten. Stimmberechtigt zu den Wahlen der Städte und des platten Landes sind alle, welche ¶
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die vorgedachten Erfordernisse besitzen, nicht zur Klasse der meistbesteuerten Grundbesitzer oder Handel- und Gewerbtreibenden gehören und zur Zeit der Aufstellung der Wahllisten ihren Wohnsitz innerhalb des Wahlbezirks haben. Wählbar, bez. landtagsfähig ist jeder, welcher die oben gedachten allgemeinen Erfordernisse besitzt und derjenigen Wählerklasse angehört, von welcher die Wahl erfolgt. Alle Wahlen erfolgen in geheimer Abstimmung durch Stimmzettel und nach absoluter Majorität der abgegebenen Stimmen. Zum Zweck der Wahlen der Abgeordneten für die Städte und das platte Land wählen die Wahlberechtigten aus ihrer Mitte Wahlmänner dergestalt, daß auf eine Zahl von 150 bis 200 Seelen ein Wahlmann entfällt. Die Abgeordneten werden von den Wahlmännern gewählt. Die Wahl erfolgt auf eine sechsjährige Landtagsperiode. Die Gemeinden sowie die Religionsgesellschaften verwalten ihre Angelegenheiten selbständig.
Oberste Behörde des Herzogtums ist das Staatsministerium, dessen sämtliche früher getrennte Departements seit 1870 unter Einem Staatsminister vereinigt sind, und welchem die Finanzdirektion, die Regierung, Abteilung des Innern, das Konsistorium (für evangelische Kirchensachen) und das Statistische Büreau, sämtlich zu Dessau, unterstellt sind. Als Immediatbehörde besteht neben dem Staatsministerium die Staatsschuldenverwaltung, deren Mitglieder zur Hälfte der Herzog, zur Hälfte der Landtag ernennt.
Eine früher in Köthen bestehende Generalkommission ist aufgelöst, die von derselben ressortierenden Separations- und Ablösungssachen sind durch Staatsvertrag vom an die Generalkommission in Merseburg [* 38] übergegangen. Von der Regierung hängen ab die Kreisdirektionen in den fünf Kreishauptstädten, unter deren Aufsicht die Ortspolizei durch die Amtsvorsteher besorgt wird; nur die Ortspolizeiverwaltungen zu Dessau, Köthen, Zerbst und Bernburg stehen unmittelbar unter der Regierung. Für die Rechtspflege bestehen als erste Instanz elf Amtsgerichte, die zweite Instanz bildet das Landgericht zu Dessau, in letzter Instanz entscheidet das Oberlandesgericht zu Naumburg. [* 39] - Die Finanzen des Herzogtums befinden sich in geordnetem Zustand. Während 1861 die Einnahmen der beiden Herzogtümer Anhalt-Dessau-Köthen und Anhalt-Bernburg 3,083,078 Thlr. betrugen, denen 3,077,313 Thlr. Ausgaben gegenüberstanden, ergab das Budget für 1. Juli 1884/85 für Einnahme wie für Ausgabe 17,948,000 Mk. Hauptposten sind:
Einnahmen: | Mark | Mark | |
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Domänen | 2946847 | Kultus | 145843 |
Steuern | 1631433 | Inneres | 2253971 |
Bergwerke | 3067740 | davon Unterricht etc. | 1549384 |
Sporteln | 1005964 | Justiz | 669045 |
Finanzen | 2572121 | ||
Ausgaben: | Bauwesen | 572121 | |
Staatsverwaltung | 519737 | Pensionen | 515725 |
Staatsschulden-Verw. | 329000 | Renten | 343478 |
Die für das Reich vereinnahmten und an dasselbe abgeführten Steuern betrugen 9,100,000 Mk. Die früher an das herzogliche Haus gezahlte Rente aus dem Domanialeinkommen, die 1871: 295,570 Thlr. betrug, ist seit 1872 in Wegfall gekommen, da mit diesem Jahr die Auseinandersetzung des herzoglichen Hauses mit dem Land hinsichtlich des Domaniums in Kraft [* 40] getreten ist. Die Staatsschuld belief sich ultimo Juni 1883 auf 5,125,646 Mk. (davon 772,604 Mk. unverzinslich), denen 4,087,737 Mk. Aktiva gegenüberstehen, so daß die Netto-Passivmasse 1,037,909 Mk. beträgt. 81,000 Mk. nicht eingelieferte Kassenanweisungen entfallen auf die unverzinsliche Schuld. - Im Militärwesen ist Anhalt bereits seit 1867 ganz mit Preußen verschmolzen.
Nach der Konvention vom 28. Juni d. J. wurde aus dem Kontingent von Anhalt das anhaltische Infanterieregiment Nr. 93 gebildet, welches die preußische Normalstärke (pro Bataillon 532 Mann mit 18 Offizieren im Frieden und 1034 Mann mit 22 Offizieren im Krieg) erhielt und der 7. Division des 4. Armeekorps zugeteilt ist. Das Landeswappen (s. Tafel »Wappen«) [* 41] ist ein zweimal gespaltener und dreimal quergeteilter Schild [* 42] und enthält somit zwölf Felder, von denen das zweite der zweiten Reihe das anhaltische Stammwappen bildet.
Dasselbe ist gespalten und enthält in der vordere silbernen Hälfte einen aus der Teilungslinie hervorgehenden halben roten Adler [* 43] (Brandenburg), die hintere Hälfte des Mittelschilds ist von Schwarz und Gold zehnmal quergestreift mit einem schrägrechts darüber gezogenen grünen Rautenkranz [* 44] (Sachsen). Die Landesfarben sind Rot, Grün und Weiß (gewöhnlich aber nur Grün und Weiß); die Militärkokarden nur grün. Als einziger Orden [* 45] besteht der Orden Albrechts des Bären, gestiftet (s. Tafel »Orden«). Hauptstadt des Herzogtums ist Dessau.
Geschichte.
Das Herzogtum Anhalt, dessen Bevölkerung [* 46] im Westen der Saale deutscher, im Osten dieses Flusses dagegen slawischer Herkunft ist, bildete seit den Zeiten Karls d. Gr. einen Bestandteil des fränkischen, später ostfränkischen Reichs. Es war in mehrere Gaue, wie Schwabengau, Nordthüringer Gau, eingeteilt und stand unter dem Befehl einer größern Zahl von Grafen. Das Christentum fand im westlichen Teil von Anhalt bald Eingang, nur bei der slawischen Bevölkerung im Osten behauptete sich bis zur Mitte des 12. Jahrh. das Heidentum.
Die erste umfassende Herrschaft hat in diesen Gegenden Markgraf Gero (s. d.), der Gründer des Stifts Gernrode, um die Mitte des 10. Jahrh. ausgeübt. Um 1020 wird als Abkömmling von dessen Schwester Hidda Graf Esiko von Ballenstedt, der Ahnherr des spätern anhaltischen Fürstenhauses und der Askanier, genannt. Er hatte von seiner Mutter sehr ansehnliche Allodien zwischen der Elbe und Saale ererbt. Sein Enkel Otto nannte sich zuerst Graf von Askanien und besaß außer seinen Stammbesitzungen, Ballenstedt und Aschersleben, [* 47] als Erbteil seiner Gemahlin Eilike, der jüngern Tochter des Herzogs Magnus von Sachsen, mit welchem der Mannesstamm der Billunger 1106 erlosch, einen Teil der Allodialgüter dieses Hauses.
Ottos Sohn Albrecht der Bär (1123-70), der erste Markgraf von Brandenburg, erweiterte seine anhaltischen Besitzungen durch Erwerbung des Plötzgaus und durch Unterwerfung der am rechten Elbufer im Zerbstischen wohnenden Slawen. Erbe dieser Gebiete war sein Sohn Bernhard (1170-1212, s. Bernhard 1), der, mit einem Teil der Heinrich dem Löwen [* 48] 1180 entzogenen Reichslehen bedacht, sich Herzog von Sachsen nannte. Seine Länder wurden unter seine Söhne so geteilt, daß der ältere, Heinrich, Aschersleben und die anhaltischen Besitzungen, der jüngere, Albrecht, Sachsen und Lauenburg [* 49] erhielt. Mit jenem, Heinrich I. (1212-1251), beginnt die eigentliche Geschichte Anhalts als eines selbständigen, reichsunmittelbaren Territoriums. Heinrich hinterließ 1251 sieben Söhne, von denen vier in den geistlichen Stand traten, die andern drei sich aber in die väterlichen Lande teilten, wodurch Heinrich II. Aschersleben und den Harz, Bernhard I. Bernburg und Ballenstedt, Siegfried I. ¶