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thun hat. Ursprünglich aus dem Bestreben hervorgegangen, für die Kenntnis des menschlichen Körpers Vergleichspunkte bei den ihm nahestehenden übrigen Säugetieren zu finden, hat sie sich namentlich in der Neuzeit über das ganze Tierreich erstreckt und ist so zu einem Teil der Zoologie (s. d.) im weitern Sinn geworden. Sie beschäftigt sich jedoch nur mit den ausgebildeten Formen, über Entstehung und Wachstum derselben verbreitet sich die Entwickelungsgeschichte; [* 2] beide zusammen aber behandeln den Bau des tierischen Körpers zu jeder Zeit seiner Existenz und werden daher als Morphologie bezeichnet.
In der anatomischen Technik, die sich aus der praktischen Anatomie entwickelte, unterscheidet man gewöhnlich, namentlich mit Bezug auf den Menschen, die Sektionen und das Präparieren. Unter Sektion (s. d.) versteht man die kunstgerechte Öffnung der drei großen Höhlen des menschlichen Körpers, verbunden mit der Untersuchung der in ihnen befindlichen Eingeweide [* 3] und Organe. Das Präparieren besteht in der kunstgerechten Trennung der einzelnen Teile voneinander, so daß sie ihrer Gestalt und Lage nach deutlich unterschieden werden können; man erhält so anatomische Präparate (s. d.) und stellt sie in den anatomischen Sammlungen oder Museen auf, bildet sie auch wohl in Wachs, Gips [* 4] etc. nach sowie auf den anatomischen Tafeln ab.
Die geschichtliche Entwickelung der Anatomie weist die leichtverständliche Thatsache auf, daß zuerst fast nur die Priester und Ärzte sich mit anatomischen Arbeiten befaßten. Bei den alten Griechen wurden nur Tierzergliederungen zu wissenschaftlichen Zwecken in größerer Ausdehnung [* 5] vorgenommen, und so hat auch Aristoteles in seiner »Naturgeschichte des Tierreichs« zahlreiche genaue Angaben über Tieranatomie niedergelegt. In der menschlichen Anatomie dagegen waren die alten Griechen und Römer [* 6] schlecht bewandert.
Hippokrates kannte nur Knochen [* 7] und Gelenke näher, verwechselte aber noch Sehnen und Nerven, [* 8] Arterien und Venen miteinander. In der von Ptolemäos I. zu Alexandria gestifteten medizinischen Schule (320 v. Chr.) scheint die menschliche Anatomie ihre erste Pflegstätte gefunden zu haben. Von dem in Rom [* 9] lebenden Arzt Galenus (geb. 131 n. Chr.), welcher ebenfalls in Alexandria studierte, weiß man nicht genau, ob er je eine menschliche Leiche sezierte; seine anatomischen Beschreibungen beziehen sich wohl alle auf Hunde [* 10] und Affen. [* 11]
Nichtsdestoweniger standen seine anatomischen Schriften das ganze Mittelalter hindurch im höchsten Ansehen. Erst mit Mondini, Professor zu Bologna, begann ein Aufschwung der Anatomie. Er zergliederte (1306) zuerst wieder zwei menschliche Leichen, und sein anatomisches Werk blieb gegen 200 Jahre lang fast ausschließlich im Gebrauch, zumal Papst Bonifacius VIII. diejenigen mit dem Kirchenbann belegte, die es wagten, einen Menschen zu zergliedern oder seine Gebeine auszukochen.
Eine neue Epoche der Anatomie beginnt im 16. Jahrh. mit dem berühmten Andreas Vesalius (geb. 1514; sein Werk »De corporis humani fabrica« erschien 1543),
dem sich Fallopia (mit seinen »Observatione anatomicae«) und Eustachio würdig anreihten. Von größter Wichtigkeit war die Entdeckung des Kreislaufs des Bluts durch den Engländer William Harvey (1578-1657); allmählich wurden auch die einzelnen Organe des menschlichen Körpers genauer bekannt und erhielten nicht selten Beinamen von den Forschern, welche sie auffanden (z. B. pancreas Aselli capsula Glissonii, ductus Stenonianus, nervus accessorius Willisii). Der erste, welcher das Vergrößerungsglas zum Zweck anatomischer Untersuchungen anwendete und so zum Schöpfer der mikroskopischen Anatomie wurde, ist Marcello Malpighi (1628-94). Die beiden Niederländer Leeuwenhoek (gest. 1723) und Swammerdam (gest. 1680) machten auf dem nämlichen Gebiet mannigfache Entdeckungen.
Auch die vergleichende Anatomie, die man in frühern Zeiten nur aus Mangel an menschlichen Leichen einiger Aufmerksamkeit gewürdigt hatte, fing nun an, als eigne Wissenschaft kultiviert und zur Aufklärung und Erweiterung der menschlichen benutzt zu werden. Insbesondere leisteten ihr die damals ins Leben tretenden gelehrten Körperschaften, die Royal Society in London [* 12] und die Académie des sciences in Paris, [* 13] großen Vorschub. In Italien [* 14] lebte um 1700 die seit Malpighis Tod schlummernde in Lancisi, Valsalva und seinen berühmten Schülern Santorini und Morgagni wieder auf. Besonders die Werke des letztern enthalten viele Bemerkungen aus dem ganzen Gebiet der Anatomie, und sein Buch über die pathologische Anatomie steht noch heute in Ansehen. Am meisten ragt jedoch in der damaligen Zeit Albrecht v. Haller (gest. 1777) hervor. Sein großes Werk »Elementa physiologiae« ist für die Anatomie vielleicht ebenso bedeutungsvoll wie für die Physiologie. Nach ihm sind zu nennen: J. F. ^[Johann Friedrich] Meckel (gest. 1774), Camper (gest. 1789), John Hunter (gest. 1793) und sein Bruder William, K. F. Wolff (gest. 1764), Wrisberg (gest. 1808), Mascagni (gest. 1815), Reil (gest. 1813), Bichat (gest. 1802). Letzterer gilt mit Recht als Begründer der Histologie (Gewebelehre), die allerdings erst seit dem Auftreten der Zellentheorie (Schleiden und Schwann) sich zu ihrer jetzigen Höhe aufgeschwungen hat. In unserm Jahrhundert sind als bedeutende Anatomen zu nennen: Sömmerring, Scarpa, Hildebrandt, Rosenmüller, Langenbeck, Tiedemann, E. H. Weber, Meckel, Henle, Arnold, Reichert, Hyrtl, Luschka.
Die beiden letztern haben auch auf dem Gebiet der chirurgischen Anatomie viel geleistet, während diese Richtung bis dahin vorzugsweise von den Franzosen Portal, Velpeau, Malgaigne, Pétrequin, Richet mit Erfolg bearbeitet worden war. Vorzugsweise als Histologen waren oder sind noch thätig: Joh. Müller, Purkinje, Rud. Wagner, Kölliker, Gerlach, Max Schultze, Waldeyer, His, Frey, Robin, Ranvier, Beale, Harting. Die pathologische Anatomie fand Berücksichtigung in den ersten Dezennien dieses Jahrhunderts vorzugsweise in Frankreich (Cruveilhier, Gendrin, Andral, Lobstein), seit 1840 jedoch in hervorragenderer Weise in Deutschland, [* 15] wo namentlich Rokitansky in Wien [* 16] und Virchow in Berlin [* 17] sie gepflegt haben.
Letzterer wandte zuerst die Zellenlehre auf sie an und wurde so der Schöpfer der sogen. Cellularpathologie. Von den Männern, welche sich um vergleichende Anatomie verdient gemacht haben, sind zu nennen: Cuvier, Et. Geoffroy Saint-Hilaire, J. F. ^[Johann Friedrich] Meckel, Bojanus, K. G. Carus, Rathke, R. Wagner, Bronn und vor allen Joh. Müller;
H. Milne Edwards, Leydig, Hyrtl, v. Siebold, R. Leuckart, O. Schmidt, Herting, E. Häckel, Th. Huxley, R. Owen und vor allen K. Gegenbaur.
Litteratur. Meckel, Handbuch der menschlichen Anatomie (Halle [* 18] u. Berl. 1815-20, 4 Bde.);
Cruveilhier, Traité d'anatomie descriptive (5. Aufl., Par. 1871-1878, 3 Bde.);
Krause, Handbuch der menschlichen Anatomie (3. Aufl., Hannov. 1876-80, 3 Bde.);
Arnold, Handbuch der Anatomie des Menschen (Freiburg [* 19] 1843-51);
Meyer, Lehrbuch der Anatomie des Menschen (3. Aufl., Leipz. 1873);
Sappey, Traité d'anatomie descriptive (3. Aufl., Par. 1876-78, 4 Bde.);
Quain, Handbuch der Anatomie (deutsch von Hoffmann, Erlang. 1869-71);
Henle, Handbuch der systematischen Anatomie des Menschen (Braunschw. 1871, 4 Bde.);
Hyrtl, Lehrbuch der Anatomie ¶
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des Menschen (16. Aufl., Wien 1882);
Langenbeck, Icones anatomicae (Götting. 1826-38);
Arnold, Tabulae anatomicae (Zür. 1838-43);
Froriep, Atlas [* 21] anatomicus (5. Aufl., Weim. 1865);
Bock, [* 22] Handatlas der Anatomie des Menschen (6. Aufl., Berl. 1871);
Cooper, Lectures on anatomy (Lond. 1835, 4 Bde.);
Malgaigne, Traité d'anatomie chirurgicale (2. Aufl., Par. 1859, 2 Bde.);
Richet, Traité d'anatomie medico-chirurgicale (5. Aufl., das. 1877);
Cuvier, Leçons d'anatomie comparée (2. Aufl., das. 1836-46, 9 Bde.);
Carus, Icones zootomicae (Leipz. 1857, Teil 1);
Owen, Comparative anatomy and physiology of the verte
brates (Lond. 1866-68, 3 Bde.);
Siebold und Stannius, Lehrbuch der vergleichenden Anatomie (Berl. 1845-48, 2 Bde.);
Gegenbaur, Grundriß der vergleichenden Anatomie (2. Aufl., Leipz. 1878);
Derselbe, Lehrbuch der Anatomie des Menschen (das. 1883);
O. Schmidt, Handbuch der vergleichenden Anatomie (8. Aufl., Jena [* 23] 1882);
Bergmann und Leuckart, Anatomisch-physiologische Übersicht des Tierreichs (Stuttg. 1851-53);
Milne Edwards, Leçons sur la physiologie et l'anatomie comparée de l'homme et des animaux (Par. 1857-81, 14 Bde.);
Huxley, Anatomie der Wirbeltiere (deutsch, Berl. 1873);
Derselbe, Grundzüge der der wirbellosen Tiere (deutsch, Leipz. 1878);
Franck, Handbuch der der Haussäugetiere (2. Aufl., Stuttg. 1884);
Wilckens, Form und Leben der landwirtschaftlichen Haustiere (Wien 1878);
Müller, Lehrbuch der der Haussäugetiere (3. Aufl., das. 1884);
Bendz, Körperbau und Leben der landwirtschaftlichen Haustiere (deutsch von Fock, Berl. 1876).
Auch für Künstler ist neben den praktischen Übungen in den Seziersälen und in den Vorlesungen (s. oben) das Studium der Anatomie durch eine Reihe von Werken mit theoretischen Anweisungen ermöglicht. Als dasjenige, welches die Bedürfnisse der Künstler am meisten und in klarster Darstellung berücksichtigt, ist Karl Langers der äußern Formen des menschlichen Körpers« (Wien 1884) zu empfehlen. Das ausführlichste und gründlichste ist E. Harleß' »Lehrbuch der plastischen Anatomie für akademische Anstalten und zum Selbstunterricht« (2. Aufl. von Rob. Hartmann, Stuttg. 1876),
unter besonderer Berücksichtigung der Anthropologie; es erfordert indessen ein sehr eindringliches Studium. Als Ergänzung zu beiden Werken dient Chr. Roths »Plastisch-anatomischer Atlas zum Studium des Modells und der Antike« (Stuttg. 1872). Speziell an die Künstler wenden sich auch Anatomie Frorieps »Anatomie für Künstler« (Leipz. 1880),
M. Duvals »Anatomie artistique« (Par. 1881). In Akademien und Kunstschulen sind zum Zweck des Anschauungsunterrichts auch große Wandtafeln mit anatomischen Normalfiguren (z. B. dem Borghesischen Fechter) eingeführt.