zunächst nicht begriffene ähnliche (analoge)
Fälle (ubi eadem ratio legis, ibi eadem dispositio). Die Analogie ist wohl zu unterscheiden
von der ausdehnenden
Erklärung (extensiven
Interpretation) eines
Gesetzes, d. h. der
Ausdehnung
[* 2] eines
Gesetzes auf
Fälle, welche
zwar nach dem Wortlaut desselben nicht darunter begriffen zu sein scheinen, doch aber demSinne nach darunter
fallen, indem der Gesetzgeber die
Fälle allerdings mit im
Auge
[* 3] und nur die Fassung des
Gesetzes zu eng genommen hatte.
Man unterscheidet zwischen Rechtsanalogie und Gesetzesanalogie, je nachdem der
Geist der ganzen
Gesetzgebung, des ganzen Rechtssystems
oder nur einer einzelnen gesetzlichen Bestimmung beider wissenschaftlichen
Operation der Analogie zu
Grunde gelegt
wird. Unstatthaft ist die Analogie bei singulären
Rechten, besonders bei Privilegien. Das
Strafrecht steht in betreff der Zulässigkeit
der Analogie mit dem
Zivilrecht nicht in gleichem
Verhältnis. Denn im
Strafrecht gilt der
Grundsatz: Es kann keine
Handlung bestraft
werden, die nicht mit
Strafe bedroht ist (nulla poena sine lege);
es bleibt also hier dem
Richter in den
Fällen, wo das
Gesetz eine Strafandrohung enthält, nur der Ausweg, dahin zu entscheiden, daß kein
Verbrechen anzunehmen sei.
Gleichwohl konnte die Analogie, wenigstens die Rechtsanalogie, bei der Unvollständigkeit des frühern gemeinen deutschen
Strafrechts auch auf diesem Gebiet nicht entbehrt werden. Die neuere Strafgesetzgebung aber und namentlich
das deutsche
Reichsstrafgesetzbuch (§ 2) schließen die Analogie vollständig aus.
(griech.), die des
Lesens und Schreibens unkundigen
Personen, deren Zahl, verglichen mit der Gesamtbevölkerung
eines
Landes, zwar keinen ausreichenden
Maßstab
[* 4] für die
Bildung eines
Volks abgibt, aber doch, weil jene
Elementarkenntnisse Grundbedingungen für den
Erwerb von
Bildung sind, im
Verein mit andern
Faktoren einen sehr bedeutsamen Fingerzeig
für den durchschnittlichen Kulturzustand eines
Volks zu geben im stande ist. Mit der Ermittelung der betreffenden
Zahlen hat
man sich in den verschiedenen Kulturstaaten erst in neuester Zeit (seit
ca. 20
Jahren) beschäftigt und
diese
Beobachtungen auch auf solche
Länder ausgedehnt, welche europäischen Einflüssen mehr und mehr ausgesetzt werden. So
wird für
Britisch-Ostindien die Zahl der Analphabeten auf 95, ja in einigen Teilen
(Pandschab,
Zentralindien) selbst auf 99 Proz. angegeben.
Dagegen sollen in dem noch immer ziemlich scharf abgeschlossenen
China,
[* 5] dessen
Sprache
[* 6] außerordentliche
Schwierigkeiten besitzt, nur 90 Proz. Analphabeten sein.
In den Kulturstaaten
Europas und
Amerikas hat mit Verbesserung des
Schulwesens,
Einführung des obligatorischen Schulbesuchs und
Vermehrung gemeinnütziger Anstalten für
Volksbildung die Zahl der Analphabeten mehr
und mehr abgenommen. Ziffermäßig genau ist diese Abnahme, wie die Zahl der Analphabeten überhaupt,
nirgends nachzuweisen; doch besitzt man annähernd zutreffende und zur vergleichenden Beurteilung der Zustände der einzelnen
Länder geeignete Anhaltspunkte.
Man hat ferner, um ein richtigeres
Bild des Bildungszustandes eines
Volks zu gewinnen, die noch nicht schulpflichtigen
Kinder
ausgeschieden und die
Erhebungen vom sechsten Jahr, in den
Vereinigten Staaten
[* 21] vom zehnten Jahr an begonnen. Bei dieser Klassifizierung
fand man, daß von der Gesamtbevölkerung Analphabeten entfielen auf je 100 Einw.
in:
Die verhältnismäßig sehr hohe Zahl der in den
Vereinigten Staaten erklärt sich aus dem äußerst niedrigen Bildungszustand
der
Neger; 1880 waren unter 100
Weißen 9,19, unter 100
Schwarzen aber 67,63 Analphabeten. Erfreulich ist, daß überall
die Zahl der in der Abnahme begriffen ist, in
Italien seit 1861 um 19 Proz., in
Ungarn-Siebenbürgen seit 1869 um 4,5, in
Kroatien-Slawonien
um 1 Proz., in noch stärkerm
Maß in andern
Ländern. Von Heiratskandidaten vermochten den Heiratskontrakt
nicht zu unterschreiben auf 100 Eheschließungen:
Wie aus dieser Zusammenstellung ersichtlich, stehen die
Männer weniger nachteilig da als die
Frauen. Mit
Berücksichtigung dieses
Gesichtspunktes läßt sich die Zahl der Analphabeten überhaupt in den nachfolgenden
Ländern beurteilen, in
welchen
Erhebungen über die Militärpflichtigen gemacht worden sind. Es waren unter je 100 Konskribierten in:
Was die gemeinrechtliche
Stellung der Analphabeten betrifft, so besteht für dieselben die Vorschrift, daß sie bei der Errichtung eines
Privattestaments außer den vorschriftsmäßigen sieben Testamentszeugen noch eine
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mehr
achte Person als subscriptor (zum Unterschreiben) hinzuziehen müssen, während sie nach preußischem Landrecht nur mündlich
zu Protokoll testieren können. Macht sich die Unterschrift eines Analphabeten bei einer Behörde nötig, so wird dieselbe durch ein
Handzeichen, meistens drei Kreuze, ersetzt, welches aber von dem Betreffenden Beamten attestiert werden muß.