mehr
Disziplinarstraferkenntnisse im geordneten Instanzenzug einräumen. Steigert sich aber die
Verletzung der Amtspflicht zu einer
Verletzung der staatlichen Rechtsordnung überhaupt, so reicht eine im Verwaltungsweg zu verhängende
Disziplinarstrafe nicht
aus, sondern strafrechtliche Verfolgung und eine durch das Strafgesetz normierte öffentliche
Strafe müssen Platz greifen.
Derartige
Fälle werden als Amtsverbrechen
im eigentlichen
Sinn bezeichnet. Dabei ist jedoch zu beachten, daß nicht
jedes
Verbrechen, welches ein
Beamter begeht, auch ein Amtsverbrechen
ist.
Ein solches liegt vielmehr nur dann vor, wenn das
Verbrechen eine
Verletzung der besondern Amtspflicht des Beamten involviert.
Nur findet zwischen dem von einem Beamten begangenen gemeinen
Verbrechen und seinem Amtsverhältnis insofern
ein Zusammenhang statt, als ein solches
Verbrechen regelmäßig die Unfähigkeit zu öffentlichen Ämtern und den Verlust
derselben nach sich zieht. Zuweilen bezeichnet die Strafgesetzgebung auch ein an und für sich gemeines
Verbrechen ausdrücklich
als ein Amtsverbrechen
, wenn es von einem Beamten begangen wurde, und setzt dafür eine besondere
Strafe fest; so
das deutsche
Reichsstrafgesetzbuch (§ 340, 342, 339, 350) in Ansehung der von einem Beamten in Ausübung oder in Veranlassung
der Ausübung seines
Amtes vorsätzlich begangenen
Körperverletzung, eines unter gleichen Verhältnissen begangenen Hausfriedensbruchs,
einer
Erpressung oder
Nötigung durch
Mißbrauch der amtlichen
Gewalt oder durch Androhung eines solchen, endlich auch
in Ansehung einer
Unterschlagung von
Geldern und andern
Sachen, welche ein
Beamter in amtlicher
Eigenschaft empfangen oder im
Gewahrsam hatte.
Das Strafgesetzbuch versteht dabei unter Beamten im allgemeinen alle im Dienste [* 2] des Reichs oder in unmittelbarem oder mittelbarem Dienst eines Bundesstaats auf Lebenszeit, auf Zeit oder nur vorläufig angestellten Personen, ohne Unterschied, ob sie einen Diensteid geleistet haben oder nicht, desgleichen die Notare. Doch treten in einigen besondern Fällen auch die Geschwornen, Schöffen, Schiedsmänner und Schiedsrichter, Geistliche und andre Religionsdiener, Anwalte und Rechtsbeistände hinzu.
Im einzelnen führt das
Reichsstrafgesetzbuch folgende Amtsverbrechen
auf:
Annahme von
Geschenken von seiten eines Beamten für
eine in sein
Amt einschlagende,
an sich nicht pflichtwidrige
Handlung,
Bestechung (s. d.), insbesondere diejenige eines
Richters,
Schiedsrichters,
Geschwornen oder
Schöffen, Parteilichkeit bei Leitung oder
Entscheidung einer
Rechtssache und vorsätzliche
Verhängung einer Untersuchung über
Unschuldige. Ebenso wird der Beamte bestraft, welcher vorsätzlich eine ungerechte
Strafe
vollstrecken läßt
(Zuchthaus bis zu fünf
Jahren), während eine fahrlässige Handlungsweise in dieser
Beziehung mit
Gefängnisstrafe oder
Festungshaft bis zu einem Jahr oder
Geldstrafe bis zu 900 Mk. geahndet wird.
Auch die vorsätzliche Pflichtverletzung durch Nichtausübung der
Strafgewalt ist mit
Strafe bedroht, desgleichen die
Befreiung
eines Gefangenen durch vorsätzliches oder fahrlässiges Verhalten eines Aufsichtsbeamten. Auch die Anwendung
von Zwangsmitteln, um einen Angeschuldigten zu einem
Geständnis oder überhaupt bei einer amtlichen
Vernehmung jemand zu einer
Aussage zu bestimmen, wird streng geahndet. Zu den Amtsverbrechen
gehört ferner der
Fall, daß ein
Beamter,
Advokat,
Anwalt oder sonstiger
Rechtsbeistand bei der
Erhebung von
Gebühren, Vergütungen,
Steuern und
Abgaben sich zu eignem Vorteil einer
Übervorteilung schuldig macht, oder daß ein
Beamter, welcher
Steuern,
Gebühren oder andre
Abgaben für eine öffentliche
Kasse
zu erheben hat,
Abgaben,
von denen er weiß, daß der Zahlende sie überhaupt nicht oder nur in geringerm Betrag schuldet,
erhebt und das rechtswidrig Erhobene ganz oder zum Teil nicht zur
Kasse bringt.
Endlich sind noch eine
Reihe von Strafbestimmungen für besondere Berufsklassen und deren Amtsverbrechen
gegeben, so für die Öffnung
und Unterdrückung von
Briefen von seiten eines
Postbeamten
(Gefängnisstrafe nicht unter drei
Monaten),
Verfälschung, Unterdrückung,
Offenbarung von
Depeschen seitens eines
Telegraphenbeamten (dieselbe
Strafe),
Prävarikation (s. d.) eines
Advokaten,
Anwalts oder
sonstigen
Rechtsbeistandes und pflichtwidrige Eheschließung durch
Geistliche oder Standesbeamte
(Zuchthaus bis zu fünf
Jahren).
Ferner wird ein Religionsdiener, welcher zu den religiösen Feierlichkeiten einer Eheschließung schreitet, bevor ihm nachgewiesen worden ist, daß die Ehe vor dem Standesbeamten abgeschlossen worden, mit Geldstrafe bis zu 300 Mk. oder mit Gefängnis bis zu drei Monaten bestraft. Zu diesem Amtsverbrechen wurde später infolge des Kulturkampfes auch noch das Vergehen des Kanzelmißbrauchs (s. d.) hinzugefügt. Endlich ist auch noch des sogen. Arnim-Paragraphen (§ 353a des Strafgesetzbuchs) zu gedenken, der jener bekannten Affaire des Fürsten Bismarck mit dem vormaligen Botschafter des Deutschen Reichs in Paris, [* 3] dem Grafen Harry von Arnim, seine Entstehung verdankt, welch letzterm um deswillen der Prozeß gemacht wurde, weil er gewisse Aktenstücke aus dem Botschaftsarchiv an sich genommen hatte.
Hiernach soll nämlich ein Beamte im Dienste des auswärtigen Amtes des Deutschen Reichs, der die Amtsverschwiegenheit dadurch verletzt, daß er ihm amtlich anvertraute oder zugängliche Schriftstücke oder eine ihm von seinem Vorgesetzten erteilten Anweisung oder deren Inhalt andern widerrechtlich mitteilt, mit Gefängnis bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bis zu 5000 Mk. bestraft werden. Gleiche Strafe trifft den mit einer auswärtigen Mission betrauten oder bei einer solchen beschäftigten Beamten, welcher den ihm durch seinen Vorgesetzten amtlich erteilten Anweisungen vorsätzlich zuwiderhandelt oder in der Absicht, seinen Vorgesetzten in dessen amtlichen Handlungen irre zu leiten, demselben erdichtete oder entstellte Thatsachen berichtet.